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Das nach dem Reichstag in Berlin wohl wichtigste Gebäude in der Hierarchie bürgerlicher Staatsbauten im wilhelminischen Kaiserreich dürfte das Reichsgericht in Leipzig gewesen sein.

Ähnlich wie bei beim Reichstag hatte es mehr als eines Jahrzehntes bedurft, bis die Planung

182A. W. Wcissman in der Ausgabe vom 5. Dezember 1884, zitiert nach: Hoogewoud 1974, S. 348 183Algemeen Handelsblad vom 2. Dezember 1884, zitiert nach Hoogewoud 1974, S. 348

184Brief Bruno Schmitz' vom 17. September 1884 an das Linzer Baukomitee, Linz. OÖLA. AM, Sch. Nr. 82

seitens der Regierungsbehörden soweit gediehen war, daß ein Wettbewerb für diesen riesigen Verwaltungsbau ausgeschrieben werden konnte.

Die Architektenschaft wartete anscheinend schon etwas ungeduldig auf die Ausschreibung, was man der Ankündigung dem amtlichen "Centralblatt der Bau Verwaltung" entnehmen kann: "Die Preisbewerbung für Entwürfe zu dem neuen Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, welcher schon seit einiger Zeit mit Spannung entgegengesehen wurde, ist, wie unsere Leser aus der Bekannt­

machung des Staatssecretärs des Reichs-Justizamts in dem heutigen Anzeiger d. Bl. ersehen, nunmehr ausgeschrieben, und es sind alle deutschen Architekten zur Betheiligung an derselben eingeladen."185 Die Ausschreibung begann zwar noch während der laufenden Konkurrenz um das Amsterdamer Börsengebäude, doch war der Wettbewerb bis zum 15. Februar 1885 offen und "fällt in eine für derartige Arbeiten günstige Zeit, so daß äußere Hindernisse für eine Betheiligung an diesem Wettkampf wohl nur wenigen entgegen stehen dürften."186 Im Preis­

richterkollegium saßen neben fünf Juristen die sechs Architekten Herrmann, Endeil und Jacobsthal aus Berlin, Siebert/München, Canzier/Dresden und Leins/Stuttgart. Von der

"Deutschen Bauzeitung" wurde ein sachverständiges Urteil erwartet, da unter den Architekten

"vorzugsweise solche höheren Baubeamten sich befinden, die in ihrer amtlichen Thätigkeit Gelegenheit gehabt haben, mit den Bedürfnisssen eines Gerichtshauses aufs vollständigste sich vertraut zu machen."187 Auch die ausgesetzten Preise ließen eine rege Beteiligung erwarten: es wurden ein erster Preis in Höhe von 8.000 Mark, zwei zweite Preise zu 4.000 Mark und zwei dritte Preise zu je 2.000 Mark ausgesetzt. Die Redaktion der "Deutschen Bauzeitung" ermun­

terte die Architekten zur Teilnahme an diesem Wettbewerb und räumte mögliche Bedenken we­

gen der den meisten Architerkten wohl nicht geläufigen besonderen Funktionszusammenhänge eines Gerichtsgebäudes aus: "Die Aufgabe selbst gehört ihrem Wesen nach zwar nicht zu den­

jenigen, welche der gestaltenden künstlerischen Phantasie einen besonders weiten Spielraum gewähren, ist aber trotz alledem eine ganz dankbare, zumal durch eine lichtvolle Abfassung des Bauprogramms und eine besondere Erläuterung des beim Reichsgericht üblichen Geschäfts- Verfahrens in trefflicher Weise dafür gesorgt ist, daß die Bewerber mit den Grundlagen der.

Lösung vollkommen vertraut sich machen können."188 Insgesamt gingen 117 Projekte ein, die vom 14. bis zum 28. März 1885 in Leipzig ausgestellt wurden.189

Der von Bruno Schmitz und August Hartei eingereichte Entwurf (Abb. 88, 89) trägt wieder im wesentlichen die Handschrift Bruno Schmitz'. Der Grundriß ist so angelegt, daß die Beleuch­

tung aller Räume gewährleistet ist; insofern scheint das Büro Hartei & Schmitz aus der Kritik an dem Wiesbadener Rathausentwurf gelernt zu haben. Für die Disposition der Bauteile folgt

185CB, 4. Jg., Berlin 1884, S. 381 186DBZ, 18. Jg., Berün 1884, S. 448 187Ebenda

188Ebenda

189DBZ, 19. Jg., Berün 1885, S. 128

daraus allerdings eine sehr starke Abweichung von einem geschlossenen System, wobei infol­

gedessen die "zweckmäßige Verbindung und Zusammenfassung der Räume Schwierigkeiten bereitet hat."190

Die Hauptfassade des Gebäudes wird durch einen imposanten Mitteltrakt dominiert, der nach oben durch einen kubischen, fast turmartig zu nennenden Bauteil mit Flachkuppel abgeschlos­

sen wird. Die aufwendige Treppenanlage, in die auch ein Reiterstandbild auf hohem Sockel mit einbezogen ist, sowie die weit ausschwingende Unterfahrt nehmen die gesamte Höhe des Sockelgeschosses ein. In der Mitte ist der Fassade eine sechssäulige Tempelfront mit

Dreiecksgiebel und vergrößertem mittlerem Intercolumnium vorgelagert, die - abgesehen von ihrer Nobilitierungsfunktion - nicht nur die wirkungsvolle Folie für das Reitermonument bietet, sondern auch die Unterfahrt für Wagen überdacht. Über dem Eingang in das Gebäude ist ein Mosaik- oder Relieffries vorgesehen gewesen. Diese Tempelfront wird durch jeweils eine Wandachse eingefaßt. Im Hauptgeschoß tragen zwei halbrunde Säulen einen Triglyphenfries.

In dieses Feld ist eine rundbogig geschlossene Öffnung eingestellt, die am Fuß des Bogens durch einen waagrechten Sturz geteilt wird. Über dem Triglyphenfries befindet sich in dieser Achse des Mittelteils ein Wandfeld mit Inschrifttafel, das bis in die Höhe der Kapitelle der Tempelfront reicht. Dieser Mittelteil der Fassade wird eingefaßt durch turmartige Pavillons, die den Dreiecksgiebel weit überragen. Das Hauptgeschoß ist durch rustizierte Pilaster eingefaßt und ist, der anschliessenden Wandachse ähnlich, zweiteilig auf gebaut. Nur befindet sich hier über dem Triglyphenfries keine geschlossene Wandfläche, bzw. eine Tafel, sondern eine rechteckige Öffnung, in die zwei konsolartige Pfosten eingestellt sind. Über einer mehrfachen Rückstufung liegt ein weiteres Geschoß dieses Bauteils, das zur Fassade hin eine von zwei Figuren gerahmte Tafel trägt, in den seitlichen Wänden befinden sich gerahmte Thermenfen­

ster. Die Wand dieses Geschosses ist durch einfache Lagerfugen gegliedert, über dem

Schlußstein des Thermenfensters verläuft ein waagrechtes Band. Die Wände werden durch ein umlaufendes Konsolgesims abgeschlossen, über dem sich in den Ecken vier Baluster erheben, die ihrerseits eine große, auf einem quadratischen Sockel stehende Figurengruppe rahmen.

Zwischen diesen >Türmen< und den Eckpavillons der Hauptfassade sind siebenachsige Fassadenkomplexe gelegt, die über dem durch Lagerfugen markierten und mit einfachen Rechteckfenstem versehenen Sockelgeschoß das Wandsystem der Achse neben der Tempel­

front aufnehmen. Über dem Triglyphengesims befindet sich hier eine glatte Attikazone mit skulpiertem Schmuck über den halbrunden Säulen zwischen den Achsen. Die Eckpavillons der Hauptfassade sind nur im Sockelgeschoß den anderen Bauteilen angeglichen und recht frei gestaltet. Im Sockelgeschoß befindet sich eine Brunnenanlage mit halbrundem, vorgelagerten Bassin und Figurenschmuck. Dem Eckpavillon sind zwei vollrunde Säulen kompositer 190Karl Schäfer: Die Preisbewerbung für Entwürfe zum Reichsgerichtshause in Leipzig, VI, in: ZB. 5. Je.

1885, S. 149-152. hier S. 150

Ordnung vorgestellt, die - auch in der Höhe - denen der Tempelfront des Eingangs

entsprechen. Diese großen Säulen flankieren eine Nische mit mehrfiguriger Skulpturengruppe, die durch einen auf zwei kleineren Säulen ruhenden profilierten Rundbogen gerahmt wird. Der Eckpavillon wird durch ein kräftig profiliertes Gesims, und an der Seite zur Hauptfassade durch eine hohe Attika abgeschlossen. Über den Säulen stehen vor der Attika zwei Figuren, die vier Ecken des Pavillons werden von vier Obelisken bekrönt, von denen die beiden rechten auch als Teile der Nebenfassade aufzufassen sind.

Die Nebenfassaden des weitläufigen Gebäudes sind ungefähr nur halb so breit wie die Hauptfassade und erwecken den Eindruck größerer Geschlossenheit. Die einzelnen Bauteile sind weder derartig in die Tiefe gestaffelt noch entwickeln sie so starke Höhenunterschiede wie die der Hauptfassade.

Die Gestaltung des Sockelgeschosses entspricht derjenigen der Hauptfassade. Auch ist in den Achsen des Hauptgeschosses dasselbe System angewendet. Der Mittelrisalitist wird durch ru- stizierte Pilaster eingefaßt, wobei in den beiden oberen Geschossen wieder die großen

Komposit-Säulen eine Bogenarchitektur einfassen. Im wesentlichen entspricht diese innere Bogenarchitektur derjenigen des Eckpavillons in der Hauptfassade, doch ist hier nicht eine aufwendige Figurengruppe angebracht, sondern lediglich eine Einzelfigur in einer kleineren Bogenstellung, über der ein Thermenfenster den großen Rundbogen füllt. Die Säulen stehen auf hohen Sockeln, die die Höhe des gesamten Sockelgeschosses einnehmen und das Portal flankieren. Über dem Traufgesims, vor der Attika, stehen über den Säulen wiederum zwei Figuren, die hohe Attika wird von einer Sitzgruppe bekrönt und seitlich von zwei Obelisken flankiert. Die Eckrisalite der Seitenfassade, die ja zugleich die Seiten der Pavillons der Haupt­

fassade bilden, sind von einfacherem Zuschnitt. Sie übernehmen das leicht geänderte System der turmartigen Mittelrisalit-Einfassungen der Hauptfassade, indem sie im Hauptgeschoß ein von Pilastern flankiertes Rundbogenfenster mit eingezogenem Horizontal-Sturz tragen und im darüber befindlichen Geschoß eine Rechtecköffnung mit konsolartigen Pfosten. Beide

Öffnungen sind in der Waagrechten aber nicht durch ein Triglyphenfries getrennt, sondern durch ein in der selben Höhe befindlichen Omamentfries.

Entscheidend für den Gesamteindruck der Nebenfassade ist aber, daß die gesamte Fassaden­

wand bis zur vollen Höhe der Seitenrisalite resp. Eckpavillons hochgezogen ist, wobei das kräftige Gesims durchläuft. Die dadurch entstandene freie Fläche hat Bruno Schmitz dazu genutzt, zwei monumentale Friesfelder über den jeweils vier Achsen seitlich des Mittelrisalites anzubringen. Insgesamt ist eine äußerst reichhaltige Ausschmückung des Gebäudeäußeren feststellen. Auch wenn keine Erläuterung des ikonographischen Programms erhalten ist, wird man doch nicht fehl gehen, wenn man Bruno Schmitz eine ausführliche inhaltliche Auseinander­

setzung mit den Themen >Gerechtigkeit<, >Geschichte< und >Nation< unterstellt. Ähnliche Gedankenkreise hatten ihn sicherlich auch schon bei dem Vittorio-Emanule-Denkmal und

nachweislich ja schon bei dem Gebäude des Linzer Museums beschäftigt. Die recht großzügige Anlage nicht nur mancher Einzelteile (Reiterstandbild) sondern die Komposition des gesamten Gebäudekomplexes gibt im Zusammenwirken mit dem ausführlich entwickelten ikonogra- phischen Programm dem Gebäude auch etwas Wuchtiges, Denkmalartiges.

Bruno Schmitz und August Hartei konnten mit ihrem Entwurf keinen der ausgesetzten Preise erringen. Wie oben erwähnt, hatte die Redaktion ja zu Bedenken gegeben, daß diese Bau­

aufgabe der künstlerischen Phantasie "kein besonders weiten Spielraum gewähren" würde, das Urteil der Preisrichter war für sie eine große Enttäuschung: "Selten aber dürfte die Ent­

täuschung größer gewesen sein, als sie das das Ergebniss dieser letzten Preisbewerbung durch die im Leipziger >Krystallpalast< veranstaltete öffentliche Ausstellung der 119 eingegangenen Entwürfe den Fachgenossen bereitet hat."191 Die Art und Weise der Ausschreibung hätten darauf hingewiesen, daß man "in erster Linie auf eine eigenartige künstlerische Gestaltung des Bauwerks Gewicht lege. In diesem Sinne und in der Ueberzeugung, dass es bei dem Hause für den höchsten Gerichtshof Deutschlands um ein, wenn auch nicht völlig gleichwerthiges

Seitenstück zum Reichshause sich handle, ist eine namhafte Anzahl hervor ragender Baukünstler an die Arbeit heran getreten. Die von fast allen Besuchern der Ausstellung mit größter Ueberraschung aufgenommene Entscheidung der Preisrichter erweckt dagegen den Anschein, als ob man auf künstlerische Gesichtspunkte erst in letzter Reihe geachtet und Entwürfe bevorzugt habe, welche die praktischen Forderungen der Aufgabe in möglichst schlichter aus dem Rahmen des in amtlichen Kreisen "Landesüblichen" nicht wesentlich hervor tretender Form zu lösen bestrebt waren."192 Die Redaktion stellte auch in Rechnung, daß die Anwesenheit von fünf "hohen Justizbeamten" zu dem Ergebnis wohl beigetragen haben dürfte.

Aus dieser Unzufriedenheit heraus stellte die "Deutsche Bauzeitung" neben den Entwürfen der Preisträger eben auch solche vor, die vielleicht in Einzelheiten vom Bauprogramm abgewichen waren, aber eine künstlerische Bearbeitung des Entwurfs vorgelegt hatten. Zu diesen Entwür­

fen wurde auch das Projekt Bruno Schmitz’ und August Harteis gezählt, und so wurde es mit einer Ansicht und einem Grundriß in des Blatt aufgenommen. Immerhin wurde der

Schmitzsche Entwurf als ebenbürtige künstlerische Leistung angesehen wie die Projekte bereits etablierter und angesehener Architekten wie Georg Frentzen, Hubert Stier oder Friedrich Thiersch. Die Beschreibung in der "Deutschen Bauzeitung" erwähnt nicht nur die Verteilung der Funktionen innerhalb des Gebäudes, sondern auch die äußerst gekonnte zeichnerische Darstellung, und hebt auch den Denkmal-Charakter des Gebäudes hervor. Da es ansonsten keine genaueren Erläuterungen oder andere Ansichten dieses Projektes gibt, sei die

Beschreibung hier vollständig angeführt: "Bruno Schmitz u. August Hartei in Leipzig haben für ihre Arbeit, in welcher das Reichsgerichtshaus, mehr als von irgend einem anderen Bewerber 191DBZ, 19. Jg., Berlin 1885, S. 149

192Ebenda

geschehen, im Sinne eines Denkmalbaues aufgefasst ist. eine Anlage durchgeführt, welche in dem tiefen Mittelbau und den beiden seitlichen Flügeln zweigeschossig, in den beiden je einen offenen Hof umschließenden Zwischenbauten aber nur eingeschossig ist. Der Grundgedanke der Raumvertheilung ist aus der auf S. 165 mitgetheilten Skizze zu ersehen; sämmtliche Sitzungssäle sind in dem nach hinten vorspringenden Mittelflügel vereinigt, die kleineren sym­

metrisch zur Seite des großen Saals bezw. nach dem nördlichen Vorhofe liegend. So

interessant jener Grundgedanke auch ist, so sind bei der Durchführung desselben doch manche sehr erhebliche Schwächen in praktischer Beziehung unbeseitigt geblieben. Ob den Raum- Anforderungen überall hat genügt werden können, möchten wir bezweifeln: jedenfalls ist der Zusammenhang der Räume stellenweise ein etwas lockerer und die Beleuchtung der Korridore des Mittelbaues, namentlich im Sockelgeschoss eine zum Theil ungenügende; auf Einzelheiten, wie z.B. auf die Lage des Festsaals am Ende der Präsidenten-Wohnung einzugehen, lohnt sich kaum. Liegt doch der Schwerpunkt der Arbeit durchaus in der architektonischen Entwickelung der mit Aufbietung der reichsten Mittel, namentlich eines mit wahrhaft verschwenderischer Hand ausgestreuten Skulpturenschmuckes, ausgestalteten Aufbaues, dem die Ausbildung der Halle im Innern würdig zur Seite steht. Und mag man immerhin der Ansicht sein, dass dieser Aufbau, von dem unsere Illustrations-Beilage eine perspektivische Skizze giebt, für den Maaßstab der Anlage etwas zu stark gegliedert und unruhig ist, so wird man doch mit aufrich­

tigster Bewunderung die Kraft der künstlerischen Phantasie und die meisterhafte Beherrschung der Form anerkennen müssen, die sich in in der durch manche Züge unwillkürlich an den Schmitzschen Entwurf zum Victor-Emanuel-Denkmal erinnernden Schöpfung ausspricht.

Ungetheilte Bewunderung erregte bei allen sachverständigen Besuchern der Ausstellung die Darstellung des in zarten blauen Tönen getuschten Entwurfs, die unter den übrigen Arbeiten ihres gleichen nicht fand. "193

Die "Fachgenossen” vom "Centralblatt der Bauverwaltung" sahen in einer kurzen Erwähnung mehr die Unstimmigkeiten des Entwurfs und haben dessen Bewegtheit als der Bauaufgabe nicht angemessen kritisiert: "Im Gegensatz zu dieser geschlossenen Anlage haben sich Schmitz u. Hartei für einen aufgelösten Flügelbau entschieden, was hinsichtlich einer gleichmäßig guten

Beleuchtung aller Theile von Vortheil gewesen ist, jedoch der zweckmäßigen Verbindung und Zusammenfassung der Räume Schwierigkeiten bereitet hat. Der Aufbau ist in hohem Grade Phantasie- und wirkungsvoll, dürfte aber mit dem eigenartigen Auf- und Nebeneinander seiner Baumassen zu den hier in Betracht kommenden Begriffen von monumentaler Ruhe und Würde nicht völlig passen."194

193DBZ, 19. Jg., Berlin, S. 175 194CB. 5. Jg., Berlin 1885, S. 150

Leipzig, Gesellschaftshaus des Vereins "Harmonie", 1885 (Entwurf)

Ebenfalls aus der Büro-Gemeinschaft Hartei & Schmitz stammen die Entwürfe für das Klubhaus des Vereins "Harmonie" in Leipzig, der einen offenen Wettbewerb ausgeschrieben hatte. Das Ende der Ausschreibung war - laut "Deutscher Bauzeitung" - auf den 31. März 1885 gesetzt worden; die beiden Preissummen betrugen 2.000 und 1.000 Mark. 195

Den ersten Preis konnte die Ateliergemeinschaft nicht erringen, dieser ging an den Leipziger Architekten Arved Rosbach, aber ihr Entwurf mit Variante wurde als einer von fünf der 40 ein­

gegangenen Projekte lobend erwähnt. Hartei und Schmitz hatten, wie einige andere Wettbe­

werbsteilnehmer auch, sogar drei Entwürfe ausgearbeitet, die - in verschiedenen Stilen gehalten - dem Verein, bzw. der Jury, zur Wahl vorgelegt wurden: "Als hervorragende Entwürfe

werden uns noch die drei Pläne der Architekten Hartei & Schmitz in Leipzig (in italienischer und deutscher Renaissance sowie im >Zopfstil< . . . ) genannt."196 Von diesen Entwürfen ist lediglich der letzgenannte nachweisbar. Im zweiten Jahrgang der "Architektonischen Rund­

schau" von 1886 (Abb. 90, 91) ist ein Ausschnitt der perspektivischen Fassadenansicht

aufgenommen.197 Der Entwurf geht allein auf Bruno Schmitz zurück, wie es die Beschriftung unten rechts nennt: "entw. + gez. Bruno Schmitz April 85." Das von Schmitz eingesetzte Datum widerspricht auf den ersten Blick der in der "Deutschen Bauzeitung" erschienenen Mel­

dung des Wettbewerbendes. Meiner Meinung nach handelt es sich hier um eine Eintragung nach dem Ende das Wettbewerbs198, möglicherweise ist die Zeichnung auch eine Neufassung oder Wiederholung für die Publikation.

Aus der Zeichnung geht auch die Plazierung des Baus im Stadtbild hervor: Im Hintergrund ist in flüchtiger Skizzierung das gerade (1883-1884) errichtete Gebäude des "Leipziger Panorama- Gesellschaft" zu erkennen, das nach den Plänen des Architekten Hermann errichtet worden war; im Keller berherbergte es eine Wienstube und im Erdgeschoß ein Speiselokal.199 Eine leichte Korrektur des tatsächlichen Baus hat Bruno Schmitz vorgenommen, indem er das Gebäude in der Darstellung etwas gestreckt hat, um es so in besseren Einklang mit dem von ihm entworfenen "Harmonie"-Gebäude zu bringen; ansonsten aber hat er das in Renaissance- Formen erstellte Gebäude recht getreu wiedergegeben (Abb. 92). Auch in diesem Blatt sind wieder Staffage-Figuren Schmitzscher Fabulierlust zu sehen, die in der Kostümierung dem

"Zopfstil" angeglichen sind.

195DBZ, 19. Jg., Berlin 1885, S. 80 196DBZ, 19. Jg., Berlin 1885, S. 184 197AR, 2. Jg.. Stuttgart 1886, Taf. 79

198Wettbewerbsentwürfe durften ja in den meisten Fällen keine Signatur tragen und wahrscheinlich hätte Hartei sich damit auch nicht einverstanden erklärt.

'"Stephan Oettermann: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt 1980. S. 199.

Abb. 142

Sollte der Gesamtentwurf eine symmetrische Fassadenkomposition vorgesehen haben, so wäre das Vereinshaus von sehr stattlicher Größe gewesen; sieben breit angelegte Achsen hätten in zwei Voll geschossen und einem sehr hohen Sockelgeschoß (das fast einem Erdgeschoß gleich­

kommt) der Fassade den vertikalen Rhythmus gegeben; die Vertikale der Fassade wurde auch noch durch reich profilierte und gefelderte Faschen betont.

Seitlich wurde der Bau von zwei Risaliten eingefaßt, die in der Gestaltung vom sonstigen System, vor allem in den beiden unteren Geschossen, abweichen. Im Sockelgeschoß des Risalits waren zwei Fenster und eine Tür vorgesehen, ansonsten befanden sich im Sockel­

geschoß relativ einfache, gekuppelte Rechteckfenster. Die Fenster des >piano nobile< waren bis auf das der Mittelachse über dem Portal halbrund geschlossen und mit einem reich geschmückten Rundgiebel überdacht.

Das Portal, von zwei stämmigen Atlanten flankiert, trug einen segmentbogigen, gesprengten Giebel, auf dem zwei nicht näher zu bestimmende weibliche Figuren lagern; im Giebel ein Rechteckfenster, das von einer durch Putten gehaltenene Kartusche bekrönt wird. Die Fenster des Obergeschosses haben eine einfachere, profilierte Rahmung, der Sturz ist in zwei

gegenständigen Voluten mit einem "ZopfstiF-Feston gegeben.

Die nur leicht vorgezogenen Risalite sind von rustizierten Lisenen eingefaßt, über dem Dreitakt der Sockelgeschoß-Öffnungen wird das Motiv einer Serliana variiert, wobei die seitlichen Öffnungen durch einen schulterbogenartigen Sturz abgeschlossen sind; darüber erhebt sich (wahrscheinlich in Relief) ein halbkreisförmiges Muschelfeld erhebt. Der Mittelteil der Serliana wird in seinem halbrunden Abschluß von Voluten-Konsolen des darüber befindlichen Balkons eingefaßt, der seinerseits durch große, hochrechteckige und bis zu den Muschelfeldem rei­

chende Wandfelder mit verzierten Füllungen gerahmt wird.

Das Traufgesims ist an der Unterseite kassettiert und wird über jeder Achse von drei kleinen Konsolen getragen. Darunter befinden sich zwischen den Fensterstürzen jeweils in Relief zwei gekreuzte Wappenschilde, die sich in der Fernsicht wohl zu einem plastischen Friesband zu­

sammengeschlossen hätten. Die Attika wird von einer seitlich durch Obelisken begrenzten Balustrade eingenommen.

Der Gesamteindruck eines breit gelagerten Gebäudes mit kräftiger Reliefwirkung in der Fassadenbildung, vor allem durch die Fensterbekrönungen und das Traufgesims, erinnert in der Tat an Formen von Palästen des 18. Jahrhunderts, mit denen sich - nach Auffassung des Architekten - ein bürgerlicher Verein des späten neunzehnten Jahrhunderts hätte auch umgeben können.

Das Angebot dreier Stilrichtungen für die Fassadengestaltung konnte den möglichen

Auftraggebern zeigen, daß der Architekt die Formensprache historischer Stile gut beherrschte, und daß der Entwerfer sich also nach dem Geschmack des Bestellers in qualitätvoller Weise zu

Auftraggebern zeigen, daß der Architekt die Formensprache historischer Stile gut beherrschte, und daß der Entwerfer sich also nach dem Geschmack des Bestellers in qualitätvoller Weise zu