Der Begriff der Verwaltung wird von der Verfassung in Art. 78 Abs. 1 und 92 Abs. 2 ("Landesverwaltung") vorausgesetzt und bedarf deshalb der Erläuterung. Die Lehre hat etliche Versuche unternommen, den Be
griff der "Verwaltung" in einer klaren Umschreibung festzuhalten34. Otto Mayer definierte den Verwaltungsbegriff als "Tätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner Zwecke unter seiner Rechtsordnung, ausser
halb der Justiz"35. Dieser Begriff hat sich weitgehend durchgesetzt36. Wolff37 versteht öffentliche Verwaltung als "mannigfaltige, zweckbe
stimmte, nur teilplanende, selbstbeteiligt entscheidend durchführende und gestaltende Wahrung der Angelegenheiten von Gemeinwesen ...
durch die dafür bestellten Sachwalter". Diese Definition macht deutlich,
32 Vgl. Waschkuhn, System, S. 209.
33 Vgl. § 4, S. 94 ff. zur komparativen Auslegung.
34 Vgl. Merkl, S. 2 ff.; Adamovich/Funk, S. 11 ff.; Wolff I, S. 7 ff.; vgl. die politikwis-senschaftliche Analyse bei Waschkuhn, System, S. 168 ff. und Allgäuer, S. 79 f. Siehe zu Entwicklung und Stand der liechtensteinischen Verwaltung: Kieber, Regierung, S. 323 ff.;
Pappermann, S. 65 ff.
35 Mayer 1, S. 13; vgl. auch Merkl, S. 3.
36 Vgl. Adamovich/Funk, S. 23 ff.; Merkl, S. 3; Steger, Fürst, S. 82.
37 Vgl. Wolff 1, S. 13.
dass die Verwaltung fremdnützig, d.h. nicht im eigenen, sondern im In
teresse des Gemeinwesens tätig ist38. Der Begriff der Verwaltung muss nicht allgemeingültig festgelegt werden39. Es kommt immer auf den Zu
sammenhang an, in dem die Begriffsbestimmung bedeutsam ist; je nach
dem wird die Begriffsumschreibung anders ausfallen.
Im Hinblick auf das Verwaltungsrecht muss unter "Landesverwal
tung" insbesondere die sogenannte Hoheitsverwaltung verstanden wer
den. Es handelt sich dabei um den Vollzug der verwaltungsrechtlichen Gesetze40. Das Landesverwaltungspflegegesetz zählt in Art. 27 Abs. 1 lit. a die Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung in einer erläuternden Klammerbemerkung auf:
"Verwaltungsbefehle, Aufträge, Erlaubniserteilungen, Verleihungen, rechtsbegründende, rechtsverändernde oder rechtsaufhebende Ver
waltungsakte usw.".
In der Hoheitsverwaltung tritt das Gemeinwesen mit Befehls- und Zwangsgewalt gegenüber den Privaten auf und benutzt die entspre
chenden Handlungsformen41. Die Tätigkeit der Gerichte erfolgt eben
falls in Bindung an das Gesetz; die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in ihrem Handlungsspielraum meist eingeschränkter als die Regierung und die ihr untergeordnete Verwaltung. Denn sie wird regelmässig nur auf Beschwerde gegen die Handlungsform der Verfügung hin tätig42. Dage
gen bedeutet Regierung "die schöpferische Initiierung, Planung, Vor
bereitung, Steuerung, Koordination, Leitung und Lenkung der inneren und der äusseren Politik"43. Walter Kieber hat die gestaltende Tätigkeit der Regierung, die in eigenverantwortlicher Kompetenz erfolgt, an
schaulich beschrieben44:
"Die Regierung setzt die generellen politischen Ziele, aufgrund derer die einzelnen Regierungsmitglieder in ihren Ressorts eine Detailpla
38 Vgl. Wolff I, S. 14.
« Vgl. Merkl, S. 5.
40 Vgl. Kieber, Regierung, S. 301.
41 Vgl. dazu den 2. Teil, S. 112 ff.
« Vgl. S. 117 f.
43 Kieber, Regierung, S. 302.
44 Kieber, Regierung, S. 303.
nung betreiben und diese umzusetzen trachten; sie bringt Gesetzes
vorschläge ein und erlässt Verordnungen, die allgemeine Grundsätze der Gesetze näher konkretisieren; sie legt dem Landtag den Budget
entwurf und die Finanzplanung vor und setzt damit und mit der Zu
teilung finanzieller Mittel für die verschiedenen konkreten Staatsauf
gaben bedeutsame politische Akzente; sie besorgt die Personalpolitik, die Dienstaufsicht und übt die Disziplinargewalt über das Staatsper
sonal aus; sie stellt aussenpolitische Ziele, Pläne und Richtlinien auf und ergreift aufgrund ihrer ständigen Lagebeobachtung die erforder
lichen nationalen und internationalen Initiativen; sie ist auch privat
wirtschaftlich tätig, baut Strassen und errichtet Hochbauten, vergibt öffentliche Aufträge und verteilt Förderungsmittel für verschiedenste Zwecke; sie besorgt die Informationsaufgabe gegenüber dem Landes
fürsten, dem Landtag und gegenüber der Öffentlichkeit; sie koor
diniert die gesamte Staatstätigkeit; sie repräsentiert schliesslich neben dem Staatsoberhaupt den Staat nach aussen. In diesem Sinne kann die Regierung mit Fug und Recht als das 'dynamische' Organ im liechtensteinischen Staat betrachtet werden."
2. Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht
Das Verwaltungsrecht bestimmt die Organisation und Vollzugstätigkeit der Verwaltungsbehörden und die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den einzelnen, soweit diese nicht vom Verfassungsrecht gere
gelt werden45. Der wesentliche Unterschied zum Verfassungsrecht be
steht darin, dass sich das Verwaltungsrecht der weniger wichtigen De
tails annimmt, währenddem das Verfassungsrecht das Verfahren der Gesetzgebung und in Form der Grundrechte die Rechtsstellung der Menschen zum Gemeinwesen bestimmt46. Das Verfassungsrecht ent
scheidet die grundlegenden Fragen vorweg und strahlt in diesem Sinn auf das Verwaltungsrecht aus. Es bestimmt damit die wesentliche
Struk-<5 Vgl. Merkl, S. 78; Adamovich/Funk, S. 45; Antoniolli/Koja, S. 93 f.; Häfelin/Müller Nr. 65 ff.
<6 Vgl. z.B. Adamovich/Funk, S. 38; Adamovich/Funk, Verfassungsrecht, S. 3; Walter/Mayer,
Bundesverfassungsrecht Nr. 4 nennt sogar allein die durch das Verfassungsrecht ausge
sprochene Befugnis zur Normerzeugung.
tur des Verwaltungsrechts. Deshalb sprach Fritz Werner vom "Verwal
tungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht"47.
Das Verfassungsrecht verschafft Menschen die Befugnis zur Rechts
erzeugung, was eine Machtbefugnis beinhaltet. Das Verfassungsrecht ist ein politisch besonders bedeutsames Recht. Bei staatsrechtlichen Um
wälzungen ändert es regelmässig, wogegen das einfachgesetzliche Recht vielfach davon unberührt bleibt: Otto Mayer hat dieser Tatsache mit dem Satz "Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht" einen bleibenden Ausdruck gegeben48.
Es kommt oftmals vor, dass der Staat die Beziehungen zu den einzel
nen in den Formen des Privatrechts ordnet, wenn etwa Privatkunden Geschäfte mit der Landesbank tätigen oder wenn ein Privater dem Land Liechtenstein Boden zum Bau eines Verwaltungsgebäudes verkauft49.
47 Vgl. Deutsches Verwaltungsblatt 1959, S. 529 ff.
48 Vgl. Mayer 1, S. VI. Siehe als ein plastisches Beispiel dazu das Gutachten des StGH vom 5.5.1960, ELG 1955-61, S. 144 (145) und Gutachten des StGH vom 14.12.1961, ELG 1962-67, S. 179 ff. (183).
49 Vgl. dazu § 8, S. 148 ff.
§ 2 Abgrenzung von öffentlichem Recht und, Privatrecht