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Die Nachfolger Plettenbergs

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 150-156)

1V. Ter Estenaufstand von 1313; Verkauf Estlands an den Orden

25. Die Nachfolger Plettenbergs

Noch als Landmarschall hatte der nunmehrige Meister Hermann von Brüggenei Vasallen und Städtern gegenüber einen Standpunkt ver­

treten, der hoffen ließ, daß die neue Lehre an ihm einen Förderer finden werde. Er enttäuschte aber alle durch seine Haltung, die gleich bei seinem Regierungsantritt deutlich hervortrat; er warf die Maske ab.

Hart und rücksichtslos ging er vor. Aus dem Orden entfernte er alle unsicheren Elemente; er schreckte dabei vor Anwendung von Gewalt­

maßregeln nicht zurück. Schroff verhielt er sich gegen den Markgrafen Wilhelm. Dieser entzog sich dem Konflikt mit dem Meister, indem er zurückwich und im Frühsommer 1535 seine Pläne auf das Stift Ösel fallen ließ. Seine Anhänger stoben auseinander. Ein Teil suchte Schutz in Preußen (Bulgerin, Heinze, Saß), andere waren nach Däne­

mark gegangen. Konrad Üxküll wegelagerte vor Lübeck. Ein Eingriff Herzog Albrechts, der in einem bewaffneten Einfall unter Leitung der Flüchtlinge zunächst gegen Kurland und die Insel Ösel geplant worden war, kam nicht zustande. Lohmüller hatte den Unterhändler gespielt;

als der Meister dem Komplott auf der Spur war, entwich er (Juni

1535) aus Riga. Er begab sich (doch hat er bezeichnenderweise zuerst beim Koadjutor Wilhelm geweilt) nach Königsberg; trat übrigens nach einiger Zeit wieder in ein Dienstverhältnis zur Stadt, er wollte deren Interessen von Preußen aus „vertreten". Gegen die nicht Geflüchteten ging der Meister energisch und mit großer Härte vor. Dietrich Butlar, der im Tuckumschen und Bauskeschen begütert war, wurde ins Gefängnis nach Wenden geschleppt; an den Folgen der Folter ist er (1537) hier gestorben. Seine Güter wurden eingezogen und anderweitig verlehnt.

Auch gegen Georg von Ungerns auf Pürkel (der schon 1533 gestorben) Erben und viele andere wurde mit Vermögenskonfiskationen vorgegangen.' Übrigens hat Bischof Reinhold von Ösel im Jahre 1541 resigniert und das Stift übernahm als Administrator Johannes von Münchhausen, Bischof von Kurland, der bald darauf auch als Bischof von Ösel be­

stätigt wurde.

In Reval war inzwischen die Stimmung zwischen Vasallen und Städtern eine aufs äußerste erbitterte geworden. Johann Üxküll von Riesenberg hatte einen ihm entlaufenen Bauern, den er des Diebstahls bezichtigte, auf städtischem Gebiet ergriffen und hängen lassen. Als er bald darauf ohne Geleit, trotz aller Warnungen nach Reval kam, wurde er festgesetzt, vom städtischen Vogt verurteilt, und enthauptet. Zu diesem krassen Übergriff in die Rechte eines anderen Standes hat nicht persön­

liche Ranküne gegen den Gerichteten geführt, sondern die Stadt verfuhr, indem sie ohne Rücksicht fest an dem Prinzip hielt, daß sie den Blut­

bann, mit dem sie begabt war, in ihrem Gebiete über „Reiche und Arme" auszuüben hatte. Die Erregung der Vasallen war eine außer­

ordentliche. Als der Meister im Februar 1536 seinen Einritt in Reval hielt, kam es auf einem in seiner Gegenwart gehaltenen Turnier (aus dem ein Kaufgeselle, der sich unbefugt dazu hineingedrängt hatte, als Sieger hervorging) zwischen den Vertretern der verschiedenen Stände zu einem blutigen Kampfe. Jahrelang zogen sich die Verhandlungen hin, besonders da Brüggenei die Aufregung durch Parteinahme für die Stadt schürte.

Noch im Jahre 1535 bestätigte der Ordensmeister der Stadt Riga 1535.

ihre Privilegien; die Ansprüche des Erzbischoss an die Stadt werden mit Schweigen übergangen, die Klausel aus dem Privileg Plettenbergs von 1525 (s. S. 135) hat Aufnahme gefunden. Als jetzt nach dem

1539 1539 im August erfolgten Tode des Erzbischofs Thomas Schöning (der rigifche Bürgermeistersohn fand seine Gruft in Kokenhusen, denn der rigifche Dom war in Händen der Stadt) die Würde an den Koadjutor, den Markgrafen Wilhelm fiel, verweigerte die Stadt ihm die Huldigung. Auch wegen der Auslieferung der Kapitelgüter ver­

hielt die Stadt sich ablehnend: zur Erhaltung von Kirchen, Schulen, Hospitälern und anderen gemeinnützigen Anstalten wollte sie die Ein­

künfte verwendet wissen, sie nicht den Luxusbedürfnissen eines habgierigen Prälaten opfern. Durch den Beitritt zum Schmalkaldischen Bunde 1541 (1541 November 6, Torgau) schaffte Riga sich einen Rückhalt. Ver­

handlungen, die mit dem Erzbischof gepflogen wurden, blieben erfolglos.

Schon begann der Orden im Interesse des Markgrafen, dem auch von seinem Bruder dem Herzog Albrecht von Preußen Hilfe zugesagt war,

1542 zu rüsten. Im August 1542 hatten die Verhandlungen auf der Tag­

fahrt zu Lemsal die Angelegenheit des Erzbischofs scheinbar gefördert.

Er hatte in Riga Anhänger; einer von diesen, der Bürgermeister Konrad Durkop, verfaßte noch im selben Jahre eine Schrift, in der er die Ansprüche des Erzbischofs vertrat, den Ordensmeister schmähte. Dieser verlangte die Auslieferung des unbekannten Verfassers, der sich durch die Flucht nach Lübeck rettete; dort ist er, ohne die Vaterstadt wieder­

gesehen zu haben, gestorben (November 1546). Die Grundgedanken von Durkops Schrift aber lassen sich in dem zu Neuermühlen am

1546 24. Oktober 1546 geschlossenen Vertrage erkennen, auf die man also trotz alledem zurückgekommen ist: die Stadt verstand sich zur Huldigung an den Erzbischof Wilhelm, nachdem dieser auf Ausübung der geistlichen Jurisdiktion in Riga verzichtet hatte (wozu er sich übrigens schon mehrere Jahre vorher entschlossen hatte) und zur Anerkennung seiner Herrschaft auf die kaiserlichen Regalien hin als eines belehnten Fürsten des heiligen Römischen Reiches; dagegen gewährte er der Stadt Sicherung der evangelischen Lehre, Bestätigung ihrer Freiheiten und Privilegien. Hin­

sichtlich Rückgabe der Stiftsgüter versprach die Stadt in Unterhandlung

154? zu treten. Im Januar 1547 hielten Ordensmeister und Erzbischof ihren feierlichen Einzug in Riga; damit begann formell wieder die Doppelherrschaft beider Herren über die Stadt. Diese blieb zunächst im Besitz der Stiftsgüter. Die Versuche des Erzbischofs, seine dahin gehenden Ansprüche beim Reichskammergericht durchzusetzen, scheiterten oder

kamen bei dem dort üblich gewordenen schleichenden Rechtsgange nicht vorwärts. Erst dem Meister Heinrich von Galen gelang es im Dezember 1551 einen dem Erzbischof günstigen Vergleich zustande zu bringen: die 1551

Stadt verzichtete auf die Häuser und Besitzlichkeiten der Domherren, behielt aber die Domkirche, in der längst evangelischer Gottesdienst ein­

geführt war.

Noch im März 1535, sofort bei seinem Regierungsantritt, hat der Meister Hermann, wie russische Chroniken melden (in denen der Name Plettenbergs wie ausgemerzt erscheint) eine ansehnliche Gesandtschaft an den Zaren Iwan IV. nach Moskau befördert. Das Einvernehmen mit diesem Nachbarn scheint auch das beste geblieben zu sein. Eigentümlich ist, wie König Gustav von Schweden in dieser Zeit sich mit der im 16. Jahrhundert hauptsächlich aus Handwerkern bestehenden Domgilde ^)

zu Reval in Beziehungen gesetzt hat, sich unter ihnen einen Einfluß und Anhang zu verschaffen wußte.

Schon 1541 hatte sich der Meister Brüggenei einen Koadjutor in der Person des Komturs zu Fellin, Johann von der Recke zugesellt, der die Bestätigung vom Kaiser und dem Administrator der Hochmeister­

würde als Nachfolger erlangt hatte. Sofort nach dem Tode Brüggeneis 1549

trat Recke die Regierung an. Sein Gebiet Fellin behielt er auch als Meister bei; dabei hat er kaum an umfassendere Maßregeln gedacht, wie einst der Meister Wolthuß (s. S. 106), sondern nur eine Steigerung seiner Einkünfte bezweckt. Noch zu seiner Koadjutorzeit hat ein Vetter von ihm, Jodokus von der Recke, nach dem Tode des Bischofs Johann Bey das Stift Dorpat erhalten. Der Orden versuchte also noch in dieser Zeit, die Stifte mit ihm genehm scheinenden Personen zu besetzen. Denn der Bischof Jodokus, der erst 1547 allgemeine Anerkennung, namentlich in der Stadt Dorpat, gefunden hat, von dessen Zugehörigkeit zu einem livländischen Domkapitel nichts verlautet, ist vom Orden und seiner Familiensippe gestützt, zu der Würde gelangt. Schon 1551 wurde ihm seine Stellung unbequem; er begab sich in seine Heimat Westfalen, ver­

stand sich aber erst nach zwei Jahren zu einem Bertrage mit seinem vom Dorpater Kapitel gewählten Nachfolger. Dies war der Abt des

2) 1407 März 25 gestiftet, zu St. Marien; damals für Herren (auch Dom­

herren), Diener (Ordensdiener) und auf dem Dom lebende Bürger (Fr. Stillmark).

Arbusow, Geschichte der Ostseeprovinzen. 10

Klosters Falkenau, Hermann Wesel, der auch als Bischof die Abtei bei­

behalten hat. Unregelmäßigkeiten in der Besetzung der Bistümer und ergiebigerer Pfründen läßt überhaupt in diesen letzten Jahrzehnten Alt-Livlands den Mangel an geeigneten Persönlichkeiten erkennen. So behielt auch der Bischof von Reval, Friedrich von Ampten, die Propstei nebst zugehöriger Präbende des Stiftes Ösel bei. Für den Niedergang der alten Kirche in Livland spricht auch, daß diese Bischöfe aus der letzten Zeit die Bischofsweihe (Konsekration) nicht mehr erlangten, da es an Mitbischöfen, die eine solche vorzunehmen befugt waren, im Lande mangelte. Klöster in den kleinen Städten haben sich bis zum Zu­

sammenbruch Alt-Livlands gehalten. Die größeren Nonnenklöster Cister-zienser Ordens in den drei Städten lassen sich ebenso weit verfolgen, haben aber mancherlei Reformen über sich ergehen lassen müssen. Sie waren zuletzt eine Art Erziehungsanstalt sür Töchter aus dem Vasallen­

stande geworden. In Riga und Reval überdauerten sie das Jahrhundert.

Daß schon um das Jahr 1460 die Ordensmeister neben ihrem althergebrachten Amtssiegel auch ein solches, das persönlicher zu deuten ist, in Gebrauch nahmen, nämlich ein mit ihrem Geschlechtswappen versehenes (ein solches ist nur vom Ordensmeister Johann Freitag nicht bekannt), ist wohl als ein auf Verweltlichung hindeutender Zug ausgelegt worden. Meister Recke mutete jetzt der harrifch-wierischen Ritterschaft zu, bei seinem Einritt in Reval in seinen Wappenfarben gekleidet auf­

zuziehen. Er schob einer in Reval und Umgegend herrschenden Seuche wegen übrigens diese Huldigung auf, und es ist zu ihr nicht gekommen.

In Riga ist er gewesen und hat der Stadt in erwünschter Weise die Privilegien bestätigt. Sonst hat er enttäuscht. Man hatte allgemein die Hoffnung gehegt, daß von ihm eine Resorm des ganz verweltlichten Ordens zu erwarten sei. Als Koadjutor hatte er sich auch oft der neuen Lehre günstig erwiesen, sich gewissermaßen zu ihr bekannt; so schrieb er einmal an Reval in der Angelegenheit eines Predigers, daß er früher „als wir noch unwissend . . . schwebeten" andere Meinungen vertreten habe. Mit Reval kam es zu einem häßlichen Konflikt, als der Meister der Stadt Modifikationen im Salzhandel vorschlug, die ihm allerdings große Vorteile gebracht hätten. Reval, das von sich wohl behauptet hat, „es sei auf Salz gebaut", denn eine solche Bedeutung hatte dieser Handelsartikel hier, erwiderte ablehnend. Da brach der

Zorn des Meisters aus. Er sandte sofort Schreiber und Amtleute in die Stadt und forderte schroff die Einkassierung von bedeutenden Aus­

ständen, die Revaler Kaufleute ihm schuldeten. Er entblödete sich nicht, den ihm durch die Absage entzogenen Geschäftsvorteil mit religiösen Momenten zu verquicken. Er richtete verfängliche Fragen an die Stadt;

die seit einem Menschenalter dort befestigte evangelische Lehre schien mit einemmale für ihn nicht zu existieren.

Da starb der Meister. Die Parteikämpfe in dem schon recht reduzierten Orden sind uns aus dieser Zeit noch nicht im einzelnen bekannt. Daß nun aber der hochbetagte Landmarschall Heinrich von Galen, der diese Würde seit 1535 inne hatte, zum Meister gewählt ward, deutet auf einen Kompromiß, auf einen Notbehelf. Und nun werden auch die Parteibildungen klarer, ja das letzte Jahrzehnt, das dem Deutschen Orden hierzulande beschieden war, steht durchaus im Zeichen derselben.

Vor Neuerungen war man sicher bei diesem alten Herrn. Als er zur Huldigung nach Riga kam, hörte er (am 1. Oktober) mit zahl­

reichen Gebietigern im Gesolge im Dom eine Predigt des Magisters Petri an. Den Eid leistete Riga ihm und den gegenwärtigen Abge­

sandten des Erzbischofs zu dessen „halbem Anteile". Zwei Tage später gab der Meister dem Rat der Stadt ein festliches Gastmahl im Schlosse.

Am 13. Januar 1552 empfing der Meister die Huldigung in Reval.

Dann zog er nach Wenden; hier und in der nächsten Nachbarschaft ist er dann verblieben. Nach Kurland ist er nicht gekommen. Die Schlösser der Gebietiger wurden schon längst vom Meister nicht mehr aufgesucht. Die Komture und Vögte schalteten und walteten in ihren Gebieten als ziemlich unumschränkte Herren. Noch verdient bemerkt zu werden, daß die Beiträge zum Unterhalt des Reichskammergerichts von Meister und Erzbischof als Reichsfürsten regelmäßig entrichtet worden sind. Den Augsburger Religionsfrieden vom Jahre 1555 unterschrieb im Namen des Meisters dessen Bevollmächtigter, der Hauskomtur zu Riga Georg Sieberg von Wischlingen.

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