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6.6 Firmenwechsel von chinesischen Führungskräften

6.6.2 Firmenwechsel nach Alter, Geschlecht, Beschäftigungsdauer

Laut Aussagen der deutschen Führungskräfte neigen ältere Führungskräfte dazu, so gut wie keine Firmenwechsel vorzunehmen. Stattdessen arbeiten sie schon immer in dem Staatsunternehmen, das der chinesische Partner des Joint Ventures ist. Dies un-terscheidet sich sehr von westlichen Führungskräften, die mit zunehmendem Alter auch zunehmend mehr Arbeitsplatzwechsel aufweisen. Nach Angaben westlicher

Führungskräfte hat die jüngere Generation im Gegensatz dazu trotz ihrer geringeren Zeit im Erwerbsleben mehr Arbeitsplatzwechsel vorgenommen als die ältere Gene-ration, da sie angeblich nicht die gleiche Loyalität zum chinesischen Partner besitze und die Fluktuation gerade unter jüngeren Führungskräften angeblich sehr hoch sei.

In Abbildung 6.6 wird versucht, die Firmenwechsel der chinesischen Führungskräfte nach Alterskohorten im Verhältnis zu ihrer gesamten Zeit im Erwerbsleben zu sehen.

Es zeigt sich, dass sich die chinesischen Führungskräfte zwischen 40 und 59 Jahren ganz extrem von den Managerinnen und Managern zwischen 20 und 39 Jahren un-terscheiden. Studien über westliche Führungskräfte zeigen, dass die meisten Füh-rungskräfte in den ersten fünf oder zehn Jahren nach Eintritt in das Beschäftigungs-system besonders mobil sind und die Mobilitätsraten danach deutlich geringer werden (vgl. KÖSTLIN, 1995). Dieses Ergebnis ist nicht auf die Führungskräfte in der VR China übertragbar.

Wie Abbildung 6.6 zeigt, kann dies nur für die jüngsten zwei Kohorten übertragen werden. In der Kohorte der 20-29-Jährigen haben 96% der Firmenwechsel bereits in den ersten fünf Jahren nach Eintritt in das Beschäftigungssystem stattgefunden. In der darauffolgenden Kohorte der 30-39-Jährigen haben die meisten Firmenwechsel in den ersten zehn Jahren der Beschäftigung stattgefunden (82% der Wechsel dieser Kohorte). Danach nehmen ihre Mobilitätsraten deutlich ab. Diese Kohorte ist zwi-schen 1958 und 1967 geboren und trat schätzungsweise zwizwi-schen 1980 und 1989 ins Erwerbsleben ein. Damit sind sie in einer Zeit der zunehmenden Öffnung nach außen und der Reformen ins Erwerbsleben eingetreten. 1986 begann die Einführung von Arbeitsverträgen und damit das Ende der Beschäftigung auf Lebenszeit. Dies scheint die Häufigkeit der Firmenwechsel stark begünstigt zu haben.

Das Mobilitätsverhalten der beiden jüngeren Kohorten der 20-39-Jährigen scheinen dagegen die Ergebnisse der Humankapitaltheorie zu bestätigen. Diese Kohorten nut-zen die erleichterten Möglichkeiten zu beruflichen Veränderungen, wie sie im Trans-formationsprozess entstanden sind. Vor allem die Kohorte der 30-39-Jährigen zeigt eine deutliche Abnahme der Mobilitätsrate nach zehn Jahren. Hier scheint die größte Mobilität tatsächlich in den ersten zehn Jahren nach Berufseintritt stattzufinden.

Damit kann die Vermutung aufgestellt werden, dass sich das berufliche Mobilitäts-verhalten der chinesischen Führungskräfte dem westlicher Gesellschaften angleicht.

WANG (1994, 95) konnte in ihrer Studie feststellen, dass im allgemeinen die jünge-ren Arbeitskräfte in der VR China beruflich mobiler sind als die ältejünge-ren Arbeitskräfte.

Sie stellt zudem fest, dass auch für Erwerbstätige in der VR China die Wahrschein-lichkeit eines Arbeitsplatzwechsels mit der Höhe des Ausbildungsniveaus zunimmt.

Dies bestätigt damit die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung.

Die politischen Verhältnisse und die Arbeitsmarktpolitik der chinesischen Regierung scheinen das Mobilitätsverhalten chinesischer Führungskräfte am deutlichsten zu prägen. Die Annahmen der Humankapitaltheorie, die besagt, dass

Mobilitätsvorgän-6.6 Firmenwechsel von chinesischen Führungskräften 151

ge Investitionen sind, die sich am ehesten in den ersten Berufsjahren lohnen, wurde durch die Verhinderung von Arbeitsplatzmobilität außer Kraft gesetzt. Die chinesi-schen Führungskräfte, die zwichinesi-schen 40 und 59 Jahren alt und noch vor der Macht-übernahme Deng Xiaopings 1978 ins Erwerbsleben eingetreten sind, haben insge-samt relativ wenig Firmenwechsel.

Die vorgenommenen Firmenwechsel konzentrieren sich dabei nicht auf die ersten fünf oder zehn Jahre nach Berufseintritt, sondern sind nach 20 Jahren im Beschäfti-gungssystem so hoch wie in den ersten zehn Jahren. Das heißt, dass die älteren chi-nesischen Managerinnen und Manager von der Liberalisierung des Arbeitsmarkts profitieren und ihnen noch ausreichend offene Stellen zur Verfügung stehen, die zu einer positiven Karrierreentwicklung beitragen. Wenn eine Führungskraft nach 20, 25 oder 30 Jahren ihren Arbeitsplatz verlässt, dann kann davon ausgegangen werden, dass dies nur geschieht, wenn es mit einer Aufwertung an Macht oder Prestige ver-bunden ist. Die Arbeitsplätze in den Joint Ventures, Tochtergesellschaften und Re-präsentanzen sind besonders aufgrund des höheren Gehalts attraktiv. Obwohl viele Managerinnen und Manager die Unsicherheit des Arbeitsplatzes stört (vgl. Kapitel 7.2), nehmen sie diese in Kauf und verlassen das Staatsunternehmen. 41% der chine-Abbildung 6.6: Anteil der Firmenwechsel der befragten chinesischen

Führungskräfte nach Altersklassen und Beschäftigungsjahren Quelle: eigene Erhebung und Darstellung

0%

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5 10 15 20 25 30 35

Berufsjahre

Anteil der Firmenwechsel

20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre

sischen Führungskräfte der beiden ältesten Kohorten sind dabei vom chinesischen Partner ins Gemeinschaftsunternehmen entsandt. Mehr als die Hälfte der über 40-Jährigen hat damit den Firmenwechsel aus eigener Initiative vorgenommen.

Dies steht im deutlichen Gegensatz zu westlichen Gesellschaften, in denen die beruf-liche Mobilität nach Ablauf der ersten zehn Jahre nach Berufseintritt deutlich ab-nimmt. Die Ursache für diesen Unterschied ist im Transformationsprozess, der wirt-schaftlichen Entwicklung und damit im übergroßen Angebot an offenen Stellen im Führungsbereich zu suchen. Für die älteren Führungskräfte der VR China bietet der Transformationsprozess die Möglichkeit, sich beruflich und auch finanziell zu ver-bessern. Dass auch ältere Führungskräfte zur Aufgabe einer gewissen Sicherheit in den Staatsunternehmen und der Aufnahme eines gewissen Risikos bereit sind, kann auch mit der Einstellung zu lebenslangem Lernen, das für die chinesische Kultur sehr typisch ist, in Verbindung gebracht werden.

Zwischen dem beruflichen Mobilitätsverhalten und dem Geschlecht der Befragten konnte kein Zusammenhang gefunden werden. Beide Geschlechter scheinen ähnlich mobil bzw. immobil zu sein. Vielleicht ist auch die Gesamtmenge etwas zu klein, um hier definitive Aussagen machen zu können. Es wird aufgrund der Interviews jedoch angenommen, dass weder das Geschlecht noch der Familienstand Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten haben, sondern dass dies von anderen Faktoren bestimmt wird.

In ihrer Studie hat DAVIS (1992, 1082) bei den von ihr untersuchten Arbeitskräften in Shanghai geschlechtsspezifische Unterschiede im Mobilitätsverhalten festgestellt.

Dabei scheint die berufliche Mobilität von Frauen viel stärker durch den Lebenszy-klus bestimmt zu werden als die von Männern. Firmenwechsel von Frauen über 30 Jahren werden häufig durch Veränderungen im Lebenszyklus (Heirat, Kinder) her-vorgerufen. Firmenwechsel von männlichen Arbeitskräften scheinen hingegen mehr durch den Arbeitsplatz und makroökonomische Politikwechsel beeinflusst zu werden (DAVIS, 1992, 1083). Allerdings bezieht sich DAVIS auf Arbeitskräfte im Allge-meinen und nicht auf Führungskräfte. Im Gegensatz dazu bestätigt die Studie von WANG (1996, 95) das in der vorliegenden Untersuchung erzielte Ergebnis, dass das Geschlecht keinen Einfluss auf den Wechsel des Arbeitsplatzes bzw. der Firma hat.

Interessant ist im Zusammenhang mit den Firmenwechseln auch die Frage, ob die Art der Rekrutierung Auswirkungen auf die Häufigkeit von Arbeitsplatzwechseln hat.

Obwohl hier keine sehr großen Unterschiede festgestellt werden können, lassen sich doch einige Aussagen davon ableiten. Wie oben beschrieben, liegt die Zahl der durchschnittlichen Firmenwechsel bei zwei. Bei der Rekrutierung durch Zeitung, FESCO oder Eigeninitiative entspricht die Zahl der Wechsel fast genau dem Durch-schnitt mit 2,2, 2,2 und 2,1. Dagegen haben diejenigen chinesischen Managerinnen und Manager, die ihren Arbeitsplatz dadurch erhalten haben, dass sie vom chinesi-schen Partner entsandt wurden, im Durchschnitt 1,4-mal ihren Arbeitsplatz gewech-selt. Überdurchschnittlich oft haben solche Managerinnen und Manager ihren