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Lokale Traditionen: Apollon, die Nymphe Kyrene und die Argonauten

F. Homogenisierung durch gestiftete Traditionen

2. Lokale Traditionen: Apollon, die Nymphe Kyrene und die Argonauten

Eine Erzählung, die zuerst in der Kyrenaika und schließlich in Griechenland kursiert, behandelt die romantische Beziehung zwischen Apollon und der Nymphe Kyrene. Die Erzählung begegnet zuerst in der neunten Pythie Pindars, verfasst zu Ehren eines gewissen Telesikrates von Kyrene, der im Jahre 474 v. Chr. im Waffenlauf siegt. Einigen Forschern zufolge sollen einzelne Passagen einer kyrenischen Vorlage entstammen, sonst würde Pindar die Ankunft Apollons und der Nymphe in Libyen nicht in dieser Pythie feiern.548 Die Ode umfasst fünf Triaden, die ersten drei (Z. 5-75) enthalten, nach einleitenden Sätzen, die Erzählung über Apollon und die Nymphe Kyrene und einen Dialog zwischen Apollon und dem Kentauren Cheiron. In der vierten Triade (Z. 76-100) kehrt Pindar zum geehrten Telesikrates zurück und zählt einige vorangegangene Siege auf. Die fünfte und letzte Triade (Z. 101-125) erzählt von Alexidamos, einem Vorfahren des Telesikrates, der nach Libyen kommt, um an einem Wettlauf teilzunehmen.549 In den ersten vier Versen preist Pindar Telesikrates, den Sieger im Waffenlauf bei den pythischen Spielen in Delphi:550

survived in the literary record – sometimes over many centuries – is that they all served a meaningful function at some time or another.“

548 Für Giangiulio 2001, 122 gehörte der Erzählstoff zum „cultural heritage of the Libyan city.” Laut Drexler 1931, 458-459. 463-464 hätte Pindar einige lokale Erzählungen, wie den Kampf der Nymphe mit einem Löwen, für seine Dichtung umgemünzt und den Schauplatz nach Thessalien verlegt. Auch die kyrenischen Dichter Akesandros (FGrHist 469 F 4) und Kallimachos (im Apollonhymnos V. 91) lokalisieren den Kampf dagegen in Libyen. Ebenso meint West 1985, 87, Pindar sei „responsible for transferring the heroine’s fight with the lion, a piece of local Cyrenaic mythology, from Africa to Thessaly. Neither the lion nor Apollo’s colloquy with Cheiron is likely to have appeared in the Ehoie.“ Nach Drexler 1931, 464 seien Pindars Quellen, welche die Sage vom Löwenkampf überliefern, Telesikrates oder das Schatzhaus der Kyrener in Olympia. An diesem Gebäude befindet sich ein Relief, das den Kampf der Nymphe gegen einen Löwen darstellt.

549 s. zur neunten Pythie Dougherty 1993a, 136-152.

550 Die folgenden Pindar-Passagen wurden von E. Dönt übersetzt.

Ἐθέλω χαλκάσπιδα Πυθιονίκαν σὺν βαθυζώνοισιν ἀγγέλλων Τελεσικράτη Χαρίτεσσι γεγωνεῖν, ὄλβιον ἄνδρα, διωξίππου στεφάνωμα Κυράνας·

„Den Pythiensieger im erzenen Schild, Telesikrates, / will ich kundtun mit der tiefgegürteten / Chariten Huld und ihn laut rühmen, / den gesegneten Mann, den prangenden Stolz des rosseführenden Kyrene.“

Mit einem Relativpronomen (τὰν) in der fünften Zeile leitet Pindar zum Mythos der Nymphe Kyrene über. Apollon raubte sie einst in den Schluchten des Pelion und entführte sie nach Libyen. Aphrodite empfängt das Brautpaar und entfacht ihre Liebe (V. 5-13). Als nächstes beschreibt Pindar den Hintergrund der Nymphe (V. 14-25). Kyrene ist die Tochter des Hypseus, des Lapithenkönigs, doch ihre Abkunft lässt sich bis auf die Naturgewalten (Okeanos, Gaia) zurückverfolgen. Kyrene präferiert das Leben einer Kriegerin und Apollon erblickt sie zu ersten Mal, als sie mit einem Löwen ringt (V. 26-28). Apollon ruft den Kentauren Cheiron herbei und erkundigt sich bei ihn über Kyrene. Cheiron prophezeit, im Auftrag Apollons, die Eheschließung mit der Nymphe, die Geburt des gemeinsamen Sohnes Aristaios und die spätere Gründung der Stadt Kyrene. Der Kentaur leitet seine Prophezeiung mit dem Argument ein, die Frage des allwissenden Gottes der Prophezeiungen sei auf dessen Verliebtheit (V. 41-42) zurückzuführen. Indem Cheiron in den Versen 51-58 von der Eheschließung mit Kyrene und ihrer Reise nach Libyen, die zukünftige Besiedlung durch die Theraier und die Akzeptanz der Nymphe durch das personifizierte Libyen erzählt, übernimmt er die Rolle des delphischen Orakels:

Cheiron schließt seine Prophezeiung mit einem weiteren zukünftigen Ereignis, der Geburt des gemeinsamen Sohnes Aristaios ab, der unsterblich und neben den Horen und Gaia thronen wird (V. 59-65). Am Ende der Erzählung über die Nymphe Kyrene dichtet Pindar vom Vollzug der „freudigen Verbindung“ im „goldenen Gemach in Libyen“ (V. 66-69). Cheiron sagt letztendlich drei zukünftige Ereignisse voraus: die Überführung der Nymphe Kyrene nach Libyen und ihre dortige Eheschließung mit Apollon, die historische Gründung der Stadt und die Geburt des gemeinsamen Sohnes. Anstatt den Oikisten Battos als Gründer ins Gedächtnis zu rufen, wie Pindar es in der vierten und fünften pythischen Ode tut, beschwört er die eponyme Nymphe Kyrene und umschreibt mit Analogien die Besiedlung der Kyrenaika. Ins Auge sticht vor allem die formale Eheschließung zwischen Apollon und Kyrene, denn nur selten vermählen sich Götter mit mythischen Figuren, mit denen sie Kinder zeugen. Die Prophezeiung fährt dann mit der Überführung der Nymphe nach Libyen fort, wo Apollon ein

„Inselvolk“ hinführen wird. Es wird kein Zeitraum genannt. Schließlich gewährt Libya der Nymphe einen gerechten Anteil am Land.

Die in der neunten Pythie dreimal beschriebene Ehe zwischen Apollon und Kyrene bildet nach Malkin eine „primordial creation story“ von Kyrene und wirft ihren Schatten auf die historische Gründung voraus.551 Die Verbindung zwischen der Nymphe Kyrene und Apollon ist keine Gründungsgeschichte an sich, die nach Libyen transferierte Kyrene wird das Land bewohnen (V. 8: οἰκεῖν) und nicht gründen (ἀποικίζειν). Es ist das „Inselvolk“, mit denen sicherlich die Theraier gemeint sind, die Kyrene einmal erbauen. Kyrene wird lediglich die Ehre zuteil, die eponyme Nymphe der Stadt zu werden und erhält von Λιβύα, der Personifikation des Kontinents, ein Stück Land als Ausgangspunkt für die spätere Besiedlung der Region. Pindar stellt das Eintreffen der Siedler als Verwirklichung der Prophezeiung des Kentauren Cheiron an Apollon dar, die Verse legitimieren die Präsenz der Siedler in der

551 Malkin 1994, 173.

ἐρέω· ταύτᾳ πόσις ἵκεο βᾶσσαν τάνδε, καὶ μέλλεις ὑπὲρ πόντου Διὸς ἔξοχον ποτὶ κᾶπον ἐνεῖκαι·

ἔνθα νιν ἀρχέπολιν θήσεις, ἐπὶ λαὸν ἀγείραις νασιώταν ὄχθον ἐς ἀμφίπεδον·

νῦν δ᾽ εὐρυλείμων πότνιά σοι Λιβύα δέξεται εὐκλέα νύμφαν δώμασιν ἐν χρυσέοις πρόφρων· ἵνα οἱ χθονὸς αἶσαν

αὐτίκα συντελέθειν ἔννομον δωρήσεται, οὔτε παγκάρπων φυτῶν νά-

ποινον, οὔτ᾽ ἀγνῶτα θηρῶν.

„will ich dir sagen: als Mann für dieses Mädchen bist du in dieses Tal / gekommen, und du wirst sie über das Meer / in den erlesenen Garten des Zeus bringen. / Dort wirst du sie zur Stadtherrin machen und Inselvolk / in das hügelige Gefilde führen. Jetzt wird Libyen, die Gebieterin über weite Fluren, / das vielgerühmte Mädchen mit Freuden in goldenem Palast aufnehmen, / hier wird ihr das Land / sogleich Teilhaberecht gewähren, / das reich an fruchtbringenden Pflanzen und wohlvertraut ist mit den Tieren.“

Kyrenaika 552 und weisen auf Mischehen hin, da Eheschließungen als Metapher für Siedlungsgründungen und Mischehen zwischen Siedlern und einheimischen Frauen stehen können.553 Dabei beschreibt Pindar die Entführung und Ehe mit Apollon als Prozess einer Zivilisierung der Nymphe und kontrastiert die „nymph’s prematural primitive nature“ (Dougherty) in den windigen Bergen Thessaliens mit ihrer zukünftigen Rolle als Herrin im fruchtbaren, kultivierten Libyen.554

Wie ein Scholiast schreibt, benutzt Pindar für die Erzählung von Apollon und Kyrene den hesiodischen „Frauenkatalog“ als Quelle, der Scholiast zitiert dann zwei Hexameter, die höchstwahrscheinlich die Ήοῖαι der Kyrene einleiten.555 Die Kyrene-Ehoie, welche die Gründung von Kyrene voraussetzt, belegt also, dass der Verfasser des Frauenkatalogs nicht Hesiod sein kann, denn dieser wirkt um die Wende zum 7. Jh. v. Chr. Grundlegend für eine Datierung des Frauenkataloges sind die Arbeiten von M. West, dessen Ergebnisse die Forschung weitgehend akzeptiert hat. West argumentiert aus linguistischen und historischen Gründen für eine Abfassung des Katalogs in die Jahre 580-520 v. Chr.556 Für West wird der Katalog in Athen in einer Zeit abgefasst, als man mithilfe von mythischen Genealogien unterschiedliche Stämme zusammenführen oder ausschließen will. 557 Obwohl es also naheliegend ist, den Katalog als Quelle Pindars anzusehen, zeigen Kompositionen wie die vierte pythische Ode, dass Pindar seine Quellen nicht einfach nacherzählt. Aufgrund des nur in Fragmenten überlieferten Frauenkataloges lässt sich aber nicht entscheiden, in welchem Detail Pindar dem hesiodischen Werk folgt.558

Ebenfalls aus der Kyrenaika stammen, so die These von West, auch die Versuche, die Argonauten bei ihrer Rückkehr aus Kolchis durch Libyen ziehen zu lassen.559 Die Argonauten begegnen bereits in den homerischen Epen (Hom. Il. 7, 467-469; Od. 11, 254-259; 12, 69-72) und sind beim Hörerkreis als bekannt vorauszusetzen. Auch Hesiod spielt auf die Argonautensage an (theog. 992-1003).560 Die Argonautensage spielt im 6./5. Jh. v. Chr. in Kyrene eine größere Rolle und begegnet deshalb mehrfach in den Quellen. Anstatt von Besiedlung zu sprechen, erzählt der Mythos von der Öffnung des Landes und der

552 Im Gegensatz dazu berichtet Herodot (4, 159) vom Zusammenstößen zwischen den Siedlern und Libyern.

553 Diese Interpretation verficht Dougherty 1993a, 140.

554 Den Aspekt der Zivilisierung belechten Robbins 1978, 97-100; Carson 1982, 127-128; Dougherty 1993a, 141-143. Das Zitat bei Dougherty 1993a, 141. Miller 1997, 168 zufolge ist mit der Erdscholle Ackerland gemeint;

Libyen liege in der Zeit des Argonautenzuges brach und werde erst durch die Siedlungsgründungen fruchtbar gemacht.

555 Hes. fr. 215 M/W = Schol. Pind. P. 9. 6a Drachmann 221: τὰν ὁ χαιτάεις: εἰς τὴν ἡρωίδα, ἀφ’ ἧς τοὔνομα ἔλαβεν ἡ πόλις Κυρήνη, μετάγει τὸν λόγον. ἀπὸ δὲ Ἠοίας Ἡσιόδου τὴν ἱστορίαν ἔλαβεν ὁ Πίνδαρος, ἧς ἡ ἀρχή· ἢ οἵη Φθίῃ Χαρίτων ἄπο κάλλος ἔχουσα Πηνειοῦ παρ’ ὕδωρ καλὴ ναίεσκε Κυρήνη. Ein weiterer Beleg für die Verbindung zwischen Apollon und Kyrene stammt von Maurus Servius Honoratius, einem Grammatiker der am Ende des 4. Jh. n. Chr. in einem Kommentar zu Vergils Georgica schreibt, dass Hesiod (an einer unbekannten Stelle) sich auf Aristaios bezieht (Hes. fr. 216 M/W): Aristaeum invocat, id est Apollinis et Cyrenes filium, quem Hesiodus dicit Apollinem pastoralem. Eine Beziehung zwischen Apollon und Kyrene suggeriert ferner ein Fragment aus dem vierten Buch „de pietate“ des Philodemos von Gadara (P. Herc. Iii = OCT 190a), verfasst in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. In einer Passage listet Philodemos Frauen auf, zu der auch Kyrene gehört, mit denen Apollon geschlafen hatte.

556 Zusammenfassend meint West 1985, 136-137: „The composition of the Catalogue, then, may be assigned to sometime in the period between 580 and 520. If the addition of Th. 965-1020 was contemporary, the range perhaps be narrowed to c. 540-520. The poem belongs in the last stage of the living epic, a period when whole heritage of heroic legend was being codified in poetic form; soon it was to be taken over by prose writers, for the verse was too conventional to have any clear advantage in terms of charm.“

557 West zufolge verfasst Hesiod seine Werke in den Jahren 730-690 v. Chr. Als Beispiel für die Inklusion von Genealogien nennt West 1985, 57-58 die Heirat des Xuthos und einer Tochter des Erechtheus (sie zeugen Ion).

Folglich sind die Ionier Athen dann untergeordnet. Gleichermaßen ist laut West (ebd. S. 133) der Tyrann Kleisthenes von Sikyon in der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. bestrebt, die Verbindungen Sikyons mit dem nun verfeindeten Argos zu kappen, indem er die mythische Figur Sikyon zum Sohn des Erechtheus (fr. 224) machen lässt. Auch in diesem Fall stehen athenisch-ionische Interessen im Vordergrund, an die Kleisthenes anknüpfen will. Vgl. auch das Ersetzen des Kultes um Adrastos mit thebanischen Heros Melanippos bei Hdt. 5, 67-68.

558 Im 3. Jh. v. Chr. greift Apollonios von Rhodos (2, 500-515) in seinr Argonautika den Stoff um die Beziehung zwischen Apollon und Kyrene wieder auf.

559 West 1985, 87.

560 Vgl. auch Hdt. 1, 2, 2; 7, 193, 2.

(zukünftigen) Landnahme. Die Erzählungen legitimieren den Anspruch der Kyrener auf das Land sowie die außerordentliche Stellung des Königshauses in einer Zeit der fortwährenden Siedlungsgründungen und den Auseinandersetzungen mit den libyschen Stämmen. Während die antiken Autoren einstimmig über die Hinfahrt durch den Bosporos berichten, stellen sie die Rückfahrt unterschiedlich dar. Wie ein Scholion berichtet (Hes. fr. 241 M/W = Schol. Apoll.

Rhod. 4, 259 Wendel 274), lassen Hesiod, Pindar und Antimachos die Argonauten über den Phasis in den Okeanos einlaufen. Sie fahren entlang der Südküste Libyens und müssen die Argo durch das Land tragen, um erneut in das Mittelmeer einzufahren:561

F. Prinz hat durch einen Vergleich der überlieferten Angaben deutlich gemacht, dass antike Autoren die Route der Rückfahrt laufend ändern. Hekataios berichtet, die Argonauten seien vom Okeanos in den Nil eingelaufen und von dort in das Mittelmeer. Nach Sophokles und Herodoros fahren die Argonauten durch den Bosporos zurück, bei Timaios (FGrHist 566 F 85) gelangen sie über den Okeanos in die Straße von Gibraltar und fahren so in das Mittelmeer ein, bei Timagetos gelangen sie über einen Seitenarm des Tanais (Donau) in die Adria.

Apollonios von Rhodos konzipiert die komplizierteste Reiseroute, die sein viertes Buch ausfüllt. Apollonios verbindet die Version aus dem Frauenkatalog und Herodot, wenn er die Argonauten durch Libyen ziehen lässt (Apoll. Rhod. 4, 1232-1622) und sie zwölf Tage umherirren, bis sie auf Triton stoßen, der ihnen einem Ausweg aus der Syrte (=Tritonis-See) verheißt.562 West verbindet den ereignislosen Marsch der Argonauten durch Libyen im Fragment 241 M/W mit einem weiteren Fragment (253 M/W), das zu den hesiodischen Mεγάλαι Ἠοῖαι gehört, einer weiteren Sammlung von Genealogien.563 Es ist die Ehoie von Mekionike, die in einigen Erzählungen die Mutter des Argonauten Euphemos ist. Auch die Verse um Mekionike sollen von kyrenischen Autoren erdichtet worden sein, die anschließend in das Werk der Mεγάλαι Ἠοῖαι einflossen, weil die Figur Euphemos in späteren Versionen eine bedeutendere Rolle in der mythischen Vergangenheit Libyens spielt.

Die vierte und fünfte Pythie aus den Jahren 462/1 v. Chr. feiern den letzten König Kyrenes, den Rennstallbesitzer nach einem gewonnenen Wagenrennen. Wie bei den sizilischen Herrschern ist Pindar bemüht, den Sieg von König Arkesilaos als Folge seiner zahlreichen individuellen Fähigkeiten erscheinen zu lassen, ferner verbindet er den Sieg im Wagenrennen

561 Zu den Routen der Argonauten Prinz 1979, 151-153. Schon Diodor (4, 44, 5-6; 56, 1) weist auf die divergierenden Versionen der Argonautenfahrt hin.

562 Die Rückfahrt im Allgemeinen behandelt Wehrli 1955, 154-157. Malkin 1994, 178 zufolge in der hellenistischen Periode weitere lokale Varianten entstanden, auf die Timaios und Apollonios zurückgreifen und für ihre Zwecke umformen. So erwähnt Apollonios Battos und Kyrene überhaupt nicht. Zur Route der Argonauten bei Apollonios Prinz 1979, 153.

563 Hes. fr. 253 = Schol. Pind. P. 4. 36c Drachmann 102: ζητεῖται δὲ, δι’ ἣν αἰτίαν ὑπεδέξαντο τὴν βῶλον ὁ Εὔφημος· καὶ οἱ μὲν, ὅτι πρωρεὺς ἦν,φαίνεται γὰρ καὶ ὁ Εὐρύπυλος ἐπιστὰς τῇ πρώρα καὶ ἐπιδιδοὺς τὸ ξένιον· οἱ δὲ διὰ τὴν συγγένειαν, ἀμφότεροι γὰρ Ποσειδῶνος , ὅ τε δοὺς καὶ ὁ λαβών. | ὁ δὲ Ἀσκλεδιάδες τὰ ἐν ταῖς μεγάλαις Ἠοίαις παρατίθεται· ἢ οἵη Ὑρίῃ πυκινόφρων Μηκιονίκη, / ἣ τέκεν Εὔφημον Γαιηόχῳ Ἐννοσιαγαίῳ / μιχθεῖσ’ ἐν φιλότητι πολυχρύσο Ἀφροδίτης. Zu dieser Schöpfung schreibt West 1985, 87: „The Mεγάλαι Ἠοῖαι accepted this Cyrenaean mythology, and there was no reason why we should not regard the Kyrene-Ehoie of the Catalogue in the same light.“ Zustimmend Giangiulio 2001, 123, doch er betont, dass Pindar „is not simply echoing the ancient poetic tradition.“ Miller 1997, 171 sieht hingegen keinen Zusammenhang, da die Scholien die

„relevanten Passagen wohl zitiert“ hätten. Hinsichtlich der Werke konzentriert sich die Forschung vornehmlich um die Beziehung zwischen den μεγάλαι Ἠοῖαι und dem Γυναικῶν Κατάλογος / Ήοῖαι und die Zuordnung von Fragmenten zu einem der beiden Werke. Nach einer Auflistung aller Quellen, die über die Werke Hesiods Auskunft geben, kommt etwa Cohen 1986, 129-130 zum Schluss, dass sich alle Fragmente der μεγάλαι Ἠοῖαι in den Frauenkatalog integrieren ließen. Hierzu scheibt er (130): „I believe that we could justifiably integrate the seventeen fragments of the so-called Megalai Ehoiai with all of those now assigned to the Catalogue, and at the same time concede the likelihood that such an integrated text had a separated distribution in antiquity.“

Ἡσίοδος δὲ καὶ Πίνδαρος ἐν Πυθιονίκαις καὶ Ἀντίμαχος ἐν Λύδῃ τοῦ Ὠκεανοῦ φασιν ἐλθεῖν αὐτοὺς [die Argonauten] εἰς Λιβύην, καὶ βαστάσαντας τὴν Ἀργὼ εἰς τὸ ἡμέτερον πέλαγος <παρα>γενέσθαι.

„Hesiod, Pindar in den Pythien und Antimachos in seiner Lyde sagen, dass sie [die Argonauten]

über den Okeanos nach Libyen kamen, und indem sie die Argo trugen, gelangten sie in unser Meer [das Mittelmeer].“

mit der Gründung Kyrenes und präsentiert den König als würdigen Nachfolger des ersten Königs. Wie bereits geschrieben, sieht sich Arkesilaos IV. in diesem Zeitraum mit einer immer starken Opposition in Kyrene konfrontiert. Er versucht seine Position zu stärken, indem er seinen Schwager Karrhotos und den Trainer Euphemos zu den Spielen nach Delphi aussendet und die Polis Euhesperides als Fluchtort erweitert. Hierzu soll Karrhotos neue Siedler anwerben.564 Während Arkesilaos IV. die fünfte Pythie in Auftrag gibt, ist sich die Forschung über den Auftraggeber der vierten Pythie uneins, entweder ist es ebenfalls der kyrenische König oder ein gewisser in Theben lebender Damophilos, der eine Aussöhnung mit Arkesilaos sucht. Damophilos hätte Pindar getroffen und ihn mit der Ode beauftragt, denn sie endet mit einem Appell, Ruhe zu bewahren und Milde walten zu lassen.565

Im Folgenden wird auf die vierte Pythie eingegangen, in der Pindar den Argonautenzug aufgreift und zur Verherrlichung seines Auftraggebers, König Arkesilaos IV. umfunktioniert.

Pindar lässt die Traditionen der Frauenkataloge in der Ausarbeitung seiner Ode einfließen, aber im Unterschied zum ereignislosen Marsch durch Libyen funktioniert er den Argonautenzug als Vorgeschichte der Gründung Kyrenes um. Die Ode beginnt (V. 1-8) mit der Anrufung der Muse, dann nennt Pindar Arkesilaos, Kyrene, Apollon und Pytho, Battos und die Gründung Kyrenes in einem Atemzug. An die Prophezeiung an Battos schließt eine frühere Prophezeiung an Medea an (V. 9-69), die Thera als Mutterstadt zukünftiger großer Städte nennt. Durch Medea berichtet Pindar von der Fahrt der Argonauten durch Libyen, dem Erscheinen Tritons und dessen Gastgeschenk in Form einer Erdscholle an den Argonauten Euphemos.566 Dieser verliert jedoch die Scholle, sein minysches Geschlecht wird nicht in der vierten Generation in Libyen siedeln. In der letzten Strophe dieser dritten Triade (V. 59-69) spannt Pindar den Bogen zwischen Euphemos, den Minyern, Kyrene, Battos und Arkesilaos und erzählt daraufhin (V. 70-262) aus der Argonautensage: das Aufeinandertreffen von Pelias und Jason (V. 70-119), die Heimkehr Jasons und das Sammeln von Gefährten (V. 120-134), die Konfrontation von Jason und Pelias und der Auftrag das Vlies zu stehlen (V. 135-168), das Sammeln der Mitfahrer (V. 169-187), die Ausfahrt und Gebete an Zeus (V. 188-202), die Weihung an Poseidon und die Fahrt durch die Symplegaden (V. 203-211), die Ankunft am Phasis und das Gewinnen des Vlieses (V. 212-246). Daraufhin erzählt Pindar in Kürze das Ende der Sage (V. 247-262), die Ankunft auf Lemnos und die Verbindung mit den Lemnierinnen, aus denen das Geschlecht der Euphamiden hervorgeht. Dieses Geschlecht wandert auf die Peloponnes und von dort nach Thera und Libyen (V. 247-258). In der letzten Triade folgen moralisierende Appelle an die Sanftheit und Mildtätigkeit Arkesilaos’ (V. 263-300).

Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem älteren Erzählstoff listet P. Dräger in fünf Punkten auf:567 Um sich gegenseitig herauszufordern, macht Pindar erstens Jasons Vater Aison zum ältesten Sohn der Tyro und des Kretheus und somit zum legitimen Herrscher von Iolkos.

Jedoch herrscht – in den Augen der Helden – Pelias, der nicht legitime Sohn Tyros und Poseidons (V. 105-110; 151-155). Zweitens kommt das Orakel von Apollon und nicht von Hera, da sie nicht für Gründungen von Apoikiai zuständig ist (V. 71-78). Drittens soll Jason nicht nur um des Vlieses Willen nach Kolchis reisen, sondern auch, um die Seele des dort verstorbenen Phrixos heimzuholen (V. 158-163). Viertens verkündet ein weiteres Orakel aus Delphi Pelias, er solle nach Kolchis reisen, doch er gibt die Aufforderung an Jason weiter (V.

163-167). Pindar erweitert fünftens den Durchzug durch Libyen durch die Episode um Euphemos. Dieser Argonaut erhält als Empfänger der Erdscholle (als Zeichen für die zukünftige Besiedlung des Landes) die wichtigste Rolle des Zuges. Der Verlust der Scholle ist zwingend, damit Libyen erst nach 17 Generationen besiedelt wird (V. 20-67). Die Nachkommen des Euphemos werden zunächst auf Lemnos gezeugt, daher ändert Pindar die Rückreise ab (V. 254-262).

In Pindars Komposition dient die Argonautensage, die wie bei anderen

564 Vgl. Chamoux 1953, 173-179. Chamoux zufolge eifert Arkesilaos den sizilischen Tyrannen nach.

565 Zum Hintergrund um Damophilos Chamoux 1953, 193-195 ; Mitchell 2000, 95.

566 s. zur Übergabe der Erdscholle als Gastgeschenk Malkin 1994, 175-176; Athanssaki 2003, 101-104.

567 Dräger 2002, 577-578.

Siedlungsgründungen vom Orakel in Delphi eingeleitet wird, allein der späteren Gründung Kyrenes. Die Gründung der Polis hebt sich somit von anderen Gründungen ab, da bereits in einer fernen mythischen Vergangenheit, noch vor dem Zug gegen Troja, dem Argonauten Euphemos in Libyen das Land in Form einer Erdscholle angeboten wird. Die Sage um Euphemos lässt die Gründung Kyrene durch Battos und seine Männer als vollzogener Wille der Götter erscheinen und verknüpft die „älteste“ Geschichte Kyrenes mit der Frühgeschichte Griechenlands, da nach der Vorstellung der Griechen die Argonautenfahrt vor dem trojanischen Krieg stattfindet.568 Wie Miller meint, habe Pindar die in Kyrene entstandene Sage von der Erdscholle übernommen, die Prophezeiung Medeas hinzugefügt und mit der Erdscholle und dem delphischen Orakel in Bezug gesetzt.569

In der Prophezeiung Medeas ist Euphemos die zentrale Figur, laut A. Köhnken „der Argonaut mit der deutlichsten pindarischen Provenienz.“570 Im bereits erwähnten Hesiod-Fragment 253 M/W ist Euphemos noch ein Sohn des Poseidon und der Mekionike. Pindar macht ihn zum Sohn Europas, der Tochter des Tityos. Seine Mutter bleibt Mekionike, die Tochter des Eurotas, der laut einem Scholion einst eine Schwester von Herakles geheiratet haben soll.571 Weiter stammt der Argonaut Euphemos, den Pindar einen Heros nennt, aus

In der Prophezeiung Medeas ist Euphemos die zentrale Figur, laut A. Köhnken „der Argonaut mit der deutlichsten pindarischen Provenienz.“570 Im bereits erwähnten Hesiod-Fragment 253 M/W ist Euphemos noch ein Sohn des Poseidon und der Mekionike. Pindar macht ihn zum Sohn Europas, der Tochter des Tityos. Seine Mutter bleibt Mekionike, die Tochter des Eurotas, der laut einem Scholion einst eine Schwester von Herakles geheiratet haben soll.571 Weiter stammt der Argonaut Euphemos, den Pindar einen Heros nennt, aus