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5.3 Regionale Mobilität der befragten Führungskräfte

5.3.3 Wanderungsrichtung und Mobilitätsmuster

An dieser Stelle interessiert die Frage, in welche Richtung die Migrationen stattge-funden haben. Neigen die Managerinnen und Manager dazu, vom Land in die Stadt zu gehen, von dort ins nächste Zentrum? Oder zieht es sie sofort in die Hauptstadt?

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Gehen sie auch aus der Stadt aufs Land bzw. aus der Großstadt in die Kleinstadt?

Ganz wichtig ist hier auch die Frage, ob sie nach einem Ortswechsel wieder an den Ausgangsort ihrer Mobilität zurückkehren. Entsprechen die Mobilitätsmuster der be-fragten Führungskräfte den Ergebnissen, wie sie einleitend von anderen Untersu-chungen beschrieben wurden?

Bei dem am häufigsten anzutreffenden Mobilitätsmuster ziehen die Manager von ih-rem Geburtsort in einen anderen Wohnort 1, gehen dann zu Wohnort 2 oder auch 3 und kehren in einem (zumindest vorläufigen) letzten Schritt zurück zum Geburtsort oder einem ihrer früheren Wohnorte. Dabei kann es auch vorkommen, dass zwischen den Umzügen zu den Wohnorten 2 oder 3 bereits schon einmal zum Ausgangsort zu-rückgekehrt wird, dass es also zweimal zu einer Rückkehr zum Ausgangsort kommt (Ausgangsort kann sowohl der Geburtsort als auch ein früherer Wohnort sein). Die-ses Muster tritt bei insgesamt 18 Personen auf. Diese Rückkehr zum Geburtsort wird von BANNISTER (1987, 310) nur von den in den Städten geborenen und aufs Land verschickten Jugendlichen der 70er und 80er Jahre beschrieben. Andererseits sind Rückwanderungen auch im westlichen Kontext bekannt. WAGNER (1990b, 225) beschreibt für die USA, dass ein Viertel aller Zweitwanderungen Rückwanderungen sind.

In der vorliegenden Untersuchung gehen 36% aller Zweitwanderungen zurück zum Ausgangsort. Bei 25% der Zweitwanderungen ist die Rückkehr zum Ausgangsort die (vorläufig?) letzte Station der Wanderungen, bei 11% folgte auf die Rückwanderung eine Wanderung in einen anderen Ort. Wenn man bedenkt, dass insgesamt 38% der befragten chinesischen Führungskräfte heute noch an ihrem Geburtsort wohnen, und 25% der Wanderungen der restlichen Personen zurück an den Ausgangsort gingen, dann wohnt heute mehr als die Hälfte der Untersuchungspersonen an ihrem Geburts-ort. Dies scheint für Führungskräfte ein sehr hoher Anteil zu sein. Es kann hier nicht beurteilt werden, ob chinesische Führungskräfte häufiger oder weniger häufig zu-rückwandern als andere Bevölkerungsgruppen in der VR China. Im Vergleich zu Führungskräften in westlichen Gesellschaften kehren chinesische Führungskräfte aber sehr viel häufiger an ihren Ausgangsort zurück. Auch hier muss die Ursache im sehr stark ausgeprägten Regionalismus und Lokalismus der chinesischen Bevölke-rung gesucht werden.

Beim zweiten Mobilitätsmuster kann ein eindeutiges Muster für die Ursachen der Mobilität festgestellt werden. Die Führungskräfte verlassen aufgrund des Studiums ihren Geburtsort und ziehen in Wohnort 1. Nach dem Studium gehen sie aus berufli-chen Gründen zu Wohnort 2 und bleiben dort. Dieses Muster (Geburtsort, Wohnort 1, Wohnort 2) tritt insgesamt bei zwölf Managerinnen und Mangern auf, wobei auf zehn Personen die oben genannten Gründe zutreffen. In dem einen Fall, bei dem die-ser Grund nicht vorlag, war für beide Mobilitätsschritte die Familie ausschlaggebend, im anderen Fall war es der Beruf, der zu den Wohnortverlagerungen führte. Weitere drei Befragte folgten dem gleichen Mobilitätsmuster, nur mit dem Unterschied, dass

sie mehr als zwei Wohnorte hatten. Die Migration aufgrund der Ausbildung spielt in der gesamten Bevölkerung eine gewisse Rolle, bei der Ausbildung in tertiären Bil-dungseinrichtungen sogar eine herausragende Rolle (vgl. YU & DAY, 1994, 106).

Ähnlich viele Personen (11) sind von ihrem Geburtsort in einen anderen Wohnort ge-zogen und dort geblieben, haben damit also nur einen Ortswechsel vollge-zogen und sind nicht zu ihrem Geburtsort zurückgekehrt. In sechs Fällen ist die Familie für den Umzug verantwortlich und meistens waren die Befragten zu der Zeit des Umzuges noch Kinder, die mit ihren Eltern umgezogen sind. Sie haben daher an ihrem Wohn-ort Fuß gefasst und sind auch für Studium und Beruf an diesem Ort geblieben. Vier Managerinnen und Manager sind aufgrund des Studiums und eine Führungskraft auf-grund der Ausbildung in einen anderen Wohnort gezogen, an dem sie dann wohnhaft geblieben sind.

Aus dem Mobilitätsverhalten der chinesischen Führungskräfte lässt sich ein weiteres Muster herauskristallisieren. Dabei wandern die Personen von ihrem Geburtsort in einen anderen Wohnort und kehren nach einer gewissen Zeit wieder an ihren Ge-burtsort zurück. Dieses Muster trifft für acht der befragten Personen zu. Sechs dieser Personen haben beide Mobilitätsschritte aus beruflichen Gründen vollzogen, wäh-rend für zwei Personen das Studium den ersten Schritt und der Beruf den zweiten Schritt ausgelöst hat. Fasst man diese Personen mit denjenigen zusammen, die zwar mehrere Wohnortwechsel haben, aber am Ende wieder an ihren Ausgangsort zurück-gekehrt sind, dann sind dies 26 Personen und damit mehr als ein Viertel aller Befrag-ten.

In fünf Fällen sind die Personen von ihrem Geburtsort in mehrere andere Wohnorte gewandert. Dazwischen sind sie zu irgendeinem Zeitpunkt an ihren Ausgangsort zu-rückgekehrt, haben diesen dann aber wieder verlassen und sind (bis jetzt) nicht wie-der dorthin zurückgekehrt. Tabelle 5.2 beschreibt noch einmal zusammenfassend die wesentlichen Muster der beobachteten Mobilität der chinesischen Führungskräfte.

Tabelle 5.2: Mobilitätsmuster der befragten chinesischen Führungskräfte

Muster Richtung* Anzahl der Personen

I GO - WO1 - WO2,3.. - GO 18

II GO - WO1 - WO2 12

III GO - WO1 11

IV GO - WO1 - GO 8

Quelle: eigene Erhebung und Darstellung

(*GO = Geburtsort, WO = Wohnort)

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Land-Stadt und/oder Stadt/Land und/oder Stadt/Stadt? Bei der Betrachtung der Zu-züge nach Beijing (9), Shanghai (10) oder Nanjing (11) gibt es sowohl ZuZu-züge aus dem ländlichen Raum, als auch aus anderen Großstädten. Während die Zuzüge aus anderen Städten, vor allem aus Städten gleicher Größe, politisch nicht unterbunden werden, sind die Zuzüge aus ländlichen Räumen politisch nicht erwünscht.

Die Wegzüge der in den drei Städten Beijing, Shanghai und Nanjing Geborenen sind mit jeweils zwei Wegzügen sehr gering. Ein in Beijing geborener Manager ging nach Zhuhai, einer nach Shanghai. Eine in Shanghai geborene Person zog aus Shanghai weg nach Nanjing und eine nach Guangzhou. Aus Nanjing zog ein dort geborener Befragter nach Shanghai und einer nach Beijing. Es ist interessant zu sehen, wie we-nig Austausch zwischen diesen drei großen Städten stattfindet, obwohl die politi-schen Restriktionen zwipoliti-schen diesen Städten nicht annähernd so groß sind wie bei Migrationen aus kleineren Städten und ländlichen Räumen. Die Zugehörigkeit zu ei-nem Raum (hier: einer Stadt) scheint in der VR China weitaus ausgeprägter zu sein, als dies in westlichen Gesellschaften der Fall ist.

Wegzüge aus Großstädten in ländliche Räume konnten hier nicht erfasst werden, da die Befragungen ausschließlich in Großstädten stattfanden. Die in der Retrospektive festgestellte regionale Mobilität ging nur in den Fällen von der Stadt in den ländli-chen Raum, in denen die Managerinnen und Manager während der Kulturrevolution aufs Land geschickt wurden. Der Schritt von der Stadt in den ländlichen Raum ist für die meisten Managerinnen und Manager einfach unvorstellbar. Dies bestätigt auch die Aussage eines deutschen Managers, der über mehrere Jahre das Anfangsstadium eines Joint Ventures im ländlichen Raum geleitet hat. Das größte und dominanteste Problem des gesamten Joint Ventures ist die Tatsache, dass keine Führungskraft be-reit ist, dorthin zu ziehen. Selbst das Angebot, in der nächsten, 70 km entfernten Sie-ben-Millionen-Stadt zu wohnen und zusätzlich zum ohnehin sehr hohen Gehalt ein Auto zu erhalten, reicht nicht aus, um eine geeignete Führungskraft anzuziehen. In diesem Fall musste die Stelle des Deputy General Managers mit einer Person besetzt werden, von der das board of directors10 von Anfang an überzeugt war, dass dies nicht die richtige Person für diese Stelle ist. Bei der Planung des Joint Ventures wur-de wur-der Faktor wur-der Personalbeschaffung vollkommen vernachlässigt. Stattwur-dessen stand im Anfangsstadium die Suche nach dem besten chinesischen Partner im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Mangel an Führungskräften im ländlichen Raum ist für diesen deutschen Manager Grund genug, dass dieses Joint Venture kein zweites Mal zustande käme. Dies spiegelt die geringe Bereitschaft von großstädtischen Führungs-kräften wider, ihren Wohnsitz in kleinere Städte oder in den ländlichen Raum zu ver-legen.

10. Das board of directors entspricht dem Vorstand des Unternehmens. Es wird in der Regel mit der gleichen Anzahl an Personen von beiden Partnern besetzt. Dabei stellt der eine Partner den chairman, der andere Partner den vice-chairman. In einigen Fällen wird nach drei bis vier Jahren rotiert, in anderen Fällen ist die Besetzung des boards genau umgekehrt wie in der Geschäftsleitung. D.h. stellt der ausländische Part-ner den GePart-neral Manager, so stellt der chinesische PartPart-ner den chairman im board of directors.