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C. Inquisitorisches Erbe?

IV. Die Ständigkeit der Behörde

2. Im Niemandsland

So gilt sie manchem gar als „Genotypus“ der monokratischen Behörde, den man später über den § 144 GVG als „Ur- und Zentralnorm der monokratisch-hierarchischen Behördenvertretung“ gesetzlich festlegte.676 Solche Beobachtungen

670 Wettmann-Jungblut (2009), 149, weil sie „den bürgerlichen Idealen der Rechtssicherheit und der vollständigen Rechtskontrolle zutiefst widersprach“.

671 Kesper-Biermann (2012), 29.

672 Seelmann (1989), 351.

673 Kesper-Biermann (2012), 47.

674 Kesper-Biermann (2012), 36 f.

675 s. etwa Popp (1986), 186, zur zivilprozessualen Kompetenz des Staatsanwalts in Ehesachen:

„Als Jurist verfüge er über Kenntnisse auch im Zivilrecht“.

676 Hufeld (2003), 30.

beziehen sich auf die Personalstrukturen der Staatsanwaltschaft, die extern im Verhältnis zum Justizministerium und intern hierarchisch organisiert war. Diese Hierarchien bedeuteten für die Staatsanwälte auf interner Ebene vor allem eine starke Bürokratisierung. „Je subalterner ein Betrieb, desto mehr Schreiberei!“677, rief ein Staatsanwalt 1921 in Verfügungen und Gegenzeichnungspflicht erstickend aus und pries als Heilmittel die sozial-professionelle Selbstregulierung678. Bis dahin hatten sich die Hierarchien aber insbesondere bei der personal- und gebietsstärksten Staatsanwaltschaft in Preußen stetig verfestigt.

Sie fanden sich nicht nur in organisatorischen Normen zur Personalstruktur, zum Behördenaufbau und in Titeln wie des Generalstaatsanwalts wieder. Sie schlugen sich auch in „Styl“-Anweisungen für das Verfassen von Bescheiden und Verfügungen nieder. Solche Anweisungen finden sich in Handbüchern, die von Staatsanwälten selbst verfasst wurden. Das im 19. Jahrhundert wohl bekannteste stammt von Hugo von Marck, der sein Hand- und Nachschlagebuch679 als „Bureauhilfe“ konzipierte; bis 1913 erfuhr es drei Auflagen. Es war nicht das einzige auf dem Markt: Hilfe bot auch das Handbuch von König680 an, das zwei Jahre zuvor, 1882, erschienen war.

Beide versuchten zunächst, ein Problem zu lösen, das ein Symptom für die Staatsanwaltschaft als prozessuale Institution in einem Ausdifferenzierungsprozess von den Gerichten darstellte: Das Material zur Staatsanwaltschaft bestand aus

„vielfach zerstreuten Einzelbestimmungen“681, die ungeordnet in „Gesetzen, Verfügungen, Instruktionen und Acten zerstreut“ wucherten und demgemäß „oft schwer zugänglich“ waren682. Durch Sammlung, Systematisierung und Chronologisierung versuchte man in den Handbüchern, Ordnung und einheitliche Qualitätsstandards für die staatsanwaltschaftliche Arbeit zu schaffen, und war damit praktisch auf sich selbst zurückgeworfen. Denn die Staatsanwaltschaft besaß und

677 Schmidt (1921), Sp. 272.

678 Schmidt (1921), Sp. 272: „Dinge, die gewiß ohne Gefahr für die Allgemeinheit von jedem Dezernenten, mindestens nach einigen Dienstjahren, selbstständig bearbeitet werden können.“

679 „Die Staatsanwaltschaft bei den Land- und Amtsgerichten in Preußen. Eine fortlaufende Darstellung der gesammten Thätigkeit der Staatsanwaltschaft nach Reichs- und Landesrecht, mit allen einschlägigen Bestimmungen im Wortlauf und mit Verfügungsentwürfen; als Lehrbuch für die Referendarien, als Handbuch für die Amtsanwälte und als Nachschlagebuch für die Staatsanwälte“.

680 „Die Geschäftsverwaltung der Staatsanwaltschaft in Preußen. Systematische Darstellung des Inhalts der auf den Geschäftskreis der Staatsanwaltschaft bezüglichen Kabinetsordres, Reglements und Rescripte“.

681 Literaturanzeige zu König (1882), in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg.

31/1887, 143.

682 Literaturanzeige zu Marck (1884), in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg.

9/1885, 154.

besitzt keine eigene Kodifikation, ihre Normen sind seit jeher versprengt. Der 10. Titel im Gerichtsverfassungsgesetz, der ihr gewidmet ist, enthält keine Definition ihrer Funktion – das GVG schweigt in dieser Hinsicht zur Staatsanwaltschaft, seit es in Kraft getreten ist.683 Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) hingegen sind für die Staatsanwaltschaft nicht zu unterschätzen. Erstmalig 1977 vereinbart, waren sie von Überlegungen zu einem eigenen, im Referentenentwurf gescheiterten Gesetz der Staatsanwaltschaft begleitet worden.

Als Verwaltungsvereinbarungen, in denen sich die moderne Politik an eher versteckter Stelle zum Staatsanwalt äußert,684 kommt ihnen keine gesetzliche Geltungskraft zu. Gleichwohl sind sie bundeseinheitlich bindend und zusammen mit

„Dienstanweisungen“, „Einzelanweisungen“, „Runderlassen, Allgemeinverfügungen“

und „Hausverfügungen“685 produzieren sie für Außenstehende eine „schwer entwirrbare Mischung aus Wiederholung von Gesetzestexten, Abänderung von Gesetzestexten und zusätzlichen, auf eindrucksvolle Weise in die Details gehenden Belehrungen“686. Dieses Konglomerat entfaltet aber „als Teil der latenten Regeln, welche die Praxis […] der Staatsanwaltschaften“687 bestimmen, hohe Geltungswirkung eigener Art. Denn die Staatsanwälte finden sich in diesen Verbindlichkeiten nicht nur gut zurecht, sie richten auch hier Handeln danach aus.688 Tatsächlich bedeutet dieser Regelungsstand für die Staatsanwaltschaften eine Verbesserung: In der politisch aufgeladenen, instabilen Zeitspanne von 1846 bis 1849 haderten die preußischen Staatsanwälte damit, dass „es an Bestimmungen über die Organisation, das Ressort und die Geschäftsverwaltung der Staats-Anwaltschaft [gänzlich] fehlte“689. Diese Leere verwandelte sich vor den Augen der Staatsanwälte ab 1849 in eine Regelungsfülle und nun schrieb man die Handbücher, weil man dem Problem fehlender Übersicht über schiere Masse abhelfen wollte.690

683 s. dazu Wohlers (1994), 183. §§ 150, 151 GVG belaufen sich auf eine Negativdefinition der Organisation der Staatsanwaltschaft gegenüber den Gerichten, die symbolisch für den juristischen Diskurs ist.

684 RiStBV (1977/1997), Allgemeiner Teil, I. Abschnitt: Vorverfahren, 1. Allgemeines, Nr. 1: „Das vorbereitende Verfahren liegt in den Händen des Staatsanwalts. Er ist Organ der Rechtspflege“.

685 Aufzählung bei Leonhardt (1994), 2.

686 Klaus Lüderssen zitiert bei Leonhardt (1994), 2; Fn. 11.

687 Winfried Hassemer zitiert bei Leonhardt (1994), 4; Fn. 22.

688 Leonhardt (1994) schließt sich der These an, die RiStBV seien „Ausfluß möglicherweise rein praktischer Erfahrungen und Entwicklungen“, 4; sie würden die „Ausformung des Ermessens durch übergeordnete Stellen manifestieren“ und damit eigentlich das Gegenteil einer

„babylonischen Begriffsverwirrung“ produzieren, 2 f.

Damit ist aber bestätigt, dass sich die institutionelle Entwicklung der Staatsanwaltschaft, ihre Kompetenzen und ihr Aufbau – ähnlich wie später etwa im Arbeitsrecht und Sozialrecht – aus der Praxis heraus regelten und keine primären Projekte der Rechtswissenschaft oder der Kodifikationsbewegung waren. In einer Rechtswelt, die gerade im 19. Jahrhundert von dem grundlegenden Bedürfnis geprägt war, die mit dem Rechtspositivismus sich artikulierende Kontingenz durch eine alles erfassende Begriffs- und Definitionsarbeit zu bewältigen, stand die Staatsanwaltschaft seltsam definitionslos da. Eine zusätzliche Verschärfung lag darin, dass sie als Verfahrensbehörde praktisch wirksam war, aber als „bewusst unfertiges Organ“691 agieren musste. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.

Einschlägige Quellensammlungen werden als kompiliertes „Staatsanwaltsrecht“692 betitelt, dies freilich in rechtshistorischer und nicht in praxisorientierter juristischer Absicht. Unter den Kategorien und Begriffen, die den deutschen Juristen seit dem 19.

Jahrhundert zur Verfügung stehen, findet sich für die Staatsanwaltschaft aber kein eindeutiges Vokabular. So existiert, transzendent anmutend, durch die politischen Systeme hindurch seit 1846, keine Definition der Staatsanwaltschaft in Gesetzen und Gesetzesmotiven.693

Diese Definitionslosigkeit bezieht sich auf einen bestimmten Ausschnitt – auf die Unterscheidung von Exekutive und Judikative, die freilich als Teil der Phalanx von Gewaltenteilung und Rechtsstaat existentielle Bedeutung für rechtspolitische Forderungen und juristisches Selbstverständnis besitzt. Aus dieser Perspektive nach der Staatsanwaltschaft gefragt, lässt sie sich für Juristen recht unbefriedigend nur als

689 Paschke (1854), Vorwort, III. Paschke war Ober-Staatsanwalt beim Königlichen Appelations-Gericht zu Frankfurt an der Oder. Seine „übersichtliche Zusammenstellung“ zum „Reglement vom 13. November 1849“ wurde erstmals 1854 veröffentlicht und ist mit insgesamt 95 Seiten in Kleinformat kurz ausgefallen, scheint aber das erste Handbuch dieser Art für die (preußischen) Staatsanwälte gewesen zu sein. Zuvor hatte Paschke eine Kompilation „von den jetzt anzuwendenden Strafgesetzen“ (1849, Vorrede III) veröffentlicht: „Das Preußische Strafrecht nebst den dazu erschienen noch gültigen Gesetzen und Verordnungen. Ein Handbuch für Richter, Staats- und Rechts-Anwälte“, Frankfurt an der Oder 1849.

690 Paschke (1854), Vorwort, III: „Durch das Reglement vom 13. November 1849 ist damals einem sehr dringenden Bedürfnis abgeholfen worden […]. Seitdem sind jedoch so viele ergänzende Bestimmungen gegeben worden, daß eine übersichtliche Zusammenstellung als ein Bedürfnis anerkannt worden.“

691 Rüping (1992), 150.

692 Schubert, Werner (Hg.): Staatsanwaltschaftsrecht (1934-1982). Quellen zu den Reformprojekten (Organisation – Innerer Dienstbetrieb – Ermittlungsverfahren – Verhältnis der Staatsanwaltschaft zur Polizei) und zur Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft (OrgStA), Frankfurt am Main 2013.

693 Das bemerkte man schon 1925, nach Erlass der Lex Emminger: Auch damit sei keine

„Begriffsbestimmung der Staatsanwaltschaft oder […] Festsetzung des Zieles ihrer Tätigkeit“

festgelegt worden; Falck (1925), 34.

„neues öffentliches Organ“694 mit Platz „im Niemandsland zwischen Exekutive und Judikative“695 verorten. Für die Zwischenräume an den Außengrenzen ihres Rechtssystems fanden die Juristen keine Worte, und die Politik hütete sich vor einer unnötigen Stellungnahme, wenn die staatsanwaltschaftliche Verfahrensbehörde im Alltag doch auch ohne Definition funktionierte. Statt eine Finaldefinition der Staatsanwaltschaft im Gerichtsverfassungs-gesetz zu geben, habe sich der Gesetzgeber dort schlicht mit „der Anordnung ihres Vorhandenseins begnügt“.696 Das ist, als Konfliktvermeidungsstrategie betrachtet, eine gute Option.

Ohne Definition sich selbst überlassen, mussten die Staatsanwälte ihre Handbücher selbst schreiben. Sie konstruierten darüber ihren Beruf und reichten ihren Kollegen

„einen Sammelpunkt“697, ein „Orientirungsmittel“698 dar. Die Nachfrage bestand. Das Mark'sche Handbuch konnte in der Publikationswelt einen soliden Lauf, wenn nicht sogar eine kleine Erfolgsgeschichte aufweisen.699 Dies galt allerdings nicht für das Handbuch von Staatsanwalt König. Auch König hatte sein Handbuch gewissermaßen als Dienstleistung konzipiert,700 die eine von Informationen und Anweisungen überquellende, aus „v. Kamp'sche[n] Jahrbüchern, Ministerialblättern, Generalacten, Kabinetsordres, Reglements und Rescripten“701 bestehende Rechtswelt der Staatsanwaltschaft ordnen sollte. Der Unterschied zum Handbuch von Marck bestand darin, dass König quantitativ wenig702, aber über alles schrieb. Die Bearbeitung von Justizbauangelegenheiten behandelte er ebenso wie den Versetzungsantrag, die Benutzung der Post oder den Urlaub; auf die Benutzungsanweisung für den Telegraphen folgte die Strafvollstreckung. Nur knapp

694 Rüping (1992), 153.

695 Rüping (1992), 151.

696 Falck (1925), 34.

697 Literaturanzeige zu Marck (1884), in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg.

9/1885, 154.

698 Literaturanzeige zu König (1882), in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg.

31/1887, 143.

699 Marck revidierte, korrigierte und ergänzte die erste Auflage seines Handbuches gleich „vom ersten Tage nach ihrem Erscheinen ab“. Für die zweite und dritte Auflage bekam er, inzwischen aus dem Staatsdienst als Staatsanwalt verabschiedet, Unterstützung aus Hamm in Westfalen vom dortigen OLG, zunächst durch Oberlandesgerichtsrat Alfred Kloß und später zusätzlich durch den Ersten Staatsanwalt Dr. Schwedersky. Wie die Autorenanzahl schwoll auch die Seitenanzahl an: Die erste Auflage (1884) zählte 631 Seiten, die zweite (1903) 695 Seiten, die dritte (1913) 806 Seiten.

700 Er berief sich dabei auf den Vorgänger seines Werkes, auf das Büchlein von Paschke.

701 König (1882), Vorrede V.

702 Ohne Register und Formularanhang 183 Seiten in Kleinbroschürenformat.

waren seine Ausführungen zum „Beruf der Staatsanwaltschaft“, dem er aber doch einen eigenen Platz innerhalb des weit ausfransenden Geschäftskreises zugeteilt hatte und der unmittelbar evident gewesen sein muss: In Betracht für den „Beruf“

kam nämlich nur die Strafverfolgung.703 Daraus zog König aber keine weiteren Folgerungen, sondern er beschränkte die Berufsdarstellung auf knappe Sätze – wenn das Skrutinialverfahren704 nicht zur Klageerhebung führe, „so verfügt die Staatsanwaltschaft die Einstellung“.705 König wandte sich noch vier Sachverhalten706 von besonderem staatlichen Interesse sowie den Verfahrensvorschriften für die Einbeziehung von Sachverständigen zu. Dann verließ er den „Beruf der Staatsanwaltschaft“ und ging zu einer detaillierten, aber profan anmutenden Auflistung von Auslieferungsverträgen mit anderen Staaten über.

Marck hingegen zog aus dem alleinigen berufsmäßigen Zweck der Staatsanwaltschaft Konsequenzen und war damit wesentlich erfolgreicher: Er konzentrierte sein Handbuch auf die Strafverfolgung, die er chronologisch in den einzelnen Verfahrensabschnitten erläuterte. Damit spiegelte er zugleich den Arbeitsalltag seiner Behörde wider und deswegen hatten in seinem Handbuch auch Verwaltungstechniken ihren Platz. Als hierarchische Kommunikationsrichtlinien erläuterte Marck den „Styl“, den ein Staatsanwalt bei der förmlichen Behandlung des Geschäftsanfalls zu pflegen hatte. Dabei knüpfte er an Formulierungstechniken an, die von den Gerichten im 18. Jahrhundert im Verkehr untereinander und mit den Ministerien gebraucht worden waren707 und sich in der preußischen Bürokratie zu einem ganzen Arsenal an Verwaltungstechniken auswuchsen. Während man in der Staatsanwaltschaft heute für den internen Umlauf und für die Kommunikation mit anderen Behörden, vor allem mit dem Gericht, die Verfügungstechnik beherrschen muss, musste der preußische Staatsanwalt Ende des 19. Jahrhunderts mit dem

„Rescripten-Styl“, dem „Bericht-Styl“ und dem „Requisitionen-Styl“ vertraut sein. Im

703 König (1882), 33: Die Staatsanwaltschaft habe zum alleinigen berufsmäßigen „Zweck, die Urheber strafbarer Handlungen zu verfolgen“. Dem komme sie dadurch nach, „daß sie […] die öffentliche Klage erhebt.“

704 Von 'scrutinare', lat.: prüfen, eingehend untersuchen. Das Skrutinalverfahren war ein zeitgenössischer Fachausdruck für das Untersuchungsverfahren (Ermittlungsverfahren), das unter Leitung eines Staatsanwaltes, und nicht unter Leitung eines (Vor)Untersuchungsrichters geführt wurde.

705 König (1882), 33. Er widmete der Berufsdarstellung genau sieben Sätze.

706 Todesermittlungen, Brandermittlungen, Eisenbahnunfälle, Münzverbrechen.

707 Justus Claproth: „Grundtsätze I. Von Verfertigung und Abnahme der Rechnungen; II. Von Rescripten und Berichten; III. Von Memorialien und Resolutionen; IV. Von Einrichtung und Erhaltung derer Gerichts- und anderer Registraturen“, Zweyte und vermehrte Auflage, Göttingen 1769; dort 57 ff.: „Von Rescripten“.

Rescripten-Styl kommunizierte man mit Untergebenen und Verurteilten,708 also in abschüssiger Hierarchie: Der Rescripten-Styl „geht von oben nach unten“, durch die

„Ausdrücke: anweisen, auffordern, beauftragen, veranlassen, ohne Höflichkeitsfloskel.“709 Die formalisierte Kommunikation in andere Richtung, „von unten nach oben“ hatte im Bericht-Styl stattzufinden. Oben saß als erster allmächtig

„der König“; oben saß auch der persönliche Behördenkönig eines jeden Staatsanwaltes, „sein Oberstaatsanwalt“. Oben umfasste aber auch den Justizminister, generell „alle Staats- und Reichscentralbehörden“, „alle Minister, das auswärtige Amt, die Oberrechnungskammer usw.“. Das Reich „oben“ war groß und der Staatsanwalt musste dorthin „berichten, anzeigen, melden, bitten, sich beehren, gehorsamst, hochgeneigtest, allerunterthänigst, allergnädigst“.

Aufatmen durfte der Staatsanwalt nur unter „Gleichgestellten“ und diese fand er bei Seinesgleichen: Als Jurist bei den Gerichten und der Gerichtsschreiberei; als Exekutivbeamter bei den „staatlichen oder provinziellen Verwaltungsbehörden“; und nicht zuletzt als Bürger bei den „Privatpersonen“. In diesen professionellen und sozialen Kontexten zielte die Kommunikation auf Austausch und der hier zu gebrauchende Requisitionen-Styl kam ohne Tritt und ohne Buckel aus. Der Staatsanwalt konnte „mittheilen, ersuchen, benachrichtigen“, er durfte „anfragen“ und sogar „erwidern“. Mit den Gerichten kommunizierte er über Antrag oder gar über

„Erklärung“. Die professionelle Kollegialität signalisierte er „ergebenst“, während er sich gegenüber Privatpersonen noch ungebundener geben durfte710. Die Gleichstellung, die mit Wertschätzung der Identität einhergeht – also die Anerkennung der Profession, von Ausbildung und Qualifikation – hat wohl 1884 das justizinterne Arbeitsumfeld gewährleistet. In diesem Kontext konnte der Staatsanwalt seine Arbeit als selbstständig und nicht als fremdbestimmt wahrnehmen – „als deutscher Jurist“711 war der Staatsanwalt in der Strafrechtspflege am glücklichsten.