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Der verwaltungsrechtliche Vertrag ist eine öffentlichrechtliche Vereinba­

rung, welche ein konkretes verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis auf­

grund einer "übereinstimmenden, auf Vertragsabschluss gerichteten ge­

genseitigen Willensäusserung"1 ordnet. Die Parteien müssen nicht notwendigerweise Personen des öffentlichen Rechts sein; es kann sich auch ausschliesslich um Privatpersonen oder juristische Personen des Privatrechts handeln. Entscheidend für die Zuordnung von Verträgen zum privaten oder öffentlichen Recht ist deren Gegenstand2. Ein verwaltungsrechtlicher Vertrag liegt vor, wenn die Materie vom öffentli­

chen Recht geregelt wird und das öffentliche Interesse betroffen ist bzw.

eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird3.

Der verwaltungsrechtliche Vertrag wird also nicht vom Privatrecht bestimmt, sondern allein vom öffentlichen Recht. Dies gilt auch dann, wenn eine Privatperson Vertragspartei ist4. Der Vorteil des verwaltungs­

rechtlichen Vertrags liegt auf der Hand. Vielfach ist es zweckmässiger, ein Verwaltungsrechtsverhältnis durch Vertrag statt durch Verfügung zu regeln. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn sich die besonderen Um­

stände des Einzelfalles einer schematischen Beurteilung entziehen und von der Verwaltung eine gewisse Flexibilität verlangen. Der verwal­

tungsrechtliche Vertrag ist das richtige Instrument, um diese notwendige Anpassung an die Umstände zu ermöglichen, ohne dass dabei die Grundprinzipien des öffentlichen Rechts ausser acht gelassen werden.

1 Vgl. StGH 1982/2/V, Urteil vom 15.2.1985, LES 1985, S. 73 (76); vgl. die ähnlichen Defi­

nitionen bei Antoniolli/Koja, S. 534; Adamovich/Funk, S. 291 f; Häfelin/Müller Nr. 843, vgl. auch BGE 103 la 509.

2 Vgl. StGH 1984/2/V, Urteil vom 15.2.1985, LES 1985, S. 72 (76); BGE 109 II 79, 105 Ia 394; Antoniolli/Koja, S. 534.

3 Vgl. VBI 1995/41, Entscheidung vom 6.12.1995, S. 10. Erw. II.c), nicht veröffentlicht, betreffend den Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Gemeinde Triesen vom 19.11.1982 über Schulanlagen. Dieser Vertrag ist zu Recht dem öffentlichen Recht zugeordnet worden. Vgl. zu den Theorien zur Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht S. 31 ff. Umgekehrt ist ein Vertrag zwischen einem Privaten und einer Gemeinde betreffend die Erteilung eines befristeten Baurechts, als privatrechtlich zu qualifizieren, vgl. StGH 1981/1, Urteil vom 10.2.1982, LES 1983, S. 1, auch wenn die Zustimmung der Stimmbürger erforderlich ist.

4 Vgl. Antoniolli/Koja, S. 534 f.

Der öffentlichrechtliche Vertrag braucht nicht schriftlich abgefasst zu werden5. Die Schriftlichkeit ist allerdings die Regel, denn es geht meist um Bindungen von erheblicher Tragweite. Aus Gründen der Beweis­

sicherung und der Rechtssicherheit wird die beteiligte Behörde gut daran tun, einen schriftlichen Vertrag zu schliessen.

Es werden zwei Arten verwaltungsrechtlicher Verträge unter­

schieden:

1. Ein koordinationsrechtlicher Vertrag wird in der Regel zwischen öffentlichrechtlichen Organisationen abgeschlossen (z.B. Vertrag zwi­

schen der Gemeinde Vaduz und dem Land über den Bau des Kunsthau­

ses6 oder der Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Gemeinde Triesen vom 19. November 1982 über Betriebskosten für Sport- und Schulanlagen weiterführender Schulen in Triesen7). Das Gemeindegesetz sieht in Art. 3 vor, dass sich die Gemeinden durch Be-schluss der Gemeindeversammlung zur gemeinsamen Erfüllung öffent­

licher Aufgaben verbinden und gemeinsame Organe bestellen können.

Damit können die Gemeinden über koordinationsrechtliche Verträge Aufgaben besorgen, welche wegen ihres Umfanges zweckmässigerweise von mehreren Gemeinden zu erfüllen sind. Dazu gehört etwa die Betreuung alter und gebrechlicher Menschen, die Wasserversorgung oder die Müll- und Abwasserentsorgung8.

2. Ein subordinationsrechtlicher Vertrag wird in der Regel zwischen einer öffentlichrechtlichen Organisation und einem Privaten abge­

schlossen9. Es gibt mehrere Gründe für den Abschluss eines subordina­

tionsrechtlichen Vertrages. Dadurch kann sich der Private zu einer Lei­

stung im öffentlichen Interesse verpflichten, zu welcher ihn die Ver­

waltungsbehörde mittels Verfügung nicht zwingen könnte, weil hiezu die gesetzliche Grundlage fehlt. Solche Verträge kommen vor allem in

5 Vgl. StGH 1982/2/V, Urteil vom 15.2.1985, LES 1985, S. 73 (75 f.), anders § 57 VwVfG.

6 Vgl. StGH 1982/2/V, Urteil vom 15.2.1985, LES 1985, S. 73 (76). Der Staatsgerichtshof hat allerdings einen nichtschriftlichen öffentlichrechtlichen Vertrag angenommen; es ist fragwürdig, ob wirklich ein Vertrag vorlag und nicht eher je eine Liste von zum Teil gleichgerichteten Absichtserklärungen von Land und Gemeinde. In BGE 96 I 650 f.

hatte das schweizerische Bundesgericht in der Annahme zweier paralleler Verfassungs­

bestimmungen durch Basel-Stadt und -Land keinen ungeschriebenen Vertrag gesehen.

Vgl. auch Adamovich/Funk, S. 292; Antoniolli/Koja, S. 534; Häfelin/Müller Nr. 857 ff.

7 Vgl. VBI 1995/41, Entscheidung vom 6.12.1995, nicht veröffentlicht.

8 Vgl. Neil, S. 131 ff. (131 f.) mit Angabe entsprechender Beispiele.

9 Vgl. auch Adamovich/Funk, S. 292; Antoniolli/Koja, S. 534 f.; Häfelin/Müller Nr. 860 ff.

Bereichen vor, wo die zuständige Behörde einen erheblichen Ermessens­

spielraum hat. Der öffentlich-rechtliche Vertrag erlaubt es, stark auf die spezifischen Umstände Rücksicht zu nehmen, ohne dass gesetzliche Bestimmungen tangiert werden. Vereinzelt erlaubt die Gesetzgebung ausdrücklich verwaltungsrechtliche Verträge. So ist beispielsweise der Enteignungsvertrag bedeutsam; in ihm regeln eine Privatperson und das Gemeinwesen den Umfang der Enteignung und die zu leistende Entschädigung10. Nach heutiger Auffassung handelt es sich dabei um ei­

nen verwaltungsrechtlichen Vertrag".

II. Zulässigkeit von verwaltungsrechtlichen Verträgen Die Frage nach der Zulässigkeit verwakungsrechtlicher Vereinbarungen stellt sich insbesondere bei den subordinationsrechtlichen Verträgen12. Lässt sich der verwaltungsrechtliche Vertrag mit dem in Art. 78 Abs. 1 und 92 LV v erankerten Gesetzmässigkeitsprinzip vereinbaren? Braucht die Verwaltung dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, die den Inhalt der öffentlichrechtlichen Verträge vorbestimmt oder genügt ein blosses Schweigen des Gesetzes?

Der Abschluss verwaltungsrechtlicher Verträge bedarf keiner aus­

drücklichen gesetzlichen Billigung13. Es genügt, wenn das Gesetz Spiel­

raum für eine vertragliche Lösung lässt und den Vertrag nicht ausdrück­

lich oder nach Sinn und Zweck ausschliesst. Es ist freilich erforderlich,

10 Vgl. § 4 des Gesetzes vom 23.8.1887 über das Verfahren in Expropriationsfällen, LGBl.

1887/4 und dazu Beck, Enteignungsrecht, S. 137 f., wonach ein Enteignungsverfahren einvernehmlich mit einer öffentlichrechtlichen Vereinbarung über den Preis und die Modalitäten beendet werden kann. Der Staatsgerichtshof lehnt sich bei seiner Recht­

sprechung an das schweizerische Bundesgericht (vgl. BGE 116 Ib 244) an, vgl. Höfling, S. 180 ff. (182 und 185).

11 Beck, Enteignungsrecht, S. 140 f. lässt die Frage noch offen. Der Sache nach handelt es sich um die Erledigung des Enteignungsverfahrens zur Wahrnehmung einer öffentli­

chen Aufgabe. Der nach Art. 63 LVG erledigende Prozessvergleich beendigt das Verwaltungsverfahren definitiv.

12 Vgl. Antoniolli/Koja, S. 535.

13 Vgl. StGH 1984/2/V, Urteil vom 15.2.1985, LES 1985, S. 72 (76) und auch die Lehre in der Schweiz, vgl. Häfelin/Müller Nr. 855. Gegenteilig die Lehre in Österreich: Anto­

niolli/Koja, S. 536 f.; Adamovich/Funk, S. 292 m.H. wonach verwaltungsrechtliche Ver­

träge zulässig sind, soweit der Vorrang des Gesetzes gewahrt bleibt. Ferner müsse die behördliche Entscheidungsbefugnis in Form einer Zuständigkeit zur bescheidmässigen Gestaltung des Rechtsverhältnisses im Streitfall beachtet werden.

dass die vertragliche Handlungsform geeigneter erscheint als die Verfü­

gung. Es ist der Verwaltung verwehrt, frei zwischen vertraglicher und verfügungsmässiger Handlungsform zu wählen14.

Das Gesetzmässigkeitsprinzip steht einer vertraglichen Lösung ent­

gegen, wenn ein Gesetz das fragliche Sachgebiet umfassend und ab­

schliessend ordnet und der Verwaltung das verfügungsmässige Handeln vorschreibt. Damit besteht für einen Vertrag kein Raum. Beispielsweise ist bei Baubewillligungen lediglich zu prüfen, "ob der jeweilige Bauwer­

ber die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung bringt oder eben nicht"15. Für eine vertragliche Lösung besteht hier keinerlei Raum, denn solche vom Gesetz abweichende Vereinbarungen würden eine unzulässige Besserstellung des betreffenden Bauwerbers und damit eine Ungleichbehandlung bedeuten16. In weiteren Verwaltungsrechts­

gebieten, wie bei der Erteilung von Polizeibewilligungen, kommt nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung eine Vertragslösung nicht in Betracht.

Lässt ein Gesetz Raum für eine Vertragslösung, so dürfen die ver­

waltungsrechtlichen Verträge allerdings nicht den Verwaltungsgesetzen widersprechen. Anders als das Privatrecht mit seinen dispositiven Bestimmungen, kennt das öffentliche Recht keine entsprechende Flexi­

bilität.

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Kategorie des verwaltungs­

rechtlichen Vertrags darf ohne weiteres bejaht werden. Anders als die österreichische Bundesverfassung enthält die Liechtensteinische Lan­

desverfassung keine "erschöpfende Typologie aller in der ... Rechtsord­

nung gültigen generellen Rechtsnormen"17. Dem einfachen Landesge­

setzgeber steht es somit frei, den verwaltungsrechtlichen Vertrag in sei­

ner Gesetzgebung ausdrücklich oder durch Einräumung entsprechender Spielräume als eine Handlungsform der Verwaltung vorzusehen18.

14 Vgl. Antoniolli/Koja, S. 538. In Deutschland ist ein verwaltungsrechtlicher Vertrag zulässig, "soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen" (§ 54 Satz 1 VwVfG).

15 VBI 1980/53, Entscheidung vom 29.4.1981, LES 1982, S. 172 (174); vgl. ferner VBI 1994/40, Entscheidung vom 9.11.1994, LES 1994, S. 41 (42 f.) zur Sachlage bei der Wohnbauförderung.

16 Vgl. VBI 1980/53, Entscheidung vom 29.4.1981, LES 1982, S. 172 (174).

" Antoniolli/Koja, S. 538. Vgl. zur Geschlossenheit des Rechtsquellensystems S. 67, 75.

18 Der Staatsgerichtshof hat denn auch zu Recht diese Frage in StGH 1984/2/V, Urteil vom 15.2.1985, LES 1985, S. 72 (76) nicht problematisiert, sondern ist von der ver­

fassungsrechtlichen Zulässigkeit ausgegangen.

Ein privatrechtlicher Vertrag kommt in Frage, wenn es sich um eine Materie handelt, die typischerweise in einem privatrechtlichen Vertrag geordnet wird19. Ansonsten ist die Rechtsform des öffentlichrechtlichen Vertrages zu wählen.

III. Geltung und Auslegung öffentlichrechtlicher Verträge

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