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4.5 Unterrichtserfahrungen

4.5.2 Bewertung der Schüler

Nach dem Unterricht bewerteten die Schüler das Arbeiten mit dem Modellbildungssystem. Sie be-urteilten, ob 15 verschiedene positive Aussagen über das Lernen mit VisEdit (siehe CD im Anhang) für sie zutreffen oder nicht („trifft ganz genau zu“, „größtenteils zu“, „etwas zu“, „ eher nicht zu“

oder „trifft gar nicht zu“) (In zwei Fällen (Nr. 2 und 15) wurden negative Aussagen formuliert und die Ergebnisse bei der Auswertung invertiert). Insgesamt beantworteten 58 Schüler den Fragebo-gen. Da jeweils ordinal skalierte Daten vorliegen, wurde jeweils der Median M und die Spannweite S der auftretenden Antworten bestimmt. Da die Skala näherungsweise intervallskaliert ist, wurde diese qualitative Skala zusätzlich quantifiziert, indem der Skala die Zahlen 1 (trifft ganz genau zu) bis 5 (trifft gar nicht zu) zugeordnet wurden, und dann wie bei einer metrisch skalierten Größe Mit-telwert µ und Standardabweichung σ bestimmt (siehe Abb. 4.14).

Bei den positiven Aussagen über das Modellieren wurde den folgenden Items am meisten zuge-stimmt (M = 2 = trifft größtenteils zu):

• Nr. 4: „Ich finde es gut, dass man durch dieses Programm viele verschiedene Situationen in kur-zer Zeit analysieren kann.“ (µ = 2.07, σ = 1.09)

• Nr. 5: „Bei diesem Unterricht habe ich gesehen, welch unterschiedliche Vorgänge mit wenigen Formeln behandelt werden können.“ (µ = 2.09, σ = 1.00)

• Nr. 9: „Die grafische Darstellung der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Größen in dem Wirkungsgefüge finde ich hilfreich.“ (µ = 2.05, σ = 0.85)

• Nr. 12: „Ich sehe das Erstellen von und das Arbeiten mit Rechenmodellen als hilfreich für mein Verständnis an.“ (µ = 2.05, σ = 0.99)

• Nr. 13: „Ich fand es gut, dass man sich nur die physikalischen Zusammenhänge überlegen muss-te und der Compumuss-ter das Rechnen übernahm.“ (µ = 2.03, σ = 0.94)

• Nr. 16: „Ich fand es gut, dass realistische Situationen behandelt wurden und nicht wie sonst nur Idealfälle ohne Reibung.“ (µ = 2.03, σ = 0.90)

Am wenigsten zugestimmt (M = 3 = trifft etwas zu) haben die Schüler zwei Aussagen, die sich deutlich von den anderen abheben und bei denen es um den Vergleich mit anderen Unterrichtsele-menten geht. Die eine Aussage (Nr. 10, µ = 3.24, σ = 1.20) hieß: „Ich halte das Erstellen von und das Arbeiten mit solchen Rechenmodellen für wichtiger als weitere zusätzliche Versuche.“ Die an-dere Aussage mit der geringeren Zustimmung (Nr. 11, µ = 3.03, σ = 1.01) hieß: „Ich halte das Erstellen von und das Arbeiten mit solchen Rechenmodellen für wichtiger als das Rechnen weiterer Anwendungsaufgaben.“

Dass die Schüler der ersten Aussage zum Vergleich mit Versuchen nicht völlig zustimmen, kann man nachvollziehen. Denn Modellbildung soll kein Ersatz für Experimente sein. Versuche sind und bleiben sehr wichtig. Modellbildung soll nur helfen, die Vorgänge bei den Experimenten zu verste-hen. Bei der zweiten Aussage zum Vergleich mit Rechenaufgaben wurde in der Diskussion mit der Klasse genauer nachgefragt. Manche Schüler meinten, das Arbeiten mit VisEdit ist sinnvoller als das Rechnen von Aufgaben, aber da in der Schulaufgabe nur das Aufgabenrechnen verlangt wird,

Abb. 4.14: Zustimmung der Schüler zu verschiedenen Items

sollte das geübt werden. Ein weiteres Nachfragen ergab, dass die Physikschulaufgaben der Schüler nach ihrer Meinung immer nur aus reinen Rechenaufgaben bestanden und sie konnten sich gar nicht vorstellen, dass auch Verständnisfragen, Grapheninterpretation oder Beschreibungen von Experi-menten oder physikalischen Abläufen in der Schulaufgabe verlangt werden. Wenn im Unterricht aber mehr Wert auf Verständnis gelegt wird und Modellbildungssysteme eingesetzt werden, dann muss sich das auch in den Schulaufgaben niederschlagen, die sich verändern müssen.

Einige Schüler meinten aber auch, die Schulaufgaben sollen weiterhin so bleiben. Denn bisher gebe es ein Schema, das man lernen kann und hätte so die Gewissheit, eine einigermaßen vernünftige Note zu bekommen. Wenn nun in der Schulaufgabe auch Verständnis abgefragt werden würde, dann müssten sie ja mehr lernen oder hätten schlechtere Noten.

In zwei Klassen wurde die Software für die Benutzung am eigenen PC zu Hause angeboten. 65 % bzw. 24 % der Schüler der jeweiligen Klasse gaben an, dass sie auch zu Hause VisEdit genutzt ha-ben. Dabei ist zu bedenken, dass dies nicht verlangt war. Es wurden lediglich als Angebot wenige Disketten mit der Software zur Verfügung gestellt. Diese haben die Schüler untereinander weiter-gegeben und damit freiwillig am eigenen PC gearbeitet.

Die Betrachtung der Schülerantworten ergibt zusammenfassend ein Interesse und eine positive Ein-schätzung der Schüler. Dies spricht dafür, solche Modellbildung schon während der regulären Be-handlung der Dynamik einzusetzen und nicht erst nach Abschluss der Dynamik.

Außer der Einschätzung von VisEdit wurde auch noch nach der allgemeinen Bereitschaft, sich im Physikunterricht zu beteiligen (Nr. 1), nach den Lernwillen (Nr. 2), nach der eigenen Physik-Leistungseinschätzung (Nr. 20), nach der letzten Physiknote (Nr. 21) und nach ähnlichen Parame-tern (Nr. 3, Nr. 19, Nr. 22) gefragt. Die Schüler wurden dann bezüglich jeder dieser Variablen in zwei Gruppen geteilt, so dass jeweils in jeder entstehenden Gruppe ungefähr gleich viele Schüler sind. Vergleicht man damit die Angaben der leistungswilligen, interessierten und guten Schüler mit den Angaben der weniger zur Beteiligung am Unterricht bereiten und schlechteren Schüler stellt man Unterschiede bei den Mittelwerten der Items zur Einschätzung des Modellbildungsunterrichts fest. Auf die Unterschiede, die signifikant (Unabhängiger t-Test bzw. Mann-Whitney-U-Test, Signi-fikantniveau 0,05, Software: SPSS) sind, soll hier kurz eingegangen werden (einschränkend ist zu bedenken, dass keine Hypothesen geprüft wurden, die vor dem Test schon aufgestellt wurden, son-dern nach Testdurchführung erst Vergleiche stattfanden.).

Schüler mit einer ausgeprägten Bereitschaft, sich am Physikunterricht zu beteiligen, finden die gra-phische Darstellung der Zusammenhänge (Wirkungsgefüge) hilfreicher als die Schüler mit geringer Bereitschaft. Die Schüler, die im Physikunterricht etwas lernen wollen, überlegen sich auch lieber Zusammenhänge und finden folglich auch den Unterricht interessanter als lernunwillige Schüler.

Schüler, die sich für gut halten, überlegen sich lieber Zusammenhänge als die Schüler, die sich für schlecht halten; diese rechnen dagegen lieber Aufgaben und schätzen es weniger, dass der Compu-ter das Rechnen übernahm. Dazu passt, dass die Schüler, die schlechte Noten haben, weniger der Aussage zustimmen, dass das Erstellen von Rechenmodellen wichtiger als das Rechnen weiterer Aufgaben ist. Das entspricht der oben zitierten Schüleräußerung bezüglich des Aufgabenrechnens.

Anderseits schätzen diejenigen, die sich durch den Modellbildungsunterricht gefordert fühlten,

mehr als die (nach eigenen Angaben) Unterforderten, dass sie keine speziellen Bewegungsglei-chungen brauchen, sondern mit wenigen GrundgleiBewegungsglei-chungen auskommen.

Große Unterschiede gibt es zwischen den Schülern, die auch zu Hause mit VisEdit experimentier-ten, und denen, die es nicht taten. Die Softwarenutzer denken lieber über Zusammenhänge nach und finden diese Art von Unterricht interessanter. Das Erstellen von Modellen sehen sie als hilfreicher für ihr Verständnis an und halten es für wichtiger als weitere Anwendungsaufgaben zu rechnen. Sie haben auch mehr gesehen, welch unterschiedliche Vorgänge mit wenigen Formeln behandelt wer-den können. Dabei ist diese unterschiedliche Einschätzung sicher mit ein Grund, warum ein Teil das Programm zu Hause nutzte.

4.5.3 Veränderungen in Concept Maps