• Keine Ergebnisse gefunden

6 Syntax der Konnekte

Im Dokument Christoph Heilig Paulus als Erzähler? (Seite 193-196)

In diesem Abschnitt soll in aller Kürze dargestellt werden, was auf Ausdruckse­

bene des Textes den genannten Propositionen entspricht. Konnektoren spezifi­

zieren grundsätzlich das Verhältnis zwischen zwei (semantischen) Elementen.61 Diese beiden Elemente sind „typischerweise durch Sätze kodiert.“62 Es kann sich dabei jedoch auch um „eingebettete Propositionen in der Form von Adjektiv­ und Partizipphrasen in attributiver Funktion“ handeln, wie etwa in „eine wunder­

bare, aber erfundene Geschichte.“63

58 Zum hier evtl. vorliegenden Bezug auf Sprechaktebene siehe oben, Abschnitt 5.1.2 und spezi­

fischer auf die kausale Konnexion gemünzt unten, Kapitel 5, Abschnitt 3.3. Die Differenzierung zwischen den Relationen Grund­FOLGE und Grund­AUFFORDERUNG (GGNT 333) ist so gesehen nicht konsequent, da Heinrich von Siebenthal selbst die Unabhängigkeit der Proposition vom Verbmodus betont (GGNT 312b). Eine Differenzierung auf der Ebene der propositionalen Struktur zwischen FOLGE und AUFFORDERUNG könnte man höchstens für den (bei kausalen Konnexi­

onen mit Imperativen recht häufigen) Fall erwägen, dass Äußerungsbezug vorliegt. Ansonsten stellt auch ein Aufforderungssatz mit Kausalsatz eine Grund­Folge­Relation dar.

59 D. h.: Aufforderungen, die nicht im Imperativ formuliert sind, werden hier in der interpretie­

renden Paraphrase im Deutschen als Imperative aufgelöst, berücksichtigen also auch die Illoku­

tionsebene (kommunikative Funktion) der Äußerung, welche über die bloße Äußerungsbedeu­

tung hinausgeht. Vgl. zur Differenzierung von Äußerungs­ und Kommunikationsbedeutung bzw.

kommunikativem Sinn z. B. Löbner, Semantik, 13.

60 Siehe Breindl, „Temporalität, Aspektualität und Modalität“ für den Zusammenhang zwi­

schen Konnektorinterpretation und diesen Aspekten des Textes (sowie deren sprachlichen Aus­

drucksmitteln).

61 Vgl. Breindl, „Syntaktische Grundlagen,“ 15 für das Merkmal.

62 Breindl, „Syntaktische Grundlagen,“ 39.

63 Breindl, „Syntaktische Grundlagen,“ 35.

Während die Autoren des HDK 2 solche Strukturen als Fälle von Konnexionen betrachten,64 gliedern sie Infinitivphrasen aus, da im Deutschen bei der Trans­

formation in eine Satzstruktur das Subjekt aus dem Kontext erschlossen werden muss. Infinitivphrasen sind daher auch nicht „potentiell Satzstrukturen.“65 Zumindest im griechischen AcI ist die Situation jedoch anders gelagert. In dieser Arbeit werden im Anschluss an Heinrich von Siebenthal (und den Duden) Infi­

nitivphrasen als satzwertig aufgefasst. Entsprechend gelten Präpositionen auch als Konnektoren.66 Die Berücksichtigung von Aktionsnomen als Äquivalente zu Infinitivkonstruktionen scheint in dieser Hinsicht angezeigt, gerade im Hinblick auf Erzählungen, die bereits bekannte Ereignisse nominal schlicht erwähnend aufgreifen.67

Die satzwertigen Konstruktionen auf der Ausdrucksebene des Textes bezeich­

nen wir hier ganz allgemein als „Konnekte.“ Das Konnekt, in welches der Kon­

nektor integriert wird, ist das interne Konnekt, der andere das externe Konnekt.68 Entscheidend ist bei dieser Zuordnung die „syntaktische Bindungsenge.“69 Zu beachten ist, dass etwa bei im Text gemeinsam erscheinenden Konnektoren wie ἀλλ᾽ ὅτε oder ὅτε δέ die koordinierende Konjunktion mit dem Matrixsatz zu ver­

binden ist (und die subordinierende Konjunktion mit dem temporalen Neben­

satz).70

64 Breindl, „Syntaktische Grundlagen,“ 35.

65 Vgl. zum Merkmal Breindl, „Syntaktische Grundlagen,“ 15.

66 GGNT 321. Duden 1750.

67 Vgl. GGNT 321 und 362b zu Verbalsubstantiven. Eine gänzlich befriedigende syntaktische oder semantische Grenzziehung scheint hier noch nicht erreicht. Beispielsweise könnte man in Röm 5,13 erwägen, dass die temporale Angabe zum Sein der Sünde in der Welt (ἁμαρτία ἦν ἐν κόσμῳ) satzwertig ist, auch wenn kein Aktionsnomen involviert ist: „bis zum Gesetz“ (ἄχρι γὰρ νόμου), also bis das Gesetz kam/gegeben wurde (vgl. z. B. Röm 5,20 mit Prädikat). Allerdings müsste man dann unter dem Konnektor μέχρι wohl auch die Formulierung im nächsten Vers (V.

14) berücksichtigen: „Aber es herrschte der Tod zwischen Adam und Mose“ (ἀλλ᾽ ἐβασίλευσεν ὁ θάνατος ἀπὸ Ἀδὰμ μέχρι Μωϋσέως) – also „bis Mose auftrat“? Mit entsprechendem Aufwand lassen sich letztlich sämtliche Umstandsangaben in Sätze überführen. Sofern die dadurch zum Ausdruck gebrachten Situationen in der Kommunikation jedoch gar nicht aufgerufen wurden, scheint damit für die textgrammatische Analyse wenig erreicht.

68 Im Fall eines Adverbkonnektors ist auch die Rede vom „Trägerkonnekt“ und „Bezugskon­

nekt“ etabliert. Vgl. Breindl, „Zusammenspiel,“ 55.

69 Im Fall der Konjunktion erscheint der Konnektor zwischen den Konnekten, aber auch hier weist das dem Konnektor folgende Konnekt eine größere Bindungsstärke zum Konnektor auf.

Vgl. Breindl, „Zusammenspiel,“ 56–61.

70 Vgl. zur Terminologie Duden 1698.

In Gal 1,15–17 (Ὅτε δὲ εὐδόκησεν [ὁ θεὸς] …, εὐθέως οὐ προσανεθέμην σαρκὶ καὶ αἵματι …) ist dementsprechend nicht die Entscheidung Gottes als im Kontrast zu V. 14 stehend markiert, nur weil der Konnektor „im“71 Nebensatz erscheint.72 Die Entscheidung Gottes in Gal 1,15 wird also nicht auf diese Weise als Kontrast zum Lebenswandel des Paulus in V. 14 dargestellt. Aufzulösen ist der komplexe Satz V. 15–17 (Ὅτε δὲ εὐδόκησεν [ὁ θεὸς] …, εὐθέως οὐ προσανεθέμην σαρκὶ καὶ αἵματι …) also im Sinn von εὐθέως δὲ οὐ προσανεθέμην σαρκὶ καὶ αἵματι …, ὅτε εὐδόκησεν [ὁ θεὸς] … Entsprechend ließe sich etwa Gal 2,14a (ἀλλ᾽ ὅτε εἶδον ὅτι …, εἶπον τῷ Κηφᾷ …) theoretisch umformulieren als ἀλλὰ εἶπον τῷ Κηφᾷ …, ὅτε εἶδον ὅτι …

Für die bildliche Wiedergabe der propositionalen Makrostruktur (siehe unten, Abschnitt 8.1; vgl. Abb. 9) ist es vorteilhaft, wenn das interne Konnekt jeweils vom Konnektor regiert wird/die beiden eine Phrase bilden. Allerdings ist von solchen Umformungen abzusehen, da die Textfolge unter Umständen relevant für die Informationsstruktur des Textes ist.73 Nicht zu verwechseln ist dieses Phänomen der Textfolge mit (a) zusammengesetzten Konnektoren (wie z. B. konzessivem ἐάν καί),74 die als Einheit mit dem internen Konnekt zu verbinden sind, und (b) dem Vorkommen von (meist adverbialen) „Korrelaten“ im externen Konnekt (z. B.

οὕτως zu ὥστε).75

71 Problematisch ist daher auch die bei CGCG 60.8–9 gewählte Kategorie des Skopus. Es ist zu­

mindest missverständlich zu sagen, δέ verbinde teilweise lediglich „clauses,“ teilweise aber auch

„entire sentence[s] to the preceding context.“ Eine solche Formulierung bereitet den Weg zur Annahme eines beliebig erweiterbaren Skopus, wodurch der Konnektor leicht als Diskursmarker missverstanden werden kann (siehe dazu unten, Abschnitt 8.2). Wenn im Deutschen zwischen eine koordinierende Konjunktion und den Hauptsatz ein vorangestellter Nebensatz tritt, wird mit ähnlicher Argumentation auf ein Komma verzichtet, welches die eigentliche grammatische Bindungsenge klären würde: „Die beiordnenden Konjunktionen … leiten nicht den Nebensatz ein, sondern sie schließen ein Satzgefüge an, das mit einem vorangestellten Nebensatz beginnt“

(Steinhauer und Stang, Komma, 101).

72 Ein Temporalsatz zu einem als adversativ markierten Matrixsatz wird häufig einen Umstand spezifizieren, der den Kontrast im Sinn z. B. einer Verhaltensänderung verständlich macht: „Ich liebte meine Frau. Aber als ich sie mit meinem Nachbarn im Bett erwischte, trennten wir uns.“

Dies ist aber keinesfalls notwendigerweise der Fall: „Ich liebte meine Frau. Aber als unsere Liebe am stärksten war, trennten wir uns.“ Der Kontrast besteht zwischen der Liebe und der (in einem solchen Kontext unerwarteten) Trennung.

73 Siehe unten, Abschnitt 8.1.3.

74 Vgl. auch CGCG 59.57–76.

75 GGNT 318c. Korrelate können aber auch im externen Konnekt in Konnektorkonstruktionen erscheinen, die nicht mit Konjunktionen, sondern mit Adverbien gebildet werden. Siehe dazu ausführlich unten, Kapitel 7.

Im Dokument Christoph Heilig Paulus als Erzähler? (Seite 193-196)