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4.1 Das chinesische Bildungssystem

4.1.3 Das Ausbildungsniveau der chinesischen Bevölkerung

In der letzten Volkszählung aus dem Jahr 1990 lag die Analphabetenquote6 bei 15,8% der Gesamtbevölkerung über 15 Jahren (BERKNER, 1991, 195). Im Ver-gleich dazu waren 1982 noch fast 24% der Bevölkerung nicht lese- und schreibkun-dig. Die gegenwärtigen Verbesserungen werden jedoch durch das Problem des vor-zeitigen Schulabbruchs7 (dropouts) geschmälert. Jedes Jahr brechen eine große Zahl (schätzungsweise mehr als neun Millionen) von Jugendlichen die Schule ohne Ab-schluss ab. Dies liegt zum einen an der wirtschaftlichen Situation der Eltern, die sich entweder das Schulgeld nicht leisten können, oder aber ihre Kinder zur Mithilfe im Haus oder auf dem Feld benötigen. Andererseits spielt es für die hohe Rate der drop-outs auch eine Rolle, wie leicht Jugendliche ohne Abschluss eine Arbeit finden. Ge-rade in den wirtschaftlich prosperierenden Provinzen werden zahlreiche Verdienst-möglichkeiten für ungelernte Arbeitskräfte angeboten, so dass ein Abschlusszeugnis den Jugendlichen nutzlos erscheint. Andere Ursachen für das Problem des vorzeiti-gen Schulabbruchs lievorzeiti-gen im Erziehungswesen und der Organisation der Schulen.

Die Folge sind eine steigende Zahl von nicht lese- und schreibkundigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die alle Bemühungen zur Abschaffung des Analphabeten-tums in Frage stellen (TAGSCHERER, 1994, 47-78).

Die Erfolge im Bildungswesen werden auch durch die Umgehung der Schulpflicht der Kinder der Wanderbevölkerung beeinträchtigt. Neueste Studien belegen, dass die Wanderarbeiterinnen und -arbeiter nicht mehr in Gruppen, sondern vielmehr in Fa-milien wandern. Dadurch erhöht sich die Zahl der schulpflichtigen Kinder, die mit wandern, erheblich. In der Vergangenheit bestand die Schulpflicht für Kinder von Migrantinnen und Migranten am Heimatort. Dies war aber nur praktikabel, wenn ein Elternteil oder Teile der Familie oder Verwandte am Heimatort geblieben sind. Da dies immer seltener der Fall ist, wurde die Regelung erlassen, dass die Kinder ihre Schulpflicht am Zielort wahrnehmen müssen. Dies setzt die Zielregionen unter

gro-6. Zur allgemeinen Definition von Analphabetentum siehe SEEBERG (1990, 17) und für die VR China siehe HAYFORD (1987, 152) und BELDE (1982, 5). Für die VR China gilt als lese- und schreibkundig, wer mehr als 3000 Zeichen beherrscht. Zwischen 1500 und 3000 Zeichen wird von Halbanalphabetinnen/

-en gesprochen. Zu beachten ist auch, dass bei Volkszählungen nur das Hochchinesisch (putonghua) her-angezogen wird. Dies wiederum erklärt die hohen Analphabetenquoten in den Gebieten der nationalen Minderheiten, vor allem in Tibet (vgl. TAGSCHERER, 1994, 80-81).

7. Zu Ausmaß, Ursachen und Lösungen des Problems des vorzeitigen Schulabbruchs siehe TAGSCHERER (1994, 47ff).

ßen Druck, da sie zum einen Gastkinder in öffentliche Schulen aufnehmen und zum anderen spezielle Schulen für die Kinder von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern er-richten müssen (vgl. C.A., 1998, 268).

Die regionalen Disparitäten in der Analphabetenquote sind groß und reichen von 44% in Tibet8 bis zu 8,7% in Beijing (ZHONGGUO DI SI RENKOU PUCHA DE ZHUYAO SHUJU, 1991, 30). Karte 4.1 zeigt die nationale Verteilung der Analpha-Karte 4.1: Analphabetenquote der chinesischen Bevölkerung nach Provinzen 1990

in %

Quelle: TAGSCHERER, 1994, 85

8. Diese extrem große Zahl der nicht lese- und schreibkundigen Bevölkerung in Tibet erklärt sich zu einem großen Teil dadurch, dass nur die Kenntnis des Han-Chinesisch erfasst wird. Die tibetische Bevölkerung hat jedoch eine eigene Sprache und Schrift, deren Kenntnis in den Volkszählungen nicht erfasst wird.

Gleichzeitig spiegelt sich darin auch ein indirekter Protest gegen die Han-chinesische Regierung wider.

Zum Teil gilt diese Aussage auch für andere Gebiete nationaler Minderheiten in der VR China.

0 1000 km

< 15,0 % 15,0 % - 22,5 % 22,6 % - 30,0 % 30,0 % <

1212

5 1

4.1 Das chinesische Bildungssystem 55

betenquote nach Provinzen. Hinter der durchschnittlichen Analphabetenquote von 15,8% für 1990 verbergen sich mehr als 180 Millionen Menschen. Eine Analphabe-tenquote von weniger als 10% weisen die Städte Beijing und Tianjin sowie die Pro-vinz Jilin auf. In Shanghai beispielsweise liegt die Analphabetenquote bei 11%, in Guangdong bei 10,5%. Sehr hohe Analphabetenquoten haben neben Tibet auch Qinghai (28%), Gansu (28%),Yunnan (25%), Guizhou (24%), Anhui (24%) und Ningxia (22%).

Damit bestätigen die Analphabetenquoten das bekannte und vielfach belegte gesell-schaftliche und ökonomische West-Ost-Gefälle. Die Provinzen und Städte mit den niedrigsten Analphabetenquoten liegen alle im Osten den Landes (einzige Ausnahme ist Xinjiang im Nordwesten). Umgekehrt liegen mit Ausnahme von Anhui alle Pro-vinzen mit sehr hohen Analphabetenquoten im Westen des Landes (vgl. Karte 4.1).

Karte 4.2: Chinesische Bevölkerung mit Hochschulbildung 1990 je 100.000 Personen

Quelle: TAGSCHERER, 1994, 98

0 1000km

8 7 7 7

<

101,64 101,64 129,69 129,70 153,33 153,33<

keine Angaben

Nach Ergebnissen der Volkszählung von 1990 hatten 8% der Bevölkerung über 15 Jahren die obere Mittelschule besucht und rund 1,5% der erwachsenen Bevölkerung konnten einen Hochschulabschluss aufweisen. In Karte 4.2 ist die Verteilung der Be-völkerung mit Hochschulbildung je 100.000 Personen dargestellt. Den höchsten An-teil an Personen mit Hochschulbildung weisen die drei Städte Beijing, Shanghai und Tianjin auf, gefolgt von den Provinzen Liaoning, Jilin, Heilongjiang, Shaanxi und Xinjiang. Zur Zeit gibt es in der VR China rund 2000 Hochschulen, wovon 1036 staatliche Hochschulen sind. Diese Hochschulen haben zusammen rund 5,7 Millio-nen Studierende. Die Städte Beijing, Tianjin und Shanghai verfügen gemeinsam über 13% aller Hochschulen des Landes.

Das allgemeine Ausbildungsniveau der erwachsenen chinesischen Bevölkerung ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Vor allem die Bevölkerung in den pro-vinzfreien Städten und den nordöstlichen Provinzen weist ein sehr hohes dungsniveau auf. Insgesamt kann von einem deutlichen Ost-West-Gefälle im Ausbil-Karte 4.3: Ausbildungsniveau der chinesischen Bevölkerung nach höchstem

Schulabschluss

Quelle: TAGSCHERER, 1994, 101

Mit Abschluß von:

Hochschule oberer Mittelschule unterer Mittelschule Grundschule 80 %

20 %

0 1000 km

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