• Keine Ergebnisse gefunden

Erzbischof Silvester. Niedergang des Ordens in Preußen

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 109-114)

1V. Ter Estenaufstand von 1313; Verkauf Estlands an den Orden

19. Erzbischof Silvester. Niedergang des Ordens in Preußen

Da nach dem Tode des Erzbischofs Henning vom rigischen Kapitel eine ordensfeindliche Wahl zu befürchten stand, wandte der Orden alle Mittel an, eine ihm geneigte Persönlichkeit auf den erzbischöflichen Stuhl zu bringen. In Silvester Stodewescher (aus Thorn), dem Kanzler des Hochmeisters, glaubte man den geeigneten Mann gefunden zu haben. Entgegen den Wünschen und den Rechten des Kapitels gelang es beim Papst Nikolaus V. seine Bestätigung durchzusetzen. Die Anfänge 1448 des neuen Erzbischofs waren vielversprechend. Dann aber machte sich der Zwiespalt geltend; maßgebend wurde die Abhängigkeit des Ober-Hirten von den Anschauungen seines Kapitels, das die Traditionen der Vorgänger Silvesters vertrat. Dieser war dem Hochmeister sowohl, als dem rigischen Kapitel gegenüber Verpflichtungen eingegangen, deren Erfüllung nach beiden Seiten einfach unmöglich war. Die Wege, die die er dann beschritt, gereichten nicht zum Heile des Ordens und des Landes.

Bald nacheinander trat jetzt auch ein Wechsel in den Meifterämtern in Preußen und Livland ein. Der Tod des Hochmeisters Konrad von Erlichshausens (starb Novbr. 1449), die darauf folgende Wahl von dessen 1449

Better (d. h. wohl Neffen) Ludwig von Erlichshausen, vor dem der Sterbende gewarnt hatte, da er dessen Charakterschwäche kannte, war auch ein Unglück für Livland. Im Juni 1450 starb der schon lange 1450 kränkelnde Ordensmeister Joh. Vinke. Von den beiden Kandidaten, dem Westfalen Johann von Mengede genannt Osthof, und dem Rhein­

länder Heinrich Sleregen, erhielt der erstere die Bestätigung des Hoch­

meisters, wobei er dem neuen Meister ans Herz legte, die Rheinländer in Livland (die jetzt dort in der Minderzahl waren) bei Besetzung der Ordensämter nicht zu übergehen und zu kränken.

Es konnte als ein großer Erfolg, ja als ein Triumph des Ordens angesehen werden, daß es ihm gelang auf einem Tage zu Wolmar 1451 den Erzbischof zu der Bestimmung zu bewegen, daß das Rigische Kapitel von nun ab und für alle Zeiten das Ordensgewand anzulegen habe, auch sollten der jeweilige Propst und Dekan Räte des Deutschen Ordens sein. Eine gefälschte Bulle, wie man srüher wohl erzählte, hat dabei keine Rolle gespielt; nur eine längst außer Kraft gesetzte sollte als

Drohmittel mitwirken; dank der zuvorkommenden Nachgiebigkeit des Erzbischofs ist es ohne dieses häßliche Mittel abgegangen. Der Vertrag erhielt ohne Schwierigkeiten die päpstliche Bestätigung (1452 März;

sog. dulla Iiabitu8; vgl. S. 61) und trat damit in Kraft. Wenig später finden wir denn auch, daß das Rigische Kapitel aus elf Brüdern Deutschen Ordens neben einem einzigen regulierten Kanonikus besteht.

Doch das Gewand allein machte es nicht! Und als der Orden nun auch in den Stiften Reval und Dorpat, auch Asel ihm genehme Personen als Bischöfe einzudrängen versuchte, stieß er überall auf heftigen Wider­

stand, der den Landesfrieden abermals störte. Es trat sogar (1457) der unerwartete Fall ein, daß der neue Bischof von Kurland, Paul, durchaus eine Kreatur des Ordens, sich weigerte, das Ordensgewand anzulegen.

In Preußen erhielt der Orden damals seine Macht und sein An­

sehen nur noch mühsam aufrecht. Die Städte hatten dort Bündnisse untereinander abzuschließen begonnen, ebenso die Vasallenschaften (der Eidechsenbund existierte schon seit 1397, S. 92). In der Niederdrückung der Herrschaft des Ordens, im Anschluß an Polen mit seinen adeligen

„Freiheiten" meinten sie ihr Heil zu finden, volle Anerkennung, nicht Unterdrückung, wie sie wähnten, ihrer Interessen. Diese staatszerstörenden Umtriebe entwickelten sich jetzt unter einer schwachen Regierung weiter und führten rasch zum Zusammenschluß aller Gegner des Ordens.

Auch in Livland waren die Elemente zu einem Städtebunde vorhanden.

Es galt der Landesherrschaft, sich Rigas zu vergewissern und damit einem etwaigen livländischen Städtebund das natürliche Haupt vorweg zu nehmen. Vielleicht gingen die Herren zu voreilig vor, als Erzbischof 1452 und Meister nach, langen Verhandlungen im August und November 1452 miteinander den sog. Kirchholmer Vertrag schlossen (Nov. 30).

Beim Regierungsantritt hatte der Erzbischof der Stadt ihre Privilegien bestätigt; jetzt willigte er in die Doppelherrschaft. Dem Erzbischof wie dem Meister sollte die Stadt zu huldigen verpflichtet sein, beide sollten gleichen Anteil an der Münze, den Fischzehnten und sonstigen Gerecht­

samen haben. An etwaigen Kriegen der beiden Oberhäupter unterein­

ander durfte die Stadt sich nicht beteiligen, dagegen hatte sie dem Orden Heeresfolge gegen andere Feinde zu leisten. Einer der vier Bürgermeister unterlag als Erzvogt der Bestätigung von seiten beider

Oberherren. Ein Ordensherr hatte (wie schon 1330 bestimmt, s. S. 54) im Rat und Gericht Sitz und Stimme; weder Willküren der Stadt noch Burspraken hatten ohne seine Einwilligung gesetzliche Kraft. In wichtigen inneren Angelegenheiten war somit die Stadt abhängig von äußeren Gewalten gemacht. — Erzbischof und Meister hielten darauf ihren feierlichen Einzug in die Stadt. Im Januar 1454 bestätigte der Papst den Vertrag.

Die Stadt hatte ohnmächtig wie sie war und geradezu überrumpelt den Vertrag anerkennen müssen. Sie versuchte nun, sich dieser drückenden Bestimmungen wieder zu entledigen. Beide Herren, die sich jetzt miß­

trauisch gegenüber standen, suchten sich durch Gnadenbezeugungen zu überbieten und sich derart einen Anhang in der Stadt zu schaffen.

Mochten die vom Meister gewährten sich in den Grenzen berechtigter Wünsche bewegen, so suchte ihn der Erzbischof, in dem alle schlimmen Leidenschaften nun erwacht waren, darin zu übertrumpfen. Auf den eben geschlossenen Vertrag nahm er keine Rücksicht: der Orden sollte aus Riga ganz entfernt werden. Indem er durch einen unter seinem Einfluß stehenden Ältermann die Gemeinde gegen den Rat aufhetzte, hatte er ein gefährliches Mittel angewandt, dessen Folgen ihm zum Unheil ausschlugen. Er erschien selbst in der Stadt und schürte den Haß gegen den Orden. Im Juli 1454 ist es zu einer sechstägigen 1454 Beschießung des Ordenschlosses von seiten der Stadt gekommen, vom

Schlosse aus die Stadt geschädigt worden. Dann aber, als der Orden die Gebiete des Erzbischofs heimsuchte, hat dieser die Stadt ihrem Schicksal überlassen und mit dem Meister sich vertragen.

Mengden versöhnte die arg erregten Gemüter der Städter, indem er ihnen die alte, schon von Wilhelm von Modena begrenzte Stadtmark (mit geringen Ausnahmen aus Rücksicht auf die Verteidigungsfähigkeit des Schlosses) bestätigte. Der Erzbischof aber suchte nunmehr nicht in der Stadt, sondern bei der Ritterschaft seines Stiftes einen Halt zu ^1457 gewinnen, indem er ihr ein erweitertes Erbrecht, wie es die Harrisch- ^ Wierische Ritterschaft bereits besaß (s. S. 64) verlieh („Silvesters Gnade").

In Preußen war es inzwischen zu offenem Ausruhr gekommen.

Der Bund war zu Anfang des Jahres 1454 im Besitz von 56 Ordens­

schlössern, aus denen er die Gebietiger vertrieben hatte, und sämtliche

Städte, einzig Marienburg ausgenommen, hingen dem Bunde an. König Kasimir von Polen nahm jetzt offen die Partei des Bundes und erließ nun die Kriegserklärung gegen den Orden. Zu Thorn empfing er die Huldigung der Städte. Mit Geld und Mannschaft unterstützte der livländische Meister die preußischen Ordensgenossen. Der Hochmeister blieb tatenlos auf Marienburg sitzen. Der Komtur zu Elbing, Heinrich Reuß von Plauen, machte sich an die Wiederunterwerfung des Landes.

Mit livländischer Hilfe wurde Königsberg erstürmt (der Kneiphof mit dem Dom); eine livländische Besatzung erhielt Memel, nachdem von dort die Samaiten, die es eingenommen, vertrieben worden waren (sie hielt es bis 1473 besetzt). Inzwischen schädigten Danziger Piraten von Riga und Reval ausgehende oder dahin befrachtete Schiffe und legten den Handel lahm. Der Meister Mengden suchte nach Kräften zu helfen.

Doch es war ein verlorenes Spiel. Trotz bedeutender Summen, die aus Livland flössen, gelang es dem Hochmeister nicht, die fremden (namentlich böhmischen) Söldnerführer, denen er die Marienburg ver­

pfändet hatte, in ihren Ansprüchen zu befriedigen. Am 5. Juni 1457.

1457 (am Pfingstmontag) räumte er das Haupthaus des Ordens, das nun von den verräterischen Hauptleuten der Söldner dem König von Polen ausgeliefert wurde. Der Hochmeister zog sich nach Königsberg zurück.

Hier hat er dem livländischen Meister als Rekompensation für die

1459 geleistete Beihilfe im April 1459 eine Urkunde ausgestellt, in der die Bestätigung des Meisters von Livland vereinfacht wurde: nur e i n Kandidat war dem Hochmeister vorzustellen und er hatte ihn unbedingt zu bestätigen. Diese Bestimmung ist bei den nächsten Meisterwechseln denn auch eingehalten worden. Die Urkunde übergab aber auch, indem sie Harrien und Wierland von der dem Hochmeister zu leistenden Huldigung entband, diese Landschaften der direkten Unterstellung unter den Meister von Livland. Doch muß dies später rückgängig gemacht worden sein, denn die folgenden Meister haben nach wie vor die Huldigung Harrien-Wierlands im Namen des Hochmeisters empfangen, und erst viel später verzichtete ein Hochmeister darauf (s. unten 1525). An weiteren Kämpfen haben Livländer sich noch beteiligt, auch an manchen 1466 Unterhandlungen mit Polen teilgenommen. Im (sog. zweiten, s. S. 93)

Oktbr. 19 Thorner Frieden verzichtete der preußische Zweig des Ordens auf das Land westlich von der Weichsel. Seine wichtigsten Gebiete und Städte

(z. B. Danzig) waren an Polen ausgeliefert, der Hochmeister fortan dem Könige von Polen zu Lehns- und Huldigungseid sowie zur Heeres­

folge verpflichtet. Auf Livland hatte der Friede keinen staatsrechtlichen Einfluß, aber auch für dessen Geschicke konnte es nicht gleichgültig sein, daß das Oberhaupt des Ordens Vasall einer fremden, meist feindselig ihm gegenüber sich verhaltenden Macht geworden war.

Inzwischen hatte der Orden auch kein Glück mit der Beeinflussung der Besetzung des öselschen Bischofstuhls gehabt. Sein Schützling, Jodokus Hoenstein (Hohenstein), saß als quasi depossedierter Bischof als oberster Prokurator des Ordens in Rom. Der von einem Teil des Kapitels gewählte Johann Vatelkanne (ein rigisches Kind) be­

hauptete, obgleich ihm die päpstliche Bestätigung nicht zuteil geworden ist, als Usurpator das Feld. Dies ist nicht bloß bildlich zu nehmen;

im offenen Kriege hielt er dem Orden Stand und brachte ihm nicht unempfindliche Niederlagen bei. Er war ein Schützling Dänemarks;

dieser Umstand erklärt, aber entschuldigt nicht das Verhalten des Ordens, der sich mit dem Elekten von Ösel in Unterhandlungen einließ, anstatt ihn niederzuwerfen. Mit Dänemark hatte der livländische Zweig des Ordens im Interesse Preußens 1455, also ziemlich zu Anfang des drei­

zehnjährigen Krieges, ein Bündnis geschlossen; wirkliche Hilfe hat er von dort nicht erlangen können. Der König ließ sich die im Bündnis zugesagten hohen Summen auszahlen, verzichtete auf einen kleinen Rest

„zu Ehren der Jungfrau Maria", und tat nicht das geringste, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, während ein tatkräftiges Eingreifen von seiner Seite wohl den Dingen in Preußen, aller Voraussicht nach, eine günstige Wendung hätte geben können. Noch mehr, man ließ ihn in Estland, auf das Dänemark seit dem Verkauf von 1346 keinerlei Anrecht mehr besaß, einen Fuß hineinsetzen: durch Kauf waren dort jetzt wichtige Lehen erworben worden, die nun aus der Hand des Königs ihm ergebenen dänischen Vasallen, meist deutscher Abkunft, erteilt wurden.

Der Elekt von Ösel, Vatelkanne, „verscheidet" im Jahre 1468; Jodokus 1468 kommt in den Besitz seines Stifts. Aber er legt das Ordensgewand ab und tritt mit den Feinden des Ordens in Verbindung.

Parteikämpfe, noch wenig aufgehellt, haben den Orden in Livland damals unterwühlt. Auf einem zu Riga im Februar 1468 gehaltenen Kapitel wird der Landmarschall, Gerdt von Mallinckrodt, seines Amts

entsetzt. Sein Bruder Helmich, damals Bischof von Dorpat, entsagt einen Monat später seiner Würde und bestimmt sich einen Nachfolger, einen Koadjutor. Ob hier ein Zusammenhang vorliegt, ist noch unbe­

kannt; jedenfalls war Helmich vom Orden früher begünstigt, vom Erzbischof Silvester angefeindet worden. Der abgesetzte Landmarschall verläßt das Land nicht, er verbollwerkt sich auf der Burg Doblen. Der Meister läßt den Plan fallen, die Burg zu erstürmen und mit dem Widersacher kurzen Prozeß zu machen. Er gestattet ihm vielmehr den Abzug unter der Bedingung, in Deutschland in einen anderen Orden (etwa den Johanniter) zu treten. Mallinkrodt versuchte im Auslande zu seinem Recht zu gelangen; aus dem Deutschen Orden trat er nicht;

in Preußen ließ man ihn gewähren. Er geht eine Verbindung mit den Gebrüdern Axelsson ein, von denen einer schwedischer Hauptmann auf Gotland, ein anderer Vogt zu Wiborg in Finland war. Diese lassen ihre Piratenschiffe gegen die livländischen Küsten auslaufen.

Im August 1469 ist der Ordensmeister Johann von Mengden ge-1469 storben. Im Dome zu Riga war ihm die Grabstätte bereitet; aber

Erzbischof Silvester verfolgte das Andenken seines Gegners voller Haß auch über dessen Tod hinaus: er gestattete nicht, daß dem Toten, wie ihm bei Lebzeiten zugesagt worden war, ein Grabstein gesetzt wurde.

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 109-114)