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liechtensteinischen Verwaltungsrechts

II. Zwecke des Gesetzmässigkeitsprinzips

Das Legalitätsprinzip erfüllt rechtsstaatliche und demokratische Funk­

tionen, nämlich:

1. Gewährleistung von Rechtssicherheit: Die Bindung der Behörden an das geschriebene Gesetz bewirkt eine Voraussehbarkeit des staatli­

chen Handelns21. Die Behörden dürfen nur das verlangen, was gesetzlich vorgesehen ist, aber nicht mehr. So auferlegt beispielsweise die Bauge­

setzgebung den Bauwilligen bestimmte Pflichten. Es müssen nur diese Pflichten erfüllt werden; den einzelnen dürfen aber nicht noch wei­

tergehende Pflichten auferlegt werden.

2. Gewährleistung von Rechtsgleichheit: Jedes Gesetz enthält gene­

relle Regelungen, die für einen unbestimmten Personenkreis gelten.

Diese Struktur eines jeden Gesetzes stellt sicher, dass die Behörden in ähnlich gelagerten Fällen auch ähnlich entscheiden. Die Rechtsgleichheit ist in einem gewissen Mass auf gesetzliche Regelungen angewiesen, denn das Gesetz ist der Massstab für die Gleichheit22. Könnten die Behörden unabhängig von einer gesetzlichen Regelung von Fall zu Fall entschei­

den, dann bestünde die Gefahr einer rechtsungleichen und willkürlichen Behandlung der einzelnen.

3. Demokratische Funktion: Die Bindung an das (formelle) Gesetz be­

inhaltet überdies eine demokratische Sicherung allen Verwaltungs­

handelns. Die Entscheide der Behörden müssen sich letztlich immer auf formelle Gesetze abstützen können. Die formellen Gesetze gehen vom demokratisch gewählten Landtag (mit Sanktionierung durch den Lan­

desfürsten) aus und unterstehen überdies einem Referendum23.

4. Liberale Funktion: Das Gesetzmässigkeitsprinzip hat schliesslich auch eine freiheitsschützende Funktion: Den Privaten ist alles erlaubt, was das Gesetz nicht verbietet24. Die Grundrechte qualifizieren diesen Schutz, indem nach der Wesensgehaltgarantie im jeweiligen Schutzbereich eines Grundrechts stets ein substanzieller Freiraum fortbestehen muss25.

21 Vgl. Adamovich/Funk, S. 102.

22 Vgl. VBI 1994/40, Entscheidung vom 9.11.1994, LES 1993, S. 41 (43); Antoniolli/Koja, S. 227.

23 Vgl. Art. 66 Abs. 1 LV und dazu Schurti, S. 152 ff.

" Vgl. StGH 1979/4, Entscheidung vom 16.10./11.12.1979, LES 1981, S. 111 (112); vgl. in diesem Sinne Art. 4 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26.8.1789.

25 Vgl. Höfling, S. 102 ff.

III. Geltungsbereich

1. Geltungsbereich für Eingriffs- und Leistungsverwaltung

Das Legalitätsprinzip gilt sowohl für die sog. Eingriffsverwaltung als auch für die Leistungsverwaltung. Wann und wie immer der Staat auch tätig wird, er muss sich auf eine formellgesetzliche Grundlage stützen können26. Bei der Eingriffsverwaltung greift der Staat durch irgendwelche Massnahmen in Freiheit und Eigentum der einzelnen ein. Ein Eingriff in einen grundrechtlich geschützten Rechtsbereich ist nur statthaft, "sofern er sich auf ein Gesetz im formellen Sinn stützen kann, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und die geschützten Rechtsgüter nicht völlig ihres Sinngehaltes entkleidet"27.

Bei der Leistungsverwaltung erbringt der Staat den einzelnen eine Sach- oder Geldleistung. So sorgt das Gemeinwesen für den unentgelt­

lichen Unterricht in der Volksschule, es subventioniert die Bauern und die Bauten der Gemeinden, es betreibt ein Spital, das nicht kostendeckend ar­

beiten kann oder es gewährt Stipendien. Das Gesetzmässigkeitsprinzip gilt grundsätzlich auch für den Sachbereich der Leistungsverwaltung28. Das Gesetzmässigkeitsprinzip gilt hier indessen nicht in aller Strenge, an­

sonsten käme es zu einer förmlichen Gesetzesflut. Die Praxis lässt es zu, dass sich kleinere Staatsbeiträge auf gesetzliche Generalklauseln stützen.

Atypische, nicht generalisierbare Finanzhilfen von untergeordneter Be­

deutung können ohne Gesetzesgrundlage gewährt werden29.

2. Zuständigkeiten und Organisation

Das Gesetzmässigkeitsprinzip gilt ferner in allen organisationsrecht­

lichen Belangen, soweit nicht bereits die Verfassung grundlegende

26 Vgl. Neil, S. 179; Allgäuer, S. 240, 182 m.H. auf die ausländische Literatur; Hangartner I, S. 209.

27 Vgl. StGH 1987/3, Urteil vom 9.11.1987, LES 1988, S. 49 (53); VBI 1969/29, Entschei­

dung vom 21.1.1970, ELG 1967-72, S. 7; VfGH v. 12.6.1996, Urteil B 1300/95, EuGRZ 1997, S. 165 (167) m.w.H.; Ritter, Beamtenrecht, S. 220 ff.

28 Vgl. Neil, S. 178 m.H.; a.A. und überholt ist Pappermann, Verordnungsrecht, S. 370;

Pappermann, Regierung, S. 66 ff. In der Schweiz ist dies seit dem wichtigen BGE 103 Ia 369 allgemein anerkannt; vgl. Häfelin/Müller Nr. 335 f.

29 Vgl. Allgäuer, S. 240 m.H.; so auch die Praxis des schweizerischen Bundesrates, vgl.

VPB 1991 Nr. 27 m.H.

Regelungen trifft. Die Festlegung der Zuständigkeiten von Behörden kann nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nur aufgrund eines formellen Gesetzes erfolgen30. Die Behörden können insbesondere nicht durch Vereinbarungen untereinander eine abweichende Zuständigkeit begrün­

den. Die Kompetenzverteilung zwischen den Behörden ist zwingend;

Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden entscheidet der Staatsgerichtshof31. Eine andere Form der Konflikt­

lösung ist ausgeschlossen.

3. Vollzug von Staatsverträgen

Sieht die Verfassung im Hinblick auf eine bestimmte Materie vor, dass das Staatsvertragsrecht oder das tatsächlich geübte Gegenrecht gilt, so sind in diesem Sachbereich keine formellen Gesetze nötig. Die Staats­

verträge haben selbst den Rang von formellen Gesetzen32. In jenen Be­

reichen, wo die Verfassung nicht ausdrücklich auf das Staatsver­

tragsrecht verweist, gilt dieser Grundsatz ebenso. Die hinreichend prä­

zisen, unmittelbar anwendbaren ("seif executing") Staatsverträge ersetzen die formellen Gesetze und treten an deren Stelle; der Erlass ei­

nes inhaltsgleichen formellen Gesetzes ist unnötig33. Die Staatsverträge gelten intern wie und als Landesrecht. Allerdings gilt dies nicht für die non-self-executing Verträge. Hier hat in der Tat das innerstaatlich zu­

ständige Rechtsetzungsorgan tätig zu werden und den von der Verfas­

sung vorgeschriebenen Weg der formellen Rechtsetzung zu beschrei­

ten, sofern der Staatsvertrag nicht selbst eine Ausnahme vorsieht und die Regierung zum Erlass einer Durchführungsverordnung ermäch­

tigt34. Dies bedeutet, dass formelle Gesetze in der Regel unabdingbar sind.

30 Vgl. StGH 1981/11, Urteil vom 28.8.1981, LES 1982, S. 123 (124).

31 Vgl. im einzelnen Art. 104 Abs. 1 LV; Art. 30-33 StGHG; Art. 24 namentlich Abs. 3 LVG.

32 Vgl. StGH 1985/1, Urteil vom 8.4.1986, LES 1986, S. 108 (111); StGH 1978/8, Ent­

scheidung vom 11.10.1978, LES 1981, S. 5 (7).

33 Vgl. StGH 1972/1, Urteil vom 6.7.1972, ELG 1973-78, S. 336 (339).

" Vgl. StGH 1972/1, Urteil vom 6.7.1972, ELG 1973-78, S. 336 (339).

IV. A nforderungen des Gesetzmässigkeitsprinzips

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