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6.5 Die Rekrutierung von chinesischen Führungskräften

6.5.2 Wie rekrutieren die Firmen?

Bei den Interviews, die in Deutschland mit Führungskräften geführt wurden, zeich-nete sich bereits ab, dass eines der Hauptprobleme in der VR China die Rekrutierung von hochqualifiziertem Führungspersonal darstellt. Seit 1993 kommt es zu einem verstärkten Wettbewerb um qualifiziertes Personal. Das liegt zum einen an der Zu-nahme der Auslandsunternehmen, zum anderen aber auch an der Reform einiger Staatsunternehmen, die ihren Führungskräften nun ebenfalls höhere Löhne und inter-essantere Positionen anbieten können. Die Auslandsunternehmen verzeichnen der-zeit Personalengpässe vor allem in den Bereichen: Finanzierung, Rechnungswesen, Außenhandel, Absatz, Software-Entwicklung und Kommunikation (SCHÄDLER &

GUTERMUTH, 1996, 111). Zu keinem anderen Themenbereich gibt es wider-Tabelle 6.2: Methoden der untersuchten Firmen zur Rekrutierung von

chinesischen Führungskräften

Rekrutierungsmethode Anzahl der Nennungen

aus dem chinesischen Stammhaus 20

Mund-zu-Mund-Propaganda 18

Zeitungsannoncen 16

Jobbörsen 10

Headhunter 8

Aktivitäten an Hochschulen 6

Vermittlung der Hochschulen 6

Auslandschinesinnen und -chinesen 2

von anderen Joint Ventures/Konkurrenz 2 Quelle: eigene Erhebung

sprüchlichere Aussagen wie zu den Erfolgsaussichten einzelner Rekrutierungsme-thoden. Betont eine westliche Führungskraft, wie erfolgreich beispielsweise Zei-tungsannoncen seien, so findet ihre Kollegin oder ihr Kollege, dass dies die schlechteste aller Methoden sei.

Auch wenn man in den Firmen gerne eine allgemeingültige Antwort auf die Frage der idealen Rekrutierung hätten, so kann es diese nicht geben. Die Rekrutierungsme-thode ist von den unterschiedlichsten Faktoren abhängig. Der wichtigste Faktor ist der Personenkreis, der gesucht wird. Sucht man z.B. eine Führungskraft im Sinne ei-nes global players, so wird sicherlich nur die Suche über eine Headhunter-Agentur in Frage kommen. Will man dagegen junge Leute, die noch nicht von der Struktur in einem Staatsunternehmen geprägt sind und in deren Ausbildung man selbst investie-ren will, so sind sogenannte Talentmärkte (investie-rencai jiaoliu shichang), Jobbörsen12 (zhaopinhui) und Aktivitäten an Hochschulen die geeigneten Methoden.

Aber auch andere Faktoren spielen eine große Rolle. So müssen beispielsweise in Joint Ventures in der Regel die Führungskräfte des chinesischen Partners rekrutiert werden. Im günstigen Fall (für das deutsche Unternehmen) hat der chinesische Part-ner aber nur Vorschlagsrecht und der westliche PartPart-ner trifft die endgültige Entschei-dung über die Einstellung. Verfügen die Kandidatinnen und Kandidaten nicht über die geforderte Qualifikation, sollte auch die Möglichkeit bestehen, auf dem freien Ar-beitsmarkt zu suchen. Leider sieht die gängige Praxis in den Unternehmen anders aus und die chinesische Seite entsendet vielfach Personal ohne Mitsprache des westli-chen Partners. Dies führt häufig zu Missverständnissen, Unmut und Problemen, da die deutschen Führungskräfte die chinesischen Führungskräfte für unqualifiziert hal-ten und deshalb die Verantwortung für Entscheidungen nicht abgeben. Gleichzeitig berufen sich die chinesischen Führungskräfte auf die Kompetenz, die sie Kraft ihrer Position innehaben und blockieren wichtige Entscheidungen. Vor allem der notwen-dige Kommunikations- und Informationsfluss wird dadurch von beiden Seiten unter-brochen. Dies führt dann zu der oft beobachteten Situation, dass die beiden Seiten ge-geneinander, statt miteinander arbeiten. Besonders häufig tritt dies auf, wenn der westliche General Manager und die/der chinesische Deputy General Manager nicht zu einer fruchtbaren Kommunikation über die Ziele des Gemeinschaftsunternehmens fähig sind, sondern sich lediglich als Vertretungen des jeweiligen Stammhauses se-hen.

Dagegen fällt dieses Problem bei 100% Tochterfirmen weg. Hier ist man nicht ge-zwungen, unqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber eines chinesischen Partners zu übernehmen. Tochterunternehmen können aber größere Probleme mit der Loyali-tät ihrer Führungskräfte haben. In den Joint Ventures sind die Führungskräfte häufig

12. Jobbörsen sind regelmäßige Veranstaltungen der Industrie- oder Arbeitsbehörden, die Firmen und Perso-nal direkt zusammenführen. Sie sind bei Auslandsunternehmen sehr beliebt, weil sie geringe Kosten und eine große Beteiligung seitens der Führungskräfte aufweisen (SCHÄDLER & GUTERMUTH, 1996, 116).

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in irgendeiner Form an den chinesischen Partner gebunden, sei es durch Wohnung, Schule oder andere Vergünstigungen, so dass es großer Anreize bedarf, ehe sich eine Führungskraft zum Firmenwechsel entschließt. Dies ist in 100% Tochterfirmen nicht gegeben und ein wenig höheres Gehalt kann bereits zum Arbeitsplatzwechsel führen.

Dennoch ist nach Aussage der westlichen General Manager die Fluktuation in Toch-terfirmen nicht automatisch größer. Die Ursachen für die Fluktuation scheinen in an-deren Bereichen zu liegen.

Für die Rekrutierung von großer Bedeutung ist der Standort des Unternehmens. Wird in Beijing, Shanghai oder einer der anderen großen Städte nach Führungskräften ge-sucht, so treten dabei weit weniger Schwierigkeiten auf, als wenn etwas abseits der großen Städte oder gar im ländlichen Raum Führungskräfte gesucht werden. Hoch-qualifizierte sind oft nicht bereit, in periphere Räume zu ziehen oder längere Fahrzei-ten in Kauf zu nehmen. Begünstigt wird dieses VerhalFahrzei-ten durch die Konzentration und das große Angebot an hochqualifizierten Arbeitsplätzen in den Großstädten.

Nach Aussage eines deutschen Managers mussten in einem Unternehmen, das ca. 70 km von der nächsten Millionenstadt entfernt ist, bereits Stellen mit Personen besetzt werden, die man von vorneherein als nicht geeignet einschätzte, weil keine anderen Bewerber vorhanden waren. Der Ort und sein möglicher Einzugsbereich sollte des-halb bei der Wahl des Joint Venture Partners nicht unterschätzt werden.

Von den 91 Antworten, die auf die Frage nach der üblichen Rekrutierungsmethode gegeben wurden (Mehrfachnennungen waren möglich), war die Rekrutierung aus dem chinesischen Stammhaus die häufigste Rekrutierungsmethode mit 20 Nennun-gen. An zweiter Stelle steht die Rekrutierung über Mund-zu-Mund-Propaganda (18 Nennungen), das heißt, dass die General Manager sehr darauf vertrauen, dass sich of-fene Stellen im Bekanntenkreis ihrer Angestellten herumsprechen und sich darunter auch geeignete Bewerberinnen und Bewerber finden. Dies steht in engem Zusam-menhang mit der persönlichen Art der interpersonalen Kommunikation und der Be-deutung der Familie in der VR China. So sind die verwandtschaftlichen und persön-lichen Netzwerke sehr gut zur Rekrutierung von Personal einzusetzen. Tabelle 6.2 zeigt die Methoden, welche die untersuchten Firmen zur Rekrutierung von chinesi-schen Führungskräften einsetzen mit der Häufigkeit ihrer Nennungen.

Nur zwei Nennungen weniger entfielen auf Zeitungsannoncen, wobei in drei Fällen die Einschränkung gemacht wurde, dass man damit keinen Erfolg habe, in vier Fällen wurde dagegen auf sehr gute Erfolge hingewiesen. In zwei Fällen konnte man sowohl von positiven wie negativen Erfahrungen mit Zeitungsannoncen berichten. Dabei lassen sich keine Unterschiede bei der Art des Unternehmens und bei den Orten der Firmen feststellen.

Wie schwierig es sein kann, chinesische Führungskräfte über Zeitungsannoncen zu rekrutieren, zeigt das Beispiel einer Firma in Beijing. In dem konkreten Fall erhielt die Firma über 400 Bewerbungen auf eine Stellenanzeige in der englischsprachigen Tageszeitung China Daily. Nach mehrmaliger Durchsicht der

Bewerbungsunterla-gen blieb jedoch keine einzige Kandidatin/Kandidat für die zu besetzende Stelle üb-rig. Da die Methode sehr kosten- und zeitintensiv gewesen war, wollte die Firma nicht noch mehr investieren und suchte schließlich doch noch drei Bewerbungen aus, worüber letztendlich eine Einstellung erfolgte. Bei der Suche von wirklich hochqua-lifizierten Führungskräften wird diese Firma in Zukunft nur noch über Headhunter-Agenturen gehen.

Ein weiteres Problem, das bei Zeitungsannoncen auftritt, und von dem gleich mehre-re westliche Führungskräfte zu berichten wussten, ist die Tatsache, dass den Stellen-anforderungen in der Regel keine Beachtung geschenkt wird. Das heißt, die chinesi-schen Führungskräfte bewerben sich auf eine Stelle, ganz gleich ob sie die geforderten Voraussetzungen mitbringen oder nicht. Auch scheint es ein weitverbrei-tetes Phänomen zu sein, dass die chinesischen Managerinnen und Manager dazu nei-gen, sich als allwissend zu verkaufen. In den Worten eines deutschen Managers: „Die Chinesinnen und Chinesen können laut ihren Bewerbungen einfach alles“. Es bleibt deshalb sehr zeitintensiv, in Gesprächen die wahren Fähigkeiten und Qualifikationen festzustellen.

Zehn Nennungen entfielen auf die Jobbörsen, die meist von staatlichen Stellen oder vom Arbeitsamt organisiert sind. Hier finden die Firmen vor allem junge Leute, die noch keine oder nur geringe Berufserfahrungen haben. An fünfter Stelle der häufig-sten Rekrutierungsmethoden stehen bereits die Headhunter-Agenturen13 mit acht Nennungen. Dies ist mit ca. 15.000 US$ für eine Führungskraft im mittleren Mana-gement die kostenintensivste Rekrutierungsmethode. In den Augen der meisten Füh-rungskräfte ist sie das Geld dennoch wert, da nur so wirklich gute Leute rekrutiert werden können. Hierüber bestehen jedoch unterschiedliche Ansichten, es gibt auch Firmen, die die Rekrutierung über Headhunter generell ablehnen, zum einen aus fi-nanziellen Gründen, zum anderen aus Gründen der fehlenden Loyalität.

Ein deutscher Manager, der bereits seit acht Jahren in der VR China tätig ist, bezeich-nete das Loyalitätsproblem als nebensächlich. Zwar gab er an, dass auch in seinem Unternehmen gute Leute im besten Fall zwei Jahre bleiben, doch gab er zu bedenken, dass auch in anderen Ländern (wie zum Beispiel in Deutschland) gute Führungskräf-te die Firma wechseln, sobald ein verlockenderes Angebot da ist. Es sei deshalb kei-ner chinesischen Führungskraft zu verübeln, wenn sie/er versucht, sich in finanzieller oder weiterbildender Hinsicht zu verbessern. Dies sei bei der großen Nachfrage an Hochqualifizierten ein hinzunehmender Tatbestand und lohne nicht der Suche nach Lösungen. „Damit muss man leben, wenn man gute Leute will“. Für die Rekrutierung von Hochqualifizierten schalte er immer eine Headhunter-Agentur ein.

Die Rekrutierung über Aktivitäten der Firmen an Hochschulen sowie die Vermitt-lung durch Universitäten erhielten jeweils sechs Nennungen. Zusammengenommen

13. 1995 sollen in Shanghai bereits 30 lokale und zehn ausländische Headhunter-Agenturen existiert haben, die nach hochqualifizierten Führungskräften gesucht haben (SCHÄDLER & GUTERMUTH, 1996, 117).

6.5 Die Rekrutierung von chinesischen Führungskräften 143

sind sie damit für die Rekrutierung von Hochschulnachwuchs bedeutender als die Jobbörsen. Es sei aber noch einmal darauf verwiesen, dass nur eine der befragten Führungskräfte ihren Arbeitsplatz durch die Aktivitäten einer Firma an den Hoch-schulen gefunden hat (vgl. Kapitel 6.5.1).

Versucht man die Rekrutierungsmethoden nach Art der Unternehmen zu differenzie-ren, so ergeben sich keine großen Unterschiede. Allerdings scheinen Tochterfirmen häufiger über Headhunter-Agenturen zu rekrutieren als Joint Ventures. Dies dürfte zum einen daran liegen, dass die Tochterunternehmen alle Führungskräfte auf dem freien Markt suchen müssen und sie keinen chinesischen Partner haben, der bei einer so teuren Rekrutierungsmethode seinen Protest einlegt. Auffällig ist auch, dass die untersuchten Tochterfirmen keine Kontakte zu Hochschulen oder Professoren für die Rekrutierung suchen. Als Rekrutierungsmethoden dominieren hier eindeutig Head-hunter, Mund-zu-Mund-Propaganda und Zeitungsannoncen.

In den Joint Ventures wird erwartungsgemäß am häufigsten aus dem chinesischen Stammhaus rekrutiert. Ungefähr gleichbedeutend sind Mund-zu-Mund-Propanda und Zeitungsannoncen und erst an letzter Stelle sind Headhunter genannt. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben, werden die Führungskräfte in den Repräsentanzen nicht nur über staatliche Vermittlungsstellen gesucht. Wichtiger noch als die FESCO14 ist auch hier die Mund-zu-Mund-Propaganda. Zudem spielen Hochschulkontakte, Headhunter und die Rekrutierung von Auslandschinesinnen und -chinesen eine Rol-le. Hier scheint der Spielraum tatsächlich größer zu sein, als dies die Gesetzgebung erlaubt, da Repräsentanzen laut Gesetz nur Personal über die staatliche Vermittlungs-stellen einVermittlungs-stellen dürfen.

Die Unterscheidung nach einzelnen Städten, in denen die Firmen lokalisiert sind, er-gibt keine signifikanten Unterschiede. Es scheint daher keine Rolle zu spielen, in welcher Stadt sie mit welcher Rekrutierungsmethode Erfolg haben. Die sich stellen-den Probleme scheinen eher überall gleich zu sein und es liegt die Vermutung nahe, dass sie eher kulturspezifisch als raumspezifisch sind. Es kann jedoch vermutet wer-den, dass sich die Rekrutierungsmethoden im ländlichen Raum von denen in den Städten unterscheiden, aufgrund der geringen Fallzahl kann hierzu jedoch keine Aus-sage gemacht werden. Bei der Auswahl der Rekrutierungsmethode scheint es auch keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Alters der Unternehmen zu geben.

Es wäre zu erwarten, dass jüngere Unternehmen noch nicht in der Lage waren, aus-reichend Hochschulkontakte aufzubauen und diese Rekrutierungsmethode deshalb seltener auftritt. Dies konnte durch die Untersuchung jedoch nicht bestätigt werden.

14. Die Foreign Enterprise Service Co. (FESCO) besaß lange Zeit ein Monopol bei der Vermittlung von Per-sonal an ausländische Unternehmen. Mit der Entstehung weiterer Arbeitsvermittlungsstellen hat sich die-ses Monopol inzwischen jedoch aufgelöst. Die Vermittlungsstellen verleihen das Personal an die Unternehmen, geben den Beschäftigten eine Beschäftigungsgarantie und übernehmen Sozialleistungen wie Wohnung, behalten dafür aber 50-75% des Gehalts als Verwaltungsgebühr ein (SCHÄDLER &

GUTERMUTH, 1996, 115).

Auch Firmen, die seit weniger als zwei Jahren in der VR China tätig sind, hatten be-reits Aktivitäten an Hochschulen unternommen oder durch die Vermittlung von Hochschulen Personal eingestellt.