• Keine Ergebnisse gefunden

Performanz des frühromantischen Wissens über Kommunikation

1. Jenseits der Diskursivität: Darstellung und Witz als Erkenntnismodi

1.1 Ambivalenz des frühromantischen Kommunikationsparadigmas

Wie in den einzelnen Kapiteln des ersten Teils gezeigt wurde, kann man Schleiermachers Theorie der Geselligkeit, sein Modell der Religion und das Konzept der Neuen Mythologie als Versuche betrachten, den Differenzierungsprozessen der modernen Gesellschaft entgegenzuwirken und in Anbetracht der kontingent gewordenen Kommunikation Möglichkeiten für soziale Bindung zu schaffen. Bei allen diesen Ansätzen handelt es sich um eine bestimmte Form von ‚Theorie’, d.h. um argumentativ strukturierte Diskurszusammenhänge, die sowohl in semantischer als auch thematischer Hinsicht in breitere Kontexte des frühromantischen Denkens eingebettet sind. Ihre gemeinsame Basis bildet die Auseinandersetzung mit basalen Phänomenen der menschlichen Sozialität, bei der die kollektivbildende Kraft der Kommunikation erkannt und diese Erkenntnis bei der Entwicklung alternativer Sozialmodelle eingesetzt wird. Im Diskurs des frühromantischen Kreises wird auf diese Weise ein spezifisches, im Medium der eigens dafür entwickelten Semantik artikuliertes Wissen über Kommunikation produziert.

Die diskursiv-theoretische Reflexion bildet allerdings nur eine Seite des frühromantischen Kommunikationsparadigmas. Die Mitglieder des frühromantischen Zirkels setzen sich nicht nur theoretisch mit dem Phänomen der Kommunikation auseinander, sondern treten gleichzeitig auch kommunikativ auf. Die Frühromantik als eine kulturelle Formation und als Bestandteil der philosophisch-literarischen Tradition ‚teilt sich mit’ – sie ist letztendlich auch nur als Summe bestimmter Kommunikationsangebote wahrnehmbar. Das kommunikative Agieren ist dabei nicht auf die interne Sphäre des literarischen Kreises beschränkt, sondern richtet sich auch auf das außenstehende Publikum.

Die Frage der öffentlichen Präsenz und Wirkung der Poesie wird in der frühen Phase der romantischen Schule, d.h. zur Zeit der intensiven Beschäftigung mit der antiken Dichtung, explizit thematisiert und steht im Einklang mit den ersten Entwürfen des frühromantischen Poesieprogramms. Friedrich Schlegel begründet den an die antiken Vorbilder angelehnten öffentlichen Anspruch der Poesie in seinem Aufsatz Über das Studium der griechischen Poesie (1795/7) folgendermaßen: „Die Gesetze der ästhetischen Theorie haben nur insofern

wahre Auktorität, als sie von der Majorität der öffentlichen Meinung anerkannt“ werden.366 Die griechische Dichtung gilt im Kontext der aufkommenden Romantik als Ideal und Vorbild des künstlerischen Schaffens und zwar auch im Hinblick auf ihren öffentlichen Charakter und ihre damit zusammenhängende gesellschaftliche Verbindlichkeit: „Die Griechische Schönheit war ein Gemeingut des öffentlichen Geschmacks, der Geist der ganzen Masse.“367 Zur Zeit des ‚Studium’-Aufsatzes ist – in Anlehnung an die antiken Vorbilder – die öffentliche Präsenz und gesellschaftliche Akzeptanz für Friedrich Schlegel eine der entscheidenden Bedingungen für die Legitimation eines poetischen Programms.

Zum öffentlichen Medium des frühromantischen Zirkels wird die in den Jahren 1798 bis 1800 von den Brüdern Schlegel herausgegebene Zeitschrift Athenäum. Das literarische

‚Journal’ stellt das wichtigste Kommunikationsorgan der Frühromantik dar.368 Obwohl sich die Intention der Autoren und Herausgeber ohne Zweifel von Anfang auf die literarische Öffentlichkeit richtet, spielen bei der ursprünglichen Idee des Periodikums jedoch die internen Beziehungsstrukturen des Kreises eine wichtige Rolle. Den primären Impuls für die Gründung der Zeitschrift bildet nämlich die Idee der geistigen ‚Verbrüderung’ von Friedrich und August Wilhelm Schlegel. So äußert sich Friedrich in einem Brief an seinen Bruder hinsichtlich der geplanten Zeitschrift folgendermaßen: „Es ist meine schönste Hoffnung bei diesem Unternehmen, unsern Geist dadurch in recht innige Verbindung zu setzen“.369 Alfred Schlagdenhauffen charakterisiert die angestrebte intellektuelle Interaktionsbeziehung der Brüder Schlegel als eine „vertiefte Geselligkeit“ und als ein „Zusammenfinden zu höherem Gedankenaustausch“.370 Das Ziel dieser intimen Form des geselligen Austauschs besteht in dem Versuch, „Individuen zu verschmelzen“371, d.h. das ‚Unteilbare’ teilbar und dadurch mitteilbar zu machen. Die Grundlage dieser exklusiven Vereinigung bildet die Idee der

‚Symphilosophie’, die von den Frühromantikern als ein besonderes Verfahren geistiger Produktion konzipiert wird. Die ‚Symphilosophie’ und ‚Sympoesie’ stellt für die Brüder Schlegel einen Modus kollektiven Schaffens dar, bei dem „mehre sich gegenseitig ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke“372 bilden.

Obwohl das Verfahren der ‚Symphilosophie’ zunächst auf das engste innere Kommunikationsnetz des frühromantischen Kreises bezogen war, sollte diese spezifische

366 Schlegel, Friedrich: KFSA 1; S. 272f. [Kursivierung im Original]

367 ebd.; S. 282. [Kursivierung im Original]

368 Vgl. ausführlich dazu Behler, Ernst: Die Zeitschriften der Brüder Schlegel. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Romantik. Darmstadt 1983.

369 Zit. nach ebd.; S. 14.

370 Schlagdenhauffen, Alfred: Die Grundzüge des Athenäum. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 88 (1970) (Sonderheft); S. 19-41, hier S. 23.

371 Schlegel, Friedrich: KFSA 2; S. 185.

372 ebd.

Art kommunikativer Beziehung nicht auf den internen Austausch beschränkt bleiben. Es war eben die Zeitschrift Athenäum, in der die Ergebnisse der ‚symphilosophischen’ Tätigkeit der breiten Leserschaft präsentiert werden sollten. Die Idee der ‚Symphilosophie’ bildete also zwar den konkreten Anlass zur Begründung der Zeitschrift, doch den entscheidenden Impuls gab nach Ernst Behler zweifellos „das unmittelbare Bedürfnis, die neu entwickelten Ideen und Lebensansichten nach eigenen Maximen und frei von der Bevormundung durch andere Herausgeber dem Publikum darbieten zu können“.373 Diese Bestimmung des Athenäums spiegelt sich auch in dem antikisierenden Namen der Zeitschrift wider. Athenäum war der Name des berühmten Instituts des Kaisers Hadrian in Rom: eine öffentliche Bildungsstätte, in der die artes liberales unterrichtet wurden, und ein Ort, an dem Rhetoren ihre Reden und Dichter ihre Werke vor dem Publikum präsentieren konnten.374

Die Spezifik des Athenäums bestand also darin, dass es sich bei den einzelnen Beiträgen um Kommunikationsangebote handelte, deren primären Inhalt Ergebnisse des kommunikativen Austauschs zwischen den einzelnen Autoren der Athenäums-Gruppe bildeten. So gesehen fungierte die Zeitschrift als ein Medium für die Präsentation interner Kommunikation in öffentlicher kommunikativer Absicht. Die Intention der Zeitschriftengründer reichte aber über diese Bestimmung hinaus. Das eigentliche Ziel des publizistischen Organs bestand nicht lediglich darin, das interne ‚Symphilosophieren’ der Öffentlichkeit zu präsentieren, sondern vor allem in dem Versuch, auch die Rezipienten in eine ‚symphilosophische’

Wechselwirkung einzubinden.375 Friedrich Schlegel erhob diese Form des intellektuellen kommunikativen Umgangs und der geistigen Produktion sogar zum Fundament einer von ihm anvisierten neuen Epoche der Wissenschaften und Künste.376

Der frühromantische öffentliche Auftritt im Medium des Athenäums ist also als ein Versuch zu betrachten, eine intensive Form kommunikativer Beziehung mit dem Publikum aufzubauen. Trotz dieser Einbindung in die alteuropäische Tradition der öffentlichen Kommunikation lässt sich allerdings gerade am Beispiel der Zeitschrift Athenäum zeigen, dass das externe kommunikative Agieren der Frühromantik sich mit einer kommunizierenden literarischen Öffentlichkeit nicht gleichsetzen lässt. Zur Illustration dieser Situation werden im Folgenden zwei signifikante Momente aus der Geschichte des Athenäums herangezogen, die jeweils die Anfangs- und die Schlussphase des frühromantischen literarischen Organs markieren.

373 Behler, Ernst: Die Zeitschriften der Brüder Schlegel, a.a.O.; S. 17.

374 Vgl. Howatson, Margaret C. (Hg.): Reclams Lexikon der Antike. Stuttgart 1996; S. 91.

375 Vgl. Schlegel, Fiedrich: KFSA 2; S. 161.

376 ebd.; S. 185.

Der Blick richtet sich zunächst auf die unmittelbar vor der Veröffentlichung der ersten Ausgabe des Athenäums stattgefundene Thematisierung der angestrebten Resonanz beim Publikum. Bezeichnend dafür ist eine Stelle aus einem Brief Friedrich Schlegels an seinen Bruder August Wilhelm, in dem er in Bezug auf Schleiermachers möglichen Beitrag zu ihrer Zeitschrift Folgendes mitteilt: „Daher wünsche ich sehr, daß ich sie [Schleiermachers Rezension zu Kants Metaphysik der Sitten; P.G.] noch zeitig genug erhielte zu den beyden ersten Stücken, da sie allerdings zu dem eclat, mit dem wir auftreten müssen, auch das ihrige beytragen könnte.“377 Die Geburt der frühromantischen literarischen Zeitschrift wird in der Vorstellung seiner Initiatoren also von einem Eklat begleitet, worin man einerseits eine Strategie der Aufmerksamkeitserzeugung378 bzw. einen Versuch, ein Medienereignis zu inszenieren, erkennen kann. Die Planung eines Aufsehen erregenden Auftritts kann man aber andererseits auch als eine Absage an konforme Strukturen öffentlicher Kommunikation betrachten. So gesehen richtet sich die ursprüngliche Absicht der Frühromantiker im Kontext öffentlicher Kommunikation eben nicht auf die Pflege des gesellschaftlichen common sense, sondern hier wird im Zeichen eines einschneidenden Ereignisses gezielt der Weg der Irritation eingeschlagen.

Das zweite markante Moment des frühromantischen öffentlichen Agierens im Medium des Athenäums stammt aus der Endphase der Zeitschrift. Das Athenäum wird im dritten Jahr des Erscheinens eingestellt. Das Scheitern des Projekts hat mehrere Ursachen, es ist allerdings insbesondere die Absenz der öffentlichen Akzeptanz, die zur Einstellung der Zeitschrift beiträgt. Das anfängliche programmatische Streben nach Irritation wirkt sich in ungeahntem Maße aus, die frühromantische literarische Produktion wird nach eigener Einschätzung der Autoren zum öffentlichen „Aergerniß“.379 Die Frühromantik wird auf Grund ihrer „scheinbar abnormalen Abweichungen von gängigen Kommunikationskontexten“380 zum Synonym exzentrischer Kommunikation. Für diese Situation ist bezeichnend, dass ausgerechnet Friedrich Schlegels Essay Über die Unverständlichkeit (1800), in dem explizit die Rezeptionsprobleme des Athenäums beim Publikum thematisiert werden, den letzten Beitrag der sich von der öffentlichen Bühne verabschiedenden Zeitschrift bildet.

377 Schlegel, Friedrich: KFSA 24; S. 45. [Kursivierung von mir; P.G.]

378 Der Begriff der ‚Aufmerksamkeit’ ist im frühromantischen Diskurs fest verankert. Novalis sieht im Streben nach Aufmerksamkeit ein signifikantes Charakteristikum des Menschen. Vgl. Novalis: NS 3; S. 453.

379 Vgl. Schlegel, Friedrich: KFSA 24; S. 299 u. 301 – hier in Bezug auf Schlegels Aufsehen erregenden Roman Lucinde und auf Schleiermachers Reden Über die Religion.

380 Mann, Ekkehard: Das Verstehen des Unverständlichen. Weshalb ‚experimentelle’ Literatur manchmal Erfolg hat. In: Berg, Henk de; Prangel, Matthias (Hg.): Systemtheorie und Hermeneutik. Tübingen; Basel 1997;

S. 263-287, hier S. 263.

Hinsichtlich dieser zwar nur singulären und freilich auch etwas willkürlich gewählten, dafür aber signifikanten Beispiele für die Produktion des frühromantischen Kreises lässt sich bezüglich des Athenäums zusammenfassen, dass die Koordinaten der frühromantischen öffentlichen Präsenz durch die Planung eines Aufsehen erregenden Ereignisses auf der einen und durch die Reflexion der fehlenden positiven Resonanz der Zeitschrift auf der anderen Seite bestimmt wurden. In beiden Fällen handelte es sich um eine Kollision der spezifischen frühromantischen Kommunikationsformen mit den Grundsätzen der gesellschaftlich verbindlichen kommunikativen Ordnung. Während im ersten Fall Irritation gezielt angestrebt wurde, handelte es sich im zweiten Fall um die Konfrontation mit den Auswirkungen der eigenen eigentümlichen kommunikativen Praxis, die bis zur Unterbrechung des erwünschten Kontakts mit dem Publikum führte. Mit Peter Fuchs kann man in diesem Zusammenhang sagen, dass die Frühromantik eine Kommunikationstypik darstellte, die sich „in ihrer Eigentümlichkeit nicht durchhalten ließ und anschlußfähig allenfalls in Sonderdiskursen der Wissenschaft und des Kunstsystems“ 381 war bzw. heute noch ist. Wegen der mangelnden Anschlussfähigkeit und der gravierenden Rezeptionsprobleme wird nach Eckhard Schumacher der Zirkel um das Athenäum aus der Außenperspektive als „eine Arkangemeinschaft wahrgenommen, die über eine esoterische Abschließung gegenüber dem Publikum Unverständlichkeit gezielt sucht und inszeniert“.382 Dirk von Petersdorff hat in diesem Zusammenhang die Aktualisierung der Mysterientradition in der deutschen Frühromantik untersucht und auf den Einsatz frühromantischer Formen der ‚Mysterienrede’ als Medium und Fundament der Konstituierung einer exklusiven Wissensgemeinschaft verwiesen.383

Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, inwiefern die frühromantische literarische Produktion im Hinblick auf ihre charakteristischen poetischen Ausdrucksmittel und die spezifische kommunikative Erscheinungsform dem eingangs skizzierten Ideal eines gesellschaftlich akzeptierten Dichtungsprogramms entsprach. Auf eine Spannung zwischen diesen beiden Positionen deutet nicht nur die obige kurze Charakteristik des Athenäums, sondern bereits der grundsätzlich kulturrevolutionäre Impetus der Frühromantik, der in einem gegen „Harmonie und Ordnung gerichtete[n] Impuls schöpferischer Zerstörung,

381 Fuchs, Peter: Die Form romantischer Kommunikation. In: Athenäum. Jahrbuch für Romantik. 3 (1993); S.

199-222, hier S. 199.

382 Schumacher, Eckhard: Die Ironie der Unverständlichkeit. Johann Georg Hamann, Friedrich Schlegel, Jacques Derrida, Paul de Man. Frankfurt a.M. 2000; S. 170.

383 Vgl. Petersdorf, Dirk von: Mysterienrede. Zum Selbstverständnis romantischen Intellektueller. Tübingen 1996.

Innovation und Spontaneität“384 zum Vorschein kommt. In dieser der französischen Revolution entliehenen, gleichzeitig aber politisch depotenzierten Semantik der Erneuerung und des Wechsels wird das frühromantische Streben nach einer revolutionären Ausdrucksform manifest.385 Aus dieser Perspektive zeigt sich die Frühromantik notwendig als ein Modus künstlerischer Artikulation, in dem gegebene (kommunikative) Ordnungen aufgebrochen und im Akt schöpferischer Spontaneität neue Arten des künstlerischen Ausdrucks erprobt werden.

Es gehört zu den festen Topoi der Frühromantikforschung, dass die Literaturauffassung des

‚Studium’-Aufsatzes in der späteren Athenäums-Phase einer markanten Modifikation unterzogen wird.386 Während Friedrich Schlegel in seiner ‚antiken’ Periode entschieden gegen die „rohe Eigentümlichkeit“387 des zeitgenössischen Literaturdiskurses antritt und die

„fehlende sprachliche Universalität deutscher Autoren“388 beklagt, so reflektiert er den Öffentlichkeitsstatus der Dichtung in einem seiner Athenäums-Fragmente folgendermaßen:

„Sie jammern immer, die deutschen Autoren schrieben nur für einen so kleinen Kreis, ja oft nur für sich selbst untereinander. Das ist recht gut. Dadurch wird die deutsche Literatur immer mehr Geist und Charakter bekommen. Und unterdessen kann vielleicht ein Publikum entstehen.“389 Der Friedrich Schlegel der Athenäums-Zeit wendet sich selbstkritisch und entschieden gegen die „Objektivitätswut“390 seiner früheren Ansichten und unterzieht seine eigene Rezeption der antiken Dichtung und dadurch auch die Vorstellung über den öffentlichen Stellenwert der Poesie einer Revision.

Doch die Exzentrik des frühromantischen öffentlichen Auftritts signalisiert nicht nur eine Überwindung der früheren poetologischen Positionen. In dem skizzierten Spannungsverhältnis deutet sich eine grundsätzliche Ambivalenz des frühromantischen Kommunikationsdenkens an. Wie im ersten Teil dieser Arbeit gezeigt wurde, entwickeln die Frühromantiker enthusiastische Programme zur Förderung anschlussfähiger Kommunikation. Man stellt allerdings ebenfalls fest, dass die frühromantische literarische Produktion gleichzeitig durch eine eigentümliche Form ästhetischer Praxis geprägt ist, die im öffentlichen Raum eher Unverständnis, Dissens und Irritation hervorruft. Dem

384 Bohrer, Karl-Heinz: Deutsche Romantik und Französische Revolution. Die ästhetische Abbildbarkeit des historischen Ereignisses. In: ders.: Das absolute Präsens. Die Semantik ästhetischer Zeit. Frankfurt a.M. 1994;

S. 8-31, hier S. 12.

385 Vgl. ebd.; S. 17f.

386 Vgl. z.B. Behler, Ernst: Frühromantik. Berlin/New York 1992; S. 128f. Vgl. dazu auch Friedrich Schlegels offene Selbstkritik als Anzeichen für eine modifizierte Wahrnehmung der antiken und d.h. auch der modernen Dichtung: KFSA 2; S. 147f., 148, 152 u. 154.

387 Schlegel, Friedrich: KFSA 1; S. 361.

388 Petersdorf, Dirk von: Mysterienrede, a.a.O.; S. 148.

389 Schlegel, Friedrich: KFSA 2; S. 212.

390 ebd.; S. 155.

theoretisch untermauerten Streben nach Kontinuität und Effizienz des interaktiven kommunikativen Austauschs steht also die ‚verzerrte’ Kommunikation des Athenäums entgegen, die als „ästhetische Negation einer [...] lebenspraktischen Kommunikation“391 in Erscheinung tritt.

Die Unverständlichkeit des Athenäums kollidiert also nicht nur mit dem Poesieverständnis des früheren ‚Studium’-Aufsatzes, sondern – und das ist das Entscheidende – sie befindet sich auch mit den parallel entstandenen Geselligkeitsmodellen Schleiermachers und der (im Athenäum publizierten!) Konzeption der Neuen Mythologie in einem Spannungsverhältnis.

Schleiermachers enthusiastischer Einsatz für freie Geselligkeit als eine notwendige Voraussetzung für soziale Gruppenbildung und als Motor der angestrebten Entfaltung von Bildung und Religiosität kollidiert mit den gravierenden Anschlussschwierigkeiten der frühromantischen ästhetischen Kommunikation. Die Idee der Neuen Mythologie, die auf dem Fundus eines allgemein verbindlichen Wissens gründet, steht außerdem im Widerspruch zur Exklusivität der nach außen geschlossenen Wissensgemeinde, d.h. des frühromantischen ‚Mysteriums’.392

Das frühromantische Kommunikationsparadigma weist aus dieser Perspektive betrachtet äußerst ambivalente Züge auf. Da die skizzierten Widersprüche derart auffallend sind, wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob es sich dabei tatsächlich um eine von der Frühromantik unbemerkt gebliebene Inkonsistenz ihres eigenen Programms handelt, oder ob sich hinter dem scheinbaren Denkfehler eine verborgene Dimension der frühromantischen Kommunikationsreflexion befindet, die letztendlich doch mit den kommunikationsfördernden Geselligkeitsmodellen in Einklang gebracht werden könnte.

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE