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Der geteilte Himmel

Im Dokument Sozialistische Filmkunst (Seite 43-48)

Zunächst einige wenige Worte zur Entstehungszeit und dem filmgeschichtlichen Hintergrund des Films. Konrad und Christa Wolf hatten bereits einige Zeit vor dem Geteilten Himmel zusammengefunden. Ihr literarisches Debüt 1961 Mos-kauer Novellehatte sie gemeinsam mit Gerhard Wolf zum Drehbuch entwickelt.

Doch die Verfilmung scheiterte am kritischen Urteil des Sowjetischen Filmkomi-tees über die russische Hauptfigur, den sowjetischen Leutnant Pawel Kokoschkin.

Der entsprach nicht ganz dem Heldentypus eines sowjetischen Befreiers der Jahre 45/46, wie ihn sich die Moskauer Filmfunktionäre wünschten.

Der nächste gemeinsame Plan der Wölfe hieß Heimkehr, und der wiederum mißfiel Hans Rodenberg, dem für Film zuständigen stellvertretenden Kulturmini-ster. Es war die Geschichte eines sehr spät aus Moskau heimkehrenden Emigran-ten in ein ihm fremdes Land. Der Minister wollte die aufstrebende DDR nicht mit dem kritischen Blick eines Mannes entdeckt sehen, der von draußen kommt.

In meinem Buch Gruppe Babelsberg. Unsere nichtgedrehten Filmehabe ich darüber geschrieben, daß selbst eine politische und künstlerische Autorität wie Konrad Wolf nicht vor diesen und anderen Rückschlägen verschont blieb. Zum Glück für uns alle hat er, beginnend mit Ich war neunzehnbis zu Solo Sunny, fünf der bedeutendsten DEFA-Filme in der Gruppe Babelsberg realisieren können.

Trotz dieser wenig ermutigenden Erfahrungen mit Ideen von Christa Wolf begann Anfang 1963 die Drehbucharbeit am Geteilten Himmelnoch während des Vorab-drucks der Erzählung in der Studentenzeitung forumin einem ungewöhnlich großen Kollektiv. Ich sehe noch den Assistenzregisseur Kurt Barthel bei einer Vorauswahl mit der Papierschere, um Schlüsselszenen für die Drehbucharbeit auszuschneiden.

Eine neue, verjüngte Studioleitung erlaubte, allen Planungsgrundsätzen zuwider, die gleichzeitige kostenintensive Produktionsvorbereitung: Schauspielerbesetzung, Pro-beaufnahmen und Motivsuche für die Außenaufnahmen. Und das war gut so. Denn bald nach der Buchveröffentlichung gab es warnende, ja bedrohliche Einwände.

Der Beginn der 60er Jahre war die Zeit mutiger literarischer Entdeckungen von Alltagsproblematik wie auch in Spur der Steine, Ole Bienkopp, Beschreibung ei-nes Sommers.Christa und Gerhard Wolf hatten ihren Wohnsitz von Berlin nach Halle verlegt, »in den geballten Rauch aus hundert Fabrikschornsteinen«, so steht es im Buch. Sie folgten der Forderung, die Literatur möge sich mehr dem Leben der Arbeiterklasse zuwenden. Im engen Kontakt mit einer Tischlerei-Brigade des nahegelegenen VEB Waggonbau Ammendorf stießen sie auf Widersprüche, mit denen sich Arbeiter, Ingenieure und Leiter tagtäglich herumzuschlagen hatten – reiches Material für den sozialen Hintergrund der tragisch endenden Liebesge-schichte. Noch sahen sich Autoren und Filmleute ermutigt, reale Lebensprozesse in scharfen Konflikten zu gestalten. Im Schutz der Mauer, so dachte man, sei ein

neuer Freiraum entstanden für die öffentliche und kritische Debatte der weiteren Entwicklung des Sozialismus im zweiten deutschen Staat. In Arbeit waren auch andere Gegenwartsgeschichten mit bisher tabuisierten Problemen, hier aber erst-malig die tragische Dimension des geteilten Landes im Scheitern einer Liebe.

Vor allem diese Sicht auf die nationale Problematik rief die politischen Tugend-wächter auf den Plan. Inspiriert von Horst Sindermann, gerade erst als Kandidat des Politbüros und 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung gewählt, fragte sein Hallenser Parteiorgan Freiheitin einem ganzseitigen Grundsatzartikel »nach dem Standpunkt der Autorin«, weil sie die Spaltung Deutschlands als ein Unglück betrachte. »Ist das ein Unglück?« So die rhetorische Frage. Vielmehr gehe es darum, »daß sich ein je-der des Glückes bewußt wird: Es gibt die DDR. Sie hat die westdeutschen Militari-sten eingemauert.« Auch in der angeblich falschen Heldenwahl entdeckten die Kri-tiker »die dekadente Lebensauffassung von Christa Wolf«. Die Auszeichnung mit dem Nationalpreis 1964 beendete diese »sektiererischen« Attacken.

Im Studio war die inhaltliche Substanz der Erzählung unumstritten. Trotz einer großen DEFA-Tradition erfolgreicher Romanverfilmungen stellte die Erzählung die Filmleute aber vor neue Anforderungen. Keine epische Vorlage bisher war so stark von einer subjektiven Figurenperspektive mit innerem Monolog bestimmt wie hier, alles also aus der Sicht der Ritazu erzählen. Da lag der verbreitete Vor-wurf des Subjektivismus geradezu in der Luft. Im Film wählte man dafür die Ge-dankenstimme der Hauptfigur, die man hört, ohne sie sprechen zu sehen. Das war im DEFA-Film noch kaum geübt.

Noch vertrackter war die Erzählstruktur. Rita erinnert sich im Prozeß ihrer Genesung – quasi in Rückblenden – an vorausgegangene Erlebnisse in verschiedenen sozialen und lokalen Bereichen: Da sind die Liebe zu Manfredund die Erfahrung mit seinem bürgerlichen Elternhaus, die Begegnungen mit der Brigade Meternagelim Betriebspraktikum, und es gibt die Auseinandersetzungen im Lehrerbildungsinstitut.

Vergeblich versuchte das fünfköpfige Drehbuchteam die Erzählung in die übli-che Chronologie der Folgehandlung zu übertragen, um dem Zuschauer die Orien-tierung zu erleichtern. Man wählte schließlich die Rückblendenstruktur. Konrad Wolf erinnerte in einer späteren Akademiedebatte an Einwände, die es im Studio noch vor der Produktion gab: »Der von uns beabsichtigte Stil, die zeitlichen und Ortsebenen ineinander zu verschieben – das wären Merkmale des Surrealismus, also der bürgerlich-dekadenten Kunst.«

Die Formsprache dieses DEFA- Films, vor allem die Rückblenden-Montage, traf allerdings auch auf ein weitgehend unvorbereitetes Publikum. Selbst freundli-che Besufreundli-cher und Kritiker hatten da ihre Mühe. Rosemarie Rehahn schrieb in der Wochenpostvom »geteilten Publikum«. Und so wurde Wolfs beiläufige Äuße-rung, er habe »einen intelligenten Film für intelligente Zuschauer« machen wol-len, selbst im Studio als arrogant beschimpft.

Erstaunlicherweise blieb der Film Ende 1964 mehr als das Buch vom Vorwurf des Modernismus verschont. Das war wohl auch einer positiven Rezension im

Neuen Deutschlandzu danken. Horst Knietzsch hatte schon zwei Monate vor der Premiere in einer ungewohnt frühen Pressevorführung eine »Glücksstunde der Filmkunst« erlebt. Doch gemessen am Bestseller-Erfolg des Buches blieb der Film-besuch hinter unseren hohen Erwartungen zurück. Schwer zu sagen, ob das auch der nicht-naturalistischen Bildsprache geschuldet war, die sich vom gängigen DEFA-Stil, aber auch von dokumentarer Alltagsbeobachtung unterschied. Das war nicht zuletzt ein Verdienst des Szenenbildners Alfred Hirschmeier. Er hatte in einem opti-schen Drehbuchviele Filmeinstellungen im Wortsinn vorgezeichnet oder in Fotos der Originalschauplätze hineinskizziert und so nach filmischen, zuweilen metapho-rischen Entsprechungen für den literametapho-rischen Ausdruck gesucht. Von da an hat Hir-schmeier alle Filme von Konrad Wolf szenenbildnerisch mitgestaltet. Die Kamera von Werner Bergmann und die Entscheidung für die stark graphischen Wirkungen des Schwarz-weiß-Materials folgten dieser stilistischen Intention.

Die inhaltliche und formale Innovation des Films blieb – jedenfalls im Kino – lange Zeit folgenlos. Erst mit und nach dem 11. Plenum 1965 hatten wir alle ver-standen, was Walter Ulbricht im Sinne hatte, als er auf der 2. Bitterfelder Konferenz 1964 über die neuen Widersprüche zwischen der »Linie von oben« und der Praxis unten an der Basis sprach: »Ein Künstler, der die Wahrheit und das Ganze im Auge hat, kann nicht vom Blickpunkt eines empirischen Beobachters schaffen. Er braucht unbedingt den Blickwinkel des Planers und Leiters.« Da meinte die Parteiführung letztlich wohl ihre eigene Sicht.

Der Regisseur Frank Vogel wollte auf der Fahrt zur Konferenz über der Straße die aktuelle Losung gelesen haben: »Erstürmt die lichten Höhen der Kultur!« da-neben die kleinere Brückenmarkierung: »Lichte Höhe 4,48 m«.

Kein Wunder, daß es nach dem 11. Plenum im Film keine parteihörigen Dog-matiker wie Mangold, keine opportunistischen Mitläufer wie Herrfurth senior und lange Zeit kaum solche, wie es nun hieß, gebrochenen Biographienwie Meter-nagelmit einer »rückläufigen Kaderentwicklung« mehr gab.

Der Frühling braucht Zeit– so der prophetische Titel eines Gegenwartsfilms, der im November ‘65, nur ein Jahr nach dem Geteilten Himmel, noch zur Aufführung kam. Es war der erste von elf weiteren Gegenwartsfilmen, die verboten oder deren Produktion abgebrochen wurde. So auch der lange Zeit weithin unbekannte Film Fräulein Schmetterling, von Christa und Gerhard Wolf geschrieben, Regie Kurt Barthel, Mitautor des Drehbuchs und Assistenzregisseur des Geteilten Himmel.

Der Kreis schließt sich 1976. Da trat Otto Gotsche, langjähriger Sekretär und Redenschreiber Walter Ulbrichts, noch einmal nach. »Die DDR ist aus unserem Schweiß, dem Schweiß der Arbeiter und Bauern entstanden. Liedermacher, die sich aushalten ließen, haben daran keinen Anteil. Leute, die unter einem geteilten Himmel leben, auch nicht (...) in diesem Staat wird der reale Sozialismus errich-tet, trotz der Heuchelei einiger Leute, die glauben, der Beifall des Klassenfeindes sei notwendig, um Lieder zu machen und Bücher zu schreiben.«

Der geteilte Himmel

nach dem gleichnamigen Roman von Christa Wolf

Produktionsland Deutsche Demokratische Republik Premierendatum 3. September 1964 im Kino »International«

in Berlin (DDR)

Produzent DEFA-Studio für Spielfilme Potsdam-Babelsberg (»Gruppe Heinrich Greif«)

Verleih PROGRESS Film-Verleih Auszeichnungen Prädikat »Besonders wertvoll«

Regie Konrad Wolf

Regie-Assistenz: Kurt Barthel

Buch Christa Wolf, Gerhard Wolf, Konrad Wolf, Willi Brückner, Kurt Barthel

Dramaturgie Willi Brückner Kamera Werner Bergmann

Kameraassistenz: Peter Süring, Peter Schlaak Bauten Alfred Hirschmeier

Bauausführung: Willi Schäfer Außenrequisite Fritz Stemmer

Kostüm Dorit Gründel Maske Otto Banse Schnitt Helga Krause

Ton Konrad Walle Licht Hans-Herbert Ikker Produktionsleitung Hans-Joachim Funk

Aufnahmeleitung Irene Ikker, Erwin Rose, Lothar Erdmann Musik Hans-Dieter Hosalla

Darstellende Rita Seidel: Renate Blume Manfred Herrfurth: Eberhard Esche Herr Herrfurth: Martin Flörchinger Frau Herrfurth: Erika Pelikowsky

Liebentrau: Christoph Engel, Melcher: Paul Berndt Schwarzenbach: Günther Grabbert

Kuhl: Hans-Joachim Hanisch

Rolf Meternagel: Hans Hardt-Hardtloff Frau Meternagel: Agnes Kraus

Darstellende Martin Jung: Horst Jonischkan

Sigrid: Petra Kelling, Hänschen: Jürgen Kern Karßuweit: Frank Michelis

Ernst Wendland: Hilmar Thate Ermisch: Horst Weinheimer Mangold: Uwe-Detlev Jessen

Schwabe: Erik Veldre, Professor: Otto Lang Frau Professor: Geseta von Etzel

Dr. Seiffert: Lothar Bellag, Dr. Müller: Siegfried Menzel 1. Assistent auf Professorenparty: Gerhard Hänsel 2. Assistent auf Professorenparty: Michael Deyak 3. Assistent auf Professorenparty: Gerd Müller 1. Partygast: Carla Thomalla

2. Partygast: Eva-Marie Fröhlich Kellner auf der Party: Gerhard Büch

Ritas Mutter: Dorothea Volk, Ritas Tante: Maria Sänger Frau Seiffert: Hildegard Röder

Frau Schwarzenbach: Waltraut Kramm Dr. Müllers Verlobte: Angela Brunner

Manfreds Tante: Karin Seybert, Arzt: Heinz Hellmich Wendlands Sohn: Uwe Germann

Mädchen mit Luftballon: Sylvia Nechanitzky singendes Mädchen: Tinka Wolf

Reisebegleiter: Peter Herden

1. Kellner auf Waggonbauer-Ball: Willi Liebner 2. Kellner auf Waggonbauer-Ball: Herbert Krüger 3. Kellner auf Waggonbauer-Ball: Alfred Baier Dozent: Detlef Witte, Burgführer: Willy Jänsch Kneipenwirt: Fredy Barten

Frau am S-Bahnschalter: Rita Hempel Blumenverkäufer: Arthur Gutschwager Nachrichtenüberbringer: Hilmar Baumann außerdem: Michael Dejak

Sprecher »Stimme«: Lissy Tempelhof, RIAS-Nachrichten-sprecher: Werner Schmidt-Wieland,

Gagarins Stimme: Werner Eberlein

Dreharbeiten Halle (Saale), VEB-Waggonbau Ammendorf:

1. Januar 1963 Zum Inhalt

Nach einer tiefen seelischen Krise kehrt Rita Seidel in ihr kleines Dorf zurück und läßt die zurückliegenden Jahre Revue passieren. Ihre Beziehung zu Manfred Herrfurth, einem zehn Jahre älteren Chemiker, der ihr einst Selbstvertrauen gegeben und sie zum Lehrerstudium ermutigt hatte, krankt zum einen an der Spießigkeit seiner Eltern. Aber auch Manfred war verbittert geworden, da sein Betrieb das von ihm entwickelte chemische Verfahren ablehnt.

Die einzige Alternative scheint für ihn die Übersiedlung nach Westberlin zu sein. Rita be-sucht ihn dort, kann sich jedoch nicht entscheiden, seinen Schritt mitzuvollziehen.

Im Dokument Sozialistische Filmkunst (Seite 43-48)