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Die Geschichte dieser Konkurrenz aus den Jahren 1891-1892 wurde zum ersten Mal 1977 durch Gerhard Bott erörtert, der in seinem Aufsatz den Nachweis erbringen konnte, daß im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Museumsarchitektur nicht damiederlag, sondern "daß viel­

mehr die in der ersten Hälfte des Saeculums gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickelt wur­

den."393 Diese Weiterentwicklung sei besonders im "Bautypus für eine gemischte Sammlung,

3920skar Hoßfeld: Das Kaiser Wilhelm-Denkmal an der Westfälischen Pforte, in: Zeitschrift für Bauwesen, 47. Jg., Berlin 1897, Sp. 363-370

393Gerhard Bott: Der Wettbewerb für einen Museumsneubau in Darmstadt 1891, in: Bernward Deneke/ Rainer Kahsnitz: Das kunst- und kulturgeschichtliche Museum im 19. Jahrhundert. Vorträge eines Symposiums im Germanischen National-Museum Nürnberg, München 1977, S. 193-204 (=Studien zur Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 39); weiterhin zitiert als: Bott 1977

bestehend etwa aus naturwissenschaftlichen, kulturhistorischen und kunstgeschichtlichen Abteilungen" zu erkennen. Die Sammlungen des hessischen Großherzogs, die schon durch Goethe in seiner Schrift "Über Kunst und Alterthum in den Rhein-Mayn-Gegenden" 1816 ge­

würdigt worden waren,394 entsprachen diesem Sammlungstyp weitgehend. Im Jahr 1820 faßte der hessische Großherzog Ludewig I. seine Sammlungen zu einem "Museum" zusammen und stiftete sie dem hessischen Staat, was zum Zweck und zur Folge hatte, daß sie von jedermann im Darmstädter Schloß besichtigt werden"395 konnten. Das ständige Anwachsen dieser reich­

haltigen Sammlungen veranlassten den hessischen Landesherm schließlich, im Jahr 1886 eine

"Commission für den Neubau des Großherzoglichen Museums" einzusetzen, die zur Vor­

bereitung einer Wettbewerbausschreibung Planungsgrundlagen erarbeiten sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die sehr reichhaltigen großherzoglichen Sammlungen immer noch im

Residenzschloß verblieben. Die Kommission kam zu dem Urteil, daß ein um zwei innere Höfe gruppiertes Gebäude am sinnvollsten sei; als künftiger Standort wurde ein Grundstück aus großherzoglichem Besitz auf dem Gelände des "Herrengartens" vorgeschlagen.396 Am 8.

Dezember 1891 erfolgte die Ausschreibung durch das hessische Innenministerium397, jedoch berichtete die Fachpublizistik erst im Januar 1892 über diesen Wettbewerb, sodaß man davon ausgegen kann, daß erst nach den Meldungen der Fachpresse Bruno Schmitz an dem Entwurf gearbeitet hat. Im "Centralblatt der Bauverwaltung" wurde im Januar 1892 berichtet398, daß fünf Architekten zu dem Wettbewerb aufgefordert worden seien, die auch mit einem Honorar rechnen könnten. An der Konkurrenz jedoch könne sich darüberhinaus jeder Archtekt, aller­

dings ohne Anspruch auf ein Honorar, beteiligen. Kurz darauf nannte die "Deutsche Bau­

zeitung" die eingeladenen Architekten: Thiersch/ München, Schmieden & Speer/ Berlin, Manchot/ Mannheim, Sommer/ Frankfurt und Neckelmann/ Stuttgart und erwähnte die Jurymitglieder, unter denen sich neben zwei hohen Ministerialbeamten und dem

Museumsdirektor Schleiermacher die Architekten Egle/Stuttgart, Durm/Karlsruhe, Canzler/

Dresden, Wagner/ Darmstadt, Marx/Darmstadt399 und Kreyssig/Mainz400 befanden. Die Art der Ausschreibung sah sich der Kritik ausgesetzt, jedoch wurde das Verfahren einer

"beschränkten Wettbewerbung" zumindest seitens der "Deutschen Bauzeitung" gut geheißen.401 Außer den eingeladenen Architekten beteiligten sich nur noch 15 Entwerfer an der Konkurrenz,

394Vgl. Bott 1977, S. 193

^Ausstellungskatalog (Bearb. Fritz Fischer) "Das Darmstädter Landesmuseum von Alfred Messel. Skizzen, Entwürfe, Fotografien, 1891-1906", Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, 4. Dezember 1986 bis 1. März

1987, S. 5

396Bott 1977, S. 198 397Bott 1977, S. 198

398CB, 12. Jg., Berlin 1892, S. 32 399CB, 12. Jg., Berlin 1892, S. 40 400DBZ. 26. Jg., Berlin 1892, S. 68 401DBZ, 26. Jg., Berlin 1892, S. 68

unter ihnen auch Bruno Schmitz. Die Jury tagte am 28. Juli 1892 und sprach den Projekten von Neckelmann und von Schmieden & Speer je einen ersten Preis und dem Entwurf der Berliner Architektengemeinschaft Schulz & Möller den zweiten Preis zu.

In einer Besprechung der Entwürfe wurde betont, daß die meisten Arbeiten von gutem Niveau seien, daß sie bis auf einen auch ausführbar gewesen seien, "wenn sich die Verfasser eine grös­

sere Zurückhaltung in der Anbringung architektonischen Schmuckes auferlegt hätten",402 da die Ausschreiber durch die vorgesehene Bausumme einen schlichten Bau empfohlen hätten.

Positiv wird hervorgehoben, daß sich die Darstellung der Entwürfe "nicht in großen Prunkblättem oder bunten Aquarellen" bewege403; "es ist vielmehr bei den besten zur schlichten Federzeichnung mit Zuhülfenahme von etwas Tusche oder neutralen Farbtönen gegriffen. Flott und mustergültig sind in dieser Beziehung die Darstellungen von Neckelmann und Bruno Schmitz."404 Es sei hier daran erinnert, daß in jenen Jahren immer wieder darüber geklagt wurde, daß die Entwürfe durch zu großen Aufwand in der Darstellung vom eigentlichen Sinn, der Präsentation eines architektonischen Entwurfes, abgekommen seien; dieser Vorwurf war ja bei dem Linzer Projekt auch gegen die Entwürfe Bruno Schmitz' erhoben worden.

Anläßlich der "Jubiläumsausstellung der bildenden Künste in Berlin" war im "Centralblatt" am Schluß der Besprechung zu lesen: "Gar nicht aber vermögen wir uns einverstanden zu erklären mit der Ausstattung der erwähnten sechs Schaubilder. Die Malfertigkeit des Verfassers voll anerkennend und weit entfernt, den Werth einer tüchtigen Darstellung zu unterschätzen, müssen wir unsere Ansicht dahin aussprechen, daß ein Haschen nach billigen, weil übertriebenen Effecten, wie es hier vorliegt, Anerkennung nicht verdient. Die Beleuchtung, in welcher der Künstler seine Architektur und Landschaft vorführt, mag in der libyschen Wüste möglich sein, ist es aber sicherlich nicht in Rom, die Farben, die das Gebäude aufweist, aber sind sämtlich unwahr. Es würde sehr zu bedauern sein, wenn der Verfasser mit seiner Darstellungsweise Schule machen sollte. Diese Weise trägt mehr als eine andere die Gefahr in sich, daß dem Darstellenden das Nebensächliche zur Hauptsache und das, worauf es ankommt, die liebevolle Durcharbeitung der eigentlichen Aufgabe, zum Beiwerk wird."405

Ein großer Teil der Entwürfe wurde in einer Publikation dokumentiert, die auf 25 Tafeln Abbildungen von vierzehn der neunzehn Projekte enthält. Allerdings sind die

Wettbewerbsunterlagen nicht komplett wiedergegeben, so ist z. B. der Schmitzsche Entwurf lediglich mit einer perspektivischen Ansicht (Abb. 190) und zwei Grundrissen (Abb. 191, 192) vertreten. Beide Darstellungen ermöglichen jedoch eine Beschreibung dieses

^CB, 12. Jg., Berlin 1892, S. 377 403Ebenda

404Ebenda, S. 377f.

403CB, 6. Jg., Berlin 1886, S. 336. Als Beispiele wurden hier Entwürfe von B. Sehring angesprochen.

Museumsgebäudes, das sich sowohl vom Linzer Museum als auch von dem Projekt für Stockholm deutlich unterscheidet.

Der Kopfbau mit der Hauptfassade ist ein breit gelagertes zweigeschossiges Gebäude zu fünf­

zehn Achsen, wobei die mittleren drei Achsen verbreitert und als Pavillon gestaltet sind, dessen seitliche Einfassungen als senkrechte Bänder leicht vorspringen und so eine leichte Risalit­

bildung vortäuschen können. Im Erdgeschoß ist ein Vorbau dem Portal vorgelagert, dessen Fassade eine Interpretation des Palladiomotivs bildet; dieser Vorbau ist flach abgeschlossen, eine Balustrade begrenzt eine vom ersten Obergeschoß aus zu betretende Freifläche, vier

Figuren sind an deren Vorderseite aufgereiht. Im Obergeschoß reichen die mittleren drei Achsen über die Traufe hinaus, die Ecken der Attika sind durch zwei figural geschmückte pylonenartige Aufsätze markiert.

Sockel- und Erdgeschoß besitzen eine Rustika, das Erdgeschoß ist durch halbrund nach oben geschlosseene Fenster belichtet, die durch zwei vertikale Pfosten gegliedert sind; im

Obergeschoß sind es querrechteckige Fenster mit Mittelpfosten. Die äußeren Achsen sind ohne Öffnung, sie tragen eine von Figuren eingefaßte Inschrifttafel. Die Seitenfassade des Kopfbaus hat in ihrer Mitte einen mit Dreieckgiebel bedeckten Risalit, an den sich seitlich jeweils eine Achse anschließt. Diesem Fassaden-Kopfbau ordnete Bruno Schmitz einen zweiten, einfacher gestalteten Bauteil in paralleler Ausrichtung zu; beide Teile sind durch einen kurzen Arm so miteinander verbunden, daß der Grundriß in Form eines liegenden "H" zustande kommt. Die dadurch entstandene Hoffläche ist in der Flucht der Seitenfassaden durch eine mehrteilige Portalanlage abgeschlossen. Im Gutachten der Preisrichter heißt es zu diesem Entwurf: "Bei Br.

Schmitz (Berlin) zeigt der Grundriß des Entwurfes keinen Binnenhof, ist vielmehr, ähnlich wie bei Schmieden u. Speer, in Form eines "H" geplant und sehr zweckmäßig, einfach und klar an­

geordnet. Das Preisgericht bedauert, daß der umbaute Rauminhalt das zulässige Maß über­

schreitet und der Plan daher für die vorgeschriebene Summe nicht ausführbar wäre; es zollt der maßvollen und wirksamen Gestaltung der Architektur volle Anerkennung, obwohl es dieselbe für ein Museumsgebäude für etwas zu schwer gegliedert hält."406 Die "Deutsche Bauzeitung"

gab nicht nur das Urteil der Jury wieder, sondern äußerte sich auch selbständig zur inneren Disposition des Entwurfs: "Der in Doppel-T-Form gegebene, in einfacher, wuchtiger und schwerer Steinarchitektur mit Anklängen an die Thermen gehaltene Entwurf von Bruno Schmitz kämpft mit dem Missstande, der sich, entgegen den vorhandenen natürlichen Bedingungen, durch Verlegung der naturhistorischen Sammlungen in den nördlichen Gebäudetheil und der kunsthistorischen in den südlichen ergibt. Die der Eigenartigkleit der naturhistorischen Sammlung angepasste architektonische Gestaltung derselben erschwert zudem eine Verschie­

bung einzelner Sammlungstheile, wie sie der Neckelmann'sche Entwurf so geschickt in's Auge

406CB, 12. Jg., Berlin 1892, S. 378

gefasst hat."407 Bruno Schmitz war nicht der einzige Teilnehmer, der die Bausumme über­

schritten hatte, und die Jury versuchte diesem Mißstand durch die Empfehlung abzuhelfen, die Preisträger und den Teilnehmer Opfermann zu einem zweiten, geschlossenen Wettbewerb ein­

zuladen. Dieser Vorschlag gelangte nicht zur Ausführung, da im Jahr 1893 Großherzog Ludwig IV. starb und sein Nachfolger, der neue Großherzog Emst Ludwig, den gebürtigen Hessen Alfred Messel mit der Ausfühmng des Museumsneubaus beauftragte; dieses Gebäude, das heutige Hessische Landesmuseum, wurde am 27. November 1906 eröffnet.408