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gegebene Abschieds Eoncert.)

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 73-77)

W i r müssen unscre'Nclation mit einem Tadel beginnen, d?m nämlich der unzweckmäßigen Einrichtung des Conecrt-Localcs.

Der Schwarzeuhänptcrsaal ist zu niedrig, gar nicht gewölbt, und, was auch der Sache eben nicht förderlich ist, er wird, seit die sonstige Vrettcrdielc mit einem P.nquett vertauscht worden, nicht' melir ohne eine dieselbe schützende Decke ver-geben. Iudeß bleibt es wahr, daß man in Neval eben nicht über viele Säle zu gebieten hat, und sich so nach sei, ner Decke strecken muß, und das gereicht der Sache zur Ent-schuldigung. - » Die Wahl der vorzutragenden Picken muß

' ) Aus P e r n a u eingesandt. D. Ned.

als eine zweckmäßige bezeichnet werden, denn diese waren sämmtlich in das Gcbör fallend, und es fand ein häusiger Wechsel zwischen Instrumental- und Vocal-Mufik statt. Der Concertgeber begann den verheißenen Ohrenschmaus mit dem Vortrage zweier eigenen Compositionen, der bekann-ten Tenor-Arie aus dem „Ltaliat m«wr" nämlich, die er arrangirt, uud einem Liebchen „Schwalbenflug." Beide Picycn wurden sehr nett gegeben, wie sie denn beide ihrer Natur nach dem Concertg'ebcr Gelegenheit gaben, durch die ihm eigene Vorlragsgabe zu glänzen. Von dem letzten Liedchen müssen wir ein Näheres mitthcilen. W i r hören Henselt's »Wenn ich ein Vöglein war" gerne, weil w i r , wenn wir in den Gedanken des Componistcn und in den Geist der Musik eingehen, im Schatten eines Baumes lie-gend, das Vogelgczwitscher in seiner Krone zu vernehmen glauben. Der Baum und sein Schatten gehören der Phan-tasie an, aber das Vogclgczwitschcr nicht. Recht ein Seiten-stiick zu dem genannten Liede scheint uns dieser Schwalben«

fiug. Ein Vögclchen im Käfig macht seine ersten Versuche zu fliegen, bis es endlich unter lautem Gezwitscher in seinem Gefängnisse umherflattert. Das Gezwitscher, so wie das Schlagen der Flügel und das Anflattern an die Drahtgitter des Käfigs hat der Componist in der Tbat dem Vogel ab-gelauscht, aber er hat es veredelt wiedergegeben. Die Härten fehlen, und sein Bild des Flügelschlagens eines Vogels verhält sich zur Effeclivität wie das Werk des M a -lers zum Daguerrotyp. Dazu liegt die musikalische Idee in dem Liedc so offen und klar da, daß der Name „Schwal, benflug" den Zuhörer schon völlig in dieselbe einführt.

Das niedliche Vogelgezwitscher tönte mir im Ohre bis die Töne eines viel einfacher« aber zugleich viel vollkommnc«

ren Instrumentes — der Meuschenstimme — dasselbe ver-drängte. Es folgte nämlich das Terzett aus dem Vclisar:

.,Ha.'>welchc Seligkeit!", ausgeführt von Francke «.zweien Dilettanten. Franckcs Stimme war anfangs belegt. Der sonst eben nicht schwache und ganz wohlklingende Bariton aber des einen Dilettanten konnte natürlich nicht anders als verfallen neben jener Löwcnstimme. — Madame Schrei»

mek, eine, wie man sagt, in Neval sehr beliebte Sängerin, trug ein von ihrcm Manne compom'rtcs Lied vor. Darauf gab die Nevalsche Liedertafel 2 bekannte Männer-Quanettc, das Sternsche „Heldcngesang in Walhalla" u. das Bun>sche

„Jägers Abschied", aber sie legte wenig Ehre ein. Das erste we-nigstens mißlang gänzlich, denn einesthcils standen wegen Enge der Tribüne die Sänger aneinander gedrängt, anderen«

theils hatte, wie man mir sagte, der erste Tenor die Stimmen des zweiten, der zwcite die des ersten ergriffen; auch hätte das Tempo in demselben ein etwas schnelleres sein können.

Dann gab der Eoncertgebcr unter dem Titel „Abschied von Ncval" eine freie Phantasie über die in Neval beliebtesten gesellschaftlichen Lieder u. Operngesäi'gc. Es war in der That ein sonderbares Ragout, der den Zuhörern aufge»

tischt wurde. Da fanden sich Fleischsorten von allen mög«

lichen Gattungen, vom groben kräftigen Rindfleisch bis hinauf zum zarten Hühnerfleisch, ja sogar ein Stück von Marie, dcrNc-gimentstochter, u. ein Stück vou «pae««» capa«».^^.. Fein-schmecker wollen fran;ösische Kochkunst bei der Zubereitung gc-spürt haben. Zum Schluß wurden die 5 ersten Nummern von C. M . v. Webcr's „Enryanthe" gegeben uud damit dem Ganzen die Hrone aufgesetzt. Die Fl-Hucu, nnd Männer-Chöre wurden von Dilettanten gegeben, und zwar gut.

Es war dies die Drappcrie, auf welcher Franckc's Gesang wie ein Adler sich in die Lüfte hob. Ich Porte diese Mu^

sik durchaus nicht zum ersten M a l , aber F r a n c i s Auffassung derselben war eine so eigenchümlich geniale, daß ich sie anfangs gar nicht wiedererkannte. Und als das Terzett

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„ I c h bau' auf Gott und meine Euryanth" durch den Saal tönte, da ward selbst der Schwärm von Söhnen des Mars und Stutzern verschiedenen Kalibers still, und die Hand, rie den Operngucker hielt, senkte sich. Ein Funke von der ergreifenden Schönheit der Musik und des Gesanges hatte, ihnen selbst unbewußt, den Weg zu ihrem Innern gefun-den. Uns aber folgten die empfangenen Eindrücke auch über das Gebiet des Wagens hinaus; wir hörten im Traume noch Vogelgezwitschcr und ein vernehmlich durchklingendes

„ I c h bau' auf Gott und meine Eurvamh."*)

III. Nevalscho Theatorchronik.

V l e v a l , den 9. Januar. Der Mittheilung in diesen Blättern über unser temporaires Theater fügen wir das Nä-here in Nachfolgendem hinzu. Am l . d. M . fand die erste Vorstellung statt. M a n gab mehrere Arien aus verschiede, nen Opern und das Stück Mirandolina. F r a n c k e glänzte in einer schwierigen Arie aus dem Oberen, aber hinreißend war er als Tonio in dem Duett aus der Negimeutstochter, das er mit der S c h r ä m eck sang. Mirandolina wurde von Müd. P e t r i c k " ) reizend gegeben, während Francke der Ober, kellncr war u. M o l l e r den Engländer trefflich machte. Wie ' bekannt enthält dieses Stückchen vortreffliche Lehren für das

schöne Geschlecht. I n der zweiten Vorstellung wurden große Scenen aus der weißen Dame gegeben. Die drille fiel heute. Zuerst große Sccnen ausNorma, ausgeführt von M a d . S c h r ä m eck als Adalgisa, Francke als Tribun Se, rer, und P e t r i c k als Flavius, dann der Told'sche dramati-sche Scherz „ D e r Proceß um einen Kuß," zum Beschluß

„Fröhlich.' I m ledern machte Hr. Petrick den Nittmerster v. Degen; rr spielte gut u. eben so seine Frau als Hermaphro-ssne von Queugel. Madame Schramcck machte die Anna;

il)re Stimme war klar und sie leistete nach Kräften- Zum ersten M a l in seinem Leben trat Francke als Fröhlich auf.

E r spielte sich selbst, aber er hatte die Rolle veredelt, er gab einen km, ,iv2,it. Thusnclde und der Referendar Walther wurden durch ein paar Nothnägel gemacht, die in der That classisch waren und durch ihr bloßes Auftreten schon jedes-mal ein schallendes Gelächter hervorriefen. Auch daS hiesi»

gc Orchester bewährte sich als ein so schlechtes, wie uns noch nie eines vorgekommen.

R e v a l , d. 42. Januar. Das Theater bot uns heute mehrere große Scettcn aus der „Stummen von Portici."

F r a n c k e ' s kräftige Natur paßte vortrefflich zum Mass.nn'ello.

Er bändigte auf bewunderungswürdige Weise seine mächtige Stimme, als er das „ O senke, süßer Schlaf, dich nieder"

sang. Das Element der Kraft war ganz in den Hinter«

grund getreten, man hörte nur eine Fülle von weichem, mildem M e t a l l , das mit Glockcuveiudcit durch d^sOhr in die Seele drang. Das war ein Gebet! W a l ' r l M i q , der müßte ein Stock sein, den das nicht ergriffe! Es folgte ein Lustspiel „ D a s Tagebuch." V.ntnnfeld hat uns m tic-srm Stück wirklich ein selten sinniges Bild vorgeführt, über das sich manche interessante Erörterung geben ließe. M ö l l e r

") Wir haben uns bei unsrem Aufenthalt in Reual mit eigene!»

Sinnen davon überzeugt, daß wegen der ihm'zuerkannten Autorschaft des in Nr. 52 des v. I . dieser Blätter befindlichen Artikels über die erste Aufführung der Schöpfung, ein gewisser Jemand stiter Gefahr aus-gesetzt ist, von dem schönen Geschlechte gesteinigt z>, werde», und, gleich dem heiligen Stephan, den Märtyrertod zu lnden. Einesteils die schönen Reoalenscrinnen vor der Neue über einen begangenen Mord zu bewahren, andernrheils aber zu verhüten, baß die Seele des etwa Ge-steinigten die Kicinstädterei derselben im Jenseits ausplaudere, erklären wir uns für den armen Sünder, Jenen aber für unschuldig.

" ) Mad. P e t r i c k möchte in den Augen der Ncvalenser ein beson-deres Interesse haben, da sie dieselbe ist, welche als Marie Schneider unter Kestclotts Direltion.der niedlichen Dem. Hlincmann eine so ge«

fahrliche Rivalin ward.

als 3ldvok.it Naschler war gan; in seinem Elemente, Pctrick bewies als Lucie, daß sie keineswegs eine unbedeu, tendc Schauspielerin ist, P c t r i c k machte de.n Hauptmann Wiese recht gut. Aber die Sccnc zwischen Nascbler und seiner Frau — die, dünkt uns, doch wohl zeigen soll, das?

die Ehe auch Seilen bat, die sm die sonst oft auch der weiß, glühenden Liebe eintretende Prosa der Ehe eine Entschädig gung biete» können — mißlang gänzlich, denn einer der bei Gelegenheit Fröhlichs crwähiueu Nothnägel stielte Nasch-lers Frau. Il»re Stimme klang wie das Krächzen einer Unglück wcißsagcndeu Krähe, oder einer im alten Gemäuer schwirrenden Eule. — Den Beschluß der Vorstellung machte Mad. Schrameck durch eine große Arie aus dem Freischützen.

Aber wozu doch der Souffleur so schreien mag, daß man es bis auf den Markt hört? Ob etwa auch er seine heisere Kehle dem Pudlico producircn will, um einen Lorbeerkranz zu erringen?

N e v a l , den 16. Januar. Francke entzückte heute in-der Arie »Ha welche Lust." Es wurden nämlich in 2 Ab, theillingen mehrere große Sceneu aus der weißen Dame ge«

geben. Francke machte den Georg Brown, P e t r i c k in der ersten Abtheilung den Pächter Dickson, in der zweiten den Verwalter Gaveston, M a d . Schramcck in der ersten die Jenny, in der zweiten die Anna, Mad. Schrameck fang die Arie „Gnade, Gnade!" aus Robert dem Teufel; ihre Stimme war heut besonders klar und rein. Außerdem gab ,nan das nach dem Französischen des Caigne; von C. Vlume bearbeitete Lustspiel „Audr« oder die Räuber auf Florval."

Die Schauspieler hätten indeß besser gethan, uns mit sol, chcr Waarc zu verschonen. Eine alte abgedroschene u. wohl hundert M a l schon von Neuem aufgewärmte Anecdote in einem Kleide, das ihr nicht auf de» Leid paßt! Das P i M -cum kommt geradezu an's Einschlafen, u. käme nicht die wirk-lich sehr gut aufgefaßte Vcschaffeuhcitdes Ii2 8orpe störend da-zwischen, es schliefe ein und schnarchte der Bühne entgegen.

P e t r i c k spielte den Andr« recht gewandt, M o l l e r war einzig als I^a 8erpe. M a n hätte schwören können, Letzte-rer sei wirklich betrnnkcn, so fein gab er alle Nuancen seiner Stelle.

V I e v a l , den «9. Januar. Heut fand hie letzte Vor«

stcllung unseres temporären Theaters statt. W i r hörten ein Duett aus den Huguenottcn, vorgetragen von M a d . Schrameck u. Francke, darauf eine Arie ans dem Othello, gesungen von Francke, das bekannte „Heil D i r , o Vater, la„d" au6 Mari.i, der Negimcntstochter, gesungen von der Schrameck, und 2 kleine Ko^ebllesche Stückchen, „die Tochter Pharaonis" nämlich, und den swcnil wir nicht irren) „Haus, lichcn Zwist". Herr und Madame P c t r i c k spielten in l e e r e m sehr nrtt, und M o l l er als alter Hagestolz gab ihnen nichts nach. Die beiden Studenten in erstem mach-ten F r a » c k e und P c t r i c k ; F r a n k e spielte sich wieder selbst. Aber Alles übertraf M o l l er als der Gcldwucherel-Nunk. Sobald er auftrat, brach regelmäßig ein lautes Gelächter unterm P M i c u m aus; dennoch aber sicl Moller m'cht über die Schnur. Die Arie aus Othello war jeden, falls das Glanzstück der Vorstellung. Uns klingen nock einzelne Parthien aus derselben im Ohre, in denen Franckc seine mächtige Stimme wieder völlig gebändigt und nur allen Wohllaut und alle Weiche, deren sie fähig ist, hinein,

gelegt hatte.

IV. Mitau, den 26. Januar.

Seit October v. I . , als der ehemalige Musikdirektor des Rigaschcn Theaters M a r Erlcmgcr die etwas gewagte, indessen doch gedeihende Tlieatcr-Unternehmung in Mitau begonnen, um in unserer Stadt die Lücke auszufüllen, die das Ausbleiben der Nigaschen Schausvielergescllschaft wah.

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rcnd der Herbst- und Winlcrmonatc herbeigeführt, — scheint unser bescheidenes Mitan der reisenden Künstlcrwelt wieder einen freundllchen Nuhepunkt, de,n hiesigen Publikum aber die seit Jahren entbehrte Genngthunug wieder gewähren zu wollen, die ^cistun^cn der Virtuosen früher genießen zu können, als solches dem Nigischcn. Publikum möglich wird. Obgleich nun diese Zufälligkeiten nur durch die geographische Lage Milans herbeigeführt werden, so sollen sie doch, zu unscrm Bedauern, in Riga nachthcilig auf die Ein-nahmen der, selbst sich eines europäischen Rufs erfreuenden Künstler wirken. Ist dieses Gerücht wahr, woran wir je-doch gerne zweifeln mögen, so würden wir berechtigt wer-den, unsererseits auch Riga um recht viele Vorzüge, die eS auf dem Felde der Kunst genießt, zu benriden, z. V . um die Leistungen seiner Bühne unter ihrer gegenwärtigen D i -rektion. W i r denken aber nicht einmal daran.

Indessen haben die vorgeschobenen Vorposten, wie be-kannt, auch ihre schlimmen Seiten. Sie sind dem ersten Andrang der erobernden Gewalt ausgesetzt, und müssen alle Mühseligkeiten und alle Wcchsclfälle bitterer Erfah-rungen ertragen, um das große Heer, welches in ihrem Nucken liegt, vor der Gefahr des ihm bevorstehenden An-griffs zu prcvenircn, und ihm, wenn auch nur aprorimativc, roch immer noch zeitige Nachrichten über die Stärke des anrückenden Feindes nützutheilen. Wundrc man sich nicht darüber, daß wir die sich so oft von Westen nach Osten wiederholenden Züge der Künstler mit den Feldzügcn der

^ändereroberer vergleichen. ' S o parador auch riefe Pa»

rallcle zu stin scheint, so ist sie doch leine ganz un-richtige; denn die Zeiten, wo rüstige Kampen und Sänger und Künstler nach Olympia im allen Elis zogen, um zwi-schen dem Tvpäon und dem Alphcos vor einem versamm-leeen kunstsinnigen Volke, welches auch die musikalischen u.

dichterischen Wettstreitc gratis zuhören durfte, — den Sie-gerkranj auf dem Hvpodromos zu erringen, sind leider längst vorüber. Ein ga»; allerer Geist beseelt die gegen-wärtigen reisenden Priester der göttlichen Pierinnen. Vor den Eingängen zu ihren oft nur improvisirten Tempeln richten sie inmitten des freien Verkehrs Barriere und Zölle auf ihre eigene Hand ein, und lassen sich nur durch die-selben Hände den Applaus zollen, die kurz znvor in die Taschcu gegriffen hatten, um das. Recht der (5ntr<!e in die besagten Tempel zu erkaufen. — Seit der Entfaltung der europäischen Eivilisation hat sich also die Knnst zum mcr-kantilischen Erwerb erniedrigt, und steht demnach in Hm-sicht ihres hohen Berufs tief nnter den Ausdrücken dessel, den während des rohen Mittelalters. D a m a l s durchzogen wenigstens Troubadoure und Minnesänger die Welt, und ließen die Völker durch ihre Gesänge die Schönheiten der Dichtkunst und der Musik gratis erkennen und fühlen; da-m a l s öffnete sich anch noch das Capitolinda-m in der ewigen

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sichtbarste Mittelmäßigkeit preisend erheb?, — auch Pseudo-künstler ihr Olympia in jeder Stadt, wo es ihnen gelun-gen einige hundert Personen durch Eincassirung des Entt<5e, zollcö, als neugieriges Plldlilum zu versammle», und w erscheinen die Künstler der Gegenwart nicht als begeisterte Priester der göttlichen Kunst, die ihre Netten zur Verbreitung derselben unternehmen, sondern als feindliche Mächte, die um-herziehen, um den Völkern, denen sie oft nur schwache Er-innerungen von ihren Leistungen nachlassen, dasjenige Geld abzulocken, das ihnen, den Spekulanten, gerade fehlte. So viel zur Rechtfertigung der Affinität, die wir ,'n den gegensem-Neu Zwecken der Ländcreroberer und der reisenden Künstler zu finden vermeinen.

Zur Zahl ähnlicher Geldcrobercr gehört denn auch

un-streitig der in ausländischen Blättern vielbesprochene Herr M ü l l e r , der schon durch die Taufe die Weihe zu seinem Berufe erhalten hat, indem er Q u i r i n (der kriegerische) heißt. Dem bekannten Instinkt folgend, der jeden erwerb-süchtigen Ausländer nach Nußland treibt, hat sich denn auch Q u i r i n - M ü l l e r mit seinem Dutzend lebenden weiblichen Modellen nach unfern kalten Fluren aufgemacht, und giebt heute seine dritte sogenannte plastische Vorstellung auf dem Mltauschcn Theater. I m Ganzen sind seine Vorstellungen nichts Anders, als die beliebten l e b e n d e n B i l d e r , mit dem Unterschiede nur, daß er die starren und auf einem und demselben Flecke stehen müssenden Figuren auf einer runden Scheibe gruppirt, die sich horizontal um ihre Are sehr langsam dreht, und die zu beschauenden Figuren von allen Selten, d. h. «il f»ee, im halben und ganzen Profil und endlich auch den Hinteren Theil derselben, dem Publi-kum zeigte. Obgleich uuu diese Erfindung, wenn man den angezeigten Behelf mit dieser Benennung beehren w i l l , — dem H r n . Quirin-Müllcr keine große Mühe gemacht haben mag, so scheint doch seine Speculation auf die Neugier deo Publikums und auf die erdachte Möglichkeit, ihm auch die Rückseite der Figuren vorzuführen, deren vordere N u -ditäten Gefallen erregen können, — ihm gute Früchte zu tragen.

Was nun die auf der Quirm-Müllerschen sich drehen-den Scheibe stehendrehen-den, sitzendrehen-den und liegendrehen-den weiblichen Gestalten betrifft, so läßt sich gegen ihre passabele Schönheit

»m Ganzen nicht viel einwenden, doch erreicht sie bei wei-tem die ästhetische nicht, die die Phantasie der gebildeten Welt sich von der körperlichen Vollkommenheit der Götter Gricchculand's und Nom's vorgaukelt, oder die das Auge des Kunstkenners in den auf unsre Zeit überkommenen an-tiken Statürn bezaubert. M a n dürfte also mit einigem Recht dem besagten Hrn. Q u i r i n - M ü l l c r den Vorwurf machen können, daß er in Hinsicht der Modelle nicht die bestmöglichste Wahl getroffen, u. daß ihm bei dieser Wahl das ästhetische Gefühl eines Winkclmanus durchaus, gefehlt habe, indem er bei rcrjelbcn doch ohne Zweifel die Gele-genheit gehabt hat, auch von denjenigen Formen genaue Kenntniß zu nehmen, die die schönen Kinder im gewöhnli-chen ^cben dem Auge der schauenden Welt durch ihre Ge-wänder zu entziehen pflegen. Indessen scheint es, daß Hr.

Q u i l i n - M ü l l e r der Überzeugung sei, die schönsten Frauen-Gestalten für seine sogenannten plastischen Vorstellungen gewählt zu haben, denn er wählt zu denselben auch dann, wenn sie Nachahmungen berühmter Oelgemäldc vergegen-wärtigen sollen, von den letzteren nur solche, die nakte Fi-gmen vorstellen, und nennt dergleichen Gruppen odcr-.Ge-stalten ganz unrichligcr Weise . . S t u d i e n der N a t u r , "

von welcher auch nicht das Geringste zu erblicken ist, in-dem an den Gestaltcu die Gesichter geschminkt, die Hände aber rnrch coömctischc Mittel gewebt wcrrcn, und die übrige N.itur — wahrscheinlich auf Befehl der O r t s A u -tdorität, — durch ein sicischfarl'cnes Tricot verhüllt wird.

M>in ficht hierans, daß auch die Bestrebungen des im Aus, lallde so viel besprochenen Q u i r i n - M ü l l e r mit mancher

^harlatancrie gepaart sind. Dem sei nun wie ihm wolle, jo wird es ihm doch nie gelingen, uns durch scine Darstel-lungen zu überzeugen, daß der H e r c u l e s im Vatican n.

der bor^si,che Fechter, mit sch w a r z e n S c h w i mmhosen versehen sind, und daß es überhaupt Recht sei, alle die Gestalten, die nach den unnachahmlichen antiken u. modernen Marmor-Statücn, uns vorgeführt werden, farbige Binden, Schürze» n. dcrgl. Hüllen anhaben. Achnlichc Vorbildun-gen streifen an Dcrision. Selbst die in den soVorbildun-genannten plastischen Vorstellungen des Hrn. Quirin-Müllcr vorkom-menden Thicrc sind höchst unvollkommen nachgebildet. Die weltberühmte Danuekcrsch? Ariadnc aus dem Vethmannschen Museum in Frankfurt a. M . , reitet z . « ^ . einen Panther, der offenbar a,i der Wassersucht in den Füßen leidet. Auch

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müßten die Formen des eigenen Körpers, den Hr.

Quirin-«Mller schon längst während seiner Uebungen vor einem Stehspiegel überzeugt haben, daß sie wenig geeignet sind, denHerkulesoderdenFechtcr auf eine würdige Art darzustellen, indem diese seine Formen nur der schwammigenWoylbeleibtheit eines S i l e r s entsprechen, dessen Sinnlichkeit und behag-lichen Rausch Hr. Quirin-Müller auch meisterhaft dargestellt hat. Ferner können wir nicht unterlassen dem Hrn. Qui-rin-Müller zu bemerken, daß die büßende Magdalena, nach Canova's Statue, zwar Sandalen anbaben konnte, wenn

Quirin-«Mller schon längst während seiner Uebungen vor einem Stehspiegel überzeugt haben, daß sie wenig geeignet sind, denHerkulesoderdenFechtcr auf eine würdige Art darzustellen, indem diese seine Formen nur der schwammigenWoylbeleibtheit eines S i l e r s entsprechen, dessen Sinnlichkeit und behag-lichen Rausch Hr. Quirin-Müller auch meisterhaft dargestellt hat. Ferner können wir nicht unterlassen dem Hrn. Qui-rin-Müller zu bemerken, daß die büßende Magdalena, nach Canova's Statue, zwar Sandalen anbaben konnte, wenn

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