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Die erklärte Unterstützung durch eine Partei:

Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)

4. Die erklärte Unterstützung durch eine Partei:

Alexander Gauland, namhaftes Mitglied der Partei Alter-native für Deutschland (AfD), die parallel zu Pegida ihren Aufstieg nahm, bezeichnete Pegida und ihre Ableger als

»den natürlichen Verbündeten der AfD« und machte viele gemeinsame Schnittmengen aus, rückte aber später wieder davon ab.664 Nachdem das Verhältnis zwischen den Hauptakteuren von Pegida und der AfD zwischen-zeitlich deutlich abgekühlt war, lud Lutz Bachmann von seinem »Exil« in Teneriffa zentrale Bundes- und Landes-vorsitzende der AfD (Frauke Petry, Alexander Gauland, Björn Höcke, Andre Poggenburg und Leif-Erik Holm) per Videobotschaft zum zweiten Jahrestag von Pegida nach Dresden ein, um auf der Bühne zu sprechen.665

Um die Rolle von Antisemitismus bei Pegida und ihren Ablegern abzuschätzen, wurden daher die folgenden Aspekte betrachtet bzw. in Expertengesprächen themati-siert: (1) Positionierung zu Juden und zum Antisemitismus auf der offiziellen Homepage von Pegida, (2) Äußerun-gen und Agieren von Hauptakteuren und Rednern, (3) Meinungsäußerungen der Demonstrationsteilnehmenden verbal und auf mitgeführten Plakaten, (4) Hinweise aus Meinungsumfragen über politische Einstellungen der Teilnehmenden, (5) Beobachtungen zur milieuspezifischen Zusammensetzung der Demonstranten sowie (6) Hinweise auf einen Einfluss auf die politische Kultur und Stim-mungslage.

664 Bericht auf welt/n24: https://www.welt.de/politik/deutschland/article 136927091/Fuer-afD-vize-Gauland-ist-das-thema-Pegida-erledigt.html (ein-gesehen 25. 11. 2016).

665 Die einladung von Bachmann wurde von Frauke Petry abgelehnt; http://

www.faz.net/aktuell/politik/inland/weniger-teilnehmer-kommen-zum-2- PeGIDa-jahrestag-14484171.html (eingesehen 25. 11. 2016).

8.3.3 Wer demonstrierte mit bei Pegida?

Beteiligten sich an der ersten Pegida-Demonstration in Dresden nur 350 Personen, wuchs die Zahl der Teilneh-menden jedoch schnell an. Zeitweilig versammelten sich bis zu 25.000 Personen zu einem »Montagsspaziergang«, so die offizielle Selbstbezeichnung. An ihrem zweiten Jahrestag im Oktober 2016 waren noch 7500 Personen beteiligt. Im November 2016 sank die Zahl der Teilneh-menden auf rund 2000 Personen ab666 Die Demonstrati-onen unter dem »-gida«-Label in anderen Städten waren deutlich kleiner und die Teilnehmerschaft deutlich stärker als die Dresdner Demonstrationen von der organisierten Neonazi- und Hooligan-Szene mitbestimmt.

Mittlerweile liegen einige Studien, die auf Befragungen der Teilnehmenden beruhen, und Beobachtungsberichte dazu vor, wer sich an den Demonstrationen von Pegida und ihren Ablegern beteiligte. Studien in Dresden, wo die mit Abstand größten Demonstrationen stattfanden, beschreiben die Teilnehmenden auf Basis von Befragun-gen übereinstimmend als »normale Durchschnittsbür-ger«.667 Die Forschergruppe um Patzelt nennt als typische Demonstrationsteilnehmer »Männer aus Dresden und Umgebung, verheiratet, älter, konfessionslos, (früher) berufstätig, gute (praxisorientierte) Bildung, durchschnitt-liches bis unterdurchschnittdurchschnitt-liches Einkommen«, wobei die Teilnehmerschaft zugleich auch in Bildung und Einkom-men sehr heterogen war und andere Befragungen auf eine etwas jüngere Altersstruktur verweisen.668 Allerdings war die Verweigerungsrate hoch669 und es muss davon ausgegangen werden, dass sich insbesondere Personen mit eindeutig rechtsextremen Einstellungen und aus organisierten rechtsextremen Gruppierungen, die in der Regel eher jünger sind, nicht befragen ließen. So waren in Dresden regelmäßig rechtsmotivierte Hooligans mit

666 zur Problematik der zählung der teilnehmenden von Demonstrationen und zur möglichen Bedeutung der publizierten zahlen für die Mobilisierung am Beispiel von Pegida vgl. roger Berger/stephan Poppe/Mathias schuh, ever-ything counts in large amounts. zur Problematik der zählung von Demons-trationsteilnehmern, in: rehberg/Kunz/schlinzig, Pegida, s.  113–132; zahlen für november zum redaktionsschluss des vorliegenden Berichts: twittermel-dungen der Forschergruppe »Durchgezählt« unter https://durchgezaehlt.org/

PeGIDa-dresden-statistik/ (eingesehen 25. 11. 2016).

667 Geiges/Marg/walter, Pegida; hans vorländer/Maik herold/steven schäller, wer geht zu Pedgia und warum? schriften zur verfassung und Demo-kratieforschung, 1 (2015); Daphi u. a., Protestforschung am limit; werner Pat-zelt/Joachim Klose, Pegida. warnsignale aus Dresden. Dresden 2016; zentrale Befunde, ehttps://tu-dresden.de/gsw/phil/powi/polsys/forschung/pegida/

studie3-januar2016#section-2 (eingesehen 25. 11. 2016).

668 zusammenfassend Karl-heinz reuband, wer demonstriert in Dresden für Pegida?, in: Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung (MIP), 21 (2015), s. 133–143.

669 U. a. Daphi u. a., Protestforschung am limit.

tonangebend,670 die bei Spielen von Dynamo Dresden bereits durch antisemitische Banner aufgefallen waren.671 ºDie Demonstrationsteilnehmenden bei Pegida in

Dresden werden überwiegend als »Durchschnittsbevöl-kerung« beschrieben. Die Teilnehmerschaft der deutlich kleineren »-gida«-Ableger ist stärker durch organisierte Rechtsextreme geprägt.

8.3.4 Die offizielle Homepage von Pegida

672 Auf ihrer Homepage zeigt Pegida auf der Startseite ein Foto von einem Demonstrationsplakat, auf dem steht:

»Für ein christliches Abendland«. In anderen Statements vereinnahmt Pegida Juden für die Differenzierung zwi-schen Christen und Juden auf der einen und Muslimen auf der anderen Seite. So wird auf der offiziellen Pegida-Seite von einer Demonstration im Dreiländereck Villingen berichtet: »Sehr interessant war auch die Rede eines jüdischen Arztes aus Frankreich, der im Krankenhaus, wo er arbeitete, von moslemischen Patienten und deren Angehörigen rigoros bedroht wurde und diese Umstände ihn zum Umzug nach Israel bewogen. Er meinte auch die Antifa seien die wahren Faschisten und eben nicht die Pegida-Teilnehmer.« Die offizielle Pegida-Seite hat in der Themenrubrik eine eigene Sparte zum Thema Juden bzw. Judenverfolgung. Hier finden sich drei Beiträge über linken Antisemitismus und Antisemitismus von musli-mischer Seite, darunter ein Ausschnitt eines Beitrags auf faz.net mit Auszügen eines Interviews der dpa mit Petr Papousek, dem Vizepräsidenten des Jüdischen Weltkon-gresses.673 Deutlich wird hier eine doppelte Instrumentali-sierung von Juden: Zum einen, um sich selbst als »juden-freundlich« darzustellen und durch diese Konstruktion des »Wir« vom eigenen Antisemitismus abzulenken und den Vorwurf des Rechtsextremismus auszuhebeln, zum anderen, um sie gegen Muslime in Stellung zu bringen.674 Eine kritische Analyse von Antisemitismus im rechten und rechtsextremen Spektrum findet nicht statt, ebenso wenig wie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemi-tismus in der »Mitte«, zu der sich viele der Teilnehmenden der Pegida-Demonstrationen zählten.

670 Olaf sundermeyer, wir machen dich platt, faz.net, 30. 12. 2014, http://

www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/pegida-demonstranten-machen- front-gegen-etablierte-medien-13345656.html (eingesehen 25. 11. 2016).

671 http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/04/14/antisemitische-hetze- unter-dynamo-dresden-fans_6079 (eingesehen 7. 12. 2016).

672 https://PeGIDaoffiziell.wordpress.com/ (eingesehen 25. 11. 2016).

673 susanne Kusicke, Die neue angst der Juden in europa, in: faz.net, 16. 2. 2015, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/anschlaege-und- schaendungen-juden-europas-in-angst-13431441-p2.html (eingesehen 25. 11.

2016).

674 zur Funktionalisierung vgl. u. a. wolfram stender, Der PeGIDa antisemi-tismus, in: Überblick, 2 (2015), s. 5–9.

antIseMItIsMUs In POlItIschen BeweGUnGen UnD OrGanIsatIOnen | 175

Die Hauptseite von Pegida auf Facebook hat einen rasan-ten Aufstieg erlebt, der nach Einschätzung der beob-achtenden Amadeu Antonio Stiftung selbst im Kontxt der Sozialen Medien bemerkenswert ist. Die »Likes« über-stiegen zum Zeitpunkt der Beobachtung Anfang Februar 2015 z. B. bei Weitem die von SPD und CDU. Die Seite ist gut vernetzt mit anderen Facebook-Angeboten aus dem rechten Spektrum und erhält u. a. auch die Unterstützung vonseiten der NPD, der Identitären Bewegung und der German Defence League.675

ºAuf der offiziellen Homepage von Pegida wird explizit zu Antisemitismus Stellung bezogen, allerdings aus-schließlich mit Verweis auf Antisemitismus bei Linken und unter Muslimen. Aussagen einzelner Juden werden für die Positionierung gegen Muslime instrumentali-siert. Die Facebook-Seite von Pegida erhält Unterstüt-zung durch neurechte und rechtsextreme Gruppierun-gen.

8.3.5 Antisemitismus in Statements vonseiten der Organisatoren und eingeladener Redner

Auf den Demonstrationen von Pegida findet sich mit Blick auf Antisemitismus ein gemischtes Bild, wobei die Reden im Laufe der Zeit immer aggressiver und ausfallender wurden.676 Einige der Hauptakteure wie Lutz Bachmann und Tatjana Festerling sowie auch andere Rednerinnen und Redner bedienten sich in ihren Beiträgen eines typisch (neu-)rechten Jargons (dazu gehören die Rufe

»Lügenpresse«, »Volksverräter« und die Bezugnahme auf »das System«) mit eindeutig rassistisch-völkischen Bezügen.677 So fand am 9. November 2015, am Tag zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938, eine Pegi-da-Demonstration vor der Semperoper in Dresden statt,678 in deren Rahmen Tatjana Festerling unter dem Jubel der versammelten Demonstranten forderte: »Wir erklären hier und heute, am 9. November 2015, den Schuldkom-plex aus zwölf Jahren Naziherrschaft für beendet.« Und weiter: »Lasst uns mit eurem Schuldkult für die Vergan-genheit, für die keiner von uns hier die Verantwortung

675 no-nazi-net, aufstand der herren mittleren alters? ein Beitrag zu Pegida in den sozialen netzwerken, amadeu antonio stiftung, Berlin 2015.

676 U. a. rehberg/Kunz/schlinzig, Pegida.

677 zusammenfassend dazu, christian Demuth, Politische Bildung nach Pe-gida, expertisen für Demokratie, 1 (2016), s. 9 ff., http://library.fes.de/pdf-files/

dialog/12324-20160209.pdf (eingesehen 14. 12. 2016).

678 eine von der Belegschaft der semperoper geplante Gegendemonstration auf dem theaterplatz wurde zugunsten der Pegida-Kundgebung von der stadt-verwaltung verboten. vgl. alexander Demling, Pegida-Demo am Jahrestag der reichspogromnacht? ernsthaft, Dresden?, in: bento, 8. 11. 2015, http://www.

bento.de/politik/pegida-theater-in-dresden-protestiert-gegen-demo-am-9- november-106758/ (eingesehen 7. 12. 2016).

trägt, endlich in Ruhe!«679 Wenig später rief sie auf einer Demonstration in Sebnitz dazu auf, die eigentlichen Ver-ursacher und Strippenzieher hinter der Flüchtlingskrise beim Namen zu nennen, wobei sie auf »den Finanzmogul George Sorros«, die »Bilderberger« und die im »verbor-genen agierenden Hochfinanzkönige« verwies.680 Die vordergründige Globalisierungskritik durchzieht damit ein eindeutig antisemitischer Subtext.

Unter den eingeladenen Gastrednern finden sich zuneh-mend Vertreter der Neuen Rechten, darunter Götz Kubit-schek und René Stadtkewitz sowie Michael Mannheimer, der über linken Antisemitismus publiziert und in einer rhetorischen Wendung die These vertritt, Hitler und die NSDAP seien genuin links gewesen, der Antisemitismus daher also ein Phänomen der Linken. Daneben verortet er Antisemitismus v. a. bei Muslimen. Zu den Eingeladenen gehört u. a. auch der Gründer des Compact-Magazins und Schreiber auf der rechtsextremen Plattform PI-News, der Journalist Jürgen Elsässer, vielfach Redner v. a. im Rah-men der »Montagsmahnwachen«, den Judith Ditfurth als einen »glühenden Antisemiten« bezeichnete und der sich immer wieder antisemitischer Codes und Chiffren, wie z. B. des Verweises auf das US-amerikanische »Ostküsten-kapital«, bedient.681 Eingeladen war auch Akif Pirinçci, der mit einer Hass-Rede für einen Eklat auf der Pegida-De-monstration sorgte, indem er sagte: »Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn es gefälligst nicht pariert. Es gäbe natürlich auch andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb«. Er meinte damit zwar nicht – wie z. T. fälsch-lich interpretiert – Geflüchtete, stellte aber die Gegner von Flüchtlingsheimen auf eine geschmacklose Weise als Opfer von Verfolgung dar. Dabei gingen weitere

679 zitiert aus einem Beitrag von stefan locke auf faz.net, 9. 11. 2015, http://www.

faz.net/aktuell/pegida-demonstrationen-lasst-uns-mit-eurem-schuldkult- in-ruhe-13903510.html (eingesehen 25. 11. 2105)

680 tatjana Festerling, rede in sebnitz am 28. 4. 2016, https://www.youtube.

com/watch?v=c6_IGxszsjw [ab 7:28 min.] »wie die versteckten strippenzieher hinter den Kulissen herrschen und bereits die weltpolitik bestimmen, haben wir in dem sogenannten eU-türkDeal gesehen. Und Merkel ist dabei nur ei-ne erfüllungsgehilfin. sie bekommt ihre aufträge, inklusive fertiger Pläei-ne von mächtigen Globalisten, wie diesem Finanzmogul George soros. soros, die Bil-derberger, die eU-Mafia, globale Konzernkartelle und v. a. die im verborgenen agierenden hochfinanzkönige – all diese Gottspieler haben uns, den Menschen in europa nichts anderes als den Krieg erklärt« [ende 8:10 min] und weiter: [ab 8:30 min] »es ist höchste zeit, dass wir über die Islamisierung hinausschauen und die verursacher beim namen benennen, denn sie offenbaren sich immer deutlicher. ein soros gibt ja quasi offen zu, dass er die Flüchtlingskrise mitkre-iert, um so die europäische zentralregierung, eine europäische Diktatur einzu-führen« [ende 8:52 min].

681 Kevin culina/Jonas Fedders, Im Feindbild vereint. zur relevanz des an-tisemitismus in der Querfront-zeitschrift compact. Die autoren kommen zu dem schluss, dass antisemitische codes und chiffren nicht nur vereinzelt vor-kommen, sondern nach ihrer analyse den ideologischen rahmen der zeitschrift bilden. siehe dazu Interview mit den beiden autoren auf heise.de: https://

www.heise.de/tp/features/Mut-zum-antisemitismus-3256917.html (eingese-hen 25. 11. 2016).

Entgleisungen, die Pirinçc in diesem Zusammenhang äußerte, wie etwa die Rede von »Moslemmüllhalden« und die damit verbundene Anleihe an die entmenschlichte Sprache der Nationalsozialisten, fast unter. Auf einer klei-nen Pegida NRW-Demonstration in Duisburg fabulierte ein »Uwe« von der Rednertribüne aus über die »Protokolle der Weisen von Zion«, in denen »der Fahrplan für ein Jahrhundert« stehe.682

º Die Hauptakteure und Redner fallen vereinzelt durch offen antisemitische Ausfälle auf. Meist wird Antise-mitismus auf subtilem Weg über Verschwörungsthe-orien und antisemitische Chiffren vermittelt bzw. die Stimmung gegenüber Minderheiten, aber nicht explizit gegen Juden aufgeheizt.

8.3.6 Antisemitische Plakate und skandierte Parolen

Auf den Demonstrationen waren Bezüge zum Antisemi-tismus zwar nicht dominant, doch fanden sich diverse Beispiele einer kruden Mischung: Während immer wieder auch die blau-weiße Flagge Israels mit erkenn-barem Davidstern geschwenkt wurde – was einer der interviewten Experten als »Persilschein« bezeichnete –, wurde andernorts und manchmal auch zeitgleich offener und subtiler Antisemitismus geäußert. So wurde bei den Münchner Demonstrationen Antisemitismus ganz offen und direkt artikuliert bzw. nahmen Personen an prominenter Stelle teil, die sich in der Vergangenheit bereits antisemitisch geäußert hatten. Der Bayerische Rundfunk berichtete in diesem Zusammenhang: »Ende Februar wurde auf der Internetseite von Pegida Bay-ern eine Abbildung von Angela Merkel mit einer Mütze mit Davidstern-Symbolik gezeigt. Nachdem dies in den Medien thematisiert wurde, haben die Vertreter von Pegida die Davidsterne durch EU-Sterne ersetzt. Allerdings mit dem Hinweis auf die Vermutung stark polnisch-jü-discher Wurzeln der Bundeskanzlerin«.683 Dies greift das im Internet kursierende Gerücht auf, Angela Merkel hätte eine jüdische Mutter. Die Bundeskanzlerin wird in diesem Zusammenhang auch als »zionistische Jüdin Merkel« bezeichnet.684 Nach Beobachtung der Süddeut-schen Zeitung war der Neonazi Karl-Heinz Statzberger, der an der Planung des Sprengstoffanschlags bei der Grund-steinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums beteiligt war, Dauerteilnehmer bei Mügida (ein offiziell auch von

682 https://www.youtube.com/watch?v=daO-shxwQlo [ab 1:28 min.].

683 Michale Kubitza, Unter falscher Flagge? PeGIDa und der Davidstern, Beitrag vom 9. 3. 2016: http://www.br.de/nachrichten/PeGIDa-israelflagge- antisemitismus-100.html (eingesehen 25. 11. 2016).

684 U. a. bei https://unbequemewahrheit2014.wordpress.com/tag/angela- merkel/ (eingesehen 25. 11. 2016).

den Initiatoren anerkannter Ableger).685 Begleitet wurde Pegida München von antisemitischer Hetze in den sozi-alen Netzwerken, u. a. auch von Seiten eines der Haupt-verantwortlichen, wie die Zeitung weiter berichtet.686 Die Bergida-Demonstration am 9. November 2015 zum 77.

Jahrestag der Novemberpogrome führte an der Berliner Synagoge Rykestraße vorbei, während die Teilnehmenden Reichsflagge und Reichskriegsflagge tragend »Nationaler Sozialismus jetzt!« skandierten. Zuvor war die Bundesre-gierung von einem Redner als »Brunnenvergifter« tituliert worden.687

Zunächst in Berlin, später auch in Dresden, lief eine kleine Gruppe bei den Demonstrationen mit einem »JewGi-da«-Schild mit. Sie stieß allerdings bei großen Teilen der Pegida-Anhängerschaft auf Widerstand. Als Geert Wilders als Gastredner auf einer Kundgebung in Dresden zu uneingeschränkter Solidarität mit Israel aufforderte, ern-tete er Schweigen und Gemurre. Die beiden CSU-Stadträte Mariam Offmann und Richard Quaas berichteten über diverse judenfeindliche Sprüche und Verschwörungs-theorien (»jüdisch gesteuerte ›Asyl-Industrie‹«) auf den Demonstrationen in München. Nach ihrer Einschätzung sei die »Flaggenparade« nur »ein zynisches Ablenkungs-manöver, das die antisemitischen Tendenzen von Pegida tarnen soll«.688 Bereist als die ersten Dresdner Demonstra-tionen stattfanden, berichtete der Journalist Olaf Sunder-meyer von aggressiven antisemitischen Pöbeleien gegen Medienvertreter: »Wer bei den Protestierern als Journalist persönlich bekannt ist, wird bedroht und angefeindet:

›Wenn sich die Sache hier dreht, seid ihr die ersten, die dran glauben müssen‹, ruft ein Demonstrant. ›Verpiss dich, du Judenschwein, sonst machen wir dich platt‹, brüllt ein kräftiger junger Mann, dessen linker Arm eine weiße Ordnerbinde ziert; wer Pegida und Hogesa regelmäßig kritisiert, wird auf deren Demonstrationen auch körper-lich angegangen.«689 RIAS dokumentierte antisemitische Bezüge bei diversen Pegida-Demonstrationen, wie etwa das Tragen einer Solidaritätstasche für eine verurteilite

685 Martin Bernstein, Islamfeindlich und antisemitisch in einem, in: süd-deutsche zeitung, 13. 10. 2015, http://www.sueddeutsche.de/muenchen/

pegida-in-muenchen-islamfeindlich-und-antisemitisch-in-einem-1.2692351 (eingesehen 7. 12. 2016).

686 ebenda. zitiert wird hier aus einem Posting gegen den Filmproduzenten David Groenewold: »Das [sic!] die Juden nicht nur fast 100 Prozent aller Filme in den Usa produzieren, sondern auch im deutschen Filmgeschäft kräftig mit-mischen, sollte zur allgemeinbildung gehören.«

687 Bericht zur Demonstration am 9. 11. 2015 auf http://publikative.org/

2015/11/11/9-november-deutscher-schuldkomplex-offiziell-beendet/ und auf der seite von Bergida: http://www.baergida.net/veranstaltungen/abend spaziergaenge-von-baergida/2015-2/november/45-baergida/ (beides einge-sehen 25. 11. 2016).

688 ebenda.

689 sundermeyer, wir machen dich platt, in Frankfurter allgemeine zei-tung, 30. 12. 2014, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/pegida- demonstranten-machen-front-gegen-etablierte-medien-13345656.html (ein-gesehen 31. 12. 2016).

antIseMItIsMUs In POlItIschen BeweGUnGen UnD OrGanIsatIOnen | 177

Holocaustleugnerin oder aber »Juden raus«-Rufe im Rahmen einer Demonstration in Thüringen.690 Thügida veranstaltete u. a. auch einen Fackelmarsch zum Gedenken an den Geburtstag von Adolf Hitler.691

ºAuf Pegida-Demonstrationen wurden vereinzelt anti-semitische Plakate und Rufe registriert. Insbesondere auf kleineren Demonstrationen (im Westen, aber auch bei Legida), die anteilsmäßig stärker von organisierten Rechtsextremen geprägt waren, wurde dies häufiger beobachtet.

8.3.7 Hinweise auf die Verbreitung antisemitischer Einstellungen der Demonstranten

Unter den Teilnehmenden fanden sich vielfach Hinweise auf ein deutlich rechtspopulistisches Einstellungsmuster, das in Bevölkerungsumfragen eng mit Antisemitismus korrespondiert.692 Explizit erhoben wurde Antisemitismus allerdings lediglich in der Befragung von Demonstrations-teilnehmern der Forschergruppe um Dieter Rucht über die Aussage: »Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß« als Indikator für klassisch antisemitische Einstel-lungen. Hier stimmten 14 Prozent der Befragten eher oder voll zu. Für Ostdeutsche Befragte weist die Leipziger-Mit-te-Studie 2014 hier eine Zustimmung von zehn Prozent aus, der gleiche Anteil findet sich in der FES-Mitte-Stu-die 2014.693 Aufgrund der angenommenen deutlichen Verzerrung der Stichprobe – ein hoher Prozentsatz der

690 Dokumentierte twittermeldungen des recherche- und Informationsstel-le antisemitismus (rIas):

lt. @zugespielt1 Person trug heute bei #Pegida in #Dresden solitasche für die verurteilte schoa-leugnerin #haverbeck #antisemitismus #dd3110; https://

twitter.com/report_antisem/status/793199085322993664 (eingesehen 7. 12. 2016);

thügida: lt. @zumsaru gestern #antisemitismus in #rudolstadt #1607ru;

https://twitter.com/report_antisem/status/754669830247251968 (eingese-hen 7. 12. 2016).

thügida: lt.@lcBendtner riefen #neonazis in #110gotha (#thüringen) zur vernichtung Israels auf und Feindbild »hochfinanz« auf transparent https://

twitter.com/report_antisem/status/782515057812967424 (eingesehen 7. 12. 2016); lt. @aktionsnetzwerk meint nPD-stadtrat und #thügida aktivist Köckert politische Gegner_innen gehören nach Israel abgeschoben #J0212

#Jena; https://twitter.com/report_antisem/status/804778537345552384 (eingesehen 7. 12. 2016); lt.@laeUFtnIcht während eines Fackelmarsches in

#Jena »Juden raus« rufe #antisemitismus #j2004 #nothuegida; https://twitter.

com/report_antisem/status/722896661912027136 (eingesehen 7. 12. 2016);

lt. @zumsaru gestern #antisemitismus in #rudolstadt #1607ru #thürin-gen bei einer thügida Demonstration https://twitter.com/report_antisem/

status/754669830247251968 (eingesehen 7. 12. 2016).

691 Bericht und videos unter: https://de.sputniknews.com/videos/

20160421309361193-eskalationen-thuegida-fakelmarsch-hitler-geburtstag- jena/ (eingesehen 7. 12. 2016).

692 U. a. Beate Küpper/andreas zick/Daniela Krause, Pegida in den Köpfen – wie rechtspopulistisch ist Deutschland?, in: andreas zick/Beate Küpper, wut, verachtung, abwertung. rechtspopulismus in Deutschland, hrsg. von ralf Mel-zer und Dietmar Molthagen für die Friedrich ebert stiftung, Bonn 2015.

693 eigene auswertungen für diesen Bericht. näheres zur studie siehe → ein-stellungen.

Teilnehmenden und hier insbesondere diejenigen, die klar rechtsextrem positioniert werden können, haben sich an den Befragungen nicht beteiligt – dürfte das dort ermit-telte Ausmaß antisemitischer Einstellungen allerdings eine sehr konservative Schätzung sein.

Bei einer Befragung gaben Demonstrationsteilnehmende im Herbst 2015 als Motivation ganz überwiegend die Unzufriedenheit mit dem politischen System an, ein Drit-tel äußerte zudem Ressentiments im Zusammenhang mit

Bei einer Befragung gaben Demonstrationsteilnehmende im Herbst 2015 als Motivation ganz überwiegend die Unzufriedenheit mit dem politischen System an, ein Drit-tel äußerte zudem Ressentiments im Zusammenhang mit