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4.4 Ziele und Beschreibung des Unterrichts

4.4.3 Die thematisierten Problemstellungen

In den sechs Unterrichtsstunden der Interventionsstudie wurden ausschließlich Vorgänge themati-siert, die auch real vorgeführt werden konnten. Die einzelnen Themen und einige damit verbunde-nen Ziele könverbunde-nen der Tab. 4.3 entnommen werden.

1. Stunde Die Schüler verstehen das

Grundprin-zip der Modellbildung und bekom-men Vertrauen in die Software.

Einführung in VisEdit, Kinematik: Modellierung vx und a→v→x

Tafel, Arbeitsblatt

2. und 3.

Stunde Die Schüler erkennen,

- dass alle Kräfte zusammen als Gesamtkraft die Beschleunigung gemäß a = Fges /m bestimmen - alle Kräfte insbesondere auch die

Reibungskraft eine Richtung haben, die zu berücksichtigen ist.

Schiefe Ebene:

1. Nur Hangabtriebskraft (mit schrift-lichen Vorhersagen)

2. Mit Reflexion (mit schriftlichen Vorhersagen)

3. Mit Reflexion und Reibung (mit schriftlichen Vorhersagen)

evtl. 4. mit zusätzlicher Propellerkraft 4. Stunde Die Schüler erkennen, dass alle

be-wegten Massen zusammen die Be-schleunigung gemäß a = Fges /mges

bestimmen, und sehen ein Beispiel einer Bewegung, die analytisch nicht explizit lösbar ist.

Luftkissenfahrbahn:

1. Mit ziehender Masse (mit schriftli-chen Vorhersagen)

2. Mit ziehender Kette (mit schriftli-chen Vorhersagen)

evtl. 3. Mit Kette und Reibung

2 Arbeitsblätter

5. Stunde Die Schüler erkennen, warum sich bei Fahrzeugbewegungen trotz konstanter Antriebskraft eine konstante Endge-schwindigkeit einstellt

Fallbewegung mit Luftreibung verschiedene Bahrdtsche Fallkegel, Arbeitsblatt, Tafel, Video, Folie 6. Stunde Die Schüler erkennen, dass die

unter-schiedlichsten Bewegungen nach dem gleichen Grundschema modelliert werden.

Federschwingung 2 Arbeitsblätter

Tab. 4.3: Grobstruktur des Unterrichts

In der Kinematik gibt es noch nicht so viele Möglichkeiten für Modellbildung. In diesem Unterricht wurde zuerst immer aus einer Geschwindigkeit, die mit der Maus über einen Schieber eingeben wurde, der Ort be-rechnet (siehe Abb. 4.8). Schon bevor man die Bewegungsfunktionen behandelt hat oder die Beschleunigung eingeführt ist, kann hier im Unterricht überlegt und nachgeprüft wer-den, was eine kleinere oder größere oder negative Geschwindigkeit bewirkt und

ins-besondere, was bei einer ständigen Zu- oder Abnahme dieser Geschwindigkeit durch kon-tinuierliches Verändern des Schiebers passiert (Alle in dieser Interventionsstudie verwendeten Ma-terialien wie VisEdit-Dateien, PAKMA-Dateien und Arbeitsblätter finden sich zusammen mit An-regungen und Hinweisen unter http://didaktik.physik.uni-wuerzburg.de/software/modell/in-halt.htm).

Entsprechend kann man dann Geschwindig-keit und Ort aus einer veränderlich einstell-baren Beschleunigung berechnen (siehe Abb.

4.9) und weiteres Graphenverständnis üben.

Nicht nur große, kleine, positive und negati-ve Beschleunigung sondern auch eine linear zu- oder abnehmende Beschleunigung (durch kontinuierliches Verändern des Schiebers für die Beschleunigung) kann auf diese Art behandelt werden. Weitere

Model-le zur Kinematik (z.B. ein Überholvorgang) Abb. 4.9: Ausgabe Modellbildung Kinematik 2 Abb. 4.8: Ausgabe Modellbildung Kinematik 1

sind für das Verständnis physikalischer Zusammenhänge wenig hilfreich. Eine Einführung in Vis-Edit und in die Modellbildung im Rahmen der Kinematik einschließlich dem Arbeiten mit den Si-mulationen ist so in einer Unterrichtsstunde möglich.

Bei der Anwendung des zweiten newtonschen Gesetzes gibt es zahlreiche Möglichkeiten für Mo-dellbildung. Ein im Unterricht behandeltes Beispiel ist ein Wagen auf der schiefen Ebene. Der Vor-teil dieses thematischen Bereichs liegt darin, dass hier sukzessive weitere Kräfte hinzugefügt wer-den können. Dass nur eine konstante Hangabtriebskraft wirkt, ist noch einfach. Interessanter wird es, wenn durch eine Feder am Fahrbahnende eine weitere Kraft ins Spiel kommt, die den Wagen wieder nach oben reflektiert, denn es handelt sich in diesem Falle um eine ortsabhängige Kraft. Da der Wagen in diesem Modell unrealistischerweise wieder die Ausgangshöhe erreicht, wünschen sich die Schüler eine Berücksichtigung der

Reibung, so dass eine dritte Kraft hinzu-kommt (siehe Abb. 4.10). Diese Rollrei-bungskraft ist zwar betragsmäßig konstant, aber von der Bewegungsrichtung, also der Geschwindigkeitsrichtung, abhängig. Die Vorteile dieser Modellbildung sind, dass der entsprechende reale Versuch immer wieder vorgeführt werden kann, die Schüler sich eine realistische Berechnung mit Berück-sichtigung der Reibung wünschen und insge-samt ein komplexer Ablauf (mit komplexen Graphen, siehe Abb. 4.11) vorliegt, bei des-sen Modellierung einige Fehlvorstellung auftreten, die diskutiert werden können. Hier wird das Grundprinzip deutlich, dass immer alle Kräfte berücksichtigt werden müssen und diese mit ihrer Richtung addiert die

„Summe der angreifenden Kräfte“ ergeben, die die Beschleunigung bestimmt. Es ist so-gar möglich, eine vierte Kraft zu berück-sichtigen, wenn man annimmt, dass auf dem Wagen ein ferngesteuerter Propeller montiert ist. Da nicht nur das Modell gemeinsam er-stellt wurde, sondern auch mit den

entstan-denen Simulationen gearbeitet wurde, indem die Schüler schriftlich Vorhersagen machen sollten, wurden dazu zwei Unterrichtstunden benötigt. Wenn man noch mehr vorhersagen lässt und ausführ-licher diskutiert, könnte man auch drei oder vier Unterrichtsstunden lang sinnvoll mit diesem Vor-gang im Unterricht arbeiten. Sinnvoll ist z.B. ein Vergleich des Modells mit einer Realmessung.

Abb. 4.10: Modell zur schiefen Ebene mit Reflexion und Reibung

Abb. 4.11: Ausgabe zum Modell der schiefen Ebene

Eine Alternative zur schiefen Ebene wäre ein Trampolinspringer, was abgesehen von einer anderen Reibungsart physikalisch äquivalent ist.

Nach diesem Thema waren die Schüler bereits in der Lage, als Hausaufgabe selbst Modelle auf dem Papier zu erstellen. Relativ einfach war es, ein Modell zu der Standardsituation zu entwerfen, dass eine Masse, die an einem Faden hängt, über ein Umlenkrad einen Gleiter auf der Luftkissenfahr-bahn beschleunigt. Man muss dabei nur bedenken, dass zwar die Zugkraft nur von der Masse des Gleiters abhängt, aber die Beschleunigung von der gesamten bewegten Masse (Zugmasse und Glei-termasse). Eine Herausforderung für die guten Schüler bzw. eine Erweiterung der Hausaufgabe im Unterricht war das Modell, bei dem die Zugmasse durch eine Kette ersetzt ist, die sich durch die Bewegung verkürzt, so dass man nicht nur

eine ortsabhängige Zugkraft, sondern auch eine ortsabhängige bewegte Masse erhält (siehe Abb. 4.12). Hier waren die Schüler sehr überrascht, dass man recht einfach Gra-phen erhält und anderseits der Lehrer keine explizite analytische Lösung angeben kann.

Wichtig an beiden Beispielen ist das Grund-prinzip, dass immer alle bewegten Massen berücksichtigt werden müssen und diese Gesamtmasse die Beschleunigung bestimmt.

Sehr wichtig war die Unterrichtsstunde zur Luftreibung. Für das Verständnis der newtonschen Dy-namik sind Versuchssituationen mit geschwindigkeitsabhängigen Reibungskräften noch viel wich-tiger als solche mit konstanten Reibungskräften, da diese für die Fehlvorstellung verantwortlich sind, dass sich ein Körper immer mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegt, wenn eine konstan-te Kraft auf ihn einwirkt. Diese Vorskonstan-tellungen entsprechen unseren Erfahrungen in einer Welt, in der es stets (geschwindigkeitsabhängige) Reibung gibt, treffen aber höchstens für den Gleichge-wichtszustand nach einer Anfangsphase zu. Wegen der Übertragbarkeit auf Alltagssituationen sind Versuche mit im Verhältnis zur Antriebskraft großen Luftreibungskräften wünschenswert, bei-spielsweise mit Barthschen Fallkegeln (Wilhelm, 2000). Solche Fallkegel wurden im Unterricht fallen gelassen und anschließend wurde versucht, dies zu modellieren (siehe Abb. 4.13). Interessant ist dann auch, sich anzuschauen, was eine

kleinere bzw. größere Reibung und eine klei-nere bzw. größere Masse bewirkt. Auch hier half wieder das fertige Wirkungsgefüge zum Verstehen des Ablaufs und konnte als Dis-kussionsgrundlage verwendet werden. In dieser Stunde war das Interesse der Schüler besonders hoch, insbesondere bei der Dis-kussion der Auswirkungen im Alltag, wobei

Abb. 4.12: Modell zum Wagen, der mit einer fallenden Kette beschleunigt wird

Abb. 4.13: Ausgabe zum Modell des mit Luftreibung fallenden Fallkegels

die Schüler besonders der ehemalige Weltrekord für Höchstgeschwindigkeit beim Fahrradfahren (226,1 km/h) faszinierte, bei dem ein Fahrradfahrer 1,2 km hinter einem Chevrolet mit aufmontier-tem Windschutz fuhr (mittlerweile überboten).

Schließlich wurde auch noch eine Unterrichtsstunde zur Modellierung einer Federschwingung ver-wendet. Im traditionellen Unterricht wird meist erst begründet, dass man die Gewichtskraft nicht berücksichtigen muss und dass auch von der neuen Ruhelage aus das hookesche Gesetz gilt, um dann den Vorgang mit nur einer Kraft beschreiben zu können. Hier konnte der Ablauf von der un-gedehnten Feder aus (entsprechend dem in der achten Klasse gelernten hookeschen Gesetz) unter Berücksichtigung beider Kräfte modelliert werden. Die Schüler sollten dann nach der Modellierung auch auf einem Arbeitsblatt für ausgewählte Zeitpunkte Größe und Richtung von Gewichtskraft, Federkraft und Summe der Kräfte qualitativ mit Pfeilen angeben.