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2.2 Führungskräfteforschung

2.2.3 Führungskräfte im Transformationsprozess

Der ökonomische Transformationsprozess bleibt nicht auf den wirtschaftlichen Be-reich allein beschränkt, sondern zeigt u.a. auch Auswirkungen auf Individuen, Ge-sellschaft und Organisationen. Für den Managementbereich von Unternehmen bedeutet der Transformationsprozess den Wandel von Institutionen und Organisati-onskulturen, aber auch von Sozialisationsverläufen, individuellen Wertorientierun-gen, Fähigkeiten, Kenntnissen und Mustern sozialen Handelns der Beschäftigten und insbesondere der Führungskräfte (LANG, 1995, 4).

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Der Bereich des Managements und des Führungspersonals hat bei der wissenschaft-lichen Beschäftigung mit dem Transformationsprozess Ostdeutschlands sowie Mit-tel- und Osteuropas nur wenig Beachtung gefunden (vgl. auch POHLMANN &

SCHMIDT, 1995). Zwar gibt es eine Reihe von Studien über Kader und Leiterinnen und Leiter in den sozialistischen Planwirtschaften vor der Wende (z.B. LADEN-SACK, 1981), doch existieren nur wenige Studien über die Veränderungen in deren Karrieren, Vorstellungen und Werten seit 1989 (LANG, 1995). Die Untersuchungen über Führungskräfte in den ehemaligen Ostblockstaaten soll in erster Linie dazu die-nen, die Schwierigkeiten und Probleme, aber auch die Chancen und Möglichkeiten der Managerinnen und Manager beim Übergang zur Marktwirtschaft zu analysieren (vgl. GLOTZ & LADENSACK, 1995; HARCSA, 1995; LENGYEL, 1995; BO-DAY, 1993; PIEPER, 1992). Die Studien über Führungskräfte im Transformations-prozess nehmen in dem Maße zu, in dem deutlich wird, dass durch finanzielle und politische Maßnahmen allein wenig erreicht werden kann. Dabei steht die Rolle der Führungskräfte im Transformationsprozess im Vordergrund (JUNGHANS, 1994;

LADENSACK, 1994; MARR, 1994), aber auch konkrete Probleme wie die Arbeits-platzunsicherheit (SCHRAMM, 1994) oder die Wertorientierung und das Organisa-tionsverständnis (LANG, 1995).

Die Führungsfunktionen im Sozialismus waren von dem Anspruch geprägt, dass die Werktätigen immer mehr in den Entscheidungsprozess einbezogen werden sollten.

Dadurch sollte mehr Initiative bei der Arbeit und eine stärkere Identifikation mit der Gesellschaft erreicht werden. In der Praxis wurde ein autoritärer Führungsstil durch-gesetzt, bei dem Entscheidungen von Untergeordneten hingenommen wurden. Auf-grund des Anspruchs der kollektiven Führung kam es zum Verzicht vieler Leiterin-nen und Leiter auf die Realisierung ihres Führungsanspruchs und gleichzeitig zu einer Entkoppelung von Leistung und Belohnung. Am Ende stand „Beziehungsarbeit statt Führungsarbeit“ (KNEISSLE, 1997, 11). Dies wurde durch die unterschiedliche Form der Rekrutierung noch begünstigt, die in der Regel nach den Kriterien der so-zialen Herkunft und der Parteizugehörigkeit und nicht nach Qualifikation und Lei-stung erfolgte (MEUSBURGER, 1997; LENGYEL, 1995).

In der Transformation von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft sehen die Führungs-kräfte einer Fülle von neuen Aufgaben entgegen. Mit diesen neuen Aufgaben, wie zum Beispiel Ökonomisierung, Qualifizierung, Motivierung, beschäftigt sich die derzeitige Führungsforschung. Auch Fragen von Personalauswahl und -entwicklung finden in der Literatur Beachtung (vgl. LANG, 1995; LADENSACK, 1994). Neuere Arbeiten beschäftigen sich auch mit dem Führungsstil in den von Transformationen geprägten Ländern (KNEISSLE, 1997; SCHULTZ-GAMBARD, 1994).

Bei den Managerinnen und Managern der Planwirtschaften stehen hauptsächlich De-fizite in den Bereichen Management, Kompetenz und Führungsqualifikation im Vor-dergrund. Insgesamt sind sich die Forschenden einig, dass das Grundwissen in vielen Bereichen Defizite aufweist, dass diese aber aufgrund der hohen Lernbereitschaft re-lativ schnell aufgeholt werden können (LADENSACK, 1994, 34). Viel schwieriger

ist es und viel länger dauert es jedoch, Defizite bei den sozialen Kompetenzen aufzu-holen. Hierzu zählen vor allem Selbstvertrauen, Kontaktfähigkeit, Kontaktfreude, Aufgeschlossenheit, Flexibilität, Spontaneität und Einfühlungsvermögen. Ebenso groß sind die Defizite im Bereich der Führungskompetenz. In diesen Bereichen wir-ken die sozialistischen Verhaltensmuster und ihre ideologischen Grundlagen noch immer prägend (vgl. JUNGHANS, 1994; LADENSACK, 1994).

Ein qualitativer Mangel an hochqualifizierten Führungskräften wird oft beklagt (KANTZENBACH, 1992). Nach Schätzungen verfügen ungefähr die Hälfte der Ma-nagerinnen und Manager in Ostdeutschland über eine zufriedenstellende berufliche Kompetenz, während 40% für ihren Beruf ungeeignet eingeschätzt werden. 12%

werden als überdurchschnittlich gut qualifiziert eingestuft (HENTZE & LINDNER, 1992; MYRITZ, 1992). Dies erklärt sich aus den unterschiedlichen Rekrutierungs-methoden im sozialistischen System sowie den unterschiedlichen Anforderungen, die damals an die Führungskräfte gestellt wurden.

In diesem Zusammenhang tritt auch immer wieder die Frage auf, ob die Leiterinnen und Leiter der zentralistischen Planwirtschaften den Anforderungen der neuen Wirt-schaftsordnung gerecht werden können, oder ob nur neue, nicht vom alten System geprägte Führungskräfte den Aufgaben der Transformation und der Marktwirtschaft gewachsen sind (MARR, 1994, 64; vgl. auch LADENSACK, 1994, 38-39). Je nach-dem, wie diese Antwort ausfällt, stellt sich daran anschließend die Frage über die Art und Weise, wie Managementtraining aussehen kann, um effektiv zu sein bzw. um den erwünschten Qualifikationsnutzen für die Führungskräfte zu erbringen (vgl. PIE-PER, 1993).

Das Managementdefizit wird damit zu einer zentralen Frage des Transformations-prozesses. Denn die Nichtberücksichtigung des meritokratischen Prinzips führt zu er-heblichen Problemen und Verlusten. Die Tatsache, dass es nicht genügend Menschen mit ausreichenden unternehmerischen Fähigkeiten und Kompetenzen gibt, behindert den gesamten wirtschaftlichen Wandlungsprozess. Neue Technologien, Erfindun-gen, Patente etc. haben wenig Nutzen für die wirtschaftliche Entwicklung, wenn sie von Fehlentscheidungen eines wenig oder nicht ausreichend qualifizierten Manage-ments begleitet werden. Wie sehr der Mangel an einem ausreichend qualifizierten Management oder Defizite in der Qualifikation von Führungskräften den wirtschaft-lichen Transformationsprozess behindern, zeigt sich besonders auffällig in Russland und den ehemaligen sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas (vgl. auch EBERWEIN & THOLEN, 1996, 143).

Auch für den Transformationsprozess der VR China gehört der Managementbereich zu den wenig beachteten Bereichen. Fast alle Studien, die sich mit der Rekrutierung und Qualifizierung von Führungskräften in der VR China befassen, haben die Expa-triates zum Inhalt ihrer Forschung (vgl. BITTNER & REISCH, 1994). Doch auch hier fehlen Studien über den Zusammenhang zwischen Auslandsentsendung und dem Karriereerfolg.