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Leipzig. Reichsgericht, 1885

Leipzig, Gesellschaftshaus "Harmonie, 1885 Dresden. König-Johann-Straße. Häuser, 1885 Dekoration einer Gartenecke (Dresden?), 1885

Amsterdam, Börse, 1884 (Entwurf)

Die Auseinandersetzung um den Neubau der Börse in Amsterdam zog sich über viele Jahre hin, weil sich die Absichten verschiedener Interessengruppen kreuzten. Den einen ging es darum, Amsterdam mit großen Straßen auszustatten, damit es genauso >modem< wie etwa Paris werde, unter ihnen befanden sich auch einige Grundstücksbesitzer, andere wieder wollten das gewordene Stadtbild Amsterdams als Gesamterscheinung erhalten, eine Forderung, die damals wirklich modern war; zu dieser Gruppe zählte beispielsweise Hendrik Petrus Berlage (1856-

1939). Für die große Dauer der Börsen-Frage war zusätzlich noch der ästhetische Streit der Architekten verantwortlich, die sich nicht einigen konnten, ob für die Fassadengestaltung des öffentlichen Gebäudes die "Holländische Renaissance" des 17. Jahrhunderts oder aber der Klassizismus in Frage kam.178

Diese Andeutungen einer sehr komplexen Situation mögen hier genügen, denn für die sich hin­

ziehende Diskussion waren die ausländischen und die meisten holländischen Wettbewerbs­

teilnehmer nicht verantwortlich und mit dem weiteren Verlauf des Wettbewerbs nach 1884 hatte Bruno Schmitz nichts mehr zu tun (s.u.).

In einer vorbereitenden Initiative wurden Ende 1879 die Architekten durch den Stadtrat von Amsterdam auf gefordert, kostenfreie Vorschläge für den künftigen Standort zu machen.

Immerhin kamen 23 solcher Vorschläge zusammen, die einer Kommission als Grundlage für die weitere Planung dienen konnten. Man entschied sich für das Gebiet am Damrak zwischen Papenbrugsteeg und Oudebrugsteeg.

Am 30. Juni 1884 wurde der Wettbewerb ausgeschrieben, sein Ende wurde auf den

1. November desselben Jahres gelegt. Die Jury war von Anti-Klassizisten majorisiert, was sich dann auch im Ergebnis sehr deutlich niederschlug. Acht der zehn mit Preisen ausgezeichneten Entwürfe variierten die Neo-Gotik oder die Holländische Renaissance. Innerhalb von fünf Tagen hatten die Preisrichter sich durch die 199 Einsendungen, bestehend aus 1592 Zeich­

nungen, durchgearbeitet; das veranlaßte einen Journalisten vom "Algemeen Handelsblad", in der Nummer vom 26. November 1884 die Rechung aufzustellen, daß das Kollegium der

178Dies und das folgende nach: Guido Hoogewoud: De Amsterdamse Beursprijsvraag van 1884. in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 1974, Bd. 25, S. 277-365; weiterhin zitiert als: Hoogewould 1974.

Juroren sich für jeden Entwurf zwei Minuten und zwölf Sekunden Zeit genommen habe.179 Sämtliche Entwürfe der Konkurrenz wurden im Rijksmuseum vom 27. November bis zum 13.

Dezember 1884 ausgestellt.

Mit dem Preis von jeweils 1000 Gulden wurden folgende Architekten ausgezeichnet: A.G.

Rives / Paris, J. VOLLMER / Berlin, O.Hieser / Wien, TH. SANDERS & H.P. BERLAGE/

Amsterdam, A.Wielemans / Wien, F. Peteghem / Lookeren & J.G. Mouton Den Haag, L. KLINGENBERG & E. TAUSCHENBERG / Bremen, B.Schmitz & A. Hartei / Leipzig, J. GROLL/Amsterdam & F. Ohlmann / Wien, L. CORDONIER / Rijssel.

Fünf der zehn in der obigen Aufzählung hervorgehobenen Preisträger wurden zu einem enge­

ren Wettbewerb eingeladen, der 1885 stattfinden sollte. Die weitere, sehr wechselvolle Geschichte der neuen Börse von Amsterdam kann hier nicht berichtet werden. Es sei hier nur erwähnt, daß schließlich im Jahre 1896 H.P. Berlage in geheim gehaltener Einzelvergabe der Auftrag zum Neubau erteilt wurde, der ihm später so viel Anerkennung einbringen sollte; mit dem Bau wurde schließlich 1897 begonnen und 1903 war er fertiggestellt.180

Der von Bruno Schmitz und August Hartei eingereichte Entwurf (Abb. 84) trug das Motto

"Lieven de Key". Lieven de Key (1560 - 1627) war einer der wichtigsten holländischen Archi­

tekten des frühen 17. Jahrhunderts, der wohl als erster frühbarocke Bauformen in Holland einführte.

Auf dem länglichen, durch das Programm vorgeschriebenen Grundriß hatte Bruno Schmitz einen Bau aus Natur- und Backsteinen vorgesehen, wobei er im Gegensatz zu den anderen Preisträgern eine freiere Interpretation der holländischen Baukunst des 17. Jahrhunderts an­

wandte. Er hat versucht, eine ungefähr symmetrische Gesamtanlage zu errichten, wobei der dominante Mittelbau von einer flachen Kuppel in Glas/Eisen-Konstruktion überwölbt wurde.

An diesen großen, breitgelagerten Bau schloßen sich Bauteile zu beiden Seiten an, deren linker einem städtischen Bürgerhaus ähnelt; der rechte Anbau hat einen turmartigen Aufbau und erin­

nert dadurch eher an ein kleines Rathaus. Da in dem Programm die Bauhöhe nicht festgelegt worden war, hatten manche Entwürfe noch viel größere Türme gezeigt als der Entwurf von Bruno Schmitz.181

Der dreiachsige Mittelbau wird seitlich von zwei pylonenartigen Aufbauten mit skulpturalem Schmuck eingefaßt. Diese Einfassungen reichen weit in die Dachzone, der Figurenschmuck überragt sogar die Kuppel. Über den drei Geschossen spannt sich zwischen den beiden rah­

menden Pylonen ein großer Segmentbogen. In allen drei Geschossen ist die Wandfläche durch die verschiedenen Öffnungen weitgehend aufgelöst. Jeweils ein von einer Ädikula gerahmtes 179Hoogewoud 1974, S. 287

180Hoogewoud 1974, S. 330. Die weitverbreitete Ansicht, daß Berlage als Wettbewerbssieger beauftragt worden sei, ist nicht korrekt. Dieser Darstellung folgt z.B.: Henry-Russell Hitchcock: Architecture: Nineteenth and Twentieth Centuries, Harmondsworth 1971, S. 447 (1. Aufl. 1958) (=The Pelican History of Art)

181Hoogewoud 1974. S. 301

Portal befindet sich im Erdgeschoß der vier Pylonen. Eine reiche Beschlagwerk-Omamentik ist der Fassade appliziert, figürliche Ausschmückung tritt nur auf den Abschlüssen der Pylonen - bei den äußeren sind es kugeltragende Atlanten - und im Bogenfeld unter der Kuppel auf.

Im Erdgeschoß, das in der gesamten Breite durch ein Gesims abgeschlossen wird, befinden sich dreiteilige Fenster, die über dem mittleren Teil noch ein kleines gekuppeltes Recht­

eckfenster tragen, das seinerseits durch Relieffelder gerahmt wird. Darüber erheben sich, über zwei Geschosse reichend, hohe Termenfenster mit einer horizontalen Unterteilung in der Mitte.

Vermutlich befindet sich dahinter ein großer Saal, so daß die waagrechte Teilung der Fenster nicht auf eine Geschoßtrennung zurückzuführen sein dürfte. Die Mittelachse des Risalits wird in der Senkrechten durch Anbringung von plastischem Schmuck über den die Achsen

trennenden pfeilerartigen Wandstücken betont.

Die vierachsigen, sich an den Mittelrisalit beidseitig anschließenden Bauteile des Hauptge­

bäudes werden durch Pylonen eingefaßt, die denjenigen des Mittelrisalites in der Gestaltung bis in Traufenhöhe gleichen, die aber einen anderen, niedrigeren plastischen Abschluß tragen.

Die Erdgeschosse des Hauptbauteils tragen einfache gekuppelte Rechteckfenster mit vierteili­

gem Oberlicht. Im ersten Obergeschoß sorgen große Biforienfenster für die Beleuchtung. Über jedem Biforium sind zwei kleine Biforienfenster angeordnet, anscheinend durch eine nach hin­

ten verlaufende Schräge von diesem abgesetzt. Auch diese Fassadenwände enthalten deutliche senkrechte Akzente, denn die pilasterartigen, die Achsen trennenden Wandstücke werden bis in die Dachzone weitergeführt, an Fialen erinnernd.

Bruno Schmitz und August Hartei beschränkten sich in ihrem Entwurf darauf, einen relativ niedrigen und flachgestreckten Komplex vorzuschlagen. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, die mit hohen Türmen und fünfgeschossigen Gebäudeteilen aufwarteten und damit oft auch eine starke Zergliederung des Gesamtgebäudes als kompositionelles Element verbun­

den haben, haftet diesem Bau eine schönlinige Eleganz an, die den Stilprinzipien der ansonsten im Entwurf verwendeten Baudetails nicht entsprechen. Diese im Entwurf enthaltene Gegensätz­

lichkeit war auch den Zeitgenossen aufgefallen. So war in einem Bericht des späteren Stadt­

architekten von Amsterdam, der zunächst wieder die zeichnerische Virtuosität des Entwurfs anerkennt, über die Ausstellung der Entwürfe in der Zeitung "De Amsterdamer" zu lesen: "Die freien Zeichnungen von ’Lieven de Key’ rufen die Bewunderung eines jeden hervor, der weiß, wie mühselig es ist, mit einer so sicheren Hand und doch soviel Lockerheit Stift und Pinsel zu führen. Doch wir müssen bekennen, daß auch hier das meisterliche Zeichenwerk nur die Fahne ist, die die Ladung deckt. Alles, was die niederländische Baukunst an Ornamenten anbieten kann, wurde bei diesem Entwurf verwendet; Giebelchen, Türmchen und Kreuzstockfenster

spielen die Hauptrolle in dieser Komposition, wobei auch ab und zu die italienische Renaissance um die Ecke schaut."182

Eine zweite überlieferte Stimme zu dem Schmitzschen Entwurf äußert sich noch kritischer: "Ein Versuch, im Stil des Landes zu bleiben, der jedoch nicht immer geglückt ist. Große gedrungene Bogen wie von einem Bahnhofsgebäude. Die Türme sind nicht frei. Eine Scheinkuppel, die von außen nirgends zu sehen ist."183

Besonders die Bemerkung über die zeichnerischen Fertigkeiten in der Darstellung des Projektes legen den Schluß nahe, daß der Entwurf von Bruno Schmitz stammt. Zieht man außerdem in Erwägung, daß Bruno Schmitz in dem Brief an das Baukomitee in Linz geschrieben hat, daß er die "Direction des Ateliers" übernommen habe und daß Hartei für die Ausführung zuständig sei, so spricht auch diese Situation für eine Urheberschaft Bruno Schmitz'184. Des weiteren weisen sowohl die Gesamtdisposition als auch stilistische Einzelformen besonders des zentra­

len, als symmetrische Halle gebildeten, Gebäudeteils auf Bruno Schmitz.

Er hat auch an diesem Entwurf anscheinend bis zum Abgabetermin gearbeitet, denn zumindest in einem Detail weicht der Grundriß (Abb. 85, 86) von der mitgelieferten Seitenansicht ab; hier sind die Seitenwände der beiden Türme im Erdgeschoß an der rechten Seite des Planes ge­

schlossen, wogegen im Grundriß mehrstufige Zugänge auf beiden Seiten eingetragen wurden.

Aus dem Situationsplan (Abb. 87) ist ersichtlich, daß Bruno Schmitz eine Verbindung des neuen Gebäudes mit der alten Umgebung vorgesehen hatte. Auf der linken Planseite ist der Fassadenarchitektur ein kleines Rondell, vermutlich mit Brunnen, und eine Wandgestaltung zu erkennen, die durch zwei Rundpfeiler oder Fahnenmasten eingefaßt wird und in ihrer Mitte ebenfalls einem Brunnen oder einem Denkmal Platz bietet. Auf der anderen Gebäudeseite hatte der Architekt eine Parkanlage vorgesehen, die von der Börse aus über einige hinabführende Stufen zu erreichen war. In den beiden Armen des Weges waren zu Seiten einer großen, zentra­

len Brunnenanlage mit umgebendem Beet zwei Obelisken oder zwei Denkmäler vorgesehen. In einigem Abstand nach rechts befinden sich hier noch einmal zwei Fahnenmasten.