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6.3 Schulpraktische Erfahrungen der Lehrer

6.3.2 Erfahrungen im Dynamik-Unterricht

Auch zum Dynamikunterricht erhielten die teilnehmenden Lehrer Fragebögen, um anzugeben, wie intensiv sie die Dynamik unterrichteten und welche Erfahrungen sie dabei machten. Dabei wurde auch nach methodischem Vorgehen bezüglich des Einsatzes der Videos und der Reproduktionen bei den komplexen Versuchen gefragt. Diese Erfahrungsberichte liegen also schriftlich vor und wurden durch Mitschriften bei Diskussionen im Begleitseminar ergänzt.

6.3.2.1 Aspekte zur Akzeptanz der Inhalte und zur benötigten Unterrichtszeit

Im Gegensatz zur Kinematik wurde die Dynamik in den beteiligten Klassen recht unterschiedlich unterrichtet. Große Unterschiede gab es bei der Zeit, die die Lehrer für die Dynamik aufwandten.

Wenn sich die Lehrer an das vorgegebene Unterrichtskonzept hielten, dann schafften es auch einige in der dafür vorgesehenen Zeit (ohne Modellbildung und Prüfungen: 20 Stunden für ein- und zwei-dimensionale Dynamik), während andere dafür jeweils mehr Zeit brauchten. Zusätzlich wurden

verschiedene Themen in einzelnen Klassen weggelassen oder zusätzlich unterrichtet. Ein Teil der Lehrer kam deshalb gut mit der Zeit zurecht. Ein anderer Teil stellte fest, dass sie mehr Zeit als kon-ventionell brauchten, worin sie ein Problem sahen. Ein weiterer kleiner Teil nahm sich bewusst viel Zeit für die Dynamik auf Kosten anderer Themengebiete, speziell der vorgesehenen Addita im ma-thematisch-naturwissenschaftlichen Zweig. Ein Lehrer sagte, dass er sich deshalb mehr Zeit ge-nommen habe, weil das Unterrichten nach diesem Konzept so schön war und ihm Spaß gemacht hat, wobei er insbesondere die Modellbildung nannte.

Ein Lehrer stellt fest, dass er für den neusprachlichen Zweig entgegen konventionellem Vorgehen mehr Zeit für die Kinematik gebraucht hat, so dass er in der Dynamik ein Zeitproblem sah und sich beeilen wollte. Anderseits stellte er auch fest, dass sich die Zeit für die Kinematik gelohnt hatte und er in der Dynamik davon profitierte. Speziell war es den Schülern bei der Kreisbewegung klar, dass eine Beschleunigung zur Mitte vorliegt, während im konventionellen Unterricht, in dem Beschleu-nigung meist als skalare Größe (Schneller- oder Langsamerwerden ohne Richtung) erscheint, Schü-ler hier Schwierigkeiten haben. Dennoch gab es die Meinung, in der Kinematik Zeit vertan zu ha-ben, und die Absicht, es beim nächsten Mal zügiger zu unterrichten. Aber gerade nach Abschluss der Dynamik waren alle Lehrer überzeugt, dass sie beim nächsten Mal wieder entsprechend dem Konzept über zweidimensionale Bewegungen in die Kinematik einführen.

In den nicht-naturwissenschaftlichen Zweigen wurde die Modellbildung entweder gekürzt oder in einigen Fällen ganz weggelassen. Zum Teil wurde die Stunde zur Atwoodschen Fallmaschine weg-gelassen, was kein Problem ist, da es nur als eine mögliche Übung zum Lösen von Rechenaufgaben zum Grundgesetz der Mechanik mgesaG=

FGangreifend nach dem immer gleichen Prinzip sein sollte und deren Vorteil nur darin liegt, dass sich nicht nur eine Masse bewegt. Ungünstiger ist, dass in Einzelfällen auch bei der Behandlung der komplexen Versuche zum zweiten newtonschen Gesetz mit mehreren Kräften (variable Hangabtriebskraft, zusätzlicher Propeller) gekürzt wurde bzw. diese weggelassen wurden. Gerade hier kann die Besprechung der dynamisch ikonischen Reproduktionen in den Versuchsreproduktionen zum Verständnis von aG=ΣFG/m beitragen. Bedauerlich ist ebenso, dass ein Lehrer ein Gespräch mit den Schülern über den Kraftbegriff in der Alltagssprache nicht durchführte.

Die meisten Lehrer haben gewisse Aspekte ausführlicher als vorgeschlagen unterrichtet. Dies waren z.B. das erste newtonsche Gesetz, ein bewegtes Bezugssystem, ein beschleunigtes Bezugssystem, Kräfte auf der schiefen Ebene, die Kreisbewegung, Grapheninterpretation im Sinne der Infinitesi-malrechnung (Steigung/Flächeninhalt bei kinematischen Größen), der schräge Wurf, ein Beispiel zur Videoanalyse und mehr Übungsaufgaben. Da jeder Punkt nur einmal genannt wurde, kann man hier keine generalisierenden Aussagen treffen.

Die ikonischen Repräsentationen, vor allem Pfeile, sollten auch in qualitativen Aufgaben genutzt werden. Praktisch alle Lehrer kamen dieser Aufforderung nach, wobei die Erfahrungen sehr unter-schiedlich waren. Es gibt sowohl Berichte darüber, dass der Großteil der Schüler hier erfolgreich war, als auch ernüchternde Erfahrungen, was natürlich auch vom Schwierigkeitsgrad der Aufgaben abhing. Manchen Lehrer wurde bei diesen aus seiner Sicht einfachen, qualitativen und

verständnis-verlangenden Aufgaben erst klar, wie resistent Schülervorstellungen gegenüber Unterricht sind.

Ganz allgemein wurde angegeben, dass erkannt wurde, wie tief Schülervorstellungen sitzen und dass man viel Zeit bräuchte, um darauf Einfluss zu nehmen.

Ein wichtiges Prinzip dieses Unterrichtskonzeptes ist, von den Schülern konkrete Vorhersagen zu den PAKMA-„Projekten“ zu fordern (siehe Kapitel 5.4.4). Die meisten Lehrer gaben an, dass sie diese Vorhersagen verlangten, wobei Angaben über die Anzahl der im Unterricht geforderten Vor-hersagen nicht möglich sind. Anfangs waren die Schüler hier anscheinend zögerlich, was sich aber während des Lehrgangs änderte. So wurde festgestellt, dass Schüler in der Schule leider dahin erzo-gen wurden, nichts Falsches zu saerzo-gen und es deshalb Zeit brauchte, eine Veränderung zu bewirken.

Häufig bildeten sich in den Klassen zwei Lager mit zwei unterschiedlichen Vorhersagen. Nach Ab-lauf eines PAKMA-„Projektes“ waren die Prognosen dann eine gute Grundlage für angeregte Dis-kussionen. Nach Lehrerangaben habe das Angeben von Vorhersagen den Schülern gefallen, wo-durch ein Wettbewerbsaspekt hinzukam.

6.3.2.2 Lehrereinschätzungen der angebotenen Materialien

Die Lehrer waren der Meinung, dass die PAKMA-„Projekte“, d.h. Programme mit ikonisch dyna-mischen Repräsentationen, den Schülern helfen würden. Insbesondere wurde geschätzt, dass mit der Darstellung von Größen durch Pfeile deutlich werde, welche Größen Vektoren sind. Die anschauli-che Darstellung auch bei komplexen Versuanschauli-chen (wie z.B. komplexe Versuanschauli-che zum dritten newton-schen Gesetz) trüge viel zum Verständnis bei und sei Grundlage für gute Diskussionen. Die Darstel-lungen mit Pfeilen (z.B. bei den Versuchen zum zweiten newtonschen Gesetz) leuchte angeblich allen Schülern sofort ein. So wunderte es einzelne Lehrer, dass dennoch in der Schulaufgabe z.B.

beim senkrechten Wurf nach oben Beschleunigungs- und Kraftvektor falsch zueinander gezeichnet wurden oder auch nach dem Unterricht noch Begriffe wie die „Schwungkraft“ benutzt wurden. Die Darstellung in den PAKMA-„Projekten“ mit ikonisch dynamischen Repräsentationen wurde zwar sehr geschätzt, es ist aber nicht feststellbar, wie intensiv auch damit gearbeitet wurde. Schüler freu-en sich angeblich besonders über optisch schön gestaltete PAKMA-„Projekte“ bei dfreu-enfreu-en ein an-sprechendes Bild im Hintergrund liegt (z.B. schiefer Turm von Pisa oder Himmel mit Regenwolke und grimmiger Sonne). Kritisiert wurde von einem Lehrer, dass manche PAKMA-„Projekte“ zu viele Pfeile gleichzeitig zeigen und es wurde angeregt, dass Ebenenkonzept (siehe Kapitel 3.3) noch viel konsequenter zu verfolgen und so je nach Wunsch jeweils wenige gerade interessante Pfeile zu zeigen. Dies passt zu der Forderung (Kapitel 3.2.1), dass neue Darstellungen langsam sukzessive eingeführt werden müssen. Unterschiedliche Meinungen gibt es aber dazu, wie sinnvoll es ist, spä-ter den Schülern mehrere bereits bekannte Darstellungsformen gleichzeitig anzubieten, so dass der Schüler auswählen muss, worauf er seine Aufmerksamkeit steuert.

Da nicht alle Lehrer über die PAKMA-Hardware verfügten und einige komplexe Versuche sehr aufwändig sind, bestand die Möglichkeit, Videos der Versuche zu zeigen und die Messung in PAKMA als Reproduktion in Echtzeit ablaufen zu lassen. Auch hierzu wurden die Lehrer schrift-lich nach ihren Erfahrungen gefragt. Dabei stellt sich heraus, dass die wirkschrift-lich komplexen Versuche von keinem als Realversuch vorgeführt wurden, sondern nur einfachere Versuche (vor allem der

Standardversuch zu F =ma wurde real vorgeführt). Am häufigsten wurden das Video des Ver-suchs und anschließend die Reproduktion gezeigt. Fast genauso viele Lehrer haben auch erst einen qualitativen Versuch ohne Messung vorgeführt und anschließend das Video und die Reproduktion gezeigt. Ein anderer Lehrer betont, dass er jeweils vorher an einer realen Luftkissenfahrbahn zeigte, wo welche Messgeräte bei der Aufzeichnung angebracht waren und wie gemessen wurde. Gelegent-lich wurden die Reproduktionen auch ohne Video eingesetzt. Insgesamt wurden die Erfahrungen mit den Versuchsreproduktionen (Videos und Abläufe in PAKMA mit Animation und dynamisch ikonische Repräsentationen) positiv beurteilt. Da langwierige bzw. langweilige Messungen entfal-len, wurde eine größere Schüleraufmerksamkeit festgestellt. Der Vorteil der Zeitersparnis wird all-gemein sehr groß eingeschätzt, während der Nachteil, keine Originalmessungen zu haben, als ge-ring eingeschätzt wird. Eine Zeitersparnis ist dabei sowohl in der Unterrichtsvorbereitung als auch im Unterricht selbst zu sehen. Die gewonnene Unterrichtszeit kann zum Gespräch mit den Schülern genutzt werden. So ist die Messwertreproduktion mit Animationen und/oder Videos wohl die einzi-ge Möglichkeit, komplexe Dynamik-Versuche, die bisher nicht einzi-gemacht werden, effizient und mo-tivierend im Unterricht einzusetzen (auch bei veralteter Ausstattung der Physiksammlung). Die Be-handlung komplexer Bewegungen mit mehreren Kräften und vor allem mit Reibung wurde von einigen Lehrern als besonders positiv genannt; andere dagegen hielten speziell die Behandlung ei-ner Bewegung mit eiei-ner variablen, nicht konstanten Hangabtriebskraft für weniger relevant.

Dass Reproduktionen statt Originalmessungen vorgeführt wurden, wurde von den Schülern stets akzeptiert, was einige Lehrer verwunderte. Für Schüler machte es vermutlich keinen Unterschied, ob sie eine Originalmessung sehen oder ein Video mit Reproduktion. In beiden Fällen sind sie selbst unbeteiligte Zuschauer. Anscheinend hat kein Schüler daran gezweifelt, dass die Reprodukti-on wirklich der Realmessung entspricht. Die Schüler sehen auch ein, dass der Aufbau komplexer Versuche zu zeitaufwändig wäre.

Ein Realversuch ist etwas grundlegend anderes als eine Simulation - auch wenn die gleiche Darstel-lung benutzt wird. Ob den Schülern immer klar war, ob sie gerade ein Reproduktion oder eine Si-mulation sehen, ist nicht geklärt. Das Video hilft jedenfalls, deutlich zu machen, dass nun eine Re-produktion eines Realversuches folgt. Die Lehrer betonten, dass die Videos generell hilfreich seien;

eine Versuchsreproduktion ohne ein Video des Realversuchs wurde dagegen meist abgelehnt. Die Videos dienen der Anschauung und verdeutlichen Versuchsaufbau und Versuchablauf. Ein Vorteil gegenüber dem Realversuch ist, dass sie wiederholt und angehalten werden können. Anderseits ist die Verlockung als Lehrer groß, bei Vorhandensein eines Videos auch dann keinen Versuch aufzu-bauen, wenn dessen Aufbau und Durchführung einfacher möglich ist.

Um deutlicher zu machen, dass es sich beim Ablauf um eine Reproduktion handelt, könnte man das Video auch im PAKMA-Fenster ablaufen lassen und die Vektoren statt an die Animation direkt an das Objekt im Video anheften, was bei der Erstellung der Unterrichtsmaterialien noch nicht möglich war (siehe 3.5 b in Kapitel 3.2.2.1). Die Lehrer betonten aber, dass die Animation als eine Abstrak-tion auch sinnvoll sei, denn bei einer AnimaAbstrak-tion als RedukAbstrak-tion auf das Wesentliche fehlen ablen-kende unwichtige Details. Deshalb meinten Lehrer, dass Videos im PAKMA-„Projekt“ nur in

Zu-sammenhang mit dem Ebenenkonzept sinnvoll seien, bei dem der Lehrer vom Video auf eine auf einer anderen Ebene vorhandene Animation umschalten kann.

Die Videos der Versuche wurden einmal mit kleiner Auflösung im mpg-Format, was auch auf alten langsamen Rechnern noch in Echtzeit abläuft, und einmal in großer Auflösung im avi-Format, wozu man einen schnelleren Rechner braucht, auf die CD gebrannt, wobei in der Unterrichtsbeschreibung stets das Video mit kleiner Auflösung (mpg-Format) verlinkt war. Da jeder dieses statt das bessere Video nutzte, gaben dann auch einige Lehrer an, dass die Auflösung bzw. Bildgröße besser hätte sein sollen.

Zusammenfassend wurde die Vielfältigkeit der Unterrichtsmaterialien und der eingesetzten Mittel gelobt. Die Videos und die PAKMA-„Projekte“ seien von hoher Qualität, was auch Schüler schät-zen würden. Als besondere Highlights wurden Videos und PAKMA-„Projekte“ zu komplexen Ver-suchen auf der Luftkissenfahrbahn, die Videos zum ersten newtonschen Gesetz (Crashversuche) und die PAKMA-„Projekte“ zu komplexen Versuchen zum dritten newtonschen Gesetz genannt.

6.3.2.3 Gesamteinschätzung

Insgesamt lobten die beteiligten Lehrer auch hier das Konzept und die Materialien und alle gaben an, dass sie auch beim nächsten Mal wieder so unterrichten werden, was auch einige seitdem tat-sächlich ausführten. Auch am Projekt nicht beteiligte Lehrer haben gerne einzelne Materialien für ihren sonst konventionellen Unterricht genutzt. Der Autor dieser Arbeit wurde mehrfach eingela-den, auf Lehrerfortbildungen das Kinematik und Dynamik-Konzept vorzustellen und wurde dort häufig nach den Materialien gefragt, so dass eine gewisse Verbreitung festgestellt werden konnte.

Bei dem Konzept werde nach Lehreraussage der zentrale Kraft- und Beschleunigungsbegriff konse-quenter erkannt, da z.B. auch bei der Kreisbewegung von den Schülern eine Beschleunigung er-kannt werde. So sei das Konzept insgesamt schlüssiger als konventioneller Unterricht. Auch die Anwendbarkeit auf reale Vorgänge sei den Schülern einsichtiger geworden. So wurde auch ge-schätzt, dass beim Grundgesetz der Mechanik in der Form aG=ΣFG/m statt F nun die Summe aller Kräfte

FGangreifend betont wird, da dies realitätsnäher sei und in Wirklichkeit fast immer mehrere Kräfte angreifen würden. Speziell wurde die Behandlung der Luftreibung als gut befunden. Insge-samt meinten die Lehrer, dass die Schüler bei diesem Unterrichtskonzept den Begriff „Kraft“ und insbesondere den Zusammenhang mit der Beschleunigung besser als nach einem traditionellen Vorgehen verstanden hätten. Konkret sei im Unterrichtsgespräch von den Schülern mehr Verständ-nis gezeigt worden.

Einzelne Lehrer gaben auch an, dass sie selbst noch fachlich dazugelernt haben und nun ein besse-res Verständnis für die drei newtonschen Gesetze haben. Insbesondere zeigten sich bei Lehrern Fehlvorstellungen und Probleme mit dem dritten newtonschen Gesetz. Bemerkt wurde, dass durch die Vorträge im Begleitseminar und die dort diskutierten Probleme erst klar geworden ist, welche Probleme die Schüler und man selbst als Lehrer mit den Begriffen Kraft, Impuls und Energie hat.

Es wurde dabei von den Lehrern festgestellt, dass Kräfte im physikalischen Studium nur wenig

be-handelt werde; Erhaltungsgrößen haben in universitären Lehrveranstaltungen eine größere Bedeu-tung.

Da die Schüler einige Tests durchführen sollten, wurde leider aus Zeitgründen darauf verzichtet, die Schüler systematisch nach ihrer Beurteilung der Versuche, der Videos, der dynamisch ikonischen Repräsentationen etc. zu befragen. Bei allgemeinen Diskussionen des Autors mit den Schülern (im Klassenverband) anlässlich von Unterrichtsbesuchen wurden häufig von den Schülern die dyna-misch ikonischen Darstellungen in den PAKMA-„Projekten“ als anschaulich und hilfreich bezeich-net. Als besonderen Aspekt wurde von Schülern hervorgehoben, dass sie gesehen haben, dass die Beschleunigung auch gegen die Bewegungsrichtung gerichtet sein kann.