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Die Einrichtung der Provinz

H. Segmente

3. Die Römer in der Kyrenaika

3.1 Die Einrichtung der Provinz

Nach der Vererbung der Region an den populus Romanus intensivieren sich die Kontakte zwischen Italien und der Kyrenaika, insbesondere zwischen den konstitutiven Segmenten. In den ersten 20 Jahren finden sich in den Quellen keine Bestrebungen Roms, die Provinz in den Staatsverband einzugliedern und eine Verwaltung einzurichten. Möglicherweise erklärt man die Ländereien der Könige im Anschluss an dem Inkrafttreten des Testaments aber zum ager publicus und verpachtet diese an publicani. Aus der Frühzeit der Provinz sind jedoch keine publicani aus Schriftquellen oder epigraphischen Zeugnissen bekannt.935 Erst in Ciceros Verteidigungsrede für Gnaeus Plancius (54 v. Chr.) gibt es den ersten Hinweis auf publicani in der Kyrenaika.936 Sie schließen sich sicherlich, wie in anderen Provinzen üblich, zu einer societas publicanorum zusammen. Die Mitglieder dieses Kollektivs ersten Grades eint gewiss ihr Wunsch nach Profit, auch wenn das Risiko und der organisatorische Aufwand in dieser von politischer Instabilität geprägten Region ganz bei ihnen liegen. Denn inzwischen hatten nicht berechtigte Individuen einige der königlichen Güter besetzt. Auf den (ehemaligen) königlichen Ländereien soll auch das Silphion wachsen. Plinius (nat. 19, 40) berichtet über eine 93 v. Chr. ohne Zwischenfälle verschickte Menge an Silphion nach Rom. Doch es bleibt unklar, ob das Silphion bereits als römisches Staatseigentum gilt oder sich die Poleis in der Kyrenaika mit der Administration in Rom durch Lieferungen gut stellen wollen.937 Zunächst, so ist zu spekulieren, treffen publicani ein, um die königlichen Ländereien neu zu vermessen und sie in den römischen Staat zu überführen.938 Über ihr Walten zeugen erst Inschriften aus dem 1. Jh. n. Chr. (S.E.G. 9, 165-167; 352; 360). Die Größe und Weitläufigkeit der von den ptolemäischen Herrschern ererbten königlichen Güter sowie die Tatsache, dass nicht berechtigte Individuen einige dieser Ländereien zwischenzeitlich besetzten, veranlasst mehr ein Jahrhundert nach der Einrichtung der Provinz Kaiser Claudius, den Legaten L. Acilius Strabo mit der Aufgabe zu betreuen, die ehemaligen königlichen Güter weiter zu vermessen und den Ansprüchen Roms an den ager publicus Geltung zu verschaffen. Auf der Rückseite einer bei Beit Thamir gefundenen, stark fragmentierten bilinguen Stele (S.E.G. 26, 1819) etwa wird das Wirken Strabos als Verwalter des ager publicus sichtbar. Die Inschrift wird bereits 1952 entdeckt, jedoch erst 1968 in das Museum von Kyrene gebracht:939

Quellen erhärten. Die für eine Datierung heranzuziehende Angabe in der ersten Zeile (ἔτους) ΛΔ ist wenig hilfreich. Entweder wird die Stele im 34. Jahr nach dem Tod Apions aufgestellt, die Reynolds 1974, 21 behauptet oder in der actischen Ära (3/4 n. Chr.), wie Laronde 1987, 466 meint. Wahrscheinlicher ist das frühere Datum.

934 Plut. Lucullus 2, 3: οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ Κρήτην κατάρας ὠκειώσατο καὶ Κυρηναίους καταλαβὼν ἐκ τυραννίδων συνεχῶν καὶ πολέμων ταραττομένους ἀνέλαβε, καὶ κατεστήσατο τὴν πολιτείαν Πλατωνικῆς τινος φωνῆς ἀναμνήσας τὴν πόλιν, ἣν ἐκεῖνος ἀπεθέσπισε πρὸς αὐτούς.

935 Vgl. Liv. 45, 18, 3-4, wo sich Rom ohne Hilfe von Privatleuten nicht imstande sieht, nach dem dritten makedonisch-römischen Krieg 167 v. Chr. die Auflösung und Neugliederung Makedoniens in vier republikanisch – föderative Gemeindebünde zu gestalten.

936 Cic. Planc. 63: „Er hat in Praeneste Spiele veranstaltet. Und? Haben das andere Quästoren nicht auch getan?

In Kyrene hat er den Steuerpächtern Großzügigkeit, den Bundesgenossen Gerechtigkeit erwiesen. Wer bestreitet das? Doch schon in Rom geschieht so viel, dass man kaum noch zur Kenntnis nimmt, was sich in den Provinzen abspielt.“ In seiner Rede de lege agraria 2, 51 nennt Cicero die früheren königlichen Ländereien ager publicus populi romani. Vgl. Reynolds 1962, 101; Oost 1963, 13-16; Laronde 1987, 455.

937 So schreibt Plinius (nat. 19, 40): „Umso weniger, scheint mir, darf ich unterlassen zu erwähnen, dass unter dem Konsulat des C. Valerius und M. Herennius 30 Pfund laserpicium (=Silphion) auf Staatskosten von Kyrene nach Rom gebracht wurden […].“ Übers. R. König. s. allgemein zum Silphiontransport Plin. nat. 19, 38-40.

938 Zum Folgenden auch Laronde 1988, 1017-1018 mit Literatur.

939 Zur Datierung Reynolds 1971c, 48. Vgl. die Vermessungsarbeit Strabos in der Inschrift S.E.G. 9, 352. Frühere Funde haben Strabos Tätigkeiten nur in neronischer Zeit nachweisen können. s. zu den Vermessungsarbeiten auch Goodchild 1950b, 83-91; 1971, 40. Romanelli 1943, 99-101 zufolge dehnt man die Vermessungen während

[Τι(βέριος)] Κλαύδιος vac. | [? vac. Κ]αῖσαρ Σεβαστ ὸς | [? vac. ]Γερμαν[ι]κὸς vac. | [? vac.

ἀρχ]ιερεὺς μέγιστος | vac. δημαρ[χικῆ]ς ἐξου |5 σ[ία]ς τὸ ιγ΄ αὐτοκρά | τ[ω]ρ τὸ κζ΄ πατ[ὴρ] | πατρ v.ίδος τιμητὴς | [? vac. ὕπα]τος [τὸ ε΄] |10 διὰ Λ(ευκοίου) Ἀκ[ιλίο]υ vac. | Στράβ vac. | ωνος τοῦ [vac.] | ἰδίου πρεσβευτοῦ vac. | Χωρία ὑπο ἰδιώτων vac. | vac. Κατεχόμενα δήμῳ vac. | vac.

Ῥωμαίων ἀπο vac. | vac. κατέστησε vac.

[Ti(berius) Claudius] | Caesa[r Augustus] | Ger[manicus] | [5 Zeilen fehlen] | per L(ucium) Ac[ili]um Str[a] |10bonem l[e]gatum suum | praedia [a] priuatis | poss v.es[sa p(opulo) R(omano)] res v. ti | vac. Tuit. vac.

„Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, Pontifex Maximus, im dreizehnten Jahr der tribunizischen Gewalt, zum siebenundzwanzigsten Mal Imperator, Zensor, zum fünften Mal Konsul, Vater des Vaterlandes, überführte durch seinen persönlichen Legaten Lucius Acilius Strabo Ländereien, die von Privatleuten besetzt waren, wieder in den Besitz des römischen populus.“

Der Zeitraum der Aufstellung der Stele lässt sich in Kombination mit der beschädigten Vorderseite ermitteln, die in Z. 6. das dreizehnte Jahr seiner tribunicia potestas angibt. Diese liegt zwischen Januar 53 und Januar 54. Tacitus (An. 14, 18) berichtet, wie die Kyrener 59 n.

Chr. gegen Strabo Anklage erheben:940

Idem Cyrenenses reum agebant Acilium Strabonem, praetoria potestate usum et missum disceptatorem a Claudio agrorum, quos regis Apionis quondam avitos et populo Romano cum regno relictos proximus quisque possessor invaserat, diutinaque licentia et iniuria quasi iure et aequo nitebantur. igitur abiudicatis agris orta adversus iudicem invidia; et senatus ignota sibi esse mandata Claudii et consulendum principem respondit. Nero, probata Strabonis sententia, se nihilo minus subvenire sociis et usurpata concedere rescripsit.

„Ebenso versuchten die Kyrener, Anklage gegen Acilius Strabo zu erheben, der das Amt des Prätors ausgeübt hatte und dann von Claudius zu ihnen geschickt worden war, um über die Ländereien zu entscheiden, die als Erbgut des Königs Apions einstmals dem römischen populus samt seinem Reich hinterlassen worden waren; die jeweils nächsten Grundeigentümer hatten sie in Besitz genommen und beriefen sich jetzt auf den langjährigen, unrechtmäßigen Nießbrauch, als sei dies recht und billig. Als ihnen demnach die Ländereien abgesprochen wurden, erwuchs daraus Erbitterung gegen die Schiedsrichter; und der Senat antwortete, unbekannt sei ihm der Auftrag des Claudius, und man müsse den Princeps befragen. Nero billigte Strabos Entscheidung, schrieb aber, er wolle nichtsdestoweniger den Bundesgenossen behilflich sein und ihnen, was sie sich angeeignet hatten, überlassen.“

Nach den publicani treffen die ersten Statthalter und ihre Stäbe ein. Die Kyrenaika wird 75 oder erst 74 v. Chr. dem Quästor Publius Lentulus Marcellinus unterstellt, der als erster Statthalter in der Provinz fungiert. Die Entsendung von Marcellinus findet in einem Sallust-Fragment (hist. fr. 2, 43) Erwähnung:941

der Herrschaft Vespasians auf die Poleis aus. s. zu den Grenzsteinen auch die Inschriften S.E.G. 27, 1131-1132;

S.E.G. 32, 1605.

940 Übers. E. Heller. Vgl. Goodchild 1950b, 83-91; 1971, 40. Laut Romanelli 1943, 99-101 dehnt man die Vermessungen während der Herrschaft Vespasians auf die Poleis aus. Zu den Grenzsteinen s. S.E.G. 27, 1131-1132; S.E.G. 32, 1605.

941 Gefolgt wird der Edition von B. Maurenbrecher. Andere Lesungen bei Perl 1970, 321 Anm. 3. Sowie Reynolds bei Sapere 2008/09, 193.

P(ublius)que Lentulus Marcel<linus>

eodem auctore quaest<or> in novam provinci<am> Curenas missus est, q<uod>

ea mortui regis Apio<nis> testamento nobis d<ata> prudentiore quam <illas> per gentis

„Auf sein eigenes Betreiben hin wurde Publius Lentulus Marcellinus als Quästor in die neue Provinz geschickt, welche durch das Testament des verstorbenen Königs Apion uns übergeben wurde und umsichtiger als bei diesen Völkern

Publius Lentulus Marcellinus wird, so G. Perl, vom Senat extra ordinem als Statthalter (pro praetore) nach Kyrene entsandt.942 Aufgrund der spärlichen Quellen stellt die Forschung zahlreiche Überlegungen über den Zeitraum und die Ursachen der Provinzeinrichtung an. G.

Harrison erklärt die Annahme der Erbschaft durch die Römer aus ihrem Interesse an der Aufteilung des Mittelmeerraumes in Einflusssphären. Hierbei soll die Kyrenaika als Sprungbrett für die Ambitionen der Römer im Osten dienen.943 Andere Forscher nehmen an, dass die Einrichtung der Provinz 75 oder 74 v. Chr. die Getreidelieferungen aus der Kyrenaika sichern soll, welche die Seeräuber stören.944 Im 1. Jh. v. Chr. hatte die Bedrohung durch die sogenannten kilikischen Seeräuber stark zugenommen. Diese operieren vornehmlich im östlichen Mittelmeer und stören seit dem 2. Jh. v. Chr. den Handel empfindlich. Ein Grund für ihr freies Walten ist die Reduzierung der seleukidischen Flotte durch den Frieden von Apameia (188 v. Chr.) auf zehn Schiffe.945 Und im 1. Jh. v. Chr. setzt Mithridates VI. Eupator die expansive Politik seines Vaters fort und verbündet sich mit diesen Seeräubern (App. Mithr.

92, 1). D. Braund vermutet, dass auch die Bewohner der Kyrenaika als Seeräuber aktiv sind und der römische Senat im Zuge der Bekämpfung von Seeräubern die Einrichtung der Provinz vorantreibt.946 Über Kollektive an Seeräubern schweigen jedoch die Quellen. Nachdem Pompeius durch die lex Gabinia 67 v. Chr. ein Sonderkommando erhält, um gegen die Seeräuber anzugehen, wird das Seegebiet nördlich der Kyrenaika dem zweiten Statthalter, dem legatus pro praetore Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus unterstellt, einem Bruder des früheren Statthalters. Es bleibt aber fraglich, ob er auch auf dem Festland als Statthalter fungiert.947 Die überlebenden Seeräuber siedelt Pompeius in unterschiedlichen Regionen neu an, wo die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Virulenz niedrig ist (Plut. Pompeius 28, 3: ἐς γῆν μεταφἐρειν ἐκ τῆς θαλάσσης). Ein Livius-Exzerpt (per. 99) berichtet explizit über die Ansiedlung besiegter Seeräuber durch Pompeius nach seiner erfolgreichen Lösung des Problems:948

942 So die These von Perl 1970, 328.

943 Harrison 1985, 367. Zu Recht verneint Harrison einen großangelegten Plan der Römer, nach und nach zahlreiche neue Provinzen einzurichten.

944 Diese These vertreten Rickman 1980, 167; Harrison 1985, 367. Zur Diskussion um den Zeitraum der Einrichtung Perl 1970, 322-325. In den Kontext der Einrichtung der Provinz fällt möglicherweise die Annektierung Bithyniens zusammen. Auch in dieser neuen Provinz stützen die Römer den letzten Herrscher, Nikomedes IV. Philopator, sie setzen ihn sogar zweimal nach seiner Vertreibung wieder ein.

945 Über die Überfälle sagt Flor. epit. 1, 41, 3: „[Sie] begnügten sich nicht mehr mit dem ihnen nächstgelegenen Meer, sondern plünderten zwischen Kreta und Kyrene, Achaia und dem Meerbusen von Maleia […].“

946 So Braund 1985, 321-323. Zur Aufteilung des gesamten Mittelmeerraumes App. Mithr. 95. Erst 58 v. Chr.

sendet der Senat eine Streitmacht unter dem Kommando von M. Porciu Cato aus, um Zypern zu annektieren, das zunächst Cilicia zugschlagen wird. Die ressourcenreiche Insel muss 7000 Talente als Tribut zahlen.

947 Zahlreiche Inschriften aus der Kyrenaika führen Cn. Marcellinus lediglich mit seinem Titel legatus pro praetore beziehungsweise πρεσβευτὰς ἀντιστράταγος an: Syll.3 750; 160; Reynolds 1962, 97-98. 102; S.E.G. 20;

709; 715; 730; 731. Über die Identität herrscht in der Forschung kein Konsens. Zuweilen betrachtet man beide Statthalter als eine Person. Zusammenfassend Sapere 2008/09, 193-194.

948 Übers. H. J. Hillen. Viele der Seeräuber werden im ebenen (Ost-)Kilikien angesiedelt, so in Mallos, Adana, Epiphaneia und Soloi, das in Pompeiopolis umbenannt wird. Strab. 14, 5, 1 unterteilt das Gebiet in das ebene Kilikien (Κιλικία Πεδιάς) mit seiner großen Bevölkerungsdichte und fruchtbare Küsten und das raue Kilikien (Κιλικία Τραχεία) im Westen ein, das vom Taurus durchzogen wurde. Plut. Pompeius 28, 3-4 gibt die Zahl der angesiedelten Seeräuber mit 20.000 an. Andere in Dyme in Achaia. Vgl. zu Pompeius Ansiedlungen in Dyme Strab. 8, 7, 5; 14, 3, 3; App. Mithr. 96; 115; Cass. Dio. 36, 37; Serv. georg. 4, 127.

et minus g<lo>riae avidi imperio co<nti>nenda fuit.

üblich, von jemanden regiert werden sollte, der weniger nach Ruhm strebte.“

Cn. Pompeius lege ad populum lata persequi piratas iussus qui commercium annonae intercluserant intra quadragesimum diem toto mari eos expulit, belloque cum his in Cilicia confecto acceptis in

„Cn. Pompeius wurde durch ein beim populus eingebrachtes Gesetz beauftragt, die Seeräuber zu verfolgen, die die Getreidezufuhr abgeschnitten hatten, und vertrieb sie innerhalb von 40 Tagen vom ganzen Meer; nachdem er den Krieg mit ihnen in Kilikien zu Ende gebracht hatte, nahm der die

Nach T. Esch spielen bei der (Neu-)Organisation der östlichen provinciae die griechischen Poleis eine zentrale Rolle.949 Die Ansiedlung erfolgt nicht im Landesinneren, denn Pompeius verfügt nicht über das imperium, um dorthin vorzudringen. 950 Die Ansiedlung von geschlagenen Seeräubern an der Küste der Kyrenaika belegen zwei fragmentierte Marmorstelen aus Ptolemais (Abb. 2). Die Stelen entdeckt Ausgräber 1935 auf dem Forum.

Sie werden aus demselben Marmor gefertigt und scheinen die lateinische und griechische Version desselben Dokumentes zu sein:

? …|…] I E I […| […c. 12.]ssunt deduca[…? Cn.(aeus) Cornelius] | [Lent]ulus P(ubli) f(ilius) Marcelleinus v. le[gatus propr(aetore) | …?… Cn(aei) Pompeii Magni) | [im]peratoris [….]io v.

praedia […|5 Basoni Antio[chi] f(ilio) Aegeati prae[dia… | sunt [..7-8..] ad Palaerio[…|

Armin[ma-….Ac]chauon [-…| quod est [..c. 8]ium […| Acchauonis [….]I[…|10 censum est v[…|

Chrysippo Cass[…| praedio su […| Arim[ma-… | […

[…]ΔΙ[… | […]θαννύρου [… | οὗ ἐστιν ΗΤ!! [… | ροντα ὅ ἐστι ν[… |5 καὶ χωρίον Διοκλ ! [ | θης ὁ καλεῖται Μ[…| Ἀλεξάνδρωι Νουμη[υίου... | κ [… | […

In den Zeilen 2-4 der lateinischen Inschrift sind ein weiterer Statthalter, der legatus pro praetore Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus, sowie Pompeius Magnus belegt. Aus den Zeilen 5-6 wird die Landvergabe an bestimmte Personen ersichtlich – deduca[…? bezieht sich auf die Namen in Zeile 5-9.951 Reynolds schließt aus dem Namen Basoni Antio[chi] f(ilio) Aegeat in Zeile 5, der nicht griechischen Ursprungs ist, dass Seeräuber in der Kyrenaika Land erhalten. Der Name ist möglicherweise ein Hinweis auf den kilikischen Ort Aigeai (Αἰγέαι), einer bereits im 3. Jh. v. Chr. militärisch bedeutenden Hafenstadt.952 Der libysch anmutende Name Arimmas in der lateinischen Inschrift (Z. 7) verrät, wie Reynolds selber zugibt, nicht nur eine Landvergabe an ehemalige Seeräuber. Auch in der griechischen Inschrift bekommen Individuen Land zugesprochen. Den Namen in der zweiten Zeile ergänzt Reynolds zu [Ἰτ]θαννύρου. Sowohl Θαννύρας als auch Ἰτθαννύρας seien libysche Namen.953 Darüber hinaus ist über diese neu Angesiedelten nichts bekannt, sie bilden im 1. Jh. v. Chr. – wie die wenigen Zugewanderten mit römischen Bürgerrecht – im höchsten Falle Kollektive ersten Grades und können sich in die Dachkollektive integrieren. Ein Grund, so lässt sich spekulieren, liegt in der additiven Persönlichkeit dieser Individuen. Ihre Persönlichkeit setzt sich aus zahlreichen verinnerlichten Verhaltensmustern, Eigenschaften und Überzeugungen zusammen. Diese individuelle Identität ist mit keinem Ethnikon oder der Zugehörigkeit zu einem Seeräuberkollektiv zu fassen. Die Persönlichkeit eines Menschen erschöpft sich unmöglich in der Zugehörigkeit zu einem oder einigen wenigen Kollektiven ersten Grades.

Ferner ist zu bedenken, dass zahlreiche der Angesiedelten in ihrer Vergangenheit anderen Tätigkeiten nachgingen, also diversen Berufsgruppen angehörten und daher eine Integration in die Dachkollektive der Kyrenaika höchstwahrscheinlich ist.

949 Esch 2011, 35. 77-79. Wie Appian (Mithr. 117) und Plutarch (Pompeius 45, 2) berichten, gründet Pompeius über 29 beziehungsweise 39 Städte. Einzelheiten sind nicht überliefert.

950 s. App. Mithr. 94; Cass. Dio. 36, 36; Plut. Pompeius 25, 2; Vell. 2, 31, 2. Vgl. dazu Ziegler 1993, 212; Esch 2011, 46.

951 Zur Inschrift Reynolds 1962, 99-102. Es bleibt unklar, ob das Wort nach [im]peratoris möglicherweise [tert]io lautet und die dritte Ausrufung zum Imperator 67 v. Chr. und Pompeius' Politik der Ansiedlung ehemaliger besiegter Seeräuber belegt.

952 Zur Bedeutung des Hafens Strab. 14, 5, 18.

953 Reynolds 1962, 101.

deditionem piratis agros et urbes dedit.

Unterwerfung der Seeräuber entgegen und gab ihnen Land und Städte.“