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Bindungen beim tatsächlichen Verwaltungshandeln Die Bezeichnung der Realakte als verfahrensfreie Verwaltungsakte sug

geriert, dass die Behörde den Realakt völlig frei, ausserhalb jeglicher rechtlicher Bindung setzen kann. Selbstverständlich wäre diese Auffas­

sung nicht richtig; es gibt keinerlei staatliches Handeln ausserhalb der Bahnen des Rechts und der Grundrechte. Daher ist die Setzung eines Realaktes immer durch die Grundrechte, die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, wie das öffentliche Interesse und das Gebot der Verhältnismässigkeit14 mitbestimmt.

Das Landesverwaltungspflegegesetz befasst sich - wie viele ausländi­

sche Verfahrensgesetze - nur am Rande mit den sog. Realakten oder Tathandlungen. Immerhin enthält es in seinem detaillierten vollstrek-kungsrechtlichen Teil in den Art. 110-135 Vorschriften zu einzelnen Vollstreckungshandlungen, die als Realakte anzusehen sind. Es handelt sich namentlich um die Vorschriften über die Ersatzvornahme sowie den unmittelbaren Zwang15. Die hohe Regelungsdichte des Landesverwal-tungspflegegesetzes hat den Vorteil, dass einzelne Fragen eingehend be­

handelt werden.

Im folgenden werden die Verfahrensweisen für die Realakte nur am Beispiel des Waffengebrauches dargestellt16. Der Waffengebrauch ist ein typisches Beispiel eines Realaktes. Er ist keine Rechtshandlung, sondern

11 Vgl. zur Abstimmung über den EWR-Vertrag, StGH 1993/8, Urteil vom 21.6.1993, LES 1993, S. 91 ff., wo allerdings dieser Einfluss als nicht entscheidend bewertet wurde.

12 Vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht Nr. 609.

13 Vgl. S. 151.

14 Vgl. §§ 12 und 13, S. 219 ff.

15 Vgl. Art. 125 und 127 ff. LVG. Die Ersatzvornahme wird auch in den Art. 127 ff. näher geregelt, ohne dass dies die Uberschrift ausweist, vgl. S. 161 f.

16 Weitere Beispiele: Siehe die Vorschriften über die Beschlagnahme und das zu diesem Zweck erfolgende Eindringen in Wohnungen gemäss Art. 134 LVG.

will allein einen tatsächlichen Erfolg herbeiführen. Art. 135 LVG regelt den Waffengebrauch detailliert. Er ist zulässig, wenn die Vorausset­

zungen des Art. 135 Abs. 2 LVG erfüllt sind, namentlich wenn jemand Gewalt gegen Beamte ausübt und gegen die Zuführung zu einer Behörde Widerstand leistet. Art. 135 Abs. 3 und 4 unterwerfen den Schusswaffen­

gebrauch dem Verhältnismässigkeitsprinzip; er ist die ultima ratio und darf nur gegen schwere Verletzungen öffentlicher Güter angewandt wer­

den. Art. 135 Abs. 5 LVG behält andere Vorschriften vor; in diesem Sinne enthält Art. 23 PolG Regelungen über den Waffengebrauch. Die Bestim­

mung über den Waffengebrauch ist deshalb bedeutsam, weil sie von An­

fang an im Landesverwaltungspflegegesetz enthalten war. Die Schweizer Kantone haben sich damit erst viel später befasst17.

III. Rechtsschutz

Gegen Realakte ist kein förmlicher Rechtsschutz möglich; der Realakt ist als solcher mangels Verfügungsbegriffs nicht anfechtbar18. Der ein­

zelne ist aber dem Tathandeln nicht ausgeliefert, denn das Defizit wird durch einige Rechtsschutzmöglichkeiten abgemildert.

Zunächst besteht die Möglichkeit, dass die Tathandlung im Rahmen einer noch zu treffenden Verfügung thematisiert und somit als solche dem Verwaltungsrechtszug zugeführt werden kann. In diesem Zusam­

menhang ist insbesondere die feststellende Verfügung von Belang. Es ist nämlich möglich, dass der Betroffene nach erfolgter Tathandlung eine Feststellungsverfügung verlangen kann, wenn er in seinen rechtlich ge­

schützten Interessen betroffen ist19.

17 Vgl. Thomas Hug, Schusswaffengebrauch durch die Polizei, Diss., Zürich 1979.

18 In Osterreich ist ein spezifischer Rechtsschutz gegen Realakte in § 67c AVG eingerich­

tet worden, vgl. Walter/Mayer Nr. 548/22 ff. In der Schweiz ist die Situation ähnlich wie in Liechtenstein; es gibt nur einen Rechtsschutz gegen Verfügungen, vgl. Paul Richli, Zum Verfahrens- und prozessrechtlichen Regelungsdefizit beim verfügungsfreien Staats­

handeln, AJP 1992, S. 196 ff. Siehe zu den bescheidenen Anfechtungsmöglichkeiten: Ro­

land Plattner-Steinmann, Tatsächliches Verwaltungshandeln, Diss., Basel 1988, S. 173 ff.

Allerdings kennen einige Kantone die sog. Rechtsverweigerungsbeschwerde, die sich zum Teil auch gegen Realakte richten kann.

19 Vgl. Kley, Rechtsschutz, S. 8; vgl. dazu im schweizerischen Recht Art. 25 VwVG und im deutschen Recht § 43 VwGO; vgl. eingehend: Andreas Kley, Die Feststellungsverfü­

gung - eine ganz gewöhnliche Verfügung? In: Festschrift für Yvo Hangartner zum 65.

Geburtstag, St. Gallen 1998 (im Druck).

Eine zweite Möglichkeit besteht in der Amtshaftung. Führt ein Real­

akt zu einem Vermögensschaden, so sieht das Amtshaftungsgesetz20 eine Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast vor. Damit ist es im­

merhin möglich, die vermögensrechtliche Seite von Realakten der Rechtspflege zuzuführen. Das Obergericht als erste Klageinstanz hat sich dabei auch über die Widerrechtlichkeit des Realaktes auszuspre­

chen. Im Fall einer Gutheissung der Klage erhält der Kläger dadurch zu­

mindest auch die moralische Befriedigung, dass der Realakt als rechts­

widrige Handlung des Staates qualifiziert worden ist. Der Amtshaf-tungsprozess ist dann zum Verwaltungsbeschwerdeverfahren subsidiär, wenn dieses den Schaden hätte abwenden können21. Dies bedeutet, dass zunächst der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten ist, um eine dro­

hende Schädigung zu verhindern.

Die dritte Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen Realakte könnte die Aufsichtsbeschwerde an die Regierung oder an die Verwaltungs­

beschwerdeinstanz bieten22. Bei diesem Rechtsbehelf kann das "unge­

bührliche Benehmen bei der Ausübung von Amtshandlungen" gerügt werden. Die Praxis ist allerdings nicht konsistent, zum Teil wird die Aufsichtsbeschwerde nur gegen Verfügungen zugelassen23. Würde die Aufsichtsbeschwerde auch gegen Realakte ermöglicht, so könnten da­

von Betroffene das Vorgehen beim Tathandeln beanstanden. Den Aufsichtsbehörden kommen damit Vorfälle zu Gehör. Ist eine Be­

schwerde gerechtfertigt, so können sie auf dem Weg von Dienstanwei­

sungen und Aufsichtsmassnahmen Abhilfe schaffen.

In letzter Instanz können die Entscheide über Verfügungen oder Auf­

sichtsbeschwerden betreffend Realakte beim Staatsgerichtshof wegen Verletzung der Grundrechte angefochten werden24.

Obwohl es gegen Realakte kein direktes Rechtsmittel gibt, wie etwa in Österreich25, ist der Betroffene dem tatsächlichen Verwaltungs­

20 Vgl. Art. 3 Abs. 1 und 5 des Gesetzes vom 22.9.1966 über die Amtshaftung (AHG), LR 170.32. Beispiel: OG 397/81-17, Beschluss vom 17.10.1983, LES 1985, S. 50 ff.

21 Vgl. Art. 5 Abs. 1 A HG>Die schweizerische Rechtslage ist in diesem Punkt ähnlich, vgl.

Andreas Kley, Besprechung des nicht veröffentlichten Bundesgerichtsurteils vom 23.2.1993, AJP 1994, S. 91 ff.; GVP 1996 Nr. 4.

22 Vgl. Art. 93 lit. a LV betreffend die Regierung und Art. 23 LVG, vgl. S. 280 ff.

23 Vgl. z.B. VB1 1996/4, Entscheidung vom 3.4.1996, LES 1996, S. 138 (140).

24 Vgl. Art. 19 und 23 StGHG und dazu Batliner, Rechtsordnung, S. 156.

25 In Osterreich gilt der Realakt zusammen mit dem "Bescheid" als ein anfechtbarer Ver­

waltungsakt, vgl. Adamovich/Funk, S. 256, 266; Walter/Mayer Nr. 388.

handeln gleichwohl nicht schutzlos ausgeliefert. Die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten können das Defizit ausgleichen26. Dazu kommt, dass das Landesverwaltungspflegegesetz das Verfahren des tat­

beständlichen Handelns relativ ausführlich bestimmt und insofern eine zusätzliche Sicherheit bietet27.

26 Funk, Polizeigesetz, S. 127 schätzt den Rechtsschutz gegen Realakte und Verfügungen in Liechtenstein sogar als besser gewährleistet ein.

27 Vgl. zur Typologie von Rechtsschutzmöglichkeiten ausserhalb des Verwaltungsrechts­

weges Kley, Rechtsschutz, S. 302 ff.

§ 8 Privatwirtschaftsverwaltung

I. Hoheitliche und nichthoheitliche Verwaltung

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