• Keine Ergebnisse gefunden

Nominaldefinition der verwendeten Ausdrücke

Im Dokument Christoph Heilig Paulus als Erzähler? (Seite 112-116)

2 Das Konzept der ‚Definition‘

2.2  Nominaldefinition der verwendeten Ausdrücke

Auch Ausdrücke können definiert werden. Eine sogenannte „Nominaldefinition“

liegt vor, wenn im Rahmen eines Diskurses spezifiziert wird, welcher Termi­

nus für ein bestimmtes (bereits definiertes, d. h. in seiner Gestalt festgelegtes) Konzept verwendet werden soll.19 Eine solche Definition liegt etwa vor, wenn in diesem Satz (wenig erstaunlich) darauf hingewiesen wird, dass im Rahmen dieser Arbeit der Ausdruck „Erzählung“ für das Konzept ‚Erzählung‘ verwendet wird.

Relevanter, da nicht ebenso einheitlich gehandhabt, ist folgende terminologische Festlegung: Auch mit dem Substantiv „Narrativ“ wird auf dasselbe Konzept der Erzählung verwiesen.

Nominaldefinitionen spielen in wissenschaftlichen Arbeiten eine recht große Rolle, da sie nach einmalig getroffener terminologischer Festlegung die mög­

lichst ökonomische Kommunikation über einen Gegenstand erlauben. Entspre­

chend begegnen sie auch immer wieder in dieser Arbeit: Einerseits muss geklärt werden, welche Eigenschaften das Konzept der ‚Erzählung‘ aufweist, anderer­

seits muss zum besseren Verständnis auch geklärt werden, mit welchen Wörtern auf diese Kategorie Bezug genommen wird.

Auch bei der Unterscheidung von Ausdrucks­Erwähnung und Bedeutungs­

Angabe haben sich typographische Unterscheidungen etabliert, die jedoch von Disziplin zu Disziplin und auch lokal variieren. In der Linguistik wird meist Kur­

sivsatz verwendet. Wie etwa in:

Erzählung wird für ‚Erzählung‘ verwendet.20

Im Alltagsgebrauch und in der Philosophie zeigen allerdings auch hier doppelte Anführungsstriche die Erwähnung eines in seiner Bedeutung zu bestimmenden

19 Auch dieser Satz ist folglich selbst eine Definition eines Ausdrucks.

20 Der Beispielsatz wird hier wie ein längeres Zitat formatiert, da ansonsten Anführungsstriche für den gesamten Satz nötig wären, wodurch die Verwendung der einfachen Anführungsstriche nicht mehr eindeutig wäre.

Ausdrucks an. Diese Praxis wird auch hier übernommen, da Kursivsatz bereits ausführlich zum Zweck der Emphase verwendet wird.21

Griechische Lexeme werden unmarkiert angeführt, da es hierbei vom Kontext her (im Diskurs über eine Objektsprache, die für die an der Kommunikation Teil­

nehmenden viele semantische Unklarheiten aufweist) in der Regel klar ist, dass es um die Bedeutung eines Wortes geht und nicht um ein Konzept.

Irritierend sind daher natürlich all jene Buchtitel, welche eine Formulierung wie z. B. „Πίστις bei Paulus“ aufweisen. Sie erwecken den Anschein, dass es sich hierbei um eine Wortstudie han-delt. Stattdessen wird hier jedoch oft schlicht ein griechischer Ausdruck zur Bezeichnung eines Konzepts gewählt, das man ebenso gut auch auf Deutsch hätte zum Ausdruck bringen können, wie dies etwa auch im Sammelband „Glaube: Das Verständnis des Glaubens im frühen Chris-tentum und in seiner jüdischen und hellenistisch-römischen Umwelt“ der Fall ist.22 (Wobei hier allerdings wiederum manche Autoren eher die Bedeutung von πίστις in bestimmten Korpora zu kommentieren scheinen, also „das Verständnis von πίστις“).23 Ein besonders irritierendes Phänomen ist die Transkribierung griechischer Wörter in solchen Kontexten (z. B. „Pneuma bei Paulus“): Soll hier schlicht auf griechische Schrift verzichtet oder vielmehr angedeutet werden, dass das im Zentrum des Interesses stehende Konzept unserer modernen Vorstellung so fremd ist, dass dafür schlicht kein gebräuchliches Wort gefunden werden kann?

Auch die typographische Markierung der Bedeutung des Ausdrucks stellt eine etwas schwierigere Angelegenheit dar. In der Linguistik hat sich hier die Groß­

schreibweise eingebürgert:

Erzählung und narrative bedeuten ERZÄHLUNG.

Ebenfalls häufig begegnet man – gerade dann, wenn die Objektsprache eine Fremdsprache ist – auch hier den doppelten Anführungszeichen:

Διήγησης „Erzählung“ begegnet bei Paulus nie.

Bei dem in Anführungszeichen gesetzten Wort handelt es sich freilich nur um eine „Glosse,“ d. h. ein Übersetzungsäquivalent, welches in vielen Kontexten verwendet werden kann, da dieses Wort in der Zielsprache einen ähnlichen

21 Eindeutig ist die Verwendungsweise so natürlich auch nicht, denn es gibt schließlich noch andere Verwendungsweisen der doppelten Anführungsstriche im Deutschen. Vgl. Duden 1729.

Nach Ansicht des Verfassers resultiert diese Lösung jedoch in einem angenehmeren Schriftbild.

22 Frey, Schliesser und Ueberschaer, Hg., Glaube.

23 Interessanterweise wird Barr nur in den einleitenden Kapiteln von Frey und Schliesser zitiert (für seine Kritik an der angenommenen Dichotomie von griechischem/hebräischem Denken und am „illegitimate totality transfer“). Der Terminus „Begriff“ taucht (inkl. Komposita) im Band gut 600 Mal auf.

Bedeutungsumfang hat wie das fragliche Wort der Ausgangssprache. Da die Bedeutungen allerdings nahezu nie absolut deckungsgleich sind, kann es für große Verwirrung sorgen, wenn eine Glosse als Ausgangspunkt für weitreichende Aussagen über die Bedeutung eines z. B. griechischen Wortes herangezogen wird.24

Gerade in der Lexikographie des neutestamentlichen Griechisch hat die gras­

sierende Verwendung von Glossen in Wörterbüchern unzählige fehlerhafte exegeti­

sche Aussagen nach sich gezogen.25 Gerade in dieser Disziplin darf die Bedeutung von ausführlichen26 Nominaldefinitionen27 daher nicht unterschätzt werden, sodass eine deutliche typographische Differenzierung angezeigt erscheint.

In dieser Arbeit werden dafür ebenfalls einfache Anführungszeichen ver­

wendet, da es sich bei der ‚Bedeutung‘ ebenso wie beim ‚Konzept‘ um mentale Konstrukte handelt, die sprachlich umschrieben werden.28 Also beispielsweise:

Διήγησης kann als ‚discourse consisting of an orderly exposition or narration‘ (LN) definiert werden und überlappt in dieser Hinsicht mit dem deutschen Ausdruck „Erzählung,“ welcher

‚Text mit mindestens zwei temporal und sinnhaft verknüpften Ereignissen‘ bedeutet.

24 Was ist etwa mit der Glosse „jemanden im Triumphzug einherführen“ für transitives θριαμβεύω gemeint? Im Deutschen scheint die Rolle des Einhergeführten nicht spezifiziert und nicht wenige exegetische Beiträge berufen sich genau auf diesen Umstand, dass also z. B. ja auch

„siegreiche Generäle“ im Triumphzug vom Triumphator mitgeführt werden könnten. Dabei wird übersehen, dass dies das Bedeutungsspektrum des griechischen Verbs nicht hergibt. Vgl. Heilig, Paul’s Triumph.

25 Siehe für einen schonungslosen Überblick Lee, History.

26 D. h. vor allem: „paradigmatische und syntagmatische Beziehungen beachtende“; vgl. Heilig, Paul’s Triumph, Kapitel 1 für die theoretische Begründung und Kapitel 2 für eine Durchführung am Beispiel von transitivem θριαμβεύω.

27 Die lexikographische Definition unterscheidet sich von der weiter oben im Haupttext dar­

gestellten Nominaldefinition im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses dadurch, dass sie sämtliche Gebrauchsweisen eines Wortes innerhalb einer Sprache zu erfassen versucht, d. h., Homonyme und deren polysemes Bedeutungsspektrum ausdifferenziert. Die Nominaldefinition zur Verständigung im wissenschaftlichen Diskurs fokussiert praktisch auf eine dieser Bedeutun­

gen und legt diese ausführlich dar. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass im Diskurs der neutestamentlichen Wissenschaft lexikographische Definitionen in der Regel unterschiedliche Objektsprache (Griechisch) und Metasprache (Deutsch/Englisch/Französisch etc.) aufweisen.

Das ist allerdings keine notwendige Bedingung – im Gegenteil: Eine inner­griechische Definition ist grundsätzlich (d. h. bei entsprechender Sprachkompetenz) vorzuziehen, da die sprachlichen Systeme eben nicht genau spiegelbildlich aufgebaut sind und bei Verwendung einer anderen Sprache oft zusätzliche Verdeutlichungen notwendig sind. Vgl. etwa Heilig, Paul’s Triumph, Ka­

pitel 2, Abschnitt 3 für die paradigmatischen Beziehungen eines Lexems, deren Analyse eine entsprechende Definition innerhalb der griechischen Sprache erlaubt.

28 Vgl. Heilig, Paul’s Triumph, 12–13. Ebenso etwa Nida und Louw, Lexical Semantics. Lee, History stellt Glossen in doppelten Anführungszeichen Definitionen in Kursivschrift gegenüber.

Ebenso wird mit Bedeutungsangaben oberhalb der Wort­Ebene verfahren, also wenn die Ausdrucksbedeutung einer satzwertigen Konstruktion angegeben wird (siehe unten, Kapitel 4, Abschnitt 5.1).29

Ehe wir uns dem Konzept der ‚Erzählung‘ zuwenden, soll noch kurz auf einige terminologische Festlegungen hingewiesen werden, die in dieser Arbeit zugrunde gelegt werden. „Narrativ“ und „Erzählung“ werden in dieser Arbeit wie gesagt austauschbar verwendet. Analog bezeichnet der Ausdruck „Narratologie“

ohne beabsichtigte Nuancierung ebenfalls das präsentierte Konzept ‚Erzähltheo­

rie.‘30 „Narrativität“ und „Erzählhaftigkeit“ stehen für die Eigenschaft, narrativ zu sein, also zur Kategorie der ‚Erzählung‘ zu gehören. In einem prototypischen Rahmen kann es auch verschiedene Grade dieser Eigenschaft geben, im hier ver­

folgten Ansatz handelt es sich dabei um eine binäre Zuordnung.

In Anknüpfung zu anderen terminologischen Differenzierungen (vgl.  etwa

„eschatisch“ und „eschatologisch“) könnte man auch zwischen den Adjektiven

„narrativ“  – als Bezeichnung der Eigenschaft der Narrativität – und „narra­

tologisch“  – zum Ausdruck der erzähltheoretischen Erschließung des Narra­

tiven  – unterscheiden. Die Kennzeichnung einer Sache als „narrativ“ jedoch ausschließlich auf Erzählungen zu beschränken, ist angesichts der etablierten weitergefassten Verwendungsweise nicht angezeigt. (Der „narrative Ansatz“ ist schließlich kein „in erzählerischer Form dargestellter Ansatz“ sondern ein „auf narrative Elemente fokussierender Ansatz.“) Umgekehrt soll insofern eine Beson­

derheit markiert werden, als zuweilen bewusst das Adjektiv „narratologisch“ im Hinblick auf manche exegetische Beiträge zu biblischen Erzählungen vermieden wird. Wie Köppe und Kindt im Hinblick auf die korrespondierenden Substantive anmerken:31

Von „Erzähltheorie“ oder „Narratologie“ wird hier nicht schon dann gesprochen, wenn in einem Text Erzählvorgänge oder Erzählungen thematisiert werden, sondern nur dann, wenn dies in theoretischer Weise geschieht.

29 Zum Thema der Notation vgl. auch Kapitel 7, Abschnitt 1.2.

30 Einer solchen Praxis, die nicht zwischen verschiedenen Wissenschaftstraditionen unter­

scheidet, folgen auch einige neue Entwürfe. Siehe etwa Köppe und Kindt, Erzähltheorie, 22.

Da wir an grundlegenden erzähltheoretischen Kategorien interessiert sind, ist eine synonyme Verwendungsweise von „Narratologie“ und „Erzähltheorie“ dementsprechend gerechtfertigt.

Zudem wird damit letztlich auch der ursprünglichen Verwendung des Terminus als ‚Wissen­

schaft der Erzählung‘ (so die Übersetzung von Köppe und Kindt von Todorov, Grammaire, 10) Rechnung getragen.

31 Köppe und Kindt, Erzähltheorie, 22.

Die Autoren haben hierbei vor allem die Absetzung von der Praxis der Erzähl(text) analyse im Blick,32 doch hat die Bemerkung auch im Hinblick auf vortheoretische Ansätze ihre Berechtigung.

Es wurde bisher in Anlehnung an den Titel eines Forschungsberichts von Longenecker33 daher bewusst von einem „narrativen Ansatz“ gesprochen, also einer Zugangsweise zu den Paulusbriefen, welche den Aspekt der Narrativität betont, der es jedoch (siehe oben, Kapitel 2, Abschnitt 2–3) aufs Ganze gesehen an einer erzähltheoretischen Fundierung fehlt. Im Kontrast dazu ist das Ziel dieser Arbeit, eine narratologische Analyse der Paulusbriefe – zumindest in Auswahl und in Grundzügen – durchzuführen.

Im Dokument Christoph Heilig Paulus als Erzähler? (Seite 112-116)