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Performanz des frühromantischen Wissens über Kommunikation

3. Performanz des frühromantischen Kommunikationswissens

3.7 Ironische Kommunikation

Das Konzept der Ironie stellt neben der Poetik des Fragments den zweiten häufigen Angriffspunkt der gegen die Frühromantik gerichteten Kritik dar. Um nur eine prominente Stimme anzuführen, sei hier die Schlusspassage aus Georg W.F. Hegels Behandlung der Ironie in seiner Ästhetik angeführt:

[D]em Publikum gefalle diese Gemeinheit und das zum Teil Läppische, um Teil Charakterlose nicht. Und es ist gut, daß diese gehaltlosen, sehnsüchtigen Naturen nicht gefallen; es ist ein Trost, daß diese Unredlichkeit und Heuchelei nicht zusagt und den Menschen dagegen ebensosehr nach vollen und wahrhaften Interessen verlangt als nach Charakteren, die ihrem gewichtigen Gehalte treu verbleiben.681

Hegels Kritik der in der frühromantischen Ironie sich manifestierenden ‚Unredlichkeit’ lässt sich vor dem Hintergrund der oben erläuterten Restriktionen des Fragmentarischen auch als ein Unbehangen an der Ironie als einer kommunikativen Technik „mit Anschlüsse irritierendem Charakter“682 betrachten. Ins kommunikationstheoretische Vokabular übersetzt, kann man das negative Bild der frühromantischen Ironie folgendermaßen charakterisieren:

Sage etwas so, daß die Form der Mitteilung das, was sie mitteilt, konterkariert, oder sorge dafür, daß der Adressat deiner Mitteilung nicht sicher entscheiden kann, ob er an der Mitteilung oder an der Information anschließen soll, weil die Mitteilung die Information invertiert!683

Hinsichtlich dieser Verwirrung stiftenden Potenz der Ironie argumentiert Hegel in seiner kritischen Position eben mit der – seiner Meinung nach verständlichen – Absenz einer

681 Hegel, Georg W.F.: Vorlesungen über die Ästhetik I. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von 1832-45 neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer u. Markus Michel. Bd 13. Frankfurt a.M. 1970; S. 98.

682 Fuchs, Peter: Moderne Kommunikation, a.a.O.; S. 92.

683 ebd.; S. 92f.

positiven Resonanz beim Publikum und stellt die angebliche Gehaltlosigkeit der Produkte des ironischen Denkmodells in ausdrückliche Differenz zu den ‚vollen und wahrhaften Interessen’ der intellektuellen Tätigkeit. In dieser Einschätzung wird der Ironie jedweder Erkenntniswert abgesprochen.

Bei einer derartigen Einschätzung wird der eigentliche Stellenwert der Ironie im Rahmen der frühromantischen Poetik übersehen.684 Das Konzept der Ironie ist unmittelbar mit dem poetischen Programm des ‚Darstellens des Undarstellbaren’ verbunden. Es sei hier zunächst noch einmal an dieses Verfahren erinnert. Im Rahmen dieses Projektes wird das Unverfügbare bzw. das ‚Unendliche’ angestrebt, bei gleichzeitigem Bewusstsein, dass nur Endliches ausgesprochen werden kann. Das Streben nach sprachlicher Vergegenwärtigung des direkt nicht Zugänglichen wird also von der Erkenntnis begleitet, dass die Verfahren einer referierenden Sprache dafür nicht ausreichen. Wenn man also in einem Versuch, das

‚Undarstellbare’ darzustellen „die von der Form des Sagbaren abgesteckten Grenzen des Mitteilbaren respektieren und doch überschreiten will“, so muss man nach Manfred Frank

„das Gesagte als das nicht eigentlich Gemeinte fühlbar machen“.685 Und eben das leistet das Verfahren der Ironie. Es handelt sich dabei zunächst um eine Strategie, mit deren Hilfe man etwas Bestimmtes sagt, gleichzeitig aber andeutet, dass ein Anderes gemeint ist. Das Entscheidende bei der Ironie liegt darin, dass das ‚eigentlich Gemeinte’ nicht mit diskursiven Mitteln erkennbar gemacht wird. Die Ironie wird dadurch zu einer

‚Kommunikationsstrategie’686, die sich durch eine spezielle Fähigkeit der Wissensvermittlung auszeichnet.

Bei dem frühromantischen Einsatz der Ironie ist vor allem wichtig, dass sie nicht als eine Singularität, d.h. als eine rhetorische Figur auf der Ebene der Texte eingesetzt wird, sondern vielmehr als generelles „Konstruktionsprinzip schriftlicher und [...] literarisch-poetischer Kommunikation“ in Anspruch genommen wird.687 In diesem Kontext kommt es zu einer signifikanten Modifikation des klassischen Ironiebegriffs. Bei der frühromantischen Aktualisierung des Ironischen spielt die Differenz zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation eine entscheidende Rolle. In Situationen direkter Interaktion kann nämlich eine Äußerung auf der Ebene indirekter Kommunikation (z.B. durch gestische Signale) ihrem Sinn nach ‚ironisch’ zurückgenommen werden. Bei schriftlicher Kommunikation funktioniert Ironie nur dann, wenn beim Adressaten „ein Kontextwissen existiert, das die

684 Es wird hier keine ausführliche Erläuterung des frühromantischen Konzeptes der Ironie angestrebt. Im Visier stehen lediglich dessen kommunikationsbezogene Aspekte.

685 Frank, Manfred: Stil in der Philosophie, a.a.O.; S. 99.

686 Vgl. Schmidt, Benjamin M.: Denker ohne Gott und Vater, a.a.O.; S. 208.

687 Fuchs, Peter: Moderne Kommunikation, a.a.O.; S. 94.

Umkehrung des gemeinten Sinnes als [...] anschlußfähig erweist“.688 Schriftlich fixierte ironische Kommunikation setzt also gemeinsames Wissen voraus, in dessen Rahmen sich die Beteiligten so bewegen, dass Sinn-Inversionen verstanden und goutiert werden können.

Wenn man aber Ironie nicht als eine rhetorische Figur, sondern als ein Artikulationsmodus bestimmten Wissens auffasst, dann geht es bei der Frage der Anschließbarkeit nicht um das Verständnis einzelner ironischer Verdrehungen auf der Ebene des Textes, sondern um die Nachvollziehbarkeit des ironischen Artikulationsverfahrens. Dieser zweifache Bezug auf Ironie lässt sich auch im Kontext des frühromantischen Diskurses nachweisen. Friedrich Schleiermacher beschäftigt sich in seinen frühen Überlegungen zum ‚Stil’ unter anderem auch mit dem angemessenen Gebrauch der Ironie als rhetorischer Figur.689 Im Gegensatz dazu zeugt Friedrich Schlegels Einschätzung, dass der Misserfolg der Zeitschrift Athenäum

„unstreitig in der Ironie [liegt], die sich mehr oder minder überall darin äußert“690, von einem Ironieverständnis, das den Bereich der rhetorischen Figurenlehre übersteigt. Das frühromantische Projekt scheitert also nicht an Schwierigkeiten bei der Entschlüsselung einzelner ironischen Äußerungen, sondern an der fehlenden Sensibilität für das frühromantische ironische Denken.

Die Rezeptionsprobleme des Athenäums ergaben sich aus der Schwierigkeit, frühromantisches Denken als ein ironisches zu ‚dekodieren’. Dies lag jedoch nicht daran, dass Frühromantik auf das Ironische ihres Denkstils nicht aufmerksam gemacht hätte. Sie tat dies zwar nicht direkt691, sondern ließ ihre Ironie – wie Manfred Frank bemerkt –

„fühlen“.692 In diesem Kontext ließe sich erneut das physiologische Inventar der weiter oben erläuterten Poesieauffassung von Novalis (vgl. Kap. II.1.6) oder auch Klopstocks Poetik der (Wort)Bewegung (vgl. Kap. II.1.5) anführen. Eben das Streben nach ‚Erregung’,

‚Bewegung’ und ‚Berührung’ dient in der Frühromantik als ein Signal, das auf die ironische Grundhaltung hinweisen soll. In Bezug auf das kommunikative Wissen heißt dies, dass die irritierende Form des Fragmentarischen weder in einer anarchistischen Geste Anschlusskommunikation sabotiert noch lediglich das Prekäre der aktuellen Kommunikationsbedingungen ‚widerspiegelt’, sondern mit Hilfe einer ironischen Wendung über die ‚Unwahrscheinlichkeit’ der Kommunikation informiert. Eben in dieser Leistung

688 Fuchs, Peter: Moderne Kommunikation, a.a.O.; S. 93.

689 Vgl. z.B. Schleiermacher, Friedrich: KGA I.1; S.360.

690 Schlegel, Friedrich: KFSA 2; S. 368.

691 Das konnte sie auch nicht, da sonst der ‚Witz’ der Ironie verloren gehen würde.

692 Vgl. Frank, Manfred: Stil in der Philosophie, a.a.O.; S. 99.

lässt sich mit Wolfgang Fritscher der ‚Ernst der Ironie’693, d.h. die aufgeklärte Dimension des ironischen Denkstils festmachen.

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