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liechtensteinischen Verwaltungsrechts

2. Hinreichende Bestimmtheit der Rechtsnormen

Der Gesetzgeber darf nach Art. 92 Abs. 2 LV die Gesetze nicht so ab­

fassen, dass Regierung und Verwaltung freie Hand haben37. Vielmehr hat der Gesetzgeber "die Regelungen so zu treffen, dass sie die Rechts­

anwendung in den wesentlichen Punkten vorausbestimmen und so den nachprüfenden Organen eine Kontrolle der Gesetzmässigkeit ermögli­

chen. Aus dieser Sicht sind insbesondere Rechtsbegriffe unzulässig, die so unbestimmt sind, dass ihnen jeder beliebige Inhalt unterstellt werden kann"38. Die Begriffe in den Gesetzen und Verordnungen sollen so exakt sein, dass sie das Verhalten der Verwaltungsbehörden vorausbestimmen.

Der Gesetzgeber darf indessen eine bestimmte Materie sehr wohl auch offen regeln, um die Anpassung an veränderte Verhältnisse zu erleich­

tern39. Das schweizerische Bundesgericht macht die Anforderungen an die Bestimmtheit von Eingriffsnormen von der Schwere des Eingriffs abhängig40:

35 Vgl. Hafelin/Müller Nr. 309 ff.

36 Nämlich nach sog. materiellen Gesetzen, vgl. VBI 1995/75, Entscheidung vom 17.12.1996, LES 1997, S. 95 (96).

37 Vgl. Schurti, S. 305 ff.

38 StGH 1979/6, Entscheidung vom 11.12.1979, LES 1981, S. 114; vgl. ferner StGH 1968/3, Urteil vom 18.11.1968, ELG 1967-72, S. 239 (243); VBI 1994/42, Entscheidung vom 22.3.1995, LES 1995, S. 51; Schurti, Verordnungsrecht, LPS 21, S. 253.

39 Vgl. StGH 1996/15, Urteil vom 27.6.1996, LES 1997, S. 89 (93).

40 BGE 122 I 3 63 f. = EuGRZ 1997, S. 163.

"Bei schweren Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen verlangt das Bundesgericht in den wesentlichen Punkten eine klare unzweideutige Grundlage in einem formellen Gesetz; leichtere Ein­

griffe können bei Vorliegen einer schlüssigen gesetzlichen Delegation auch in Erlassen unterhalb der Gesetzesstufe vorgenommen oder auf Generalklauseln abgestützt werden (...). In gewissen Fällen kann eine aufgrund der Komplexität und Vielgestaltigkeit der zu regelnden Ver­

hältnisse unabdingbare Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundlage durch verfahrensrechtliche Garantien kompensiert werden (...)".

Die vom Bundesgericht angesprochene Kompensation einer (nur knapp genügenden) Gesetzesgrundlage durch das Verfahrensrecht ist von zen­

traler Bedeutung. Diese Bedeutung des Verfahrensrechts und der Ge­

richtskontrolle von Grundrechtseingriffen wird in der ständigen Recht­

sprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hervor­

gehoben41.

Das Bestimmtheitsgebot verwirklicht das vom Gesetzmässigkeits-prinzip geschützte Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit'12. Gemäss Art. 92 Abs. 2 LV sind selbst im Bereich des freien Ermessens

"die durch die Gesetze gezogenen Grenzen streng zu beobachten". Der Begriff des "freien Ermessens" ist allerdings verfänglich. Im Rechtsstaat kann es kein "ungebundenes" oder eben völlig freies Ermessen geben.

Das Ermessen ist rechtlich immer gebunden; die ermesseneinräumende Norm muss zudem den Sinn erkennen lassen, wie vom Ermessen Ge­

brauch zu machen ist43. In diesem Sinne hat der Staatsgerichtshof bei­

spielsweise zu Recht Art. 30 des Gesetzes über die Rechtsanwälte44 als zu unbestimmt angesehen. Nach dieser Norm hat "der Bewerber für die Ausübung der beabsichtigten Tätigkeit eine entsprechende Ausbildung und eine dreijährige berufliche praktische Betätigung auf diesem Ge­

41 Vgl. z.B. Urteil Klass, EGMR/A 28, § 55 = EuGRZ 1979, S. 286; vgl. im einzelnen Kley, Rechtsschutz, S. 60 ff.

« Vgl. S. 204 ff.

43 Vgl. StGH 1979/6, Entscheidung vom 11.12.1979, LES 1981, S. 114; StGH 1986/9, Urteil vom 5.5.1987, LES 1987, S. 145 ff. (147). Dies war in der Entscheidung der VBI 1976/11 vom 12.5.1976, ELG 1973-78, S. 130 (131) zweifellos nicht der Fall. Die fragliche Bewil­

ligung wurde indessen "nach freiem Ermessen" erteilt. In dieser Situation müsste von einer Bewilligungspflicht mangels öffentlichen Interesses wohl eher abgesehen werden.

44 Sowie über Rechtsagenten, Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte vom 13.11.1968, LR 173.501.

biet" nachzuweisen. Dieser Begriff des "freien Ermessens" ist derart un­

bestimmt, dass der Inhalt der darauf abgestützten Verordnung45 auf Grund des Gesetzes nicht geprüft werden kann46. Ferner nennt das liechtensteinische Grundverkehrsgesetz in Art. 4 Abs. I47 mit der Ab­

wägung "aller Umstände" ebenfalls ein Element, das für die Erteilung oder Nichterteilung einer Grundverkehrsgenehmigung zu beachten ist48. Die Praxis hat sich häufig darauf bezogen und darunter zahllose weitere aussergesetzliche Tatbestände subsumiert, welche in der Auf­

zählung von Abs. 2 nicht enthalten sind. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Begriff, der ausserhalb des Gesetzmässigkeitsprinzips steht. Seine Anwendung lässt sich nicht kontrollieren und die darauf abgestützten Entscheidungen lassen sich nicht begründen. Auch wenn unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich zulässig sind49, "muss aus dem allgemeinen Zweck des Gesetzes oder aus einzelnen Bestimmungen eine Bestimmbarkeit grundsätzlich gegeben sein"50. Der österreichische Verfassungsgerichtshof umschreibt diese Anforderung prägnant51:

Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist "dann zulässig, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung solcher unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Behör­

den auf ihre Ubereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann".

Die Staatszielbestimmung des Art. 14 LV ist lediglich in sehr allgemeiner Weise für die "Gestaltung des staatlichen Tuns massgebend"52, ohne da­

bei Mittel, Verfahren und Organe zu bezeichnen. Das Verhalten aller

45 Vgl. LGBI. 1979/12.

46 Vgl. StGH 1979/6, Entscheidung vom 11.12.1979, LES 1981, S. 114 (115). Das Entspre­

chende stellte der Staatsgerichtshof auch für gewisse Begriffe der Verordnung fest.

47 Vgl. dazu Herbert Wille, Probleme einer EWR-konformen Ausgestaltung des Liechten­

steinischen Grundverkehrsrechts, LJZ 1992, S. 38 ff. ( 4 2 f.); Jehle, S. 70.

48 Vgl. dazu S. 187.

49 Vgl. StGH 1995/34, Urteil vom 24.5.1996, LES 1997, S. 78 (84 f.); StGH 1975/4, Urteil vom 15.9.1975, ELG 1973-78, S. 388 (393).

50 StGH 1975/4, Urteil vom 15.9.1975, ELG 1973-78, S. 388 (393), vgl. auch den öster­

reichischen Verfassungsgerichtshof in Slg. 42/21/1962. Siehe dazu unten Abschnitt VI., S. 182 ff.

51 VfGH v. 2. 3.1995, Urteil B 1476/93, ÖJZ 1996, S. 475; vgl. auch BVerfGE, S. 94, 372 = EuGRZ 1996, S. 426 (433).

52 VBI 1994/11, Entscheidung vom 27.4.1994, LES 1994, S. 122 (125).

staatlichen Behörden hat sich an diesem Wohlfahrtsartikel zwar auszu­

richten, dieser kann aber keinesfalls an die Stelle einer gesetzlichen Grundlage treten. Vielmehr ist der Gesetzgeber gefordert, diese pro­

grammatische Bestimmung zu konkretisieren53. Im übrigen enthält die Verfassung mit Ausnahme der Grundrechte in der Regel keine für die einzelnen unmittelbar anwendbare Vorschriften54. Die Verfassung wird also in aller Regel eine fehlende formellgesetzliche Grundlage nicht er­

setzen können.

Das Gesetzmässigkeitsprinzip gilt auch bei gesetzgeberischen Pla­

nungsentscheidungen. Der Gesetzgeber darf ein Planungsziel mit fina­

len Rechtsnormen umschreiben. Die fragliche Planungsentscheidung muss sich indessen anhand gesetzlich vorgegebener Kriterien rechtferti­

gen lassen55. Die Art und Weise der in Aussicht genommenen Planung muss gesetzlich vorherbestimmt sein; diese Voraussetzung ist etwa bei den Zonenplänen einwandfrei erfüllt56.

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