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II. Auslegungsmethoden 1. Allgemeines

5. Teleologische Auslegung und Auslegung von Ausnahmebestimmungen

Die teleologische Auslegung stellt auf Zweck und Ziel der Rechtsnorm und eines Gesetzes ab47. Dabei ist es wichtig, dass der Zweck in der Rechtsnorm oder im betreffenden Gesetz bereits enthalten sein muss; es wäre unzulässig, normfremde Zwecke in die Norm hineinzulegen48. In der Praxis hat die teleologische Auslegung eine grosse Bedeutung49.

45 Vgl. StGH 1982/1-25, Urteil vom 28.4.1982, LES 1983, S. 69 (73). Diese Rechtspre­

chung entspricht vollumfänglich dem Urteil des Bundesgerichts BGE 83 I 1 73, das mit eben dieser Begründung die richterliche Einführung des Frauenstimmrechts ablehnte.

46 Vgl. etwa das schweizerische Bundesgericht gegenüber dem Schweizer Kanton Appen­

zell I.Rh. BGE 116 Ia 359; anders noch bei den Waadtländer Frauen, BGE 83 I 180 f.

47 Vgl. Antoniolli/Koja, S. 97; Wolff 1, S. 142; Häfelin/Haller Nr. 99 f.

48 Vgl. VBI 1995/3, Entscheidung vom 12.4.1995, LES 1995, S. 75 oder VBI 1993/8, Ent­

scheidung vom 12.3.1995, LES 1995, S. 134 spricht von der "ratio legis" des anzuwen­

denden Gesetzes; vgl. auch VBI 1996/17, Entscheidung vom 29.5.1996, LES 1997, S. 40 (43); ebenso StGH 1967/2, Entscheidung vom 6.5.1968, ELG 1967-72, S. 219 (221);

Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht Nr. 131; Häfelin/Haller Nr. 101.

49 Für Deutschland bewertet Wolff I, S. 142 die teleologische Auslegung als die wichtigste;

für Osterreich anerkennen Antoniolli/Koja, S. 106 "eine gewisse Rolle".

Der Staatsgerichtshof stellte fest, dass die behördliche Praxis bei einer Ausnahmeregelung nicht derart restriktiv sein dürfe, dass "kaum mehr Anwendungsfälle bestehen"50. Das Ziel der Vermeidung von Härtefällen und offensichtlichen UnZweckmässigkeiten bestimmt die Ausnahme­

regelung51; es handelt sich um eine typisch teleologische Auslegung. Die teleologische Auslegung spielt in der Tat bei Ausnahmebestimmungen eine grosse Rolle52. Diese gestatten eine im Prinzip verbotene Tätigkeit, zum Beispiel die Errichtung einer Baute im Nichtbaugebiet. Sie gestat­

ten es, "die generell-abstrakte Regelung zu durchbrechen und eine dem Einzelfall Rechnung tragende Sonderlösung zu verwirklichen"53. Selbst­

verständlich sind Ausnahmeregelungen nur dann zulässig, wenn sie ge­

setzlich vorgesehen sind; aus allgemeinen (nicht gesetzlich vorgesehe­

nen) Billigkeitsgründen darf keinesfalls vom Gesetz abgewichen wer­

den54. Denn die Gesetzmässigkeit der Verwaltung aus Art. 92 Abs. 2 LV gewährleistet die Rechtssicherheit55. "Eine Ausnahmebewilligung ist nur dort zulässig, wo besondere Verhältnisse bestehen. Es muss sich um ei­

nen Sonderfall handeln, bei welchem die Anwendung der Regel zu Här­

ten und Unbilligkeiten führen würde. ... Liessen sich die Überlegungen, mit denen die Ausnahmebewilligung begründet wird, für eine Vielzahl von Fällen anstellen, so bestünde keine Ausnahmesituation"56. Die Pra­

xis der Ausnahmebewilligung darf nicht derart grosszügig gehandhabt werden, dass der Gesetzeszweck unterlaufen wird57. Ausnahmebewil­

ligungen sollen nur im Einzelfall in Berücksichtigung einer besonderen Sachlage gewährt werden58, dabei hat ein Abwägen der im Spiel stehen­

den öffentlichen und privaten Interessen zu erfolgen59. Eine

Ausnahme-50 StGH 1988/2, Urteil vom 25.10.1988, LES 1989, S. 50 (53); vgl. die ähnlichen Formulie­

rungen in StGH 1988/3, Urteil vom 25. Oktober 1988, LES 1989, S. 53 (56); StGH 1988/5, Urteil vom 25. Oktober 1988, LES 1989, S. 56 (58 f.).

51 Vgl. z.B. VBI 1995/82, Entscheidung vom 6.12.1995, LES 1996, S. 131 (134); VBI 1986/6, Urteil vom 12.11.1986, LES 1987, S. 56 (58).

52 Vgl. VBI 1993/52, Entscheidung vom 23.2.1994, LES 1994, S. 117.

53 Vgl. StGH 1984/14, Urteil vom 28.5.1986, LES 1987, S. 36 (40).

H Vgl. VBI 1990/40, Entscheidung vom 9.11.1994, LES 1995, S. 41 ( 43).

55 Vgl. S. 171.

56 Vgl. VBI 1995/21, Entscheidung vom 5.7.1995, LES 1995, S. 137 (139); vgl. auch VBI 1996/2, Entscheidung vom 3.4.1996, LES 1996, S. 135 (138).

57 Vgl. VBI 1995/21, Entscheidung vom 5.7.1995, LES 1995, S. 137 (139); VBI 1996/17, Entscheidung vom 29.5.1996, LES 1997, S. 40 (44); VBI 1983/21, Entscheidung vom 20.6.1996, Erw. Il.d), nicht veröffentlicht.

58 Vgl. StGH 1984/14, Urteil vom 28.5.1986, LES 1987, S. 36 (40).

59 Vgl. VBI 1995/21, Entscheidung vom 5.7.1995, LES 1995, S. 137 (142).

Bewilligung bezweckt lediglich, im Einzelfall Härten und offensichtlich ungewollte Auswirkungen zu beseitigen, die mit dem Erlass der Norm nicht beabsichtigt waren60. Die gesetzlichen Bestimmungen enthalten bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen regelmässig Entschlies-sungsermessen. Somit besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung. Gleichwohl dürfen Ausnahmebewilligungen

"nicht willkürlich zugestanden oder verweigert werden, und die Be­

hörde muss jede rechtsungleiche Behandlung der Bürger nach Möglich­

keit vermeiden"61. Ferner ist das Phänomen der Ermessensschrumpfung bekannt. Danach kann die Rechtsgleichheit in einem besonderen Fall wegen Vorliegens der erforderlichen tatbeständlichen Voraussetzungen geradezu gebieten, dass eine Ausnahmebewilligung erteilt wird. Inso­

fern kann ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung ent­

stehen. Ausnahmeregelungen dürfen deshalb weder grundsätzlich ein­

schränkend62 noch grundsätzlich grosszügig ausgelegt werden.

In gewisser Weise betrifft auch die Auslegung der Grundrechts­

schranken die Auslegung von "Ausnahmebestimmungen". Das Grund­

recht soll als Grundsatz und dessen Einschränkung als Ausnahme gel­

ten. Aus diesem Grunde hat der Staatsgerichtshof zu Recht festgehal­

ten, dass "eine dieses Grundrecht beschränkende Gesetzesvorschrift grundsätzlich nicht ausdehnend ausgelegt werden"63 dürfe. Vielmehr ist bei der Auslegung von Grundrechtsschranken das betreffende Grund­

recht in "vollem Umfang"64 zu berücksichtigen. Es handelt sich in die­

sem Zusammenhang ebenfalls um eine teleologische Interpretation, wel­

che den objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte in die Gesetzesaus­

legung einbringt65.

Die teleologische Auslegung steht in einem gewissen Gegensatz zur Verbalinterpretation; sie kann eine zu wörtliche Auslegung verhindern.

So hat die Landesgrundverkehrskommission festgehalten, dass eine zu

60 Vgl. VBI 1983/21, Entscheidung vom 20.6.1996, Erw. Il.d), nicht veröffentlicht.

" Vgl. StGH 1984/14, Urteil vom 28.5.1986, LES 1987, S. 36 (40); VBI 1983/21, Entschei­

dung vom 20.6.1996, Erw. ll.e), nicht veröffentlicht.

62 Vgl. VBI 1993/52, Entscheidung vom 23.2.1994, LES 1994, S. 117; aber a.A. und m.E.

unhaltbar StGH 1983/7, Urteil vom 15.12.1983, LES 1984, S. 74 (76) und StGH 1982/29, Urteil vom 15.10.1982, LES 1983, S. 77.

63 StGH 1994/8, Urteil vom 4.10.1994, LES 1995, S. 23 (26); StGH 1991/8, Urteil vom 19.12.1991, LES 1992, S. 98.

M StGH 1994/8, Urteil vom 4.10.1994, LES 1995, S. 23 (26).

65 Vgl. Hangartner II, S. 27 ff.

enge Auslegung von Art. 4 Abs. 2 lit. k aGVG66 zum Begriff der Gleichwertigkeit "in dem Sinne, dass Klafter gegen Klafter getauscht werden muss, unvertretbar erscheint, weil in der Praxis dann nie ein solch gleichwertiger Tausch Zustandekommen könnte"67. Diese Recht­

sprechung erscheint richtig; denn auch bei der teleologischen Auslegung ist zunächst vom Wortlaut auszugehen68. Liegen triftige Gründe vor, dass der Wortlaut so wie er für den Ausleger lautet und zu Ohren kommt -den Sinn nicht richtig wiedergibt, so "kommt der Besinnung auf -den Zweck einer Gesetzesbestimmung eine vorrangige Bedeutung zu"69.

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