2 Die mehrheitliche Skepsis
3 Eine textlinguistische Einordnung von Narrativität und Brieflichkeit
3.5 Typologisierung von Textsorten
3.5.4 Vertextungsstrategie und Textfunktion
Die hier eingenommene textlinguistische Perspektive wirft ein überaus klären
des Licht auf die im Rahmen der Gattungsanalyse über weite Strecken dunkel bleibende angebliche Inkompatibilität von Erzählungen und Paulusbriefen. Das heißt natürlich nicht, dass im konventionellen Rahmen nicht einige der hier vor
gestellten Aspekte bereits integriert wären.
Beispielsweise gilt für den Ansatz von Klaus Berger,145 dass dieser letztlich als TypologisierungsVorschlag der neutestamentlichen „Gattungen“ verstanden werden kann. Berger orientiert sich an der antiken Unterscheidung unterschied
licher Redeformen und teilt entsprechend die Texte drei großen Kategorien zu, die Texte unterschiedlicher Wirkungen zusammenfassen, nämlich „symbuleuti
sche“ (auf das Handeln oder Unterlassen der Hörer abzielende), „epideiktische (zur Bewunderung oder Abscheu führen wollende) und „dikanische“ (zu einer Entscheidung führende) Texte.146
Diese Orientierung der Einteilung wirbelt die kanonische Ordnung und die mit ihr oft verbundenen Charakteristika durcheinander: „Argumentation“ – sonst oft die kennzeichnende Eigenschaft der Briefe im Gegenüber zur Narration der Evan
gelien – wird zu einer „Sammelgattung,“ die allen drei Wirkungen dienen kann.147 Das Konzept der Narrativität spielt etwas asymmetrisch insofern eine wichtige Rolle, als Berger die epideiktischen Texte als „beschreibend und erzählend“ cha
rakterisiert.148 Die Briefe selbst werden als symboleutische Gattung ein und die Evangelien und Apostelgeschichte der epideiktischen Kategorie zugeordnet.149
Letztlich führt Berger also eine Typologisierung anhand der Textsorteneigen
schaft der „Textfunktion“ (siehe für Details unten, Kapitel 8, Abschnitt 4) durch.
145 Siehe Berger, Formgeschichte und dann Formen und Gattungen.
146 Berger, Formgeschichte, 18–19.
147 Berger, Formgeschichte, 93–116.
148 Siehe Berger, Formgeschichte, 18.
149 Siehe, Formgeschichte, 216–217 und 346–360.
Bergers Ansatz ist aus textlinguistischer Perspektive durchaus nicht unproblema
tisch,150 greift aber einige wichtige Aspekte der Typologisierung richtig auf. Auch das Fehlen von Unterkategorien, das seine Darstellung recht listenhaft erschei
nen lässt, ist letztlich positiv zu werten, da es bedeutet, dass Berger – ganz wie es bei einer Typologisierung sein sollte – ein einmal gewähltes „Basiskriterium“
beibehält und nicht vermischt.151 Auch der wichtige Umstand, dass die Vertex
tungsstrategien nicht direkt mit den Wirkungen gleichgesetzt werden dürfen, wird von Berger berücksichtigt. Gerade vor dem Hintergrund der hier verfolgten Fragestellung ist die getrennte Behandlung dieser beiden Parameter von großer Wichtigkeit: Auch ein Text, dessen Textfunktion direktiv ist – also wie etwa der Galaterbrief auf eine bestimmte Verhaltensänderung abzielt152 – muss nicht not
wendigerweise argumentativ vertextet sein.153
150 Erstens ist die an der antiken Rhetorik orientierte Dreiteilung wenig überzeugend siehe unten, Kapitel 8, Abschnitt 4 zu einem alternativen Entwurf zur Textfunktion, der ebenfalls die Kategorie der Wirkung integriert). Zweitens sind die allesamt als „Gattungen“ bezeichneten Ge
genstände vollkommen heterogen. Eine Einordnung sämtlicher Elemente in ein hierarchisches KlassifikationsSystem wäre gar nicht möglich.
151 Vgl. Gansel und Jürgens, Textlinguistik, 69. Das heißt natürlich nicht, dass innerhalb eines Kriteriums nicht weiter differenziert werden dürfte. Es ist beispielsweise möglich den Typ „epi
stemisch orientierte Kommunikationsintention“ zu generieren und dann innerhalb dieser „mit
teilenden“ Textsorten zu differenzieren zwischen feststellenden, festlegenden und bewertenden Texten. Siehe unten, Kapitel 8, Abschnitt 4.3.
152 Zur Abgrenzung zur „Bewirkungsfunktion“ vgl. Gansel und Jürgens, Textlinguistik, 82.
Vgl. hierzu ausführlicher unten, Kapitel 9, Abschnitt 4.
153 Vgl. auch Aumüller, „Text Types“: „The term ‚modes (or types) of discourse,‘ sometimes used synonymously with ‚text type,‘ could be restricted to the characterization of texts accor
ding to pragmatic properties (e.g. the speaker’s purpose). Thus any text may be used to per
suade somebody. Its mode of discourse is then persuasive, even though the text type being used may vary … The most appropriate text type in this case (or the text type most often used in connection with the purpose to persuade) may be the text type ‚argument.‘ But it need not be.
The persuasive mode of discourse can be instantiated by any text type, depending on pragmatic concerns. The notion ‚mode of discourse‘ is thus contextsensitive; that of ‚text type‘ is not.“ Zu beachten ist, dass „text type“ hier in der Terminologie von Gansel und Jürgens, Textlinguistik für eine Typologisierung anhand von „Vertextungsmustern/strategien“ steht. Sehr problematisch ist vor diesem Hintergrund die Kritik von Lee, „Richard B. Hays,“ 437 am narrativen Ansatz, der zwischen Textfunktion („purpose“) und Vertextungsstrategie („to retell,“ „argumentative de
vices“ etc.) nicht angemessen differenziert. So spricht er etwa vom „argumentative goal“ meint aber – wie das Beispiel Gal 4,21–31 zeigt – damit eindeutig die Textfunktion: „[H]is intention is not to tell the narrative itself but to convince his readers to embrace their liberation from slavery to the law.“ Natürlich wird aber „the narrative itself“ erzählt. Korrekt wäre es, zu sagen, dass Paulus nicht primär mit informierendfeststellender Intention erzählt. Siehe unten, Kapitel 8, Abschnitt 4. Zur Passage siehe dort konkret Abschnitt 4.4.4.
3.6 Fazit
Lukas erzählt, Paulus schreibt Briefe.154
Aus textlinguistischer Sicht ist diese Aussage, die impliziert, dass man bei Paulus nicht vom Erzählen sprechen könne, weil er ja Briefe verfasst habe, nicht haltbar.
Weder ist es treffend, Briefe als „nichtnarrative“ Textsorte zu bezeichnen, noch kann man sie einer „Textsorte Erzählung“ gegenüberstellen. Sowohl bei der Kategorie der Briefe als auch bei der Kategorie der (reinen? überwiegend narrativ vertexteten?) Erzählungen handelt es sich um – voneinander unabhängige – Typologisierungen, also Zusammenfassungen von Textsorten, die im hierarchischen Klassifikationsge
füge an ganz verschiedenen Stellen auftauchen.
Möchte man im Hinblick auf die Paulusbriefe sinnvoll die Kategorie der ‚Text
sorte‘ anbringen, so ist vielmehr darauf zu achten, welche Funktion die Briefe des Apostels im sozialen System des frühen Christentums spielen. Hier finden die Paulusbriefe in einem untergeordneten Interaktionssystem einen sinnvollen Platz als Teil der Textsorte „apostolische Gemeinde und Individuenbriefe.“ Über ihre Rolle in der Interaktion zwischen Paulus und den Adressaten ergibt sich auch das Beziehungsnetz zu anderen frühchristlichen – kanonischen und nichtkano
nischen – Textsorten.
Narrativität kann nun aus textlinguistischer Sicht insofern ins Spiel gebracht werden, als es sich dabei um eine von mehreren grundsätzlichen Strategien handelt, mit denen ein Thema im Text entfaltet werden kann. Diese Vertextungs
strategien stellen einen Parameter dar, der bei der Beschreibung des Musters her
angezogen werden kann, welches in der Produktion einzelner Texte einer Textsorte vom Autor verwirklicht wird. Textfunktion und Medium sind davon unabhän
gige Eigenschaften (an denen wiederum Typologisierungen ausgerichtet werden können). Der Typ „Brieftextsorten“ wird alle möglichen Kombinationen an Text
funktionen und Vertextungsstrategien aufweisen.155
Eine textlinguistische Beschreibung des Musters, welches der Textsorte „apos
tolischer Brief“ zu Grunde liegt, wird sich daher u. a. mit den Fragen beschäftigen, welche Textfunktion überwiegt und wie einzelne Abschnitte eventuell andere
154 Wong, Evangelien, 44.
155 Argumentativ dominierte Briefe werden allerdings selten rein informierend sein. Dies ist höchstens der Fall, wenn ein Schreiber den Empfänger z. B. über komplexe Gedankenexperi
mente in Kenntnis setzen möchte, wobei auch hier in den meisten Konstellationen eher ein nar
rativer Bericht über den zurückgelegten gedanklichen Weg zu erwarten wäre („… da kam mir die entscheidende Idee: …“). Frei von einer steuernden Komponente wären z. B. aus Verfolgungssi
tuationen heraus gesandte Argumentationen, die der Empfänger lediglich verwahren soll.
Funktionen aufweisen, welche die Hauptfunktion stützen. Ebenso wird eine solche Analyse zu klären versuchen, welche Vertextungsstrategie in der Produk
tion von TextsortenExemplaren überwiegt – und wo und wie für Teile des Textes alternative Vertextungen im Muster vorgesehen sind.
Später (Kapitel 9) wird im Kontext der Diskussion impliziter Erzählungen noch auf die Frage eingegangen, ob auch sinnvoll von Erzählungen gespro
chen werden kann, die etwa argumentativ oder deskriptiv vertexteten Passa
gen „zugrunde liegen.“ Was für den Moment vor allem interessiert, sind jedoch die Passagen, die unstrittig narrativ vertextet sind – und die Tatsache, dass aus textlinguistischer Perspektive überhaupt keine Spannung auftritt, wenn man sowohl bei den Evangelien als auch bei den Paulusbriefen die Frage nach solchen Erzählstrukturen stellt. Die irreführende Rede von einer „Textsorte Erzählung“ im Gegenüber zu „nichtnarrativen Briefen“ sollte vor diesem Hintergrund aufgege
ben werden. Stattdessen ist mit Vehemenz nach dem Platz narrativer Vertextun
gen im der jeweiligen Textsorte zugrundeliegenden Muster zu fragen.
Open Access. © 2020 Christoph Heilig, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 International Lizenz.
https://doi.org/10.1515/9783110670691-002
approach“
1 Vorbemerkung
Im Kontext der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit biblischen Texten ist die Frage, ob man Paulus sinnvoll als „Erzähler“ bezeichnen kann, gleichbedeu
tend mit der Überlegung, ob die Briefe des Apostels im Rahmen einer narratologi
schen Herangehensweise erfolgreich bearbeitet werden können. Wie könnte der Nachweis der Adäquatheit eines solchen Zugangs erbracht werden?
Einige wenige Forschungsbeiträge beschäftigen sich mit der Thematik als TransferProblematik. Sie gehen also der Frage nach, ob für narrative Texte erar
beitete Methodik auch auf nichtnarrative Texte angewendet werden kann. Sie folgen somit der bereits angesprochenen Grundvoraussetzung, dass die Parame
ter der Brieflichkeit und Narrativität in einem spannungsvollen Verhältnis stehen, sehen in der Übertragung des Methodeninventars auf den neuen Gegenstandsbe
reich aber dennoch eine heuristisch fruchtbare Aufgabe für die Forschung.
Exemplarisch sei etwa auf Lutz Dörings Studie zu antiken jüdischen Briefen verwiesen, in welcher er eine rezeptionstheoretische Perspektive durch narrato
logische Kategorien ergänzt. In Anknüpfung an Hannelore Links Differenzierung zwischen verschiedenen Ebenen der Kommunikation1 spricht er im Hinblick auf die intratextuelle Ebene („[c]ommunication made explicit in the letter“)2 vom „explicit author, that is, the addressor often already mentioned in the letter prescript, who as narrator is the voice used to tell the story or contents of the letter.“3 Die Gleichsetzung von „contents of the letter“ und „story“4 wird nicht weiter begründet, ebenso wenig die Formulierung vom „explicit reader … to whom as narratee the story is told.“5 Döring gibt in einer Fußnote an, dass er hiermit „useful narrativecritical concepts“ einführe,6 und verweist vergleichend auf eine Einführung zu „narrative criticism“ von Mark A. Powell.7 Da diese sich
1 Link, Rezeptionsforschung.
2 Döring, Ancient Jewish Letters, 27.
3 Döring, Ancient Jewish Letters, 26.
4 Siehe auch Döring, Ancient Jewish Letters, 27: „The ‚world in the text‘ is constituted by the contents of the letter or, put differently, by the story the narrator tells.“
5 Döring, Ancient Jewish Letters, 26.
6 Döring, Ancient Jewish Letters, 26, Fußnote 116.
7 Powell, Narrative Criticism.
an keiner Stelle der neutestamentlichen Briefliteratur zu widmen scheint, könnte man an dieser Stelle kritisch rückfragen, ob Dörings terminologischer Rückgriff erzähltheoretisch gerechtfertigt ist. Für die von Döring im Anschluss durchge
führte sehr detaillierte Analyse selbst scheint diese theoretische Vorüberlegung jedoch ohnehin weitestgehend ohne Konsequenzen zu sein.8 Vor allem aber ist für uns hier von Relevanz, dass die „narrativecritical concepts“ hier lediglich als „nützliche“ Supplementierung eines kommunikationstheoretischen termino
logischen Inventars auftauchen. Anders als etwa bei Hays oder Wright wird nicht explizit der Anspruch erhoben, dass die untersuchten Briefe bestimmte narrative Strukturen aufweisen, diese durch einen neuen methodischen Zugang freigelegt werden sollen und sich auf diese Weise ein umfassend neues Verständnis des Untersuchungsgegenstandes ergibt.
Deutlich stärkeren Einfluss auf die konkrete Textanalyse haben narratolo
gische Anleihen in Christina HoegenRohls Analyse der Johannesbriefe unter Zuhilfenahme des TempusKonzepts von Harald Weinrich.9 Die Arbeit geht unter anderem der grundlegenden Frage nach: „Erzählen die Johannesbriefe über
haupt?“10 Weinrichs TempusTheorie stellt sich in der abschließenden Bewertung der Autorin auch insofern als hilfreich dar, als „das Raster der Unterscheidung zwischen erzählenden und besprechenden Tempora eine erste Orientierung bieten [konnte], um kommunikative Phasen und thematische Gegenstände des brieflichen Gesprächs zu identifizieren.“11 Gegenüber Dörings Beitrag wird in dieser Arbeit daher die Frage nach der Kompatibilität von Narrativität in Brieflich
keit explizit thematisiert.12 In dieser Hinsicht ist jedoch charakteristisch, dass ein
leitend nicht etwa das Wesen des Narrativen selbst bestimmt wird, sondern das Vorliegen narrativer Strukturen vielmehr aus der Anwendbarkeit von Weinrichs
8 Siehe lediglich den Verweis bei Döring, Ancient Jewish Letters, 512 auf ein heilsgeschichtliches
„metanarrative.“ Vgl. hierzu Kapitel 15, Abschnitt 5.1.
9 Weinrich, Tempus. Zu den problematischen Annahmen des Ansatzes siehe unten, Kapitel 6, Abschnitt 3.3.4.
10 HoegenRohls, „Johannesbriefe,“ 71.
11 HoegenRohls, „Johannesbriefe,“ 104.
12 HoegenRohls, „Johannesbriefe,“ 72 verweist auf Döring, um die grundlegende Frage aufzu
werfen, ob im Hinblick auf Briefe auch dann vom Erzählen gesprochen werden kann, wenn nicht
„von zurückliegenden Ereignissen ausdrücklich erzählt“ werde, sondern „wenn zwischen den Briefpartnern auf eine gemeinsame Geschichte rekurriert wird, ohne dass diese eigens narrativ entfaltet wird.“ Während Döring selbst die Aufnahme narratologischer Kategorien in der Briefana
lyse nicht weiter problematisiert, erkennt HoegenRohls richtig, dass hier ein zu erklärender Um
stand vorliegt. Entweder hier liegt wie oben angemerkt ein MethodenTransfer auf nicht-narrative Texte vor, oder es ist, wie HoegenRohls als weitere Option festhält, „für die Frage nach epistolarer Narrativität von einem weiteren oder modifizierten Begriff des Erzählens auszugehen.“
Überlegungen zur TempusFunktion abgeleitet wird.13 Im Gegensatz zum von Hays und Wright begründeten Paradigma stellt hier also der Aspekt der Narrati
vität der untersuchten Briefe nicht das Ausgangspostulat dar,14 sondern lediglich ein Potenzial, dessen Reichweite durch Anwendung bestimmter Analyseschritte erprobt wird.
Die in dieser Arbeit im Fokus stehende, von den genannten angelsächsi
schen Exegeten initiierte Forschungstradition unterscheidet sich markant von den hier kurz angerissenen Arbeiten. Was in diesem Kontext postuliert wird, ist nicht die These, die Werkzeuge der „narratologischen Analyse“ seien in einer heuristisch gewinnbringenden Transferleistung auf Nicht-Narratives anwendbar.
Es gehört vielmehr zum Charakteristischen der hier unter die Lupe genommenen angelsächsischen Forschungstradition,15 dass von der Überzeugung ausgegan
gen wird, die paulinischen Texte böten in der Tat Zugang zu narrativen Elemen
ten – wo auch immer diese dann genau angesiedelt werden (siehe dazu unten, Abschnitt 2; siehe ausführlicher Kapitel 15).16 Der „narrative approach“ muss sich folglich an der Antwort auf die Frage messen lassen, ob wir es bei der Beschäfti-gung mit den Paulusbriefen überhaupt mit etwas „Narrativem“ zu tun haben.
Aus dieser Feststellung folgt, dass die Klärung des Terminus „Erzählung“
Grundvoraussetzung für eine Evaluation des vom „narrative approach“ erhobe
nen Anspruches darstellt. Vertreter dieses Paradigmas sind in der Tat zur Rechen
schaft über ihre definitorischen Voraussetzungen verpflichtet und können ohne entsprechende Klärung schwerlich auf der Behauptung grundsätzlicher exegeti
scher Relevanz ihres Ansatzes beharren. Entsprechend wird im Rest des Kapitels herausgearbeitet, wie im Anschluss an Hays und Wright die Kategorie der ‚Erzäh
lung‘ verstanden wird.
13 Diese Implementierung erfolgt jedoch nicht reibungslos. So verweist die Autorin auch auf drei Problemzonen, die sich „[i]m Verlauf der an Weinrichs Theorie angelehnten Werkstattar
beit … herauskristallisiert“ hätten (HoegenRohls, „Johannesbriefe,“ 104).
14 Zur eigenen Einordnung der Untersuchung im größeren Rahmen der „seit einiger Zeit verstärkt ventilierte[n] Frage nach epistolarer Narrativität“ siehe HoegenRohls, „Johannesbriefe,“ 73.
15 In geringerem Umfang gilt dies auch für einige Arbeiten zu Paulus und Narrativität im deutschsprachigen Raum, die hier nicht einzeln vorgestellt werden sollen. Siehe hierzu vor allem Becker und Pilhofer, Hg., Biographie und jetzt (mit Fokus auf die Erzählfigur Christus) einige der Beiträge in Dragutinović, Nicklas, Rodenbiker und Tatalović, Hg., Christ.
16 Matlock, „Arrow,“ 49 spricht diesen Punkt an, auch wenn er das Problem eher in der An
wendung spezifischer „narrativer Theorien“ (d. h. auf der Ebene etwa der Aktantenanalyse von Greimas) verortet: „Although it is no problem in principle to take a narrative perspective on (for
mally) nonnarative texts such as Paul’s letters, surely the application of a narrative theory like Greimas’ – which presents us with a set of slots to be filled – needs a fair bit of narration on which to feed.“
Die Beobachtung der fundamentalen Voraussetzung von in den Briefen des Paulus zugänglichen tatsächlichen Narrativen ist jedoch auch im Hinblick auf die Kritiker des „narrative approach“ bedeutsam. Vor diesem Hintergrund wird nämlich deutlich, dass die methodische Frage nach den konkret zum Einsatz kommenden Werkzeugen, Kriterien und Analyseverfahren der grundlegenden Frage nach dem Vorhandensein von narrativem Material in den Paulusbriefen nachgeordnet sein muss. Eine Kritik des besagten narrativen Ansatzes kann daher nicht darin bestehen, sich auf die Detailfragen des Vorgehens zu konzent
rieren – und beispielsweise die Validität der strukturalistischen Aktantenanalyse in Frage zu stellen. Auch wenn sowohl bei Hays als auch bei Wright der Name
„Greimas“ auf den ersten Blick eine ähnlich zentrale Rolle wie der von „Weinrich“
bei HoegenRohls zu spielen scheint, ist die Stoßrichtung der Argumentation eine völlig andere.17 Auch eine begründete Ablehnung des „narrative approach“ ist folglich nur möglich, wenn das Konzept der ‚Erzählung‘ zuvor zufriedenstellend definiert und trotz sorgfältiger Analyse der paulinischen Texte in diesen nicht wiedererkannt werden konnte.