• Keine Ergebnisse gefunden

Der Nahe Osten, Nordafrika und der Mittelmeerraum 1. Allgemeine Entwicklungen

Am 28. Februar 2000 fand in der Wiener Hofburg die 4. Konferenz der

6. Der Nahe Osten, Nordafrika und der Mittelmeerraum 1. Allgemeine Entwicklungen

Nach wie vor bestimmendes Element der Entwicklung im Nahen Osten blieb der arabisch-israelische Friedensprozess. Hier kam es in der zweiten Jah-reshälfte zu einer Verschlechterung der Situation durch das Aufflammen

von Hass und Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern (Näheres siehe Abschnitt „Der Friedensprozess im Nahen Osten“). Ansonsten blieben die politischen Verhältnisse im Großen und Ganzen stabil. Wohl gab es in meh-reren Ländern Wahlen und Regierungsumbildungen, diese brachten aber, mit Ausnahme des Libanon, keine nennenswerten Veränderungen in der in-nenpolitischen Landschaft mit sich.

Von wesentlicher Bedeutung für die Lage in der Nahost-Region war die von Anfang an geringe Kohäsion der Regierungskoalition in Israel. In der Ab-sicht, seiner Friedenspolitik eine breite parlamentarische Basis zu sichern, hatte Ministerpräsident Ehud Barak ein Kabinett gebildet, dem neben Mit-gliedern aus den Reihen seiner eigenen Arbeiterpartei auch Exponenten po-litisch sehr divergierender Fraktionen angehörten. Letzere verließen wegen Differenzen über die Friedensgespräche mit der arabischen Seite im Laufe des Jahres sukzessive das Regierungsteam, sodass nach Ausscheiden der von der religiösen Shas-Partei gestellten Minister der Regierungschef ohne Mehrheit in der Knesset dastand. Schließlich erklärte Barak Anfang Dezem-ber seinen Rücktritt. Eine gleichzeitige Auflösung des Parlaments unter-blieb. Daher war lediglich eine Neuwahl des Ministerpräsidenten notwen-dig geworden, die laut Verfassung durch das Volk zu erfolgen hat (vorgese-hener Wahltermin: 6. Februar 2001). Bezeichnend für die innenpolitische Instabilität in Israel war auch die durch den vorzeitigen Rücktritt von Ezer Weizman notwendig gewordene Neuwahl des Staatspräsidenten im Juli durch die Knesset. Dabei unterlag der Kandidat der Regierungskoalition, Friedensnobelpreisträger Shimon Peres, dem Kandidaten der oppositionel-len Likud-Partei, Moshe Katsav. Die Europäische Union konnte im Jahr 2000 durch die Ratifikation des Assoziationsabkommens und durch die Grün-dung eines „Dialogforums Israel-EU“ ihr Verhältnis zu Israel etwas verbes-sern. Allerdings wurde ihr von israelischer Seite neuerlich einseitige Partei-nahme für die Palästinenser vorgeworfen. Trotz des fortgesetzten Engage-ments der Europäer für den Friedensprozess blieb daher auf israelischen Wunsch die zentrale Vermittlerrolle weiterhin den USA vorbehalten.

Keinerlei Bewegung war in der innen- und außenpolitischen Situation im Irak zu erkennen. Während die schwierige humanitäre Lage der Bevölke-rung andauerte, weigerte sich die RegieBevölke-rung unter Präsident Saddam Hus-sein nach wie vor, die Resolution 1284 des VN-Sicherheitsrates, mit welcher die „United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission“

(UNMOVIC) als neues Rüstungskontrollorgan geschaffen wurde, zu imple-mentieren. Das „Öl für Nahrungsmittel“-Programm der Vereinten Nationen ging weiter. Daneben zeigte sich eine gewisse Erosion bei Durchführung der VN-Sanktionen, die zunehmend weniger konsequent angewendet wurden.

So wurde der zivile Luftverkehr von und nach Bagdad mit Flügen verschie-dener politischer Delegationen und dem Transport humanitärer Hilfsgüter in beschränktem Maß wieder aufgenommen. Die mit Luftangriffen

verbun-denen Kontrollflüge amerikanischer und britischer Kampfflugzeuge in den vom Irak nicht anerkannten Flugverbotszonen gingen weiter.

In Iran waren die Regierung und Präsident Mohammad Khatami bemüht, ih-ren Reformkurs fortzusetzen. Sie konnten auch bei den Parlamentswahlen im Februar einen überzeugenden Sieg über ihre politischen Gegner erzie-len. Die oppositionellen konservativen Kräfte, die noch immer wesentliche Machtstrukturen im Justiz- und Sicherheitsbereich kontrollieren, reagierten mit massiven Gegenaktionen. Dadurch kam es zur Schließung zahlreicher li-beraler Presseorgane, zur Verhaftung von Journalisten und zu gerichtlichen Verfahren gegen reformorientierte Intellektuelle. Die Tätigkeit des Parla-ments wurde behindert und politische Veranstaltungen von Reformgruppen gestört. Dies geschah, obwohl die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hinter der Regierung stand. Der Wahlkampf für die für Juni 2001 angesetzten Präsidentenwahlen ist somit voll entbrannt. Das Schicksal einer Gruppe von dreizehn jüdischen und acht moslemischen Iranern, die wegen Spionage verurteilt worden waren, erregte großes internationales Aufsehen. Das Beru-fungsverfahren führte zu einer Herabsetzung der Strafen. Die Angeklagten haben nun eine weitere Revision beantragt, über die noch nicht entschieden wurde. Außenpolitisch ist es der Regierung Präsident Khatamis durch kon-sequente Entspannungs- und Kooperationsbemühungen gelungen, die Be-ziehungen Irans zur Internationalen Staatengemeinschaft weiter zu ver-bessern. Auch die Kontakte zur EU wurden auf verschiedenen Ebenen fortgeführt – so der politische Dialog und die Beratungen über eine Zusam-menarbeit in technischen Bereichen wie Drogenbekämpfung, Handel und Investitionen. Die EU unterstützt die von Präsident Khatami verfolgte Poli-tik der Öffnung und Liberalisierung.

In Ägypten wurden Ende Oktober und Anfang November Parlamentswahlen abgehalten, die erstmals vollständig unter richterlicher Kontrolle von statten gingen. Dabei mussten die offiziellen Kandidaten der seit Jahrzehnten regie-renden Nationalen Demokratischen Partei verhältnismäßig starke Verluste hinnehmen. Demgegenüber wurden überraschend viele Kandidaten ge-wählt, die den offiziell verbotenen Moslembrüdern nahe stehen. Trotzdem verfügt die Regierungspartei nach wie vor über mehr als vier Fünftel der Ab-geordnetensitze. Am Anfang des Jahres kam es in Oberägypten zu gewaltsa-men Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Kopten, bei denen mehrere Todesopfer zu beklagen waren.

Auch im Libanon gab es im Jahr 2000 Parlamentswahlen. Der Wahlgang (Ende August/Anfang September) brachte einen überraschenden Sieg des früheren Ministerpräsidenten Rafic Hariri, dem neuerlich das Amt des Re-gierungschefs übertragen wurde. Man erwartet von ihm vor allem eine Bele-bung der in Schwierigkeiten befindlichen libanesischen Wirtschaft.

In Syrien übernahm nach dem Tod von Staatspräsident Hafez Al Assad im Juni dessen Sohn Bashar Al Assad die Nachfolge als Staatsoberhaupt. Seine

Bestätigung durch ein Plebiszit erfolgte ohne Gegenkandidaten. Der neue Präsident und die noch unter seinem Vater eingesetzte neue Regierung ha-ben eine vorsichtige Politik wirtschaftlicher Reformen begonnen, die ein in-vestitionsfreundlicheres Klima schaffen soll.

Auf der Arabischen Halbinsel ist es im Laufe des Jahres 2000 zu Regelungen einiger offener Grenzfragen gekommen. So hat Saudi-Arabien im Juni mit dem Jemen und im Juli mit Kuwait Grenzverträge abgeschlossen. Besondere Bedeutung kommt dem Vertrag mit dem Jemen zu, weil dort bisher fast der gesamte Grenzverlauf strittig war.

Keine wesentlichen Änderungen brachte das Jahr 2000 für die Situation in Algerien. Trotz des von Präsident Abdelaziz Bouteflika propagierten Prozes-ses der „Nationalen Versöhnung“, der weiter verfolgt wurde, haben Terror und Gewaltakte islamischer Fundamentalisten gegen Zivilbevölkerung und Sicherheitskräfte im Laufe des Jahres sogar zugenommen. Die wirtschaftli-che und soziale Lage blieb angespannt. Der politiswirtschaftli-che Dialog mit der EU wurde weiter geführt. Als Teilnehmer am Barcelona-Prozess zeigte Algerien Interesse an der Wiederaufnahme der seit 1997 suspendierten Verhandlun-gen über ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union. Diese er-folgte im April.

In Libyen wurde im März die Regierung umgebildet und radikal verkleinert.

Viele bisher von der Regierung wahrzunehmende Kompetenzen wurden auf die Ebene der Regionen übertragen. Libyen zeigte zwar Interesse an einer In-tensivierung seiner Beziehungen zu Europa, andererseits konzentrierte die libysche Staatsführung im Jahr 2000 ihr besonderes außenpolitisches Inte-resse auch auf die Beziehungen zu den Staaten Afrikas.

6.2. Der Friedensprozess im Nahen Osten

Zu Jahresbeginn 2000 war die Situation im Nahen Osten, nicht zuletzt we-gen der neuen israelischen Regierung unter Ministerpräsident Ehud Barak, von Optimismus und hohen Erwartungen in den Friedensprozess geprägt.

So übergab Israel im März weitere Gebiete im Westjordanland an die Paläs-tinensische Nationalbehörde (PNA). Auch die Verhandlungen über den end-gültigen Status wurden weitergeführt. Zwar gab es nicht den erhofften Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen Israel und Syrien, doch löste Barak sein Wahlversprechen ein und zog die israelische Armee im Mai aus der seit 1982 besetzten „Sicherheitszone“ im Südlibanon zurück. Dadurch wurden die dort immer wieder aufflackernden verlustreichen Kampfhand-lungen zwischen israelischen Soldaten und dem libanesischen Widerstand (Hisbollah) weitgehend beendet. Trotz der Grenzabstimmung mit den Ver-einten Nationen blieb die Situation an der israelischen Nordgrenze jedoch weiterhin angespannt. Dies nicht zuletzt deswegen, weil der israelische Rückzug nach libanesischer Auffassung unvollständig war: Israel hält wei-terhin das Gebiet der so genannten „Shebaa Farmen“ militärisch okkupiert.

Dieses ist entsprechend der vom Libanon vertretenen Rechtsauffassung liba-nesisches Territorium. Israel hingegen bezeichnet es als Teil der syrischen Golan-Höhen, über deren Zukunft nur mit Syrien verhandelt werden könne.

Bedingt durch wachsende Spannungen in der israelischen Regierungskoali-tion kam es gegen Jahresmitte zu einer StagnaRegierungskoali-tion der Verhandlungen, wo-durch der für September anvisierte Abschlusstermin der Gespräche über den endgültigen Status unhaltbar wurde. Auch der multilaterale Friedens-prozess, dessen Reaktivierung mit einem Treffen des „Steering Committee“

am 31. Jänner und 1. Februar in Moskau versucht worden war, konnte nicht fortgeführt werden. Die USA intensivierten daraufhin ihre Vermittlungsbe-mühungen, und Präsident Bill Clinton lud die politischen Führer der Kon-fliktparteien, Ministerpräsident Barak und Präsident Yasser Arafat, im Juli zu Gipfelgesprächen nach Camp David bei Washington. Dabei wurden so-wohl eine beträchtliche Annäherung der Standpunkte erzielt als auch erst-mals heikle Fragen behandelt, die bis dahin tabu waren, wie zum Beispiel das Problem der Souveränität über Jerusalem. Das Treffen endete trotzdem ergebnislos und brachte nicht den ersehnten durchschlagenden Erfolg. Die Kontakte wurden fortgesetzt, und die palästinensische Seite verzichtete wei-terhin auf die einseitige Ausrufung eines unabhängigen Palästinenser-staates.

Ende September änderte sich die Situation schlagartig: Nach einem Besuch des israelischen Oppositionsführers Ariel Sharon in den islamischen heili-gen Stätten der Altstadt von Jerusalem brachen die gewaltsamen Konfronta-tionen zwischen Israelis und Palästinensern in einem Ausmaß wieder aus, wie dies seit den Friedensverhandlungen von Oslo nicht mehr vorgekom-men war. Diese Konfrontationen – von palästinensischer Seite „Aksa Inti-fada“ genannt – haben bis Jahresende mehr als 320 Todesopfer (etwa 90%

davon Palästinenser) und über 9.000 Verletzte gefordert sowie immensen wirtschaftlichen Schaden (vor allem für die palästinensischen Gebiete) ver-ursacht. Im Zuge der gewaltsamen Ausschreitungen kam es auch zu den schwersten Auseinandersetzungen mit der arabischen Minderheit in Israel selbst seit 1948. Erstmals seit Jahren gab es auch wieder Bombenanschläge in Israel. Die vielen Versuche der Internationalen Gemeinschaft, ein Ende der Gewalt und eine Wiederbelebung des Friedensprozesses zu ermögli-chen, zeigten bis Jahresende kaum Ergebnisse. Ein Ende der Unruhen war nicht abzusehen. Lediglich die im Oktober von den Konfliktparteien unter Vermittlung der USA und erstmals auch der EU im ägyptischen Sharm El-Sheikh vereinbarte internationale Untersuchungskommission unter Leitung des ehemaligen US-Senators George Mitchell hatte bis Jahresende ihre Ar-beit aufgenommen. Der VN-Sicherheitsrat und die Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilten am 7. Oktober den Einsatz exzessiver Ge-walt durch Israel gegen palästinensische Demonstranten. Gegen Jahresende unterbreitete Präsident Clinton, ausgehend von der in Camp David erzielten

Annäherung der Standpunkte, einen Kompromissvorschlag für eine Frie-densregelung zwischen Israel und den Palästinensern, der ebenfalls keine Wende herbeiführen konnte.

Auch die Europäische Union hat sich im Jahr 2000 bemüht, ihren Beitrag zum Friedensprozess zu leisten. Angesichts der bedrohlichen Eskalation von Hass und Gewalt rief die Union wiederholt zu Besonnenheit und Rück-kehr zum Verhandlungstisch auf. So verabschiedetet der Europäische Rat am 8. Dezember bei seiner Tagung in Nizza eine Erklärung, worin ein Ende der Gewalt, die Wiederaufnahme der Friedensgepräche sowie vertrauensbil-dende Maßnahmen gefordert wurden. Erstmals war auch der Hohe Reprä-sentant der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, aktiv in die Vermittlungsgespräche eingebunden. Er ist auch Mit-glied der erwähnten Untersuchungskommission unter Senator Mitchell.

6.3. Die Euro-Mediterrane Partnerschaft (Barcelona-Prozess)

Nach fünf Jahren der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Anrainer-staaten des Mittelmeeres zog die IV. Europa-Mittelmeer-Tagung der Außen-minister in Marseille (15./16. November) Bilanz über die bestehende Part-nerschaft und diskutierte Mittel und Wege ihrer Intensivierung.

Die Euromed-Partnerschaft ist die erste europäische Initiative im Mittel-meerraum, die seit der Barcelona-Konferenz vom November 1995 systema-tisch die polisystema-tische und wirtschaftliche Schiene in einer sich gegenseitig verstärkenden Weise einzusetzen versucht. Oberstes Ziel ist dabei die Er-richtung einer gemeinsamen Zone des Friedens, der Stabilität und Prosperi-tät. Schwerpunkte des Barcelona-Prozesses bilden die Zusammenarbeit im politischen und sicherheitspolitischen Bereich, eine Wirtschafts- und Fi-nanzpartnerschaft sowie die Vertiefung der sozialen, kulturellen und huma-nitären Kooperation.

Trotz der schwierigen Lage im Nahen Osten brachte die Marseille-Konferenz ein Bekenntnis zur Fortführung und Intensivierung des politischen Dialo-ges. Die Annahme einer „Charta für Frieden und Stabilität“ als Rahmenver-trag zur Festschreibung des politischen Dialogs und zur Implementierung der Prinzipien der Barcelona-Erklärung war angesichts des ungünstigen po-litischen Umfeldes in Marseille nicht möglich. Die Arbeiten an der Charta werden jedoch weitergeführt, um eine Annahme unter politisch besseren Bedingungen zu ermöglichen. Der Dialog soll in den Bereichen Terrorismus-bekämpfung und Migrationsfragen weiter vertieft und auf Gebiete wie Si-cherheitsfragen, Abrüstung, Menschenrechte und Demokratie ausgeweitet werden.

Im Bereich der wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeit wurden zwar die Anstrengungen mehrerer Mittelmeerpartnerstaaten bei Wirtschafts-reformen positiv erwähnt, insgesamt jedoch als noch nicht ausreichend

er-achtet. Die ausländischen Investitionen in den Partnerstaaten sind nach wie vor unzureichend. Der regionale Süd-Süd-Integrationsprozess steht erst am Beginn und muss verstärkt werden. Die im Rahmen des MEDA-Programmes vorgesehenen finanziellen Begleitmaßnahmen der Partnerschaft wurden zwar begrüßt, auf Grund der komplexen Entscheidungsverfahren auf EU-und Partnerseite sowie ihrer langwierigen Auszahlungsmodalitäten gleich-zeitig aber auch kritisiert. Für die Finanzperiode 2000– 2006 sind für MEDA 5,35 Milliarden Euro vorgesehen, dazu kommen mögliche EIB-Finanzierun-gen in Höhe von 7,4 Milliarden Euro. Das gemeinsame Ziel der Errichtung einer Freihandelszone bis zum Jahre 2010 wurde bekräftigt und gleichzeitig die Bedeutung der wirtschaftlichen Öffnung der Partnerstaaten mit Unter-stützung der EU unterstrichen.

Was die soziale, kulturelle und menschliche Dimension der Partnerschaft betrifft, hat die Konferenz die Bedeutung der laufenden Regionalprogramme in den Bereichen Kultur, audiovisuelle Kooperation und Jugend unterstri-chen. Das vorhandene Potenzial wurde bisher nicht zur Gänze ausgeschöpft, insbesondere hinsichtlich sozialer Aspekte, Zivilgesellschaft und der menschlichen Dimension. Deshalb sollen vor allem die sozialen Auswir-kungen der wirtschaftlichen Reformmaßnahmen, unter anderem durch För-derung der Ausbildung und Reformen der Ausbildungssysteme, in Hinkunft mehr in Betracht gezogen werden. Dazu wird ein neues Regionalprogramm im Sozialbereich eingerichtet, das in erster Linie auch die Integration der Frauen in das Wirtschaftsleben zum Ziel haben wird. Die kulturelle Zusam-menarbeit soll durch Fortsetzung der Programme „Kulturelles Erbe“ und

„Audiovisuelle Kooperation“ sowie durch die Einrichtung eines neuen Pro-grammes „Humanwissenschaften“ verstärkt werden. Ein weiteres neues Re-gionalprogramm soll den Fragenkomplex Justiz und Inneres umfassen.

Schließlich soll das Programm MEDA-Demokratie auch in Hinkunft die Ein-bindung der Zivilgesellschaft in existierende Aktivitäten der Partnerschaft sicherstellen.

Derzeit nehmen Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, die Palästinensi-sche Nationalbehörde, Israel, Jordanien, Libanon, Syrien, die Türkei, Zy-pern und Malta an der Partnerschaft mit den 15 EU-Mitgliedsstaaten teil.

Libyen, das aus politischen Gründen (Lockerbie-Affäre) zunächst von der Teilnahme ausgeschlossen war, könnte nunmehr Vollmitglied werden, hat jedoch entgegen aller Erwartungen bisher noch nicht die einzige Vorausset-zung für die Teilnahme erfüllt, nämlich die Übernahme des Barcelona-Acquis zu notifizieren.

Weitere wichtige Treffen im Rahmen des Barcelona-Prozesses waren am 22./

23. Juni eine Europa-Mittelmeer-Tagung der Industrieminister in Limassol/

Zypern als Folgeveranstaltung des unter österreichischer Präsidentschaft or-ganisierten Treffens in Klagenfurt (Oktober 1998) sowie eine informelle Kon-ferenz der Außenminister, die im Mai unter portugiesischer Präsidentschaft

zur Vorbereitung der Barcelona-IV-Konferenz in Marseille organisiert wurde.

Bilaterale Assoziationsabkommen zwischen der EU und ihren Mittelmeer-partnern sollen den multilateralen Barcelona-Prozess unterstützen und zur Errichtung einer Freihandelszone zwischen der EU und den Mittelmeer-partnern im Jahr 2010 führen. Derzeit sind Assoziationsabkommen mit der Türkei, Malta, Zypern, Tunesien, der Palästinensischen Nationalbehörde, Marokko (seit 1. März 2000) sowie Israel (seit 1. Juni 2000) in Kraft. Für das Abkommen mit Jordanien fehlten Ende 2000 noch die Ratifizierungen zweier Mitgliedsstaaten. Die Verhandlungen mit Ägypten sind abgeschlos-sen, die Unterzeichnung steht bis jetzt noch aus. (Der Text wurde schon pa-raphiert, muss aber vor der offiziellen Unterzeichnung noch in die Amts-sprachen übersetzt werden. Die endgültige Unterzeichnung wird für April erwartet.) Mit Algerien (zum ersten Mal seit 1997), dem Libanon sowie Sy-rien wurden im Jahre 2000 die Verhandlungen fortgesetzt.

Die nächste Europa-Mittelmeer-Konferenz der Außenminister (Barcelona V) soll unter spanischem Vorsitz in der ersten Jahreshälfte 2002 stattfinden. Zu-vor wird die belgische Präsidentschaft zur Verstärkung des euro-mediterra-nen Dialoges eine Ministertagung in der zweiten Jahreshälfte 2001 durch-führen.

6.4. Gemeinsame Strategie für den Mittelmeerraum

Unter portugiesischer Präsidentschaft wurde beim Europäischen Rat von Feira die Gemeinsame Strategie der EU für den Mittelmeerraum beschlos-sen. Ihr Ziel ist insbesondere die Schaffung eines Mehrwerts gegenüber den schon bisher existierenden Politiken im Mittelmeerraum: Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit, Unterstützung der Partnerländer auf dem Gebiet der Lukrierung ausländischer Investitionen sowie die Förderung des Süd-Süd-Handels und der regionalen Kooperation und Integration, verstärkte Kooperation in den Bereichen Justiz und Inneres (u. a. Kampf gegen Drogen und organisierte Kriminalität) sowie Ausbau des sozialen Dialogs, Vertiefung der Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Ausbildung sind wesentliche Elemente der Politiken und Aktivitäten der Union beim Ausbau der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft.

6.5. Organisationen der multilateralen Zusammenarbeit 6.5.1. Arabische Liga

Die 113. und die 114. Ministertagung der Arabischen Liga (März bzw. Sep-tember) sowie der Gipfel der Arabischen Liga im Oktober in Kairo standen im Zeichen des Nahost-Friedensprozesses, wobei die Frage des Status von Jerusalem besondere Betonung fand. Bei der 114. Ministertagung wurde

ent-schieden, die Fortsetzung des Friedensprozesses auf der Basis der VN-Reso-lutionen 242 und 338 sowie des „land-for-peace“-Prinzips zu unterstützen.

Gleichzeitig wurde dazu aufgerufen, Maßnahmen zum Abbruch diplomati-scher Beziehungen zu Staaten zu setzen, die Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Der Gipfel hielt die Friedensoption auch im Gefolge des stei-genden Drucks auf die arabischen Regierungen wegen der israelischen Über-griffe gegen Palästinenser aufrecht und beschloss die jährliche Abhaltung ei-nes Gipfeltreffens.

6.5.2. Organisation der Islamischen Konferenz (OIC)

Beim 9. Gipfel der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) am 12./

13. November in Doha/Katar hat Katar den Vorsitz für die nächsten drei Jahre vom Iran übernommen. In der Abschlusserklärung wurden die Mit-gliedsstaaten zu einem Abbruch bestehender Beziehungen mit Israel einge-laden und die USA zur Änderung ihrer Haltung im Nahost-Friedensprozess aufgefordert. Bemühungen einiger Staaten um ein direktes Treffen zwischen der irakischen und kuwaitischen Delegation blieben erfolglos. Hingegen traf VN-GS Kofi Annan mit dem irakischen Vizepräsidenten zusammen. Zum neuen Generalsekretär der OIC für die Amtsperiode vom 1. Jänner 2001 bis 31. Dezember 2004 wurde der ehemalige marokkanische Außenminister Abdelouahed Belkeziz gewählt. Dieser löst Ezzedine Laraki, ebenfalls Marokkaner, ab.

Beim zweiten Treffen im Rahmen des Dialogs zur verstärkten Erörterung von Fragen gemeinsamen Interesses zwischen der OIC und der Europäischen Union am 12. Dezember in Katar standen die Themen Nahost-Friedenspro-zess, Afghanistan, Zentralasien/Kaukasus und Westbalkan im Vordergrund.

6.5.3. Golfkooperationsrat (GCC)

Der Golfkooperationsrat (GCC), 1981 als Forum einer engeren

Der Golfkooperationsrat (GCC), 1981 als Forum einer engeren