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Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)/Partei Die Linke

Christlich Soziale Union (CSU)

7.1.5 Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)/Partei Die Linke

Die Partei, die in der medialen Aufmerksamkeit nach der AfD gegenwärtig am häufigsten mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird, ist Die Linke.501 Diese Beobach-tung irritiert zunächst, denn die inhaltlichen Grundpositi-onen bieten keine Anknüpfungspunkte zum Antisemitis-mus.502 Von ihrem Selbstverständnis her geht es der Partei in erster Linie um die Frage der sozialen Gleichheit, für die ethnische oder religiöse Identitäten von Menschen keine Rolle spielen. Darüber hinaus distanziert sich die Partei auch ausdrücklich vom Antisemitismus, gilt er ihr doch als Bestandteil einer reaktionären und rechten Gesinnung.

Wird in Politik, Publizistik und Wissenschaft von einem Problem der Linken mit dem Antisemitismus gesprochen, bezieht sich dies in erster Linie auf die Einstellung von Teilen der Partei gegenüber der Politik des Staates Israel, die sich nicht auf legitime Kritik beschränkt, sondern durchaus Grenzen überschreiten kann.

Die Linke steht für ein Sammlungsprojekt, in dem sich Anhänger unterschiedlicher sozialistischer Strömungen zusammengefunden haben. In der medialen Berichter-stattung hat sich die Rede von »Reformern« und »Tra-ditionalisten« eingebürgert. Mit dieser Einteilung lässt sich indessen allenfalls idealtypisch die Komplexität der Zusammensetzung erfassen, daher sei für die hier zu behandelnde Fragestellung nur auf zwei Strömungen ver-wiesen: Ein Großteil der Mitglieder in den ostdeutschen Ländern entstammt nicht nur der Partei des Demokra-tischen Sozialismus (PDS), sondern auch ihrer Vorläu-ferpartei, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Obwohl diese Personen eine politische Sozialisation sowohl allgemein in Richtung des Marxismus-Leninismus wie besonders im Sinne einer antiimperialistischen Isra-elfeindlichkeit durchlaufen haben, lässt sich seit Beginn der 1990er-Jahre eine langsame, aber stetige Abkehr und Mäßigung konstatieren.

Demgegenüber entstammt ein bedeutender Teil der west-deutschen Mitglieder – wie der Blick auf deren politische Biografie zeigt – aus unterschiedlichen linksextremisti-schen Organisationen. Dazu zählen marxistisch-leninis-tische Parteien wie die Deutsche Kommunismarxistisch-leninis-tische Partei (DKP), maoistische Gruppierungen wie der Kommunis-tische Bund (KB) oder trotzkisKommunis-tische Vereinigungen wie Linksruck bzw. Marx21. Diese politischen Gruppierungen

501 Martin Kloke, antisemitismus in der linkspartei. »Die linke hat ein Prob-lem mit antisemitinnen und antisemiten.«, in: Ionesu/salzborn (hrsg.), antise-mitismus in deutschen Parteien, s. 153–193.

502 Diese aussage gilt auch gegenüber der Kapitalismuskritik, die bei anti-semiten einen Bezug auf das »Finanzkapital« bzw. die »zinsknechtschaft« auf-weist. Die Partei Die linke, die ideologisch am Marxismus orientiert ist, nimmt denn auch eine Frontstellung in Gänze und nicht nur in teilbereichen gegen diese wirtschaftsform ein.

bekennen sich nicht nur zur revolutionären Überwindung der bestehenden Gesellschafts- und Staatsordnung. Mit dieser Ausrichtung geht auch eine Feinderklärung an den Staat Israel einher, der in der politischen Konstellation des Kalten Krieges als Repräsentant des westlichen Imperia-lismus im Nahen Osten gesehen wurde. Demgemäß posi-tionierten sich die Anhänger der Gruppierungen im Sinne einer internationalen Solidarität auf der arabischen bzw.

palästinensischen Seite, galten die dortigen Gesellschaften und Staaten doch gegenüber Israel als unterdrückt.503 Die-jenigen Parteimitglieder, die einer antisemitischen Aus-richtung verdächtigt werden, gehören meist diesem Flügel der Partei an. Insofern gibt es im politischen Spektrum der Partei Die Linke eine pro-israelische Ausrichtung, die v. a.

in Ostdeutschland, und eine anti-israelische Strömung, die v. a. in Westdeutschland verbreitet ist. Seit 2007 existiert zudem in der parteinahen Jugendorganisation Linksju-gend [’solid] der »Bundesarbeitskreis Shalom«. Er macht mit seiner pro-israelischen Ausrichtung regelmäßig auf problematische Entwicklungen in der Partei aufmerksam.

Diese verschiedenen Facetten der Partei Die Linke machen deutlich, wie vielfältig das Spektrum ist. Der dezidiert anti-israelische Flügel bildet zwar eine Minderheit. Für die Gesamtpartei jedoch handelt es sich um einflussreiche und relevante Akteure.

Inwieweit bei ihnen Antisemitismus mit Israelfeind-lichkeit einhergeht, soll hier nun anhand von Beispielen erörtert werden: Die Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz, die aus einem trotzkistischen Kontext stammt, positionierte sich 2006, bezogen auf den Nahostkonflikt, auf der Seite der Friedensbewegung, aber auch der Hisbol-lah.504 2008 blieben elf Abgeordnete der Partei Die Linke einer Abstimmung über den Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus fern. Sie begründeten dies damit, dass sie die darin erklärte Solidarität mit Israel als bundesdeutsche Staatsräson nicht mittragen wollten.505 Der Bundestags-kandidat der Partei Chris Sedlmaier beklagte 2009 eine Kriminalisierung von Hamas und Hisbollah durch die EU, solidarisierte sich mit dem »Freiheitskampf« von Saddam Hussein und erklärte Israel zu einem »rassisti-schen Siedlerregime«.506 Derartige Aussagen und Vorfälle lösten im Sommer 2011 heftige Kritik an der Partei aus.

503 armin Pfahl-traughber, Israelfeindlichkeit zwischen antiimperialismus und antisemitismus  – eine analyse zu erscheinungsformen und Motiven im deutschen linksextremismus, in: Ulrich Dovermann (hrsg.), linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2011, s. 143–161.

504 christine Buchholz, »Im Krieg muss sich Die linke positionieren«. Inter-view mit rüdiger Göbel, in: Junge welt, 15. 8. 2006, https://www.jungewelt.de/

loginFailed.php?ref=/2006/08-15/039.php (eingesehen 4. 12. 2016).

505 vgl. Ulla Jelpke u. a., erklärung zur Debatte. nicht-teilnahme an der ab-stimmung am 4. 11. 2008, in: http://www.ulla-jelpke.de/2008/11/erklaerung- zur-debatte-nicht-teilnahme-an-der-abstimmung-am-04-november-2008/

(eingesehen 9. 11. 2016).

506 Uwe Kalbe, Kandidat sedlmaier zieht sich zurück, in: neues Deutschland, 7.5.2009.

Infolgedessen wuchs die Sensibilität in der Partei, was etwa zur Anerkennung des Existenzrechts Israel im neuen Programm von 2011 führte.

Exkurs: Anmerkungen zu Antisemitismus-Vorwürfen gegenüber der Partei Die Linke

Nach Redaktionsschluss des Berichts des ersten UEA wurde am 25. Mai 2011 eine Bundestagsdebatte zum Thema »Aktuelle sozialwissenschaftliche Untersuchun-gen zu möglichen antisemitischen und israelfeindlichen Positionen und Verhaltensweisen in der Partei Die Linke«

angesetzt. Darin warfen Redner aller anderen Bundestags-parteien einigen Teilen der Partei Die Linke antisemitische Positionen vor: CDU/CSU: »Doppelstrategie der Linken brandmarken«, SPD: »Antisemitische Vorurteile und Kam-pagnen«, FDP: »Teile pflegen antisemitischen Unterton«

und »Grüne fordern stärkere argumentative Auseinan-dersetzung«.507 Anlass dazu boten Presseberichte, wonach eine sozialwissenschaftliche Studie dies belegt habe.508 Die Autoren Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, beide Poli-tikwissenschaftler, behaupteten in ihrem bis zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Aufsatz »Antisemiten als Koalitionspartner?«, die Partei Die Linke habe sich seit 2010 affirmativ zum Antisemitismus positioniert.509 Die Grundlage für diese Einschätzung waren mehrere Vorfälle, in denen Abgeordnete und Funktionsträger der Partei sich zum Nahostkonflikt geäußert hatten. Der folgende Exkurs will anhand von Beispielen die Frage erörtern, ob es sich hierbei um Antisemitismus handelt.

Teilnahme an der Gaza-Flottille

Insbesondere bezüglich der Teilnahme von drei Bundes-tagsabgeordneten der Partei Die Linke an der »Gaza-Flot-tille« kamen Vorwürfe des Antisemitismus auf: Ende Mai 2010 hatten sich sechs Schiffe auf den Weg in Richtung Gaza-Stadt gemacht, angeblich um mit Hilfslieferungen die Blockade des Küstenstreifens zu durchbrechen. Hun-dert Kilometer vor dem Ziel beendeten israelische Solda-ten die Aktion mit Waffengewalt, wobei neun Menschen ums Leben kamen. An Bord befanden sich auch westliche Prominente wie die Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan und der Schriftsteller Henning Mankell, aber auch mit Annette Groth, Inge Höger und Norman Paech

507 Deutscher Bundestag, »linke soll Bekenntnis gegen antisemitismus ablegen« (stand: 25. Mai 2011), in: https://www.bundestag.de/dokumente/

textarchiv/2011/34536798_kw21_de_linke/205436 (eingesehen 9. 12. 2016).

508 z. B. Jan-Philipp hein, ein verdrängtes Problem. studie: In der Partei Die linke äußern sich regelmäßig antisemiten/spitze schweigt, in: Frankfurter rundschau, 19. 5. 2011.

509 samuel salzborn/sebastian voigt, antisemiten als Koalitionspartner?

Die linkspartei zwischen antizionistischem antisemitismus und dem streben nach regierungsfähigkeit, in: zeitschrift für Politik, 59 (2013) 1, s. 103–111, hier s. 103. erst nach der Bundestagsdebatte erfolgte die Publikation, der öffentli-chen Kontroverse lag ein unveröffentlichtes Manuskript zugrunde.

Bundestagsabgeordnete der Linken. Bereits beim Auslau-fen der Schiffe seien antisemitische Gesänge und Parolen zu hören gewesen: Man habe an die Vernichtung eines jüdischen Stammes durch die Armee Mohammeds erin-nert, es sei der Ruf »Tod den Juden« laut geworden, und ein Aktivist habe der anrückenden israelischen Marine

»Geht zurück nach Auschwitz« entgegen geschrien. In der internationalen Öffentlichkeit löste die Militärak-tion gegen den Schiffskonvoi heftige Empörung über Israel aus, schienen hier doch Soldaten gegen friedliche Aktivisten vorgegangen zu sein.510 Erst einige Zeit später wurde bekannt, dass viele Protestler keineswegs gewaltfrei agiert hatten. Darüber hinaus spielte bei der Aktion die türkische Organisation Insan Hak ve Hürriyetleri ve Insani Yardim Vakfi (IHH) eine wichtige Rolle. Sie gehört dem islamistischen Lager an und verfügt über einschlägige Kontakte zur Hamas. Offenkundig war das ganze Unter-nehmen ursprünglich nicht als Hilfsaktion, sondern als Propaganda projekt organisiert worden.511

Verhalten gegenüber dem israelischen Präsidenten Shimon Peres

Besondere Aufmerksamkeit erregten einige Bundestagsab-geordnete der Partei Die Linke am 27. Januar 2010 dadurch, dass sie nach einer Rede des israelischen Präsidenten im Bundestag diesem nicht wie alle anderen Abgeordneten stehend Beifall zollten. Shimon Peres hatte anlässlich einer Gedenkstunde für die Opfer des Holocaust im Parlament gesprochen. Nach dem Ende der Rede blieben Christine Buchholz, Sevim Dagdelen und Sahra Wagen-knecht demonstrativ sitzen. Während dieses Verhalten sowohl in den Medien wie in der Partei kritisiert wurde, fand es ausdrücklichen Beifall von rechtsextremistischer Seite. Wagenknecht veröffentlichte daraufhin eine Erklä-rung mit folgenden Worten: »Zum Gedenken an die Opfer des Holocaust habe ich mich selbstverständlich von mei-nem Platz erhoben. Dass ich nach der Rede von Shimon Peres nicht an den stehenden Ovationen teilgenommen habe, liegt darin begründet, dass ich einem Staatsmann, der selbst für Krieg mitverantwortlich ist, einen solchen Respekt nicht zollen kann.«512 In einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen erklärte Wagenknecht weiter, sie habe Peres keinen Beifall gezollt, »da er seine Rede […] dazu genutzt hat, für einen Krieg gegen den Iran zu

510 John Goetz u. a., Flucht in die einsamkeit, in: Der spiegel, 7. 6. 2010, s. 83–

88.

511 Doris akrap/Philipp Gessler, Die zweifelhaften Passagiere, in: taz, 1. 7. 2010.

512 sahra wagenknecht, erklärung zur rede des israelischen staatspräsiden-ten shimon Peres im Bundestag am 27. 1. 2010, in: www.sahra-wagenknecht.de, http://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/829.erklaerung-zur-rede-des- israelischen-staatspraesidenten-shimon-peres-im-bundestag-am-27-januar- 2010.html (eingesehen 4. 12. 2016).

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werben«.513 Deutlich wird hier, dass Politiker ebenso wie die Mehrheit der Bürger Antisemitismus nur dann erken-nen, wenn er sich historischer, rassistischer Komponenten bedient, aber nicht, wenn es sich um israelbezogene For-men handelt. Dennoch gehört sicherlich das Verhalten der Mitglieder der Partei Die Linke nach der Rede von Peres eher in den Bereich einer → »Grauzone«.

Verweigerung der Unterstützung eines Synagogen-neubaus

Im Rahmen der bundesweiten öffentlichen Debatte um die Frage des Verhältnisses der Partei Die Linke zum Antisemitismus und zu den Juden fand ein besonderes regionales Ereignis größere Aufmerksamkeit: Im Rat der Stadt Herford wurde am 18. Juni 2010 darüber abge-stimmt, ob der Neubau der örtlichen Synagoge finanzi-ell bezuschusst werden sollte. Als einzige Abgeordnete stimmte die Vertreterin der Partei Die Linke Erika Zemaitis gegen diesen Antrag. Sie begründete ihre Ablehnung wie folgt: »Wenn alle Menschen in Herford Verzicht bei den öffentlichen Einrichtungen üben sollen, kann es vorerst keinen Platz für das Partikularinteresse einer Religions-gruppe geben.«514 Die Linken-Bundestagsabgeordnete Inge Höger, seinerzeit auch Kreissprecherin ihrer Partei in Herford, distanzierte sich in einer Stellungnahme von diesem Abstimmungsverhalten von Zemaitis und forderte sie zu einer Entschuldigung oder zum Rücktritt auf.515 Grundsätzlich kann das Abstimmungsverhalten durch die Forderung nach einer strikten Trennung von Religion und Staat oder die finanzielle Notwendigkeit von Ein-sparungen motiviert sein. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass im gegenwärtigen Deutschland öffentlich nur Rechtsextremisten gegen Synagogen aktiv sind, ist der Eindruck eines antisemitischen Hintergrunds nicht von der Hand zu weisen.

513 »Konstruierte vorwürfe«. sahra wagenknecht über antisemitismus in der linkspartei, Kritik an Israel, die Gaza-Flottille und Boykottaufrufe, in: Jüdi-sche allgemeine, 6. 6. 2011, http://www.juediJüdi-sche-allgemeine.de/article/view/

id/10506 (eingesehen 4. 12. 2016).

514 Keine ablehnung des synagogen-neubaus/erika zemaitis (linke). stel-lungnahme zu ihrem abstimmungs-nein, in: herforder Kreisblatt/westfalen Blatt, 2. 7. 2010, http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=50

&order=datum&richtung=Desc&z=1&id=29840 (eingesehen 4. 12. 2016). Die herforder linke unterstützte aber noch wenige wochen zuvor die Jesidische Gemeinde, eine kurdische religionsgemeinschaft, bei ihrem engagement zur er-richtung eines Kulturzentrums. Journalistische anfragen bezüglich der Gründe für das abstimmungsverhalten blieben unbeantwortet. vgl. Jan Jetter, wer so al-les gegen synagogen in Deutschland aktiv ist…, in: www.blog.zeit.de, 28. 6. 2010, http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2010/06/28/wer-so-alles-gegen- synagogen-in-deutschland-aktiv-ist_3745 (eingesehen 4. 12. 2016).

515 stellungnahme Inge höger MdB zum abstimmungsverhalten der linken ratsfrau erika zemaitis, herford thema Finanzzuschüsse synagoge herford (28. 6. 2010), http://www.dielinke-ostwestfalen.de/nc/presse/aktuell/detail/

browse/30/zurueck/aktuell-47/artikel/stellungnahme-inge-hoeger-mdb- zum-abstimmungsverhalten-der-linken-ratsfrau-erika-zemaitis-herford-t-2/

(eingesehen 4. 12. 2016).

»Toilettenaffäre« um Auftritte israelfeindlicher Publizisten

Bei der »Toilettenaffäre« – die Formulierung hatte sich in der Medienberichterstattung eingebürgert – ging es um folgende Ereignisse: Für den 9. November 2014 war in der Berliner Volksbühne eine Diskussionsveranstaltung mit den beiden israelfeindlichen Publizisten Max Blumenthal und David Sheen zum Nahostkonflikt angekündigt.

Dagegen intervenierten die beiden Bundestagsabgeord-neten Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Pau (Die Linke), in deren Folge die Veranstaltung abgesagt wurde. Auf Einladung der Abgeordneten Annette Groh und Inge Höger sollte die Diskussion am 10. November stattdessen in den Räumen der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke stattfinden. Der damalige Fraktionsvor-sitzende Gregor Gysi untersagte dies. Daraufhin wurde er von den Referenten wie auch von einigen Zuhörern persönlich bedrängt und bis auf die Toilette verfolgt.

Später konnten die Ereignisse im Internet auf einem Video verfolgt werden.516 Aus Protest gegen dieses Agieren von Bundestagsabgeordneten veröffentlichten Mitglieder der Partei die Stellungnahme »Ihr sprecht nicht für uns!«, worin gegenüber den beiden Bundestagsabgeordneten festgestellt wurde: »Wiederholt müssen wir konstatieren, dass sich […] Mitglieder unserer Partei in verantwortlichen Positionen durch Schürung obsessiven Hasses auf und der Dämonisierung von Israel antisemitischer Argumentati-onsmuster und eine Relativierung des Holocausts und der deutschen Verantwortung für die millionenfache Vernich-tung der europäischen Jüdinnen und Juden befördern.«517 Dieser Auffassung kann hier zugestimmt werden.518 Auch wenn in der Stellungnahme für die Beteiligten politische Konsequenzen gefordert wurden, kam es weder zu Frakti-onsausschlüssen noch Mandatsverzichten. Annette Groth und Inge Höger hatten – daran sei hier erinnert – auch an der Gaza-Flottille teilgenommen.

516 Markus Decker, toilettenaffäre der linken eskaliert, in: Berliner zeitung, 16.11.2014, http://www.berliner-zeitung.de/-fluegelkaempfe-ruecktrittsfor-derungen-in-der-347552 (eingesehen 4. 12. 2016); Miriam hollstein, Gregor Gysi flieht vor antizionisten auf toilette, in: Die welt, 11.11.2014, https://www.welt.de/

politik/deutschland/article134236216/Gregor-Gysi-flieht-vor-antizionisten- auf-toilette.html (eingesehen 4. 12. 2016).

517 Ihr sprecht nicht für uns! eine stellungnahme von Mitgliedern der Partei Die linke (14. 11. 2014), www.ihrsprechtnichtfueruns.de (eingesehen 4. 12. 2016).

518 Das wiesenthal-center setzte die abgeordneten auf die liste der antise-miten 2014, sprach aber in der Begründung nur davon, dass sie einer bedeuten-den Gruppe von »hardcore-Israelfeinbedeuten-den« angehörten, vgl. Marcel leubecher, linke-Politikerinnen auf liste der antisemiten 2014, in: Die welt, 29. 12. 2014, https://www.welt.de/politik/ausland/article135851827/linke-Politikerinnen- auf-liste-der-antisemiten-2014.html (eingesehen 4. 12. 2016).

7.1.5.1 zwischenfazit

Bei den hier genannten Ereignissen handelt es sich um Fallbeispiele von problematischen Verhaltensweisen.519 Insbesondere im linken Flügel der Partei besteht eine ausgeprägte Israelfeindlichkeit, die sich offiziell gegen die Palästinenser-Politik des Staates richtet und suggeriert, auf der Seite der Schwachen gegen die Starken zu stehen.

Israel gilt nach dieser Vorstellung als imperiale Macht.

Dabei artikulieren die Akteure einen ausgeprägten Anti-imperialismus. Inwieweit dieser aber auch durch Antise-mitismus motiviert ist, lässt sich nur bei genauer Betrach-tung des Einzelfalls sagen. Zumindest sehen die Akteure offenbar keine Probleme, mit arabischen Islamisten und Nationalisten antisemitischer Prägung zu kooperieren.

Dass es auch Antisemiten in der Partei gibt, wird von hohen Funktionsträgern wie etwa Bodo Ramelow nicht bestritten. Er äußerte: »Ja, es gibt Antisemiten bei uns – allerdings wie in jeder anderen Partei auch.«520 Dann stellt sich aber auch die Frage nach deren Anteil und Ausmaß.

Eine Antwort kann mangels Datenmaterial nicht formu-liert werden. Die ausgeprägte Israelfeindlichkeit einer Minderheit in der Partei lässt sich indessen klar konstatie-ren. Gleichwohl kann man nicht eindeutig sagen, ob diese mehr durch Antiimperialismus, mehr durch Antisemitis-mus oder eine Mischung von beidem motiviert ist. In den Kreisen der Partei Die Linke besteht bezogen auf Israel ein Negativ-Bild. Damit geht gleichzeitig als Positiv-Bild eine Wahrnehmung seiner Feinde als emanzipatorische Kräfte der Befreiung einher, ohne deren teilweise antisemitische, frauendiskriminierende, islamistische oder nationalisti-sche Ausrichtung zu problematisieren. Und schließlich findet in dem solche Haltungen vertretenden Flügel der Partei auch keine kritische Reflexion darüber statt, welche Wirkung ihr israelfeindlicher Diskurs in der Öffentlich-keit entfalten kann. All dies ignoriert auch die Kritik von Wolfgang Gehrcke, Mitglied im Parteivorstand, der 2015 in einer Buchpublikation »Rufmord« behauptet hatte, es gebe eine »Antisemitismus-Kampagne gegen links«.

Er sprach hier gar von einem »politischen Kampfbegriff gegen Antifaschisten und Linke«.521

519 vgl. zur kritischen einschätzung der Positionen von salzborn/voigt u. a.

armin Pfahl-traughber, antisemitismus und Israelfeindlichkeit in der Partei

»Die linke«. eine kritische Prüfung einschlägiger vorwürfe, in: Deutschland archiv, 44 (2011) 3, s. 331–337. Peter Ulrich/alban werner, Ist »Die linke« an-tisemitisch? Über Grenzen der »Israelkritik« und ihre Kritiker, in: zeitschrift für Politik, 58 (2011) 2, s. 424–441.

520 »Ja es gibt antisemiten bei uns« (Interview mit Bodo ramelow), in: Der spiegel, 27. 6. 2011, s. 42–44, hier s. 42.

521 wolfgang Gehrcke, rufmord. Die antisemitismus-Kampagne gegen links, Köln 2015, s. 10.