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Der Zusammenbruch Alt-Livlands

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 161-177)

1V. Ter Estenaufstand von 1313; Verkauf Estlands an den Orden

27. Der Zusammenbruch Alt-Livlands

Zu Wolmar versammelte sich am 13. März 1558 ein Landtag: 1558

es handelte sich um die Austreibung von 60000 Talern, deren Aus­

zahlung vom Zaren zur Vorbedingung des Beifriedens gemacht worden war. Nach langwierigen Verhandlungen, die zeigten, wie der Ernst der Lage von vielen noch gar nicht recht erkannt wurde, einigte man sich nach mannigfachem kleinlichen Hader und Zank endlich dahin, die Geldsumme durch Kontribution und Anleihen (sogar die dürftigen Kirchen­

schätze kleinerer Orte, so z. B. Pernaus mußten ausgeliefert werden)

zusammenzubringen und nach Moskau abzufertigen. Der Bischof von Dorpat schickte unter Beirat seines Kanzlers Holzschuher übrigens von sich aus einen Gesandten (Lustfer) nach Moskau ab und schien nicht übel Lust zu haben, für sich allein mit dem Zaren zu paktieren. Damit war alles verdorben. Der Zar schlug die Annahme des Geldes rund ab, ließ sich aber mit der Botschaft Dorpats in gesonderte Unterhand­

lungen ein. Um den Verhandlungen und Abmachungen größeren Nach­

druck zu verleihen, bestand der Zar darauf, daß man an ihn eine Gesandtschaft von ansehnlichen Leuten abfertige; Meister, Erzbischof und Bischof (von Dorpat) sollten womöglich persönlich nach Moskau kommen.

Auf dem Landtage zu Wolmar war eine Persönlichkeit in den Vordergrund getreten, die sich bisher vorsichtig zurückgehalten, dennoch im Orden schon eine gegen Fürstenberg gerichtete Partei um sich zu scharen gewußt hatte: der eben zum Komtur zu Fellin ausgerückte Gotthard Kettler. ^) In Fellin wußte er jetzt ein paar Landsknecht­

fähnlein, die im Solde Rigas standen, aber abgelohnt und entlassen werden sollten, willig zu machen, im Verein mit estländischen Gebietigern und deren Truppen den Marsch aus Narva zum Entsatz dieses wichtigen Grenzortes anzutreten. Dort war es aber noch vor Ablauf des Waffen­

stillstandes zu Feindseligkeiten gekommen. Nachdem eine Beschießung der Stadt von Jwangorod aus erfolgt war, eilte eine Gesandtschaft des Rats nach Moskau. Eine andere Gesandtschaft ging nach Brüssel, wo sie im November ergebnislos mit dem Könige Philipp II. von Spanien verhandelte; an diesen, dem man als Gemahl der Königin Maria von England, damals eine ganz besondere Machtfülle zutraute, hat sich übrigens auch der Meister durch den Komtur Georg Sieberg gewandt.

i) Geb. in Westfalen um 1517, zur Zeit des Meisters Brüggenet erst nach Livland gekommen und in den Deutschen Orden getreten. 1552 ist er Schaffer (S. 88), 1554 Komtur zu Dünaburg. In diesen Jahren ist er fast ununterbrochen auf Sendungen in Deutschland. Den Sturz Münsters (S. 149), mit dem er ver­

bunden war, überstand er. Mit litauischen Magnaten hat er früh Beziehungen angeknüpft, d. h. also mit Polen, das hinter jenen stand. Bezeichnend ist, daß sein Sekretär Salomon Henning an den Friedensverhandlungen von Poswol (S. 150) sich beteiligt hat. Unter Zurückdrängung anderer Gebietiger hatte er sich durch Fürstenberg, dessen Gunst er erschlichen, die wichtigste Komturei des Landes er­

rungen. Ein energischer, aber skrupelloser Mann von unersättlichem Ehrgeiz.

Der Zar forderte unter Zusage der Gewährleistung von Freiheit, Eigentum und Beibehaltung der alten Gebräuche vollständige Unterwerfung. In­

zwischen hatte der Ordensvogt, Ernst von Schnellenberg, am 4. Mai das Schloß Narva verlassen. Ein Teil der Stadt war in Brand geschossen; sie wurde fast ohne Widerstand genommen; und die stell­

vertretenden Ordensherren übergaben am 11. Mai auch die mangelhast verproviantierte Ordensburg gegen freien Abzug der Besatzung. Kettler war bis zur Stadt nicht herangerückt; über die Vorgänge daselbst, hieß es, sei er schlecht unterrichtet gewesen. So ging dies wichtige Bollwerk verloren.

Eine völlige Mutlosigkeit bemächtigte sich jetzt der Befehlshaber des zunächst bedrohten Landstrichs; eine ganze Reihe von Schlössern kam so ohne Schwertstreich in die Hände der Russen. Nur Neuhausen hielt sich unter dem Hauptmann Georg Üxküll sechs Wochen lang; da aber der vom Ordensmeister zugesagte Entsatz ausblieb, mußte es sich (Juni 29) endlich ergeben. Fürstenberg hatte nur eine geringe Truppen­

macht aufbringen können, mit der er ein befestigtes Lager bei Kirrumpäh bezog; er wartete vergeblich auf den Zuzug verschiedener Gebietiger.

Nach dem Fall Neuhausens gab er diese seste Stellung auf und zog sich nach Walk, von da auf Wenden zurück. Seine unzulänglichen Streit­

kräfte hatten ihm zum Angriff vorzugehen nicht gestattet. Jetzt wurde ihm seine Untätigkeit zum Vorwurf gemacht und dem am 9. Juli zu Walk von der Partei ihm aufgedrungenen Koadjutor Gotthard Kettler die Leitung des Krieges übertragen. Auf diesen war jetzt die Hoffnung des Landes gerichtet; aber er hatte mit denselben Schwierigkeiten wie Fürstenberg zu rechnen.

Unterdessen hatte die Belagerung Dorpats durch ein starkes russisches Heer begonnen. Schanzen waren vor der Stadt aufgeworfen, die mit glühenden Kugeln beschossen wurde. Die Befestigungen waren in mangel­

haftem Zustande, auch fehlte es an Munition und Proviant. Auch Verrat hat mitgespielt: an einem Turm der Stadt wurde, der Urheber blieb unbekannt, zum Zeichen der Übergabe ein Hut herausgehängt.

Der Bischof ließ sich durch die tumultuierenden Volkshaufen bewegen, aus Unterhandlungen einzugehen. Am 19. Juli hielt der russische Befehlshaber Peter Schuiski seinen Einzug in die Stadt. Ein Teil der Einwohnerschaft wurde ins Innere Rußlands abgeführt. Auch der

Bischof Hermann, der sich nach Falkenau zurückgezogen hatte, wurde nach Moskau gebracht, wo er 1563 gestorben ist. Er hat noch die trüge­

rische Hoffnung gehegt, daß er heimkehren könne; er hätte in diesem Falle ein von Grund aus verändertes Livland vorgefunden. Der Magistrat der Stadt übte seine Tätigkeit noch Jahre hindurch; er war eben nicht so leicht durch neue Einrichtungen zu ersetzen. Die Mehrzahl der Domherren aber zerstreute sich; auch hatten zahlreiche Familien schon vor dem Beginn der Belagerung mit Sack und Pack die Stadt verlassen.

Vollständige Auflösung schien schon jetzt nach dem Fall Dorpats erfolgen zu sollen. Auf die Verteidigung der nördlichen Striche des Landes verzichtete man schon. Die Lage hatte sich dort auch zum Schlimmeren gestaltet. Der Komtur von Reval, Franz von Segenhagen genannt Anstel, überließ das Ordensschloß und den befestigten Domberg dem öselschen Stiftsvogt, Christoph von Münchhausen (einem Bruder des Bischofs Johann von Ösel und Kurland), der sich für einen Bevoll­

mächtigten des Königs von Dänemark ausgab, in dessen Namen er den Revaler Dom besetzte. Der Ordensmeister wollte sich nach Dünamünde zurückziehen; eine Verteidigung der Linie an der Düna wurde angeordnet:

man gab also das übrige Land preis. Schon ließ der Zar die Städte Riga und Reval zur Unterwerfung unter günstigen Bedingungen auf­

fordern. Verschiedenartige Pläne, sich der Schutzherrschaft einer fremden Macht zu unterwerfen (vgl. schon S. 149) nahmen jetzt eine festere Gestalt an. Der Meister Fürstenberg trat mit Dänemark in Vorunterhandlungen;

der Erzbischof Wilhelm und der Koadjutor Kettler näherten sich gemein­

schaftlich Polen und suchten auch die Stadt Riga sür ihre Pläne zu gewinnen. Die Ritterschaften Estlands und die Stadt Reval aber neigten zu Schweden.

Es war ein außergewöhnlich heißer Sommer, so daß Reiter im Harnisch erstickten; in vielen Gegenden waren die Wälder in Brand geraten. Die Saaten waren in den heimgesuchten Strecken meist zerstört;

es drohte Hungersnot. Gegen den Herbst gelang es dem Koadjutor Kettler trotz aller sich dagegen stemmenden Schwierigkeiten mit seinen Söldnerscharen zum Angriff vorzugehen. Er nahm das Schloß Ringen den Russen wieder ab (Oktober 29) und drang bis Dorpat vor. In einem Gefecht bei der Brücke zu Elwa (November 8) erlitt er eine schwere Verwundung und ließ sich nach Reval bringen. Kaum genesen,

setzte er sich dort in den Besitz des Ordensschlosses, das Christoph Münchhausen vergeblich der Stadt zum Kauf angeboten hatte und das jetzt die Statthalter Dietrich Vehr und Heinrich Üxküll, da sie von Dänemark in Stich gelassen wurden, dem Koadjutor überließen. Er richtete in Reval wieder eine Ordensverwaltung ein (Dezember 8). Auch besetzte Kettler jetzt die befestigte Abtei Padis mit Kriegsvolk und ver­

stärkte die Besatzung Weißensteins. Dieses hatte sich gegen alle Angriffe bisher tapfer gehalten, die einzige Burg, die nicht zur Übergabe gebracht worden war. Etwas später hat Kettler dort einen noch jungen Ordens­

herrn, Kaspar von Altenbockum, zum Statthalter eingesetzt, der es hart­

näckig verteidigt hat. Der Koadjutor des Erzbischofs, Herzog Christoph von Mecklenburg, hat sich damals nach Deutschland ausgemacht, um Hilse von seinem Bruder, dem Herzog Johann Albrecht, einem Schwiegersohn des Herzogs Albrecht von Preußen, zu erlangen.

Gegen Ende des Jahres traf eine Gesandtschaft des Königs von Dänemark in Riga ein. König Christian war inzwischen gestorben, sein Sohn, Friedrich II., verfolgte eine andere Politik. Nicht nur auf das Betreiben des Bischofs von Ösel-Kurland, der sich an ihn gewandt hatte, sondern auch des Meisters waren diese Unterhandlungen eingeleitet worden. Die dänische Gesandtschaft begab sich weiter nach Moskau.

Eine starke russiche Heeresabteilung rückte jetzt ins Erzstift ein. 1559 Bei Tirsen stellte sich ihr die erzstistische Kriegsmacht am 17. Januar entgegen; sie erlitt eine vollständige Niederlage, der Anführer, der Dekan des Domkapitels, Friedrich von Fölckersam, fiel im Gefecht. Die Scharen aber umschwärmten Riga, das sich energisch verteidigte, unter­

nahmen auch Streifzüge bis tief nach Kurland hinein, zogen sich dann aber schnell, alles verwüstend, dünaauswärts zurück, als sich die Kunde vom Heranziehen des Koadjutors Christoph aus Preußen durch Kurland mit einem Heere (dessen Größe das Gerücht übertrieb) verbreitete.

Die dänische Gesandtschast hatte in Moskau die alten Ansprüche auf Harrien und Wierland geltend gemacht. Ihre weitläufigen Deduk­

tionen hinterließen zwar keinen Eindruck, aber sie führten sür Livland nochmals einen Waffenstillstand (vom Frühjahr bis zum Herbst 1559) herbei. Über Reval, wo sie die Stimmung sondierte, kehrte die Ge­

sandtschaft heim. Kettler trat jetzt mit seinen Absichten gegenüber dem

Meister Fürstenberg deutlicher hervor. Schon war die Rede von der Abdankung; Kettler aber sollte in Polen und im Reich um Unter­

stützung nachsuchen. Über Wilna nahm er seinen Abzug, im Mai ist er in Wien beim Kaiser. Hier sand er keinen Trost, weshalb er sich auch gar nicht, wie er anfangs beabsichtigt hatte, auf den Reichtag be­

gab. Eine Subsidienzahlung für Livland von feiten des Reichs war zugesagt; sie ist nie zur Auszahlung gelangt. Ein Vorwand zur Ver­

weigerung war bald gefunden: dem Usurpator Kettler könne von Reichs wegen keine Hilfe geleistet werden. Der Koadjutor hielt sich im Juni in Krakau auf, vom Juli bis in den Anfang September dauerten dann die Verhandlungen in Wilna. Es galt die Bestimmungen des Poswoler Friedens (S. 150 s.) zu umgehen; sofortige schleunigste Hilfe war not­

wendig, oder es war alles verloren. Nur zögernd ging der König Sigismund August von Polen auf das Anstürmen Kettlers ein. Am 31. August 1559 verpflichtete er sich sür Litauen: gegen Abtretung eines Landesteiles an der mittleren Düna, sowie Verpfändung wichtiger Ordensschlösser (Dünaburg, Selburg, Ludfen, Rofsiten und Bausken­

burg) versprach der König das Land gegen die Angriffe der Russen zu schützen. Der Erzbischof Wilhelm hat sich diesem Vertrage am 15. Sep­

tember angeschlossen, der übrigens erst im Februar 1560 zu Riga rati-habiert wurde; auch er hatte pfandweise seine wichtigsten Schlösser im südlichen Livland (Kokenhusen usw.) den Polen auszuliefern.

Auf einem Tage zu Wenden vermochte Kettler den Meister Fürsten­

berg zur Abdankung zu bewegen; nur unter dieser Vorbedingung sei der König von Polen geneigt, dem Lande Hilfe zu bringen. Das war richtig; aber Kettler selbst hatte diese „Vorbedingung" in den Vertrag gebracht. Nur zögernd gab Fürstenberg nach. Aber die Partei Kettlers hatte unter den Resten der maßgebenden Ordensgebietiger schon die überwiegende Stimmenmehrheit; und die Stimmen wurden gezählt, nicht mehr gewogen, wie früher im Orden. Es handelte sich auch um den Unterhalt des „alten", d. h. ehemaligen Meisters. Pernau war ihm anfangs zugesagt; der dortige Komtur aber wollte nicht weichen. Erst um den 20. September gab Fürstenberg nach, nachdem am 17. bereits die Sache als erledigt gegolten hatte. Ihm wurde Tarwast und Helmet eingeräumt, erst im nächsten Jahre (1560) auch Fellin; und damals erst lieferte er die Amtssiegel an Kettler aus. Reval und Riga hat er

zögernd ihres Eides entlassen. Auch Verschiebungen in der Besetzung der Ämter sind auf diesem Tage zu Wenden noch vorgenommen worden.

Kettlers Anhänger blieben in ihren Ämtern oder rückten empor. In der Person des Philipp Schall von Bell, einer der wenigen Achtung­

gebietenden aus dieser letzten Zeit, hatte Kettler einen Landmarschall gefunden, auf den er sich verlassen konnte.

Erst im Spätherbst, bis in das Ende des Jahres, besetzten die Polen die Pfandschlösser mit Präsidien. Ins Feld ließen sie nur ge­

ringe Streitkräfte abrücken und zogen diese zaudernd an der Grenze und den südlichen Teilen des Landes zusammen. Die Stadt Riga hatte allen Aufforderungen widerstanden und sich der polnischen Schutzherr-herrschast nicht angeschlossen. Einige Hansestädte unterstützten Riga und Reval zum Zweck der Landesverteidigung mit Geld, Geschützen und Munition. Die Handelsbeziehungen zum russischen Narva wurden aber weiter unterhalten. Kettler stellte sogar Kaperbriefe aus; ein See­

räuberunwesen wie zu Zeiten der Vitalienbrüder (S. 90) machte die Ostsee unsicher. Doch es war gerechtfertigte Notwehr, denn im Herbst 1559 wurden bei Reval hanseatische Schiffe genommen, die den Russen Munition zuführten.

Kettler hatte nun freie Hand, wenn man von seiner Abhängigkeit von Polen, die immer drückender wurde, absieht. Das Geld zur An­

werbung neuer Söldnerscharen verschaffte er sich durch weitere Ver­

pfändungen, z. B. des Hofes (Kastells) Kegel bei Reval an die Stadt.

Im November zog er gegen das russische Lager unweit Dorpat. Einen letzten Sieg errang er bei Nüggen. Eine versuchte Überrumpelung Dorpats aber mißlang. Im Dezember ließ er nach heftiger Beschießung mehrfache Stürme auf Lais versuchen, die alle abgeschlagen wurden, obgleich die Belagerten zuletzt ihren Proviant und ihre Munition ver­

braucht hatten. Zu Ende des Jahres zog sich Kettler auf Oberpalen zurück. Die Jahreszeit verbot weitere Operationen, die Geschütze waren bei dem Übeln Zustande der Wege nur unter größten Schwierigkeiten von Lais nach Oberpalen in Sicherheit zu bringen.

Polnische Hilfe blieb aus, als zu Beginn des Jahres 1560 größere I56l>

und kleinere Scharen aus Rußland an verschiedenen Stellen des Landes einbrachen. Als letzter Stützpunkt im Osten fiel im Februar Marien­

burg, das von seinem Komtur fast ohne Verteidigung aufgegeben wurde.

An eine Wiedereroberung war nicht zu denken; das Land lag jetzt hier offen und ungeschützt da. Streifzüge erstreckten sich bis ins Gebiet Fellin hinein; kleinere Abteilungen, die sich dem Feinde entgegenstellten, wurden aufgerieben, flüchtige Landbewohner in den Wäldern eingefangen, hingemordet, herdenweise nach Rußland abgeführt. Unter den Lands­

knechten aber gab es fortwährende Meutereien, da der Ruf nach Aus­

zahlung der Löhnung oft vergeblich war. Um sie zu befriedigen, mußte Meister Gotthard zu weiteren Verpfändungen schreiten. Grobin überließ er für 50000 Gulden dem Herzoge von Preußen (es ist erst 1609 wieder an Kurland gelangt), Goldingen, Windau, später auch Tuckum wurden dem König von Polen verpfändet. Die letzte verwendbare Mannschaft wurde den Besatzungen der Burgen entzogen, diese durch polnische Truppen zwar besetzt, aber samt ihren Gebieten wenig vor

den Angriffen der Russen geschützt, die Gebiete ausgesogen.

Am 26. September 1559 war es dem Bischos von Ösel und Kur­

land, Johann von Münchhausen, gelungen, seine Besitzrechte (wenn von solchen überhaupt die Rede sein konnte) an den König von Dänemark zu verhandeln; er hat sich (1560) nach Verden zurückgezogen. Im April 1560 aber landete der Bruder des Königs, der junge Herzog Magnus von Holstein, bei Arensburg. Als Entschädigung für seine Ansprüche auf Holstein hatte ihm sein königlicher Bruder die Stifte Kurland und Ösel überlassen. Er nahm den Bischofstitel an. Ein böses Verhängnis hat ihn nach Livland geführt, sein Einfluß hat lähmend auf die letzten Verteidigungsversuche eingewirkt. Viele hat er betört. Mit dem Koadjutor Christoph und anderen Machthabern im Lande trat er in Unterhandlung. Bei dem Ordensvogt der Soneburg auf Ösel, Heinrich Wolff gen. von Lüdinghausen, stieß er auf Wider­

stand. Er nahm ihn gefangen; mußte ihn freilich auf die Reklamationen Kettlers bald entlasten. Das gab böses Blut. Seine Haltung Kettler gegenüber blieb eine feindselige. Indem er dessen Ansehen zu untergraben meinte, schadete er seiner eigenen Sache. Es war ihm gelungen, An­

rechte auf das Bistum Reval zu erkaufen; dessen letzter, übrigens nie bestätigter oder konsekrierter Bischof Moriz Wrangell räumte es ihm ein. Ulrich Behr, Dompropst von Kurland, trat die Verwaltung des Bistums gegen den erblichen Besitz von Edwahlen und anderer Güter dem jungen „Bischof" ab, der mit seinen Ratgebern auch benachbarte

Gebiete Livlands jetzt seinem Einfluß zugänglich zu machen versuchte.

An die Landesverteidigung aber hat Herzog Magnus sich nicht ernst­

haft gewagt.

Und doch waren im Mai 1560 neue russische Heere unter den Fürsten Kurbski und Adaschew in Livland eingerückt, um den letzten Widerstand zu brechen. Zu Ende Juli war nach Pernau eine Zu­

sammenkunft ausgeschrieben, ein Landtag. Der Ordensmeister, der Erzbischof Wilhelm, Herzog Magnus und andere versammelten sich.

Zur Besprechung über die Defension des Landes ist es nicht gekommen.

Man mißbrauchte die Zeit in langwierigen Unterhandlungen, um den Hader zwischen Kettler und Magnus zu stillen. Eine Schreckenskunde sprengte diesen letzten altlivländischen Landtag auseinander und trieb zu Anfang August die Teilnehmer an demselben in ihre Behausungen zurück. Aus Dünamünde, Kokenhufen, Arensburg ertönten dann fast gleichzeitig die Klagen der Betroffenen.

Ein starkes russisches Heer war von Dorpat gegen Fellin abgerückt, das es eng umzingelte. Am 2. August aber kam es bei Ermes (un­

weit Walk) zu einem Vorpostengefecht; unversehens stieß dort das kleine Ordensheer unter dem Landmarschall Philipp Schall auf die russische Hauptmacht. Es war die letzte Feldschlacht des Deutschen Ordens in Livland. Tapfer kämpfend ist die Mehrzahl der Gebietiger, der Vasallen, der Landsknechte gefallen; die Gefangenen aber wurden in Pleskau und Moskau hingerichtet, darunter der Landmarschall, der durch ein trotziges Wort den Zorn des Zaren erregt hatte (Oktober 1560). Das siegreiche russische Heer zog zur Verstärkung des vor Fellin liegenden ab. Der alte Meister Wilhelm von Fürstenberg leitete die Verteidigung des Schlosses, das reichlich mit Geschützen und Kriegsbedarf und mit ge­

höriger Mannschaft besetzt war. Die Stadt wurde eingeäschert, dem Schlosse aber sügte das Bombardement keinen bedeutenden Schaden zu.

Umsonst hatte Fürstenberg Boten um Entsatz an Kettler abgehen lassen.

Dieser hatte keine Truppen mehr zur Verfügung. Auch waren die Straßen versperrt. Versuche, die polnischen Schutztruppen in Bewegung zu setzen, scheiterten. Zwischen Riga und Wenden geriet Kettler in einen Hinterhalt und zog sich wieder auf Dünamünde zurück. Fellin aber brachte die Meuterei der Landsknechte zu Fall, die stürmisch die Auszahlung ihres rückständigen Soldes verlangten und den Gehorsam

Arbusow, Geschichte der Ostseeprovinzen. 11

verweigerten. Am 20. August war Fürstenberg ein Gefangener, am 21. wurde er nach Moskau abgeführt.^) Die Landsknechte hatten die Übergabe beschleunigt, sie erhielten sreien Abzug, den sie reich mit Beute beladen antraten; sogar den alten Ordensmeister hatten sie ausgeplündert.

Doch entgingen sie dem Gericht Kettlers nicht, der die Rädelsführer er­

mitteln und hängen ließ.

Bis in die Gegend von Wenden, Pernau und die Wiek, Reval strahlten jetzt die Streifzüge der Russen aus. Dabei fielen die meisten

Bis in die Gegend von Wenden, Pernau und die Wiek, Reval strahlten jetzt die Streifzüge der Russen aus. Dabei fielen die meisten

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 161-177)