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liechtensteinischen Verwaltungsrechts

I. Grundlagen 1. Verankerung

Nach Art. 92 Abs. 2 und Art. 78 Abs. 1 LV hat sich die gesamte Landesverwaltung innerhalb der Schranken der Verfassung und der Ge­

setze zu bewegen. Damit wird das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung verfassungsrechtlich festgeschrieben1. Zwar bezieht es sich nach dem Wortlaut nur auf die Verwaltung; nach ständiger Praxis des Staatsgerichtshofes gilt das Gesetzmässigkeitsprinzip aber auch für die Gerichtsbarkeit und den Gesetzgeber selbst2. Das Gesetzmässigkeits­

prinzip wird ebenfalls mit dem synonymen Begriff "Legalitätsprinzip"

bezeichnet3. Art. 81 Abs. 3 LVG, der sich im Abschnitt über das erstin­

stanzliche Verwaltungsverfahren befindet, wiederholt dieses Prinzip und sieht dessen lückenlose Geltung für alle Behörden, d.h. also auch für die Gerichte und den Landtag vor: "Bei der Entscheidung in der Haupt­

sache ... wie auch bei allen sonstigen Entscheidungen oder Verfügungen

1 Vgl. StGH 1995/10, Urteil vom 23.5.1996, LES 1997, S. 9 (16), StGH 1986/7, Urteil vom 5.5.1987, LES 1987, S. 141 (144); StGH 1985/1, Urteil vom 8.4.1986, LES 1986, S. 108 (111); StGH 1979/6, Entscheidung vom 11.12.1979, LES 1981, S. 114; VBI 1994/24, Entscheidung vom 13.7.1994, LES 1994, S. 137 (138); VBI 1994/29, Entscheidung vom 28.9.1994, LES 1995, S. 37; VBI 1969/29, Entscheidung vom 21.1.1970, ELG 1967-72, S. 7; StGH, Urteil vom 11.12.1950, ELG 1947-54, S. 170 (171 f.); vgl. grundlegend StGH 1968/3, Urteil vom 18.11.1968, ELG 1967-72, S. 239 (241, 243). Siehe die Hin­

weise auf weitere relevante Verfassungsbestimmungen bei Batliner, Verfassungsrecht, S. 22 und 29; Batliner, Parlament, S. 26 ff., Anm. 40; Schurti, S. 133 ff.; Ritter, S. 41; Fehr, S. 207 ff.

2 Vgl. StGH 1979/6, Entscheidung vom 11.12.1979, LES 1981, S. 114.

3 So Schurti, S. 133.

hat sich die Behörde an die Vorschriften der Verfassung, der Gesetze und gültigen Verordnungen zu halten (Art. 92 der Verfassung)".

2. Bedeutung und Konsequenzen

Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung bedeutet, dass al­

les Handeln der Verwaltungsbehörden und der Gerichte nur gestützt auf das formelle Gesetz zulässig ist4. Es ist also der Hauptzweck des Gesetz-mässigkeitsprinzips, dass die gesamte Staatstätigkeit, namentlich jene der Verwaltung, an das Gesetz gebunden ist. Dabei bedürfen ins­

besondere schwerwiegende Eingriffe in Freiheit und Eigentum einer kla­

ren gesetzlichen Grundlages. Das Gesetzmässigkeitsprinzip wirkt sich zusätzlich als ein liberales Prinzip aus: Den Privatpersonen ist alles er­

laubt, was das Gesetz nicht verbietet6.

Aus dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung folgt, dass die Verwaltung sich in ihrer gesamten Tätigkeit innerhalb der Grenzen zu halten hat, die ihr durch die geltenden Gesetze, Verordnungen und Satzungen gezogen sind. Auch diejenige Behörde, die zuständigermas-sen Rechtssätze erlässt, ist an diese gebunden und hat sie anzuwenden7. Sie ist von der Gesetzesbindung nicht deshalb dispensiert, weil sie die Normen selbst ändern könnte. Vielmehr muss sie diese Rechtssätze tatsächlich ändern und die Änderung im Landesgesetzblatt kundma­

chen. Will beispielsweise die Verwaltung ein Gebäude erstellen, so ist sie an die anwendbaren Bauvorschriften gebunden. Dem lässt sich im Regelfalle nicht entgegenhalten, das Baurecht selber wende sich in sei­

nen materiellen Vorschriften nur an den einzelnen und nicht an die Ver­

waltung. Wenn der Gesetzgeber gewisse öffentliche und private Interes­

4 Vgl. z.B. VBI 1990/19 und 1990/20, Entscheidung vom 2.5.1990, LES 1991, S. 85 (88).

In Osterreich und Liechtenstein ist der deutsche Begriff des Vorranges und des Vorbe­

halts des Gesetzes noch gebräuchlich, vgl. Adamovich/Funk, S. 106 und Schurti, Ver­

ordnungsrecht, S. 246, in der Schweiz wird der Begriff noch teilweise gebraucht, vgl.

Häfelin/Müller Nr. 309 ff.; Hangartner I, S. 196 ff.

5 Vgl. StGH 1990/11, Urteil vom 22.11.1990, LES 1991, S. 28 (2); StGH 1973/1, Entschei­

dung vom 26.3.1973, Stotter, Verfassung, S. 24, Ziff. 10; StGH 1973/3, Entscheidung vom 2.7.1973, Stotter, Verfassung, S. 24, Ziff. 11; Fehr, Grundverkehrsrecht, S. 213.

6 Vgl. StGH 1979/4, Entscheidung vom 16.10./11.12.1979, LES 1981, S. 111 (112).

7 Vgl. VBI 1994/46, Entscheidung vom 23.11.1994, LES 1995, S. 45 (46); VBI 1960/17, ELG 1955-61, S. 34 (35); Imboden/Rhinow I, S. 367.

sen auf dem Gebiete des Bauwesens als schutzwürdig anerkennt und die zu deren Wahrung erforderlichen Bauvorschriften aufstellt, so nimmt er damit eine Interessenabwägung vor, an die sich auch die Verwaltung zu halten hat. Die meisten dieser Vorschriften können ihre Aufgabe nur er­

füllen, wenn sie durchgehend angewendet werden8.

Das Prinzip der Gewaltentrennung ist im Fürstentum Liechtenstein konsequent durchgeführt9. Die Verfassung unterscheidet die Funktio­

nen der Gesetzgebung (V. Hauptstück) und der Vollziehung (VII.

Hauptstück). Letztere wird in die Verwaltung (Abschnitte A und C), Rechtspflege (Abschnitt D) und Kontrolle der Verfassungs- und Ge­

setzmässigkeit durch den Staatsgerichtshof aufgeteilt (Abschnitt E)10. Gesetzgebende (Teil-)Organe sind der Landtag zusammen mit dem Für­

sten und dem Volk. Die Regierung ist schwergewichtig zum Vollzug der Gesetze zuständig. Zum Gesetzesvollzug gehört auch der Erlass von Durchführungsverordnungen gemäss Art. 92 Abs. 1 LV. Der Staats­

gerichtshof hat die Vermischung von gesetzgebenden und vollziehenden Funktionen als gewaltenteilungswidrig angesehen, wenn etwa für Durchführungsverordnungen noch ein Genehmigungsvorbehalt durch den Landtag verlangt wurde". Diese Rechtsprechung erscheint richtig;

im Stufenbau der Rechtsordnung ist keine Zwischenstufe unterhalb des formellen Gesetzes, aber über den blossen Verordnungen vorgesehen12. Das Prinzip der Gewaltentrennung hat allerdings nicht den Charakter eines selbständigen Grundrechts13.

8 Vgl. ähnlich BGE 91 I 422 f.

' Vgl. StGH 1968/3, Urteil vom 18.11.1968, ELG 1967-72, S. 239 (241). Grundlegend zur Funktion der Gewaltentrennung BVerfG vom 17.7.1996, 2 BvF 2/93, EuGRZ 1997, S. 192 (196).

10 Vgl. StGH 1983/6, Urteil vom 15.12.1983, LES 1984, S. 73 (74); StGH 1982/37, Urteil vom 1.12.1982, LES 1983, S. 112 (114).

11 Vgl. StGH 1968/3, Urteil vom 18.11.1968, ELG 1967-72, S. 239 (241).

12 Siehe als Beispiel das durch Art. 21 lit. d des Subventionsgesetzes vom 3.7.1991, LR 617.0, LGB1. 1991/71 aufgehobene Subventions-Reglement vom 23.8.1956, LGB1. 1956/14, welches vom Landtag genehmigt worden ist. In der Schweiz ist die Genehmigung von Verordnungen der Exekutive durch die Bundesversammlung hingegen als zulässig erachtet worden, vgl. Fritz Fleiner/Zaccaria Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 536, Anm. 108; Jean Fran?ois Aubert, Kommentar zu Art. 85 Ziff. 11 BV, Nr. 176 m.H., in: Kommentar zur Bun­

desverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Basel/Zürich/Bern 1987 ff.

(Loseblatt).

15 Vgl. StGH 1995/5, Urteil vom 27.6.1996, LES 1997, S. 1 (8); StGH 1995/10, Urteil vom 23.5.1996, LES 1997, S. 9(16).

3. Beispiele für die Wirkungsweise des Gesetzmässigkeitsprinzips

1. Bei erfüllten Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Ertei­

lung einer Bewilligung: Zählt ein Gesetz den Inhalt einer Bewilligung enumerativ auf, so kann diese Bewilligung nicht noch weitere Inhalte umfassen14. Werden umgekehrt die Voraussetzungen für eine Berufsaus­

übungsbewilligung alternativ aufgezählt, so darf von Ausländern die Er­

füllung dieser Voraussetzungen nicht kumulativ verlangt werden, ohne dass dies gesetzlich vorgeschrieben wäre15.

2. Ausnahmebewilligungen dürfen ebenfalls nur erteilt werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind. Ein Härtefall allein reicht noch nicht dafür aus, dass die gesetzlichen Bestimmungen in einem Einzelfall nicht oder anders angewendet werden16.

3. Vereinbarungen zwischen Behörden oder öffentlichrechtlichen Körperschaften können das geltende materielle öffentliche Recht nicht abändern. Löst ein Grundstückkaufvertrag zwischen Land und einer Gemeinde die Grundstückgewinnsteuer aus, so kann die gesetzlich gere­

gelte Steuer nicht im Vertrag wegbedungen werden17.

4. Es gibt keine verwaltungsrechtliche "lex mitior". Die "lex mitior" ist ein spezifisch strafrechtliches Rückwirkungsgebot des milderen Strafgeset­

zes. Im Verwaltungsstrafrecht mag es wohl gelten; dagegen scheidet seine Anwendung im gewöhnlichen, materiellen Verwaltungsrecht aus18. Denn der Grundsatz gehört allgemein weder zum geschriebenen noch zum ungeschriebenen Verwaltungsrecht. Werden etwa in einem neuen Gesetz die Bewilligungsvorschriften erleichtert, so kann in einem bereits hängigen und nach bisherigem Recht zu beurteilenden Bewilligungsverfahren19

nicht die Anwendung des milderen, neuen Gesetzes verlangt werden20. Selbstverständlich bleiben allfällige Übergangsbestimmungen vorbehalten.

H Vgl. VBI 1986/5, Entscheidung vom 4.6.1986, LES 1988, S. 7 (8).

15 Vgl. VBI 1980/44, Entscheidung vom 17.12.1980, LES 1982, S. 172.

" Vgl. VBI 1994/40, Entscheidung vom 9.11.1994, LES 1995, S. 41 (42); LGVK G 8/82, Entscheidung vom 28.5.1982, LES 1983, S. 67 (68).

17 Vgl. LSteK 76-2, Entscheidung vom 30.6.1976, ELG 1973-78, S. 159 (160).

18 Vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil 1, Bern 1982, S. 73 ff.

" Vgl. S. 77 ff.

20 Vgl. wohl zu knapp VBI 1993/8, Entscheidung vom 15.3.1995, LES 1995, S. 134 f., wo der Grundsatz als nicht verletzt betrachtet wurde.

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