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Am 28. Februar 2000 fand in der Wiener Hofburg die 4. Konferenz der

10. Lateinamerika und die Karibik

Die weiter fortschreitende Verankerung von Demokratie und Stabilität in La-teinamerika fördert gemeinsam mit dem expandierenden Markt das welt-weite Interesse am Ausbau politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu dieser Region. Überraschend schnell haben sich die meisten Länder Latein-amerikas von den Turbulenzen der Jahre 1998 und 1999 erholt und es wird für 2000 eine Wachstumsrate von 3,7% und für 2001 von 3,9% (reale Verän-derung des BIP) prognostiziert. Dennoch bleibt in Lateinamerika die Sorge hinsichtlich einer neuen internationalen Finanzarchitektur bestehen, weil sich gezeigt hat, dass die Internationalen Finanzinstitutionen einer Situa-tion, wie sie die letzte Finanzkrise gebracht hat, nicht gewachsen waren.

Chile als nächstes Vorsitzland der Rio-Gruppe will, dass dieser Frage ver-mehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird, und hat vorgeschlagen, das Thema

„internationale Finanzarchitektur“ in künftige Gespräche aufzunehmen. In Lateinamerika besteht die Befürchtung, in die Neuerungen auf dem Tele-kommunikationssektor nicht ausreichend einbezogen zu werden („techno-logischer Analphabetismus“), und man spricht sich deshalb dafür aus, „die Globalisierung zu globalisieren“, wie es der kolumbianische Außenminister als Repräsentant des Vorsitzlandes der Rio-Gruppe ausgedrückt hatte.

Die Länder Lateinamerikas werfen den „reichen“ Ländern Protektionismus vor: Lag der Anstieg bei den Importen 1992 bis 1998 bei 146%, waren es bei den Exporten im selben Zeitraum nur 61%. Grund dafür seien vor allem die nicht-tarifären Handelshemmnisse der USA und die Agrarpolitik der EU-Mitgliedsstaaten. Daher wird von Südamerika der Beginn einer neuen Han-delsrunde verlangt, wobei vor allem der Liberalisierung im Agrarbereich be-sonderes Augenmerk gewidmet werden soll. Ein weiteres wichtiges latein-amerikanisches Anliegen ist die Förderung der Infrastruktur, allerdings ist noch nicht annähernd klar, wer den finanziellen Gesamtbedarf für Infra-strukturprojekte in geschätzter Höhe von 200 Milliarden US-Dollar für die nächsten zehn Jahre aufbringen soll.

Trotz aller Maßnahmen zur Schuldenreduzierung haben sich die Fremd-währungsverbindlichkeiten Lateinamerikas in den Neunzigerjahren auf fast 800 Milliarden US-Dollar verdoppelt. Angesichts erhöhter Zinsen in den USA wurde im Jahr 2000 gelegentlich die Sorge vor einer neuen lateiname-rikanischen Schuldenkrise laut. Dabei wurde allerdings häufig von den un-günstigen Daten der Jahre 1998 und 1999 ausgegangen. Auf Grund der tat-sächlichen Entwicklung im Jahr 2000 besteht Grund zur Hoffnung, dass die Gesamtverschuldung Lateinamerikas erstmals seit vielen Jahren unter die 200%-Marke (angegeben in % der Exporte = Güter und Dienste) sinkt.

10.1. Politische Entwicklungen

In freien und fairen Wahlen wurde in Mexiko die 71 Jahre lang an der Macht befindliche Partei PRI (Partido de la Revolución Institucionalizada) abge-wählt. Der Wahlsieger Vicente Fox von der PAN (Partido Acción Nacional) bekannte sich noch in der Wahlnacht zur grundsätzlichen Kontinuität der Außen- und Wirtschaftspolitik. Nach seinen Antrittsbesuchen in Südame-rika, Kanada, den USA und Zentralamerika besuchte der Präsident vom 30. September bis 6. Oktober 2000 einige EU-MS, wo er jeweils auf höchster Ebene empfangen wurde. Während Fox bei seinen Besuchen in Europa die wirtschaftlichen Aspekte der Beziehungen unterstrich, betonten die euro-päischen Gesprächspartner die Bedeutung der politischen Dimension des (im Rahmen des Global-Abkommens stattfindenden) Institutionalisierten Dialoges, der alle bilateralen und internationalen Angelegenheiten gemein-samen Interesses umfasst und eine Menschenrechtsklausel enthält.

Nachdem die Wahlen vom April/Mai in Peru von der internationalen Ge-meinschaft als nicht regulär betrachtet wurden, machte der Rücktritt von Präsident Alberto Fujimori nach den Ereignissen rund um den de facto Chef des Inlandsgeheimdienstes SIN den Weg für die Abhaltung freier Wahlen 2001 unter dem interimistischen Präsidenten und ehemaligen Parlaments-präsidenten Valentín Paniagua frei. Die Gespräche zwischen Regierung, Op-position und ziviler Gesellschaft an der „mesa de diálogo“ leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Rückkehr Perus zur Demokratie, und die

Betrau-ung des ehemaligen VN-GS Javier Pérez de Cuéllar mit den Funktionen des Vorsitzenden des Ministerrates und Außenministers in der Übergangsregie-rung soll dies auch garantieren.

Kolumbien hat sich trotz der Friedensbemühungen der Regierung Pastrana in einen Krisenherd der Andenregion verwandelt. Die Aktivitäten der ver-schiedenen Guerrillagruppen und Paramilitärs sowie ihre Verflechtungen mit dem internationalen Drogenhandel machten sich zunehmend grenz-übergreifend bemerkbar. Die Dynamik der Friedensverhandlungen mit der größten Guerillagruppe FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colom-bia) nahm im Laufe des Jahres merklich ab und die entmilitarisierte Zone wurde im Oktober nur um knapp drei Monate verlängert. Die Zukunft des Friedensprozesses ist derzeit ungewiss. Ein 1999 von der kolumbianischen Regierung vorgelegter Plan („Plan Colombia“) will mit 7,5 Milliarden US-Dollar Hilfe zur Beendigung des seit 36 Jahren dauernden Guerillakrieges beitragen. Die USA haben dazu ein vom Senat am 22. Juni approbiertes Pa-ket von rund 1,3 Milliarden US-Dollar für Hilfe an Kolumbien bereit gestellt, das neben menschenrechtlichen und sozialen Aspekten auch Elemente der Bekämpfung der illegalen Drogenproduktion und des Drogenhandels ent-hält. Die militärische Komponente des Plans, die von der Guerilla in erster Linie gegen sie gerichtet gesehen wird, hat auch in den Nachbarstaaten Kri-tik geerntet, da diese ein Übergreifen der militärischen Konflikte auf ihr ei-genes Territorium („Spill Over-Effekt“) fürchten. Im Jahre 2000 fand eine Reihe von Treffen zur Unterstützung von Friedensprozessen in Kolumbien statt, in die die internationale Gemeinschaft und auch Österreich aktiv ein-gebunden waren: Die Treffen am 19. Juni in London und am 7. Juli in Mad-rid sowie die Konferenz vom 24. Oktober in Bogotá dienten der Identifizie-rung eines europäischen Beitrages zur Unterstützung des Friedensprozesses.

Die von der Europäischen Union dabei artikulierten Schwerpunkte lagen auf der Unterstützung des Rechtsstaates, der Verteidigung der Menschen-rechte und des humanitären Völkerrechts, dem Hintanhalten von Gewalt, dem Schutz der Biodiversität und der Unterstützung der regionalen Zusam-menarbeit. Im Juni ließ bei einem Treffen in San Vicente de Caguán die FARC erstmals die Bereitschaft erkennen, der internationalen Gemeinschaft eine Rolle im Friedensprozess zukommen zu lassen, worauf bei einem wei-teren Treffen in Paris im Dezember aufgebaut wurde. Die EU hat sich wieder-holt und energisch für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen der Regierung und der Guerilla zum Erreichen eines dauerhaften Friedens eingesetzt.

Der Gemeinsame Standpunkt der EU zu Kuba vom 2. Dezember 1996 wurde evaluiert und zum achten Mal erneuert. Ziel dabei ist es, den Über-gang zu Demokratie und Pluralismus in Kuba einschließlich der vollen Achtung der Menschenrechte im Rahmen eines politischen Dialoges zu fördern. Dieser gestaltete sich jedoch nicht immer einfach und der

überra-schende kubanische Rückzug des Beitrittsantrages zum AKP-EU-Abkom-men (Cotonou-AbkomAKP-EU-Abkom-men vom 23. Juni 2000) war diesem Ziele wenig för-derlich.

In Chile ging aus der Stichwahl vom 16. Jänner der Kandidat der Regierungs-koalition „Concertación“ Ricardo Lagos als Sieger gegen Joaquín Lavín und damit zukünftiger Präsident hervor (der erste sozialistische Inhaber dieses Amtes seit Salvador Allende). Zur Entspannung der Kontroverse um die Zeit der Militärdikatur hat die Einrichtung eines Runden Tisches (Menschen-rechtsanwälte, Vertreter des Militärs, von Menschenrechtsorganisationen und der Kirche) im August 1999 beigetragen, der das Ziel verfolgt, das Schicksal der während der Militärdiktatur Verschwundenen zu klären. Das Schlussdokument des Runden Tisches vom 13. Juni 2000 enthält erstmals eine implizite Verurteilung der während der Militärdiktatur begangenen Verbrechen. Nach Aufhebung der Immunität erfolgte eine Anklageerhebung gegen General Pinochet am 1. Dezember.

Hugo Chávez wurde in Venezuela als eindeutiger Sieger der allgemeinen Wahlen am 4. August offiziell zum Präsidenten bis zum Jahr 2006 erklärt.

Am 27. September fand in Caracas ein Gipfel der Staatschefs aller OPEC-Staaten statt, die Chávez in einer persönlichen „tour des capitales“ zu dem Treffen eingeladen hatte und in deren Zuge er neue außenpolitische Akzente mit seinem Besuch in Bagdad gesetzt hatte.

Der bereits seit längerer Zeit zu beobachtende Fortschritt Brasiliens auf dem Weg zu einer führenden politischen und wirtschaftlichen Macht des süd-amerikanischen Kontinents erfuhr durch die Abhaltung des Gipfeltreffens der Präsidenten aller südamerikanischer Länder vom 31. August bis 1. Sep-tember in Brasilia neuen Auftrieb.

10.2. Regionale Integrationsforen

In der Andinischen Gemeinschaft, der Bolivien, Ekuador, Peru, Venezuela und Kolumbien angehören, ging am 1. Juni der Vorsitz von Peru auf Vene-zuela über. Zwar verzeichnete das Wirtschaftswachstum innerhalb der Ge-meinschaft gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 27%, dennoch wird allgemein von einer Krise gesprochen. Ursache dafür scheint sowohl der Mangel an politischem Willen zur Integration als auch an wirtschaftlichen Voraussetzungen zu sein. So existiert weder ein gemeinsamer Außenhan-delszoll noch eine gemeinsame Basis für eine Agrarpolitik. Ein von 8. bis 10. Dezember geplanter Sondergipfel der Gemeinschaft in Cumaná kam nicht zustande.

Die 18 Mitglieder der Rio-Gruppe (zwölf lateinamerikanische Staaten, fünf