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Der Name „PAKMA“ steht für eine ganze Entwicklungsreihe eines Softwareprogrammes. Bereits in den 80er Jahren gab es ein Messwerterfassungssystem mit dem Namen „PAKMA“ für den Ho-mecomputer Commodore C64 (Heuer, 1988), mit dem Liniengraphen und bewegte Bitmaps darge-stellt werden konnten. Ende der 80er Jahre wurde eine Version für den „Amiga“-Computer erdarge-stellt (Heuer, 1992b, S. 353), mit der bereits Animationen und dynamisch ikonische Repräsentationen (mit größerem Aufwand skriptgesteuert) realisiert werden konnten. Die erste Implementation unter Windows 3.x wurde von 1991 bis 1993 durchgeführt. Dieses Windows-PAKMA wurde seitdem permanent weiterentwickelt, schrittweise um verschiedene Animationselemente ergänzt und die Bedienoberfläche an die Entwicklung von Windows angepasst. Die Animationselemente und dy-namisch ikonischen Repräsentationen sind effizient über Dialoge erstellbar. Die schnelle Entwick-lung der Computer-Hardware sowie der Betriebssysteme machte eine Neuprogrammierung von PAKMA notwendig. In gewissem Sinn erfolgte diese durch die Erstellung des betriebssystemunab-hängigen Java-Programm JPAKMA (Schönberger et al., 2002; Gößwein et al., 2002, Gößwein et al., 2003). Die vorliegende Beta-Version sollte aber weiter optimiert werden.

Alle diese Programmversionen haben gemeinsam, dass mit Hilfe eines Editors mit einem verein-fachten Pascal ein „Kernprogramm“ geschrieben wird, das eine eventuelle Messung und alle Be-rechnungen steuert. Damit kann sowohl eine Realmessung als auch eine reine Simulation erstellt werden. Animationen und dynamisch ikonische Repräsentationen können sich entsprechend jeder darin gemessenen oder berechneten Größe bewegen.

1999 wurde zu PAKMA das Zusatzmodul „VisEdit“ erstellt (Cimander, 1999; Geißler, 1999). Hier werden mit einem graphischen Editor Symbole gesetzt, die für eine Messung einer bestimmten Größe oder für eine Berechnung einer Größe aus anderen Größen stehen. VisEdit kann dann aus diesen Angaben das Kernprogramm für PAKMA erstellen. Damit kann sowohl eine Realmessung in PAKMA programmiert werden als auch eine reine Berechnung, also Simulation, erstellt werden.

Die graphische Erstellung einer Simulation nennt man eine graphische Modellbildung. Hierzu eini-ge Begriffsdefinition: 1. Eine Realmessung oder Messwerterfassung bedeutet, dass über Sensoren tatsächliche Größen eines physikalischen Ablaufs aufgenommen werden, aus denen dann weitere physikalische Größen des Vorgangs berechnet werden können. 2. Eine Simulation dient dagegen der Nachbildung ausgewählter Realitätsaspekte (Kircher et al., 2000, S. 251) mit Hilfe einer (häufig nicht sichtbaren) vorgefertigten Berechnung, wobei sich in der Regel einzelne Parameter verändern lassen oder man in den Ablauf eingreifen kann, so dass die Folgen der Handlung deutlich werden.

3. Bei einem Modellbildungssystem werden nicht nur einzelne Parameter variiert, sondern der Be-nutzer muss selbst die Zusammenhänge zwischen den Größen angeben. Vom Modellbildungssys-tem wird nach diesen Angaben das Programm, nach denen die anschließende Simulation abläuft, erst erstellt, um eine Simulation entsprechend den eigenen Vorstellungen sehen zu können. Dabei gibt es gleichungsorientierte Modellbildung (in PAKMA möglich) und graphisch orientierte Mo-dellbildung (mit PAKMA und VisEdit möglich) (siehe Kapitel 4.11.). VisEdit ist also ein Modul,

das nicht nur zur graphischen Modellbildung, sondern auch zum Programmieren von Messungen und Simulationen verwendet werden kann.

Sowohl bei einer Messwerterfassung als auch bei einer Simulation müssen die Daten dargestellt werden. Dazu können in PAKMA Graphen, Animationen und dynamisch ikonische Repräsentatio-nen verwendet werden. Außerdem könRepräsentatio-nen in PAKMA zusätzlich Videos des Versuchsablaufs ge-zeigt und externe Daten (z.B. eines Videoanalyseprogramms) eingelesen werden.

Dem Softwaresystem PAKMA liegt damit eine Philosophie zugrunde, die sich deutlich von fast aller anderer Physik-Software für den Schuleinsatz unterscheidet, die in der Regel für spezielle Aufgabenbereiche erstellt wurden. So sind Messwerterfassungssysteme ausschließlich zum Messen (und evtl. zum Steuern) vorgesehen, was meist mit leichter intuitiver Bedienung durchführbar ist, ohne viel einstellen zu müssen; die Ergebnisse werden als Graphen ausgegeben. Graphische Mo-dellbildungssysteme sind nur zum numerischen Lösen von Differentialgleichungen gedacht und geben die Ergebnisse ebenso als Graphen aus. Simulationssoftware ist im Allgemeinen nur für ein bestimmtes Thema erstellt. In PAKMA mit dem Zusatzmodul VisEdit sind nicht nur alle diese Funktionen möglich, sondern sie können auch gleichzeitig genutzt werden. Durch die Offenheit der Software gibt es für den Benutzer kaum Grenzen. Dadurch, dass der konkrete Ablauf mit einem erweiterten Pascal programmiert werden kann, gibt es für denjenigen, der programmieren kann, sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichsten Simula-tionen. Auch die Animationen und dynamisch ikonischen Repräsentationen bieten sehr viele Dar-stellungsmöglichkeiten. Aber dadurch, dass man viel auswählen und einstellen kann, muss man z.T.

auch viel einstellen. Durch seine Mächtigkeit ist es für viele Nutzer, Lehrer wie Schüler, nicht leicht, sich darin einzuarbeiten. Anderseits ist es damit ein geeignetes Werkzeug für physikdidakti-sche Forschung, da damit im Unterricht nicht nur verschiedene Darstellungen, sondern auch sehr viele unterschiedliche Vorgehensweisen ausprobiert werden können.

Eine ähnliche Philosophie hat die Software „Coach 5“, die vom AMSTEL Institut der Universität Amsterdam entwickelt wurde und ebenso recht vielseitig nutzbar ist. Mit Coach 5 ist neben einer Messwerterfassung und der Steuerung von Geräten, auch eine vorbildliche Videoanalyse und eine einfache Modellbildung möglich. Darüber hinaus können in einer Autoren-Umgebung Multimedia-aktivitäten, Lehrmaterialien und Anleitungen erstellt werden, wobei Texte, Bilder und Videos ein-gefügt werden können. Hier können auch Messungen vorbereitet, Modelle vorgefertigt, Videoana-lysen vorbereitet und sogar Links zu Internetseiten (z.B. mit Java-Applets) oder andere Dateien gesetzt werden. Mit Coach 5 ist es nicht möglich, selbst Animationen zu erstellen oder dynamisch ikonische Repräsentationen wie Vektorpfeile einzusetzen.

Auch PAKMA kann man auf drei unterschiedlichen Nutzungsniveaus einsetzen. Als „Anwender“

kann man fertige Simulationen (wobei man Startwerte und Parameter verändern kann) oder aufge-zeichnete Realmessungen in Reproduktion ablaufen lassen. Dazu erschienen im Schroedel-Verlag bereits mehrere CDs zu den bekannten Schulbüchern „Dorn-Bader Physik“ für die Jahrgangsstufen 11 bis 13 (z.B. die CD „PAKMA 2002“ mit ca. 240 PAKMA-„Projekten“2). Zu diesen „Projekten“2

2 Eine PAKMA-Datei, die sowohl ein Simulationsprogramm als auch ein Programm zur Messwerterfassung sein kann,

wurden ausführlich html-gesteuerte Anleitungen für Lehrer (mit Arbeitsaufträgen, die sie den Schü-lern stellen können) erstellt (auch im Format Word und pdf vorhanden). Außerdem wurde dafür eine vereinfachte Steuerung des Programmablaufs in PAKMA implementiert, die im Wesentlichen mit einer Schaltfläche auskommt. Als „Entwickler“ kann man dagegen selbst neue Simulationen erstellen und selbst neue Messungen konzipieren. Benutzt man PAKMA als Messwerterfassungs-system, was ursprünglich die Hauptintension war, hat man mehr Möglichkeiten bzgl. der Verarbei-tung und Darstellung der Messergebnisse als mit anderen Programmen. D.h. man muss auch mehr Entscheidungen treffen, so dass man zwangsläufig auch mehr Probleme haben kann. Das Erstellen von Simulationen und Animationen ist leichter als etwa beim Erstellen eines Java-Applets. Dafür kann der Anwender eines Applets dieses als eigenständiges Programm laufen lassen, das meist mit wenigen Schaltflächen intuitiv bedienbar ist, während der PAKMA-Anwender zumindest eine ver-einfachte Runtime-Version von PAKMA braucht. Schließlich kann man als „kundiger Anwender“

auch selbst fertige Simulationen und Messprogramme nach seinen Wünschen abändern. Eine für Lehrer empfehlenswerte Variante ist z.B., eine vorgefertigte Ausgabe (Animationen, dynamisch ikonische Repräsentationen und Graphen) unverändert zu übernehmen, aber die Berechnung der Simulation über das Modellbildungswerkzeug VisEdit mit den Schülern neu zu erstellen bzw. spä-ter nach den Wünschen der Schüler zu verändern. HEUER (2003a, S. 10+11) spricht hier von einer

„interaktiven Modellbildungs-Simulation“.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Windows-Software PAKMA (und das betriebssyste-munabhängige Java-Programm JPAKMA) multicodal ist, denn wie dargestellt werden mehrere Ko-dierungsformen (Bilder, Animationen, dynamisch ikonische Repräsentationen, Graphen und mit VisEdit graphische Wirkungsgefüge) zur Informationsvermittlung genutzt, auch wenn in der Regel kein Text oder Ton benutzt wird. PAKMA ist jedoch nicht multimodal, denn in der Regel wird durch die Software nur das visuelle Sinnesorgan angesprochen, evtl. höchstens noch in Schüler-übungen mit der PC-Maus der Tastsinn (siehe Kapitel 5.3.1, 5.3.2 und 5.3.3.1). Der auditive Be-reich ist völlig dem Lehrer überlassen, denn die Software PAKMA ist ein Werkzeug für den Lehrer (mit Einschränkung evtl. für den Schüler). Eine Interaktivität ist dadurch gegeben, dass der Ablauf (bei Simulationen und bei Reproduktionen von Originalmessungen) angehalten oder in einzelnen Schritten gezeigt werden kann oder bei Simulationen einzelne Parameter über Schieber verändert werden können. Eine weitergehende Interaktivität ist die Modellbildung - insofern, dass der An-wender hier selbst über das Rechenprogramm entscheidet, dass den Ablauf der Simulation steuert.

Das Softwarewerkzeug PAKMA ist aber nicht als interaktive Lernumgebung konzipiert, in der der Schüler allein, individuell, selbstgesteuert und aktiv (etwa über Hyperlinks) Erfahrungen macht und lernt. Natürlich ist es allerdings heute mittels html möglich eine interaktive Lernumgebung zu erstellen, bei der aus dem verlinkten Lehrtext heraus PAKMA wie jede andere Software gestartet wird und dort die gestellten Lernaufgaben bearbeitet werden.

Der Begriff „Multimedia“ wird heute unterschiedlich und inflationär verwendet. Nach SONNENTAG

(1996) ist ein Multimedia-System ein Computer-System (obwohl man streng genommen auch den

wird in PAKMA ein „Projekt“ genannt.

Computer als ein einziges Medium auffassen könnte), bei dem unterschiedliche Medien zu einem einzigen Informations-, Lern- oder Präsentationssystem integriert werden, wobei Texte, Graphiken, Fotos, Audio- oder Videokomponenten verwendet werden, von denen mindestens ein Medium zeit-lich dynamisch ist (obwohl das nur visuelle Medien sind). Ein weiteres wesentzeit-liches Merkmal von Multimedia ist insbesondere die Interaktivität (Sonnentag, 1996, S. 415; Issing et al., 1997, S. 60).

Da dies alles bei PAKMA möglich ist (auch wenn häufig nur Animationen, dynamisch ikonische Repräsentationen und Liniengraphen genutzt werden), kann nach dieser Definition die Software PAKMA als Multimedia-System bezeichnet werden, jedoch nicht als Hypermedia-System. Da PAKMA insbesondere die Multicodalität ermöglicht, kann es auch als multicodale Lernumgebung bezeichnet werden.

Wichtig für den Einsatz von PAKMA ist das Ebenenkonzept. Damit ist gemeint, dass in einem Ausgabefenster zwar verschiedenste Ausgabeformen (verschiedene Graphen, verschieden dyna-misch ikonische Repräsentationen, siehe Abb. 3.5 bis 3.9) vorhanden sind, diese aber mehreren E-benen zugeordnet sind, von denen eine und damit eine bestimmte Konstellation der Ausgabeformen angezeigt wird. Der Anwender, in der Regel der Lehrer, wählt nun jeweils die Ebene und damit die Darstellungsformen aus, die gerade angemessen sind. Damit ist es einerseits möglich, einen „cogni-tive overload“ durch zu viele Darstellungen zu vermeiden, und anderseits, schnell (auch während des Ablaufes) eine andere Darstellungsform hinzuzuschalten. Es kann also schrittweise von an-schaulichen zu abstrakteren Darstellungen umgeschaltet werden.

Um Referendaren die Fähigkeit zur eigenen und kollegialen Fortbildung zu vermitteln, hat N EUNZI-GER mit Referendaren eine Fortbildungsveranstaltung für Lehrer durchgeführt, wobei man sich für das Programm PAKMA entschied (Neunziger et al., 2002). Dabei schätzte man die Vielzahl bereits ausgearbeiteter PAKMA-„Projekte“, aber auch die Möglichkeit, Schüler an die Programmierung heranzuführen, und hierbei wiederum die Offenheit und Leistungsfähigkeit. Des Weiteren wurde die Möglichkeit, Messdaten mit Modellen zu vergleichen und der kostengünstige Einsatz der Com-putermaus in Schülerversuchen gewürdigt. Die an der Fortbildung teilnehmenden Lehrer schätzten z.B., dass mit dieser Software Phänomene aus der Lebenswelt der Schüler behandelt werden kön-nen. Sie stellten aber auch fest, dass man als Lehrer erst einmal viel Zeit hineinstecken muss, wenn man alle Möglichkeiten ausnutzen will.

4 Interventionsstudie zur graphischen Modellbildung mit Vis-Edit

Zunächst werden Grundsätzliches zur Modellbildung, eine didaktische Begründung für den Unter-richtseinsatz und Forschungsergebnisse in der Literatur vorgestellt (Kapitel 4.1 bis 4.3). Dann wer-den die Interventionsstudie und deren Ergebnisse dargelegt (Kapitel 4.4 und 4.5).