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stellungnahmen der Parteien zum antisemitismus

Christlich Soziale Union (CSU)

7.2 stellungnahmen der Parteien zum antisemitismus

Um Informationen über die Einstellungen der Parteien im Selbstverständnis und zu ihren Maßnahmen gegen

524 armin Pfahl-traughber, Jamal Karsli und die »Junge Freiheit«: eine »an-tisemitisch-antifreimaurerische verschwörung«, in: tribüne, 41 (2002) 163, s. 26 f.

525 aufgrund der annäherung der FDP an antiisraelische und pro-palästinen-sische Positionen trat mit hildegard hamm-Brücher 2002 eine jahrzehntelang als repräsentantin des linksliberalen Flügels geltende Persönlichkeit aus der Partei aus.

526 wolfgang Benz, antisemitismus ohne antisemiten. Die affäre Mölle-mann, in: Ders., was ist antisemitismus?, s. 146–154.

Antisemitismus zu erhalten, wurden alle genannten Par-teien mit einem einheitlichen Schreiben vom 29. Februar 2016 befragt.527 Es wurden Antworten auf einen Katalog mit zehn Fragen erbeten. Diese erfolgten von der CDU, der CSU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Partei Die Linke und der FDP. Keine Antworten erhielt der UEA von der AfD. Dies ist besonders bedauerlich, weil die Partei mit einschlägigen Skandalen aufgefallen ist. Die AfD-Partei-führung hielt es jedoch nicht für nötig, wie alle anderen Parteien, auf die folgenden Fragen eine Antwort zu geben.

1) Welche Maßnahmen werden ergriffen, um präventiv gegen Antisemitismus bzw. antisemitische Äußerun-gen vorzugehen? Wie engagiert sich die Partei geÄußerun-gen jegliche Art von antisemitischer Haltung? Werden dabei auch die subtilen Formen antisemitischer Res-sentiments in den Blick genommen, also unterschwel-lige Zuschreibungen, die sich jenseits von strafbaren Inhalten bewegen?

2) Wenn ja, welche sind dies? Bei dieser Frage würden wir Sie bitten, v. a. jene Maßnahmen zu nennen, die über die Fortbildungen/das Engagement im Hinblick auf Bildungsarbeit zur nationalsozialistischen Judenver-folgung hinausgehen.

3) Sehen Sie den Antisemitismus als Problem des politi-schen Extremismus oder auch als eines der politipoliti-schen Mitte?

4) Wie geht die Partei mit israelbezogenem Antisemitis-mus um? Werden Grenzen zwischen legitimer Kritik und antisemitischen Vorurteilen diskutiert?

5) Können Sie Beispiele für antisemitische Vorfälle nen-nen, die innerhalb der Partei diskutiert wurden? Wie wurde auf mögliche antisemitische Vorfälle reagiert?

6) Wird Antisemitismus als gesondertes Phänomen im Kontext der Tätigkeiten der Partei berücksichtigt (innerhalb des Parteiprogramms, als Richtlinien für die Ausbildung/Fortbildung etc.), oder fällt er unter andere Bereiche (Rassismus, Rechtsextremismus)?

Bitte beziehen Sie auch Aktivitäten Ihrer Parteistiftung mit ein.

7) Welchen Stellenwert hat der Bericht zum Antisemi-tismus des ersten Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus in Debatten zum Thema in der Partei.

Gibt es Diskussionen hinsichtlich der Umsetzung der Empfehlungen? Wenn ja, welche konkreten Folgen hat dies? Wenn nein, warum nicht?

527 Die anschreiben wurden von Dr. Juliane wetzel als Koordinatorin für den Uea an die jeweiligen Parteivorsitzenden gerichtet.

8) Existieren im Bereich Antisemitismus Netzwerke oder Kooperationen mit anderen Parteien, pädagogischen Einrichtungen oder wissenschaftlichen Instituten?

9) Bestehen Kontakte zu Parteiinitiativen im europä-ischen Ausland, die sich mit dem Thema Antisemi-tismus auseinandersetzen? Werden Debatten im Europäischen Parlament zum Thema rezipiert?

10) Was würden Sie aus Sicht Ihrer Partei zur nachhaltigen Bekämpfung des Antisemitismus empfehlen?

7.2.1 Christlich Demokratische Union (CDU)

Die CDU antwortete mit einem sechsseitigen Schreiben, in dem aber nicht dezidiert auf die Fragen eingegangen wurde. Es enthielt eher allgemein gehaltene Bekundun-gen. Darin fand sich folgende Grundposition: »Antisemi-tische Äußerungen und Übergriffe verurteilen wir aufs Schärfste.«528 Die näheren Ausführungen erwecken den Eindruck, als ob die CDU Antisemitismus nur für ein Problem aus dem Extremismus hält. So ist die Rede vom

»Spektrum des politischen und religiösen Extremismus«

bzw. davon, dass »die Verbreitung antisemitischer und antizionistischer Hetze […] Rechtsextremisten, Linksextre-misten und IslaLinksextre-misten«529 verbinde. Erscheinungsformen der Judenfeindschaft außerhalb der extremistischen Berei-che kommen nicht explizit zur SpraBerei-che. Die Bezugspunkte der antisemitischen Agitation sieht die CDU im Kontext der Erinnerung an die Judenverfolgung und -vernichtung im Nationalsozialismus, aber auch bei der Hetze gegen den Staat Israel. Andere Formen werden nicht gesondert angesprochen.

Die CDU macht außerdem darauf aufmerksam, dass sie sich in Form einschlägiger Interviews, Pressemitteilungen, Statements klar gegen Judenfeindschaft positioniere. Man wolle sich auch »noch langfristiger mit den Gefahren des Antisemitismus beschäftigen, nicht nur reflexartig immer dann, wenn ein schreckliches Ereignis die politisch Verantwortlichen unter Erwartungs- und Handlungs-druck setzt«.530 Wie dies genau geschehen soll, wird nicht ausgeführt. Die Partei listet Aussagen aus dem Regie-rungsprogramm von CDU/CSU für 2013 bis 2017 sowie aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD von 2013 auf, erwähnt Fachgespräche zur »Bekämpfung des Rechtsextremismus«, einen Kongress zu »Jüdisches Leben in Deutschland schützen«, ein Gespräch mit dem Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland und

528 Peter tauber, Generalsekretär der cDU, schreiben vom 10. 6. 2016 an den Uea, s. 1.

529 ebenda, s. 1 f.

530 ebenda.

ein Expertengespräch zu »Populismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus«. Ausführungen zur Einschät-zung früherer Ereignisse in der CDU mit antisemitischem Kontext finden sich in dem Schreiben nicht.

7.2.2 Christlich Soziale Union (CSU)

Die CSU antwortete mit einem 13-seitigen Schreiben, das detailliert auf den Fragenkatalog einging. Als Grundposi-tion heißt es: »Wir lassen nicht zu, dass unser Zusammen-leben durch antisemitische Hetze in Frage gestellt oder das Existenzrecht Israels geleugnet wird.«531 Mehrfach wird betont, dass sich die Partei durch vielfältige öffent-liche Verlautbarungen entschlossen gegen Antisemitis-mus stelle und das Existenzrecht Israels als Staatsräson Deutschlands ansehe. Es gebe auch einen engen Austausch mit der jüdischen Gemeinde, außerdem räume man »der Sicherheit der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger vor Terrorismus und Antisemitismus höchste Priorität«532 ein. Bei den folgenden Ausführungen stellt die CSU auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus ab, erwähnt auch häufiger ihr Engagement im Kontext der Erinnerung an den Nationalsozialismus etwa hinsichtlich der KZ-Ge-denkstätten.

Es heißt außerdem, »dass latent antisemitische Einstel-lungsmuster bei einem Teil der Bevölkerung und damit auch in der politischen Mitte vorhanden sind. Das ist uns ein Alarmsignal, dem wir ebenso entschieden entgegen-wirken wie dem Antisemitismus des politischen Extremis-mus.«533 Genauere Aussagen darüber, wie dies geschehen soll, finden sich in dem Schreiben nicht. Auf die Frage nach dem Umgang mit antisemitischen Vorfällen in der Partei werden zwei Beispiele erwähnt, die aber keinen direkten Bezug zur eigentlichen Frage haben. Im ersten Fall geht es etwa um das Engagement eines CSU-MdB gegen die Preisverleihung einer Stadt, die einer »Bür-gerrechtsgruppe mit einer israelfeindlichen Grundhal-tung«534 zugutekommen sollte. Darüber hinaus verweist die CSU auf eine Fülle von Fortbildungsmaßnahmen ihrer Jugendorganisation wie der ihr nahestehenden Hanns Seidel Stiftung. Als Lehre aus dem ersten Antisemitismus-bericht betont man, dass angesichts der Flüchtlingskrise der Antisemitismus im Islamismus besondere Aktualität erhalte.

531 hans Michel strepp, hauptgeschäftsführer der csU, schreiben vom 13. 5. 2016 an den Uea, anschreiben.

532 ebenda, s. 2.

533 ebenda, s. 6.

534 ebenda, s. 10.

antIseMItIsMUs UnD ParteIen | 151

7.2.3 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die SPD antwortete mit einem 13-seitigen Schreiben, das auf den Fragekatalog in einer allerdings von ihr selbst gekürzten Form eingeht. Bereits im ersten Satz heißt es:

»Die SPD ist diejenige politische Kraft in Deutschland, die sich programmatisch stets dem Antisemitismus entgegen gestellt hat.« Ob damit ein Exklusivitätsanspruch erhoben werden soll, ergibt sich nicht eindeutig. Es heißt weiter, die SPD sei »die einzige Partei, in der sich ein eigener Arbeitskreis jüdischen Themen widmet«.535 Als Maßnah-men zur Prävention wird die Förderung von Projekten gegen antizionistischen und sekundären Antisemitismus genannt, die durch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig erfolgten. Als geförderte Projekte listete die SPD u. a. solche mit Titeln wie »Wenn Anne ein rosa Pali-Tuch trägt. Ein Lernlabor zu Antisemitismus und Jugendkultur in der Migrationsgesellschaft« oder »Schlussstrich, Welt-bank, Israel – Methoden für die Auseinandersetzung mit modernen Formen des Antisemitismus« auf. Dabei geht es auch explizit um subtile Formen der Judenfeindschaft.

Gleichwohl handelt es sich hier um Projekte der Bun-desregierung, nicht der Partei – wenngleich das entspre-chende Ressort von einer Sozialdemokratin geführt wird.

Die SPD sehe, so heißt es weiter, »Antisemitismus sowohl als Problem der politischen Mitte als auch als Problem des politischen Extremismus«.536 Was sich daraus ergibt, wird aber nicht näher ausgeführt. Bezogen auf Aussagen des antizionistischen Antisemitismus, erinnert das Schrei-ben daran, dass zwei SPD-Bundesminister »antijüdische Parolen auf Demonstrationen gegen den israelischen Gaza-Einsatz«537 kritisierten. Hinsichtlich antisemitischer Vorfälle innerhalb der Partei erwähnt man als prominen-tes Beispiel Thilo Sarrazin mit seiner Rede davon, dass

»alle Juden ein bestimmtes Gen« teilten. Ein Antrag auf Parteiausschluss sei von der Schiedskommission einge-stellt worden. Darüber hinaus verweist die SPD auf eine Fülle von Konferenzen und Publikationen, die Antise-mitismus im Kontext des Rechtsextremismus durch die nahestehende Friedrich Ebert Stiftung thematisiert hätten.

7.2.4 Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Grünen antworteten mit einem fünfseitigen Schrei-ben, das jeweils zusammengefasst auf die zehn Fragen des Katalogs einging. Demnach habe man eine ständig tagende Rechtsextremismus-Kommission, die »die Bekämpfung des Antisemitismus« als »ein dauerhaftes

535 angelica Dinger, Parteivorstand der sPD, schreiben vom 12. 5. 2016 an den Uea, s. 1.

536 ebenda, s. 5.

537 ebenda, s. 7.

Thema und nicht nur auf den rechten Antisemitismus begrenzt sehe«. Es wird hier auch dezidiert auf das

»vermehrte Aufkommen antisemitischer Verschwörungs-bündnisse (›Montagsdemos‹)« sowie auf »antisemitische Sprechchöre aus vermeintlichen pro-Palästinensischen [sic!] Demos während des Gaza-Kriegs 2014« hingewiesen.

Darüber hinaus heißt es, man sehe »den Antisemitismus als eine Gefahr, die sich durch alle gesellschaftlichen Schichten, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Religi-onsgemeinschaften zieht. Eine Reduzierung des Antise-mitismus auf eine Gefahr von Rechts [sic!] würde diesen Ansatz relativieren.«538 Aus den zitierten Beschlüssen geht hervor, dass sich die Partei dem Antisemitismus ebenso wie anderen Diskriminierungsformen entgegen stellt.

Innerhalb der Grünen gebe es eine Diskussion über die

»Grenzen legitimer Kritik an israelischer Regierungspoli-tik und israelbezogenem Antisemitismus«. Dann heißt es:

»Grundsätzlich ist auch unsere Partei nicht frei von anti-semitischen Stereotypen.« Als unrühmliches Beispiel wird als einziger explizit genannter Fall das Mitglied genannt, das sich im Kontext der Beschneidungsdebatte in einem

»Gedicht« beleidigend gegenüber dem Judentum geäu-ßert hatte. Er wurde vom Landesschiedsgericht verwarnt.

Auf frühere Vorkommnisse wurde nicht eingegangen. Es folgt dann: »Deshalb ist uns die Auseinandersetzung mit allen Formen von Antisemitismus auch so wichtig, das heißt christlicher Antijudaismus, Antisemitismus unter Muslimen, Antisemitismus in der Linken, der Rechten und natürlich der Mitte.«539 Wie dies genau geschieht bzw.

geschehen soll, wird nicht ausgeführt. Es wird aber betont, dass eine Bekämpfung des Antisemitismus nur dann erfolgreich sein könne, wenn dessen gesamtgesellschaftli-che Verbreitung erfasst werde.

7.2.5 Alternative für Deutschland (AfD)

Da die AfD sich nicht zu ihren Auffassungen zum Anti-semitismus äußerte, kann hier nicht darauf eingegangen werden.

7.2.6 Die Linke

Die Partei Die Linke antwortete mit einem elfseitigen Schreiben, das detailliert auf den Fragebogen einging.

Darin bekundet sie ihre Ablehnung des Antisemitismus.

Einschlägige Äußerungen und Handlungen müssten aufgedeckt werden, wozu regelmäßige parlamentarische Anfragen der Partei zur Entwicklung antisemitischer

538 simone Peter, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, schreiben vom 2. 5. 2016 an den Uea, nicht paginiert (s. 1).

539 ebenda, nicht paginiert (s. 2).

Straftaten dienten. Die Linke nehme auch »subtilere Formen des Antisemitismus in den Blick. Sie versteht den Antisemitismus als ein Kennzeichen der traditionellen extremen Rechten in all ihren Schattierungen, der aber tief in der Mitte der Gesellschaft wurzelt und immer wieder durch Repräsentanten der Mitte gesellschaftsfähig gemacht wird.«540 Ausdrucksformen der Judenfeindschaft aus linken oder migrantischen Kontexten werden dem-nach an dieser Stelle nicht thematisiert. Das Engagement der Partei erwachse aus der historischen Verantwortung Deutschlands. Es wird dann auf Beschlüsse verwiesen, wonach jede Form des Antisemitismus abgelehnt und die Anerkennung des Staates Palästina angestrebt werde.

Die Stellungnahme bedauert, dass im ersten Antisemi-tismus-Bericht nicht eine Rede von Gregor Gysi zum 60.

Jahrestag der Staatsgründung Israels von 2008 Erwäh-nung fand. Dabei handelte es sich aber nicht um eine Positionierung zum Antisemitismus, sondern eben zum Staat Israel. Als Beleg für den innerparteilichen Umgang mit dem Thema wird darüber hinaus auf einen zwischen 2012 und 2016 erfolgten einzigen Parteiausschluss wegen antisemitischer Äußerungen gegenüber der Politik Israels verwiesen. Darüber hinaus erwähnt die Antwort kritisch mehrere Fälle, in denen Funktions- und Mandatsträger ohne Absprache an bedenklichen Demonstrationen und Veranstaltungen teilnahmen, hätte dort doch eine Kritik an der israelischen Politik in antisemitische Äußerungen übergehen können. In der Bildungsarbeit der parteinahen Rosa Luxemburg Stiftung werde, so heißt es in einer Erklä-rung zu deren Selbstverständnis, Antisemitismus »nicht als ›Anhängsel‹ der Neofaschismus-Debatten im Lande, sondern als eigenständiger Schwerpunkt betrachtet«.541

7.2.7 Freie Demokratische Partei (FDP)

Die FDP antwortete mit einem vierseitigen Schreiben, das knapp auf die zehn Fragen einging. Man lehne alle Diskriminierungsformen ab, müsse diesen entschlossen entgegentreten und auch die »subtilen Formen von Res-sentiments und sekundärem Antisemitismus« beachten.542 Was damit genau gemeint ist und wie dies geschehen soll, wird nicht ausgeführt. Als Maßnahmen werden bei-spielhaft die Teilnahme einer Landtagsabgeordneten am Kippa-Flashmob gegen Antisemitismus, die Beteiligung an einem fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag in einem Landtag und der Israelbesuch einer Landtags-fraktion erwähnt. Mit AfD und Pegida, so eine geäu-ßerte Befürchtung, könne der Antisemitismus »von den

540 Matthias höhn, Bundesgeschäftsführer Die linke, schreiben vom 29. 4. 2016 an den Uea, s. 1.

541 ebenda, s. 9.

542 nicola Beer, Generalsekretärin der FDP, schreiben vom 29. 2. 2016 an den Uea, s. 1.

politischen Extremen in die politische Mitte« vorstoßen.

Demnach scheint die Partei das Thema gegenwärtig noch eher in den »Extremen« angesiedelt zu sehen. Genauere Ausführungen dazu, etwa ob es nur die rechten oder in welchem Ausmaß auch andere Extreme seien, finden sich in der sehr kurzen Stellungnahme nicht.

Hinsichtlich der Frage nach einem antizionistischen bzw. israelbezogenen Antisemitismus heißt es, man diskutiere in der Partei über die Grenzziehung zwischen legitimer Kritik und antisemitischen Vorurteilen. Es sei hier besondere Behutsamkeit vonnöten: »Denn einer-seits muss im politischen Diskurs berechtigte Kritik auch gegenüber Freunden und Partnern immer möglich sein.

Andererseits darf diese Kritik aber auch nicht sekundärem Antisemitismus ungewollt Vorschub leisten.«543 Gemeint war hier wohl antizionistischer Antisemitismus. Bezogen auf innerparteiliche Vorgänge findet sich noch folgende Ausführung zu einem früheren Ereignis: »Die beispielhaft intensivste Auseinandersetzung der FDP mit Antisemitis-mus – der Fall Möllemann im Jahr 2002 – zeigt gleichzeitig den entschiedenen Umgang der Freien Demokraten mit solchen Vorfällen: Ausschöpfung der satzungsrechtlich möglichen Parteiordnungsverfahren bis zum Partei-ausschluss.«544 Indessen erfolgte seinerzeit eine solche Maßnahme keineswegs so konsequent und schnell wie hier angedeutet.

7.2.8 Antworten im Gesamtvergleich

In den Antworten distanzierte sich jede Partei eindeu-tig vom Antisemitismus und rief zu Aufklärung und Bekämpfung auf. Dies entspricht in der Bundesrepublik Deutschland dem öffentlichen anti-antisemitischen Grundkonsens. Bezogen auf das Ausmaß des Antisemitis-mus äußerten sich die Parteien nicht näher, hinsichtlich der Verortung unterschiedlich: Die CDU und FDP sahen ihn primär im Extremismus, die CSU deutete zurückhal-tend auch eine Präsenz in der »Mitte« an. SPD, die Grünen und Die Linke betonten deutlicher einen Antisemitismus in der »Mitte«, wenngleich dazu jeweils keine näheren Ausführungen gemacht wurden. Die Partei Die Linke hob die Präsenz des Antisemitismus in der »Mitte« und bei Rechtsextremisten hervor, thematisierte aber nicht näher die Frage eines »linken Antisemitismus«. Gleichwohl benannte die Stellungnahme kritisch einige Ereignisse, in denen Funktions- und Mandatsträger sich israelfeindlich geäußert hatten, ohne aber hier dezidiert von Antisemitis-mus zu sprechen.

543 ebenda, s. 2.

544 ebenda.

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Da es im Berichtszeitraum 2011 bis 2016 kaum antisemi-tische Vorkommnisse in den Parteien gab, hielten sie sich mit Stellungnahmen dazu zurück. Die SPD, die Grünen und Die Linke nannten jeweils einen Fall. Die FDP spielte auf die länger zurückliegenden Ereignisse um die »Möl-lemann-Affäre« an, CDU und CSU gaben keine Vorfälle an. Die Bekämpfung des Antisemitismus wurde von allen Parteien meist im Kontext der Bekämpfung des Rechtsex-tremismus und der Erinnerung an den Nationalsozialis-mus gesehen. Zwar schien es ein Bewusstsein für mögliche judenfeindliche Versatzstücke bei der Kommentierung israelischer Politik zu geben, indessen wurde darauf hin-sichtlich potenzieller Maßnahmen nicht näher eingegan-gen. Gleiches gilt für andere Formen des Antisemitismus.

Die von der SPD genannten Projekte wurden nur durch ein SPD-geführtes Ministerium gefördert, erfolgten aber nicht aus der Partei selbst heraus. Auch die anderen Par-teien entwickelten kaum Engagement gegen Antisemitis-mus außerhalb des Holocaust-Kontextes.

7.2.9 Fazit

In der Gesamtschau lässt sich zunächst sagen, dass in den Parteien eine hohe Sensibilität gegenüber dem Thema besteht. Inwieweit dies Ergebnis einer inneren Einsicht oder Rücksichtnahme auf öffentliche Stimmungen ist, kann nicht gesagt werden. Es gab aber auch keine Ereignisse mehr wie die »Hohmann«- oder »Mölle-mann«-Skandale. Im erstgenannten Fall hatte die CDU zwar zunächst noch zurückhaltend, dann aber doch konsequent reagiert. Dies geschah auch gegen innerpar-teilichen Widerstand. Dieser Flügel in der Partei hat in den letzten Jahren immer mehr an Relevanz eingebüßt. Dies minimiert die Möglichkeit derartiger Vorkommnisse in der Zukunft. Die FDP hatte seinerzeit nicht so eindeutig und schnell auf das Phänomen »Möllemann« reagiert, wie sie es in der Antwort auf das Schreiben des UEA nahelegte.

Dennoch stand das Ende der Affäre für eine Lehre, die schon aus rein strategischen Gründen die Sensibilität für das Thema verstärken dürfte.

In ihrer Antwort hatte die SPD nahegelegt, in besonderer Art und Weise schon immer gegen Judenfeindlichkeit gewesen zu sein. In der historischen Gesamtschau kann dem bis in die Gegenwart hinein durchaus zugestimmt werden. Bei den Grünen haben die israelfeindlichen Strömungen im Laufe ihrer Entwicklung an Relevanz verloren. Dadurch finden sich kaum noch Bezugspunkte für Kommentare zum Nahostkonflikt mit einschlägiger antisemitischer Umdeutungsmöglichkeit. Diesbezüglich verhält es sich bei der Partei Die Linke anders: Einerseits ist sie im Bereich von Anfragen hinsichtlich von Ereignissen mit Antisemitismus-Bezug durch einzelne Abgeordnete wie Petra Pau sehr engagiert, andererseits tummeln sich in einem Flügel der Partei immer noch Mitglieder mit

ausgeprägt israelfeindlichen Grundpositionen. Auch wenn die Führung eine distanzierende Haltung einnimmt, fehlt es an eindeutigen Konsequenzen, was Folgen für solche Parteiangehörige einschließen würde. Demnach besteht für Die Linke hier weiterhin ein Problem.

Im historischen Rückblick lässt sich bei den Parteien eine bedenkliche Instrumentalisierung von Skandalen konstatieren: Antisemitische Ereignisse in den eigenen Reihen wurden meist von den Medien, nicht aber von Par-teimitgliedern thematisiert. Demnach bestehen durchaus Optimierungspotenziale für interne Sensibilisierungen, wozu z. B. Fortbildungsmaßnahmen dienen könnten.

Bezüglich der Maßnahmen gegen Antisemitismus spre-chen alle Parteien von mehr Engagement. Dabei konzent-riert sich deren Aufmerksamkeit auf politische Bildung,545 wobei die Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung de Juden im Zweiten Weltkrieg im Zentrum steht. Gele-gentlich wurden auch andere und neuere Formen der Judenfeindschaft erwähnt,546 was insbesondere für die Grünen gilt. Indessen finden sich kaum Ausführungen darüber, wie man diesem gegenwärtigen Antisemitismus entgegentreten will. Die Antworten auf die Fragen des UEA enthalten daher zwar eine Auflistung von allgemei-nen Bekundungen, die aber nicht mit konkreten Modellen verbunden sind. Dies gilt auch für die Frage nach der Grenzziehung bei der Kritik an Israel, die sich zwischen menschenrechtlichen Einwänden und judenfeindlichen Ressentiments bewegen kann. Die FDP, die Grünen und Die Linke sprechen das Thema an. Allerdings gibt es dazu keine näheren Ausführungen, ist doch nur vom

Bezüglich der Maßnahmen gegen Antisemitismus spre-chen alle Parteien von mehr Engagement. Dabei konzent-riert sich deren Aufmerksamkeit auf politische Bildung,545 wobei die Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung de Juden im Zweiten Weltkrieg im Zentrum steht. Gele-gentlich wurden auch andere und neuere Formen der Judenfeindschaft erwähnt,546 was insbesondere für die Grünen gilt. Indessen finden sich kaum Ausführungen darüber, wie man diesem gegenwärtigen Antisemitismus entgegentreten will. Die Antworten auf die Fragen des UEA enthalten daher zwar eine Auflistung von allgemei-nen Bekundungen, die aber nicht mit konkreten Modellen verbunden sind. Dies gilt auch für die Frage nach der Grenzziehung bei der Kritik an Israel, die sich zwischen menschenrechtlichen Einwänden und judenfeindlichen Ressentiments bewegen kann. Die FDP, die Grünen und Die Linke sprechen das Thema an. Allerdings gibt es dazu keine näheren Ausführungen, ist doch nur vom