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6.8 Fluktuation von chinesischen Führungskräften

6.8.3 Möglichkeiten zur Minderung der Fluktuationsbereitschaft

Welche Schlüsse lassen sich nun aus der Bewertung der Fluktuationsbereitschaft zie-hen? Welche Konsequenzen kann dies für Unternehmen haben, die versuchen, ihre chinesischen Führungskräfte im Unternehmen zu halten und das in sie investierte Ka-pital zu nutzen? Zur Beantwortung dieser Fragen scheint die Betrachtung der ge-schlechtsspezifischen Unterschiede nicht besonders ergiebig zu sein. Dagegen lohnt sich die getrennte Betrachtung der Führungskräfte zum einen nach ihrem Alter und zum anderen nach ihren unterschiedlichen Positionen.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Betrachtung der alterstypischen Bewertungen ist die, dass für die jüngere Generation der berufliche Aufstieg und damit ihre Karriere-chancen an erster Stelle stehen. Die Führungskräfte über 40 Jahre erachten dies da-gegen nicht so sehr als Grund für einen Arbeitsplatzwechsel. Für sie sind eine allge-meine Unzufriedenheit und finanzielle Gründe wichtiger.

An dieser Stelle können auch die Unternehmen aktiv werden, wenn es darum geht, ihre Führungskräfte zu halten. Den jüngeren Hochqualifizierten ist es wichtig, dass sie sich im Unternehmen hocharbeiten können und deshalb ist Personalentwick-lungsplanung unabdingbar. Dies haben auch GOODALL & BURGERS in ihrer Stu-die über 80 hochqualifizierte Führungskräfte, Stu-die aus der China Europe International Business School (CEIBS), einer der führenden Management-Schulen der VR China, hervorgegangen sind, festgestellt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass an erster Stelle der Ursachen für einen Firmenwechsel „inadequate career development opportuni-ties“ stehen (GOODALL & BURGERS, 1998, 51). Den chinesischen Führungskräf-ten klare berufliche Ziele in einem überschaubaren Zeitraum zu bieFührungskräf-ten, sollte für die Unternehmen zur Selbstverständlichkeit werden. Die Bedürfnisse der älteren Füh-rungskräfte zu befriedigen scheint dagegen schwieriger, da Zufriedenheit bzw. Un-zufriedenheit sehr pauschale Faktoren sind und eigentlich beinhalten, dass alles

rund-herum stimmen muss. Hier lässt sich sicher nur schwer ansetzen. Für beide Gruppen spielt die finanzielle Situation eine große Rolle, hier ist daher auch die Möglichkeit zur Handlung gegeben.

Sehr hilfreich ist auch die Unterteilung der Führungskräfte nach ihren Positionen, denn daraus erwachsen offensichtlich die größten Bedürfnisunterschiede. Dazu wer-den bei wer-den vier Positionsgruppen jeweils die wichtigsten drei Punkte heraus genom-men und zwar in der Wichtigkeit ihrer Wertung.

Die Gruppe der Abteilungsleiter ist hier die Gruppe mit der niedrigsten Position. Sie würden am schnellsten für ein höheres Gehalt (1,7), bessere Aufstiegschancen (1,9) und wegen der Unzufriedenheit mit dem Unternehmen ihren Arbeitsplatz wechseln.

Es ist daher vorstellbar, dass diese Gruppe sowohl mit finanziellen wie auch mit be-ruflichen Anreizen zum Bleiben veranlasst werden kann.

Die Personen mit Managerfunktionen wollen Verantwortung (1,5), ein gutes Gehalt (1,8) und gute Aufstiegschancen (1,9). Ist dies gegeben, sind sie nur sehr schwer zu einem Arbeitsplatzwechsel zu motivieren. Auffällig ist hier vor allem, dass es die Verantwortung ist, die an erster Stelle steht, ein Faktor, der von deutscher Seite zu-meist völlig konträr eingeschätzt wird.

Für die Gruppe der Deputy General Manager stehen Aufstiegschancen (1,9) und Ver-antwortung (2,2) ganz vorn, gefolgt von finanziellen Gründen (2,3). Hier wird deut-lich, was zuvor nicht erkennbar war: Vor allem Kompetenzstreitigkeiten sind hier entscheidend. Dass ihnen im Endeffekt nur eine geringe Verantwortung übertragen wird, führt zu einer großen Fluktuationsbereitschaft und noch viel häufiger zu einem internen Gegeneinander-Arbeiten. Auch hier lässt sich über Veränderungen nach-denken, auch wenn diese Situation oft daher rühren mag, dass die Position mit der in westlichen Augen falschen Person besetzt ist. Entscheidend für die Motivation und das Halten im Unternehmen ist für diese Personengruppe auch die Möglichkeit, wei-ter aufzusteigen, d.h. konkret, dass sie, wenn das Unwei-ternehmen in chinesische Hand übergeht bzw. die localisation so weit wie möglich fortgeschritten ist, den Posten des General Managers einnehmen können. An dieser Aussicht scheinen sich sehr viele Deputy General Manager zu orientieren. In einigen Unternehmen wurden bereits fe-ste Zeitpläne erarbeitet, wann ein westlicher und wann ein chinesischer General Ma-nager das Unternehmen leiten wird. Dies trägt mit Sicherheit dazu bei, dass die De-puty General Manager kein Interesse an einem Wechsel haben.

In der Gruppe der General Manager dürfte grundsätzlich die geringste Fluktuations-bereitschaft bestehen. So geben diese Personen auch keinen Grund an, den sie für sehr wichtig für einen Arbeitsplatzwechsel halten. Wichtig sind für sie die Gründe Qualifikation (2,1), Verantwortung (2,3) und Unzufriedenheit (2,3). Bei allen drei Punkten lässt sich für die Unternehmen nur schwer ansetzen und deshalb soll dies hier unbewertet stehen bleiben.

6.8 Fluktuation von chinesischen Führungskräften 169

Was wurde von den Firmen bisher getan, um die Fluktuation der chinesischen Füh-rungskräfte zu verringern? Bei den Interviews waren nur sehr wenig konkrete Maß-nahmen erkennbar, mit denen die Firmen versuchen, ihre Führungskräfte im Unter-nehmen zu halten. Zum einen werden Kredite zur Wohnungsfinanzierung gegeben, wodurch die Führungskräfte an das Unternehmen gebunden werden sollen. Dies ist eine neue Erscheinung, die an Bedeutung gewinnt, je mehr der Wohnungsmarkt libe-ralisiert und Wohnungseigentum gefördert wird. Diese Maßnahme beeinflusst die fi-nanzielle Situation der Führungskräfte beträchtlich und scheint daher durchaus ein geeignetes Mittel zur Fluktuationsminderung zu sein.

Bei einer Roundtable-Diskussion deutscher Unternehmen in Shanghai wurde ange-dacht, bei einem Arbeitsplatzwechsel die Ausbildungskosten in Höhe von 20.000 bis 30.000 Yuan zurückzufordern. Hierzu kam aber sofort die Kritik der wenigen anwe-senden Chinesinnen und Chinesen, die darauf verwiesen, dass das Rechtsverständnis noch lange nicht so weit gediehen sei, dass eine solche Maßnahme wirkungsvoll sei.

Die wenigsten könnten eine solche Summe zurückzahlen und sie könnte auch nicht eingefordert werden, so dass es niemanden abschrecken würde, den Arbeitsplatz zu wechseln. Wäre die Summe niedriger, bestehe jedoch die Gefahr, dass die abwerben-den Firmen die Gebühr bezahlen und dadurch Fluktuation nicht verhindert werabwerben-den kann.

In einem Fall wurde berichtet, dass für alle Führungskräfte konkrete Personalent-wicklung betrieben wird. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter sehr früh wissen, welche Position als nächstes frei wird, d.h. welche Chancen sie haben. Gleichzeitig treten mehrere Führungskräfte um eine Position in Konkurrenz zueinander und nur die/der Beste steigt auf. Hinzu kommen Weiterbildungen und -qualifizierung, die ebenfalls ihre Chancen auf ein berufliches Weiterkommen si-chern. Dies scheint den in der Untersuchung gewonnenen Ergebnisse am ehesten zu entsprechen und kann mit Sicherheit als eine Maßnahme zur Fluktuationsminderung empfohlen werden.

Das gleiche Ergebnis zeigt auch eine Untersuchung an 80 chinesischen Führungs-kräften einer bedeutenden Management-Schule in Shanghai. Für die Zufriedenheit der Führungskräfte waren die beiden Faktoren „promotion prospects“ und „respon-sibilities“ von größter Bedeutung. Von den chinesischen Führungskräfte, die in der genannten Untersuchung bereit waren zu einem Wechsel, wusste nur ca. ein Viertel von einem Personalentwicklungsplan. Im Gegensatz dazu waren sich mehr als die Hälfte der nicht wechselbereiten Führungskräfte über ihren eigenen Personalent-wicklungsplan im Unternehmen bewusst (GOODALL & BURGERS, 1998, 52). In einer anderen Untersuchung über fünf Joint Ventures in Shanghai im Sommer 1997 konnte ein weiterer Faktor festgemacht werden, der dazu beiträgt, die Fluktuation un-ter chinesischen Führungskräften einzudämmen. In allen fünf unun-tersuchten Unun-ter- nehmen legten die Führungskräfte großen Wert auf den Stolz für die in den Unter-nehmen hergestellten Produkte. Einfaches aber wirksames Mittel scheint ein geeignetes Firmenlogo sowie die Verteilung von Tassen, Mützen, Tüchern usw. zu sein (BEAMER, 1998, 57).

Sowohl aus der vorliegenden Untersuchung wie auch aus den Ergebnissen anderer Untersuchung kann somit festgehalten werden: Die Kombination aus Aus- und Wei-terbildung, zusammen mit klaren Zielen für die Karriereentwicklung sowie gezielte finanzielle Anreize scheinen einen sehr guten Maßnahmenkatalog darzustellen, wie chinesische Führungskräfte in einem Auslandsunternehmen gehalten werden kön-nen. Die Identifikation der Führungskräfte mit der Firma und den Produkten oder Leistungen des Unternehmens sollten unbedingt berücksichtigt werden.

7 DIE INTERKULTURELLE PROBLEMATIK

Um festzustellen, welche Faktoren für die chinesischen Führungskräfte bei der Ent-scheidung für ein deutsch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen bzw. ein deut-sches Unternehmen von Bedeutung sind, wurden sie nach den Vor- und Nachteilen gefragt, in einem solchen Unternehmen zu arbeiten. Hintergrund dieser Fragen war auch die Klage über die hohe Fluktuation und die Suche nach deren Ursachen. Oder anders ausgedrückt, was muss für eine chinesische Managerin oder einen chinesi-schen Manager gegeben sein, damit sie/er sich wohlfühlt und nicht den Arbeitsplatz wechselt und welche Anreize kann ein Unternehmen schaffen, um die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhen und sie damit zum Bleiben zu be-wegen?

Die Frage war bewusst offen gehalten worden ohne die Vorgabe von Antworten. Es war im Vorfeld der Studie nicht absehbar, wie ehrlich oder offen auf eine solche Fra-ge Fra-geantwortet werden würde. Es hat sich dann aber Fra-gezeigt, dass die chinesischen Managerinnen und Manager diese Frage sehr ernst genommen und sich die Antwor-ten gut überlegt haben. Häufig war diese Frage Auslöser für ein Gespräch über ihre persönliche Situation im Unternehmen und so kamen weit mehr Informationen zu Tage als ursprünglich erwartet wurde. Dies ist auch die Erklärung dafür, dass die In-terviews zwischen 20 Minuten und zwei Stunden dauerten.

In einigen Fällen wurde die Frage nach den Nachteilen von den chinesischen Füh-rungskräften auch dazu benutzt, sich den Unmut über die deutsche Seite von der See-le zu reden. Hier war es die neutraSee-le Seite der Wissenschaft, die zum Reden anregte und von der keinerlei Nachteile im Arbeitsleben zu erwarten waren. Selbstverständ-lich hat alles seine zwei Seiten und hätte man die deutsche Seite auf die Aussagen der Chinesinnen und Chinesen angesprochen, hätte sich sicher vieles relativiert. Doch dazu fehlte die Zeit und es konnte auch nicht das Ziel der Untersuchung sein.

Ebenso wenig wäre es im Interesse der chinesischen Führungskräfte gewesen, mit ih-ren Klagen zur deutschen Seite zu gehen. Wäre dies beabsichtigt gewesen, wäih-ren si-cherlich nicht so ehrliche Antworten gegeben worden. Zudem entstand in einigen Fällen der Eindruck, dass eine wirkliche Problemlösung, bei der an der eigenen Hal-tung auch etwas zu verändern wäre, von den chinesischen Führungskräften gar nicht gewünscht wird. Die Klagen hatten offensichtlich eher den Zweck, sich Luft zu ver-schaffen.

Hinzu kommt, dass viele deutsche Managerinnen und Manager gar nicht so genau wissen, wie ihre chinesischen Kolleginnen und Kollegen die Situation sehen. Sie wis-sen zwar oft, dass sie anderer Meinung sind, aber ein richtiger Meinungsaustausch findet selten statt. Auch deshalb sollen hier die Aussagen der chinesischen Manage-rinnen und Manager ohne Bewertung durch die deutsche Seite wiedergegeben wer-den.