• Keine Ergebnisse gefunden

Die letzten Jahre Plettenbergs. Der Markgraf Wilhelm

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 146-150)

1V. Ter Estenaufstand von 1313; Verkauf Estlands an den Orden

24. Die letzten Jahre Plettenbergs. Der Markgraf Wilhelm

Die Reformation breitete sich nunmehr in Livland weiter aus.

Widerstrebende Elemente schlossen sich an, nachdem die Bewegung den stürmischen Charakter, der ihr anfangs anhaftete, aufgegeben und in ruhigere Bahnen eingelenkt war. Die Städte ordneten ihre kirchlichen Verhältnisse. Zum Unterhalt ihrer Geistlichkeit und zur Instandhaltung der Kirchen, Einrichtung von Schulen und mildtätigen Anstalten wurden die Vermächtnisse älterer Zeit verwendet, in den Rentebüchern „abge­

schrieben", wie man das nannte. Unter Beteiligung eines zeitweise aus Preußen herübergekommenen Predigers, des Johann Briesmann, machten sich Knopken und Tegetmeier in Riga an die Abfassung einer Kirchen­

ordnung, deren erste Ausgabe 1530 zu Rostock gedruckt wurde („Uth-settinge"). Die Landesherrschaft aber beharrte bei der alten Kirche.

152V So sind denn noch im Februar 1528, als die Nachricht von Blanken-selds Tode eingetroffen war, von den Domkapiteln zu Riga und Dorpat Anhänger des Alten gewählt worden; dort der Dompropst Thomas Schöning, Sohn des rigischen Bürgermeisters (S. 110), hier ebenfalls ein Stadtkind, Johannes Bey. Beide haben die Bestätigung vom Papste erhalten, wenn auch etwas verzögert; denn man mißtraute in Rom diesen livländischen Klerikern, in deren Heimat die Abkehr von der päpstlichen Oberherrlichkeit so überraschend schnell und in den Städten fast einmütig vor sich gegangen war.

Des rigischen Stadtsekretärs Joh. Lohmüller (seit 1532 Syndikus) Verbindung mit dem Herzog von Preußen und der Wahn des neuen Erzbischofs, daß er seine alte Stellung mit Unterstützung eines

Koad-jutors aus fürstlichem Hause wieder erringen könne, führten neue Ver­

wicklungen herbei. Lohmüller spielte nicht nur den Vermittler, seiner Tätigkeit ist es auch zuzuschreiben, daß er Beziehungen wichtiger erz-stiftischer Vasallen, ja sogar Diener des Meisters zum Herzog sörderte, von dem sie Soldzahlungen empfingen. Sein Verrat ging noch weiter.

Im Auftrage der Stadt verhandelte er mit dem noch seiner Regalien- 1529 erteilung wegen in Deutschland weilenden Erzbischof. Es galt diesem den Koadjutor, der in seinen Augen wohl manche Mängel aufweisen mußte, aufzudrängen, ihn zugleich durch einen Vertrag (wobei Lohmüller seine Vollmachten überschritt) mit Riga zu ködern. Nach einigem Schwanken hinsichtlich der Person aus dem Verwandtenkreise des Herzogs von Preußen, hatte man sich nämlich entschlossen, seinen jüngeren Bruder den Markgrafen Wilhelm von Brandenburg (geb. 29. Juni 1498) zum Koadjutor zu berufen. Daß er evangelische Neigungen hatte, war für Lohmüller und andere gerade das Empfehlenswerte. Herzog Albrecht verpflichtete sich, die Rechte des Erzstifts gegen jeden Gegner zu schirmen, also auch gegen Gegner im Innern, denn ausgenommen waren in der Stipulation nur sein Oheim Sigismund I. von Polen und sein Schwieger­

vater. Friedrich I. von Dänemark.

Der Orden war bei dieser Wahl nicht viel gefragt worden. Im Oktober 1530 langte Wilhelm in Livland an. Eine Reihe erzbischöf- 1530 licher Schlösser und Gebiete waren ihm überwiesen; sie gewährten ihm nur spärliche Einkünfte. Er versuchte daher die zurzeit erledigten Dompropsteien von Riga und Dorpat zu ergattern, aber erfolglos.

Eins war schon jetzt klar: man hatte sich in diesem Fürstensohn einen nach weltlichen Gütern ausspähenden habgierigen Herrn ins Land ge­

zogen.

Herzog Albrecht aber verpflichtete sich jetzt der Stadt Riga aufs neue in einem Religionsbündnis (29. Dezember 1531), dem andere im 1531

Lande selbst folgten. Darunter nicht nur Verpflichtungen, u. a. eines 1532

Teils der bedeutendsten Vasallen Kurlands, die Stadt gegen Anfechtungen, die ihr aus ihrem Beharren bei der neuen Lehre entstehen konnten, zu schützen, sondern sogar ein ähnliches Bündnis eines Komturs des Deutschen Ordens mit Riga, des Wilhelm von Palen zu Windau. Das Landes­

bündnis von 1526 aber war 1530 aufgehoben worden.

Im Stifte Ösel hatte 1530 ein Bischofswechsel stattgefunden. Der

Elekt, Reinhold von Buxhövden, hatte aber manche Gegner im Kapitel und unter der Ritterschaft, die sich um den reichen und angesehenen Georg von Ungern auf Pürkel scharte. Sein ärgerlicher Lebenswandel erregte Anstoß, auch machte man ihm mangelhafte Verwaltung des Stifts zum Vorwurf. Unter dem Vorwande, daß er nicht rechtzeitig die päpst­

liche Konfirmation sich zu verschaffen gesucht, ließ sich Markgraf Wilhelm von einer Partei im Stifte Ösel zum Bischof wählen und empfing zu 1532 Hapsal im November 1532 die Huldigung der Ritterschaft der Wiek, während die Öseler zum Bischof Reinhold hielten. Beide Parteien rüsteten, zogen Landsknechte heran, und es kam zu einem regelrechten Kriege. Während Wilhelm Dago verheeren ließ, landete Reinhold in

der Wiek und übte Repressalien.

Diese Unruhen im Lande mußte der alte Plettenberg noch erleben.

Um einen Bürgerkrieg, der in sicherer Aussicht stand, dem Lande zu ersparen, hatte er kaum ein Jahrzehnt vorher sich dem Ansinnen der Städte versagt. Jetzt war er seinem neunzigsten Lebensjahre nah, fast an die vierzig Jahre währte seine Regierung. Vielen däuchte das zu lang zu sein. Eine Neigung zur neuen Kirche hatte er nicht; dennoch hat seine Langmut deren ungefährdete Ausbreitung befördert und er­

möglicht. Pläne, ihm einen Nachfolger zu setzen, tauchten auf. König Ferdinand trat mit ihm in Verbindung und empfahl den Herzog Heinrich von Münsterberg, einen starren Anhänger des Alten. Sogar Laien boten sich als Koadjntoren und zukünftige Meister an, u. a. der Herzog Albrecht VII. (der Schöne) von Mecklenburg, der eben in der sog.

„Grafenfehde" in Dänemark Fiasko erlitten hatte. Als ein Sieg der 1533 Evangelischen wurde das am 1. April 1533 zu Wenden vom Ordens­

meister mit dem Markgrafen Wilhelm geschlossene Bündnis angesehen:

man gelobte sich gegenseitigen Schutz und die ungehinderte Ausbreitung der neuen Lehre. Auch die Stadt Riga, durch ihre Bürgermeister ver­

treten, war in dieses Bündnis eingeschlossen, an dessen Zustandekommen sich auch Lohmüller in hervorragender, vielleicht maßgebender Weise beteiligt hatte. Im Sinne dieses Bündnisses war es auch, daß der Meister sich den Landmarschall Hermann von Brüggenei, genannt Hasenkamp, von dem man allgemein glaubte, daß er den Orden re­

formieren werde, zum Koadjutor und Nachfolger nahm. Dessen Be­

stätigung durch den Administrator des Hochmeistertums erfolgte noch

im selben Jahre (Juni 1533), während König Ferdinand ihn wohl als Koadjutor bestätigte (Juli), sich aber die Erteilung der Regalien vor­

behielt. Die Mehrzahl der Gebietiger aber drang jetzt auf Absetzung Plettenbergs, weil dies Bündnis ihren und den Anschauungen der mit ihnen im Einvernehmen stehenden Bischöfe, des Erzbischofs, des von Dorpat, von Ösel (Reinhold), Reval, sogar des von Kurland (Ronne­

berg war einst lange Jahre Kanzler des Meisters gewesen, hatte seit seiner Erhebung zum Bischof aber nicht selten einen besonderen Stand­

punkt gegenüber Meister und Orden vertreten) stracks zuwider wäre.

Ein Contrecoup dieser retardierenden Elemente war der Beschluß auf dem zu Fellin im Februar 1534 abgehaltenen Landtage: da Papst und 1534 Kaiser sür den Bischof Reinhold eingetreten, erklärten auch Landes­

herren und Stände sich für ihn; der Koadjutor Wilhelm müsse die Wiek räumen. Früher habe man sich verpflichtet, jeden bei seinem Stande, alter Herkunft und (altem) Wesen zu erhalten oder ihm dazu zu verhelfen. Dieser Verpflichtung sei nachzuleben. Das Bündnis von 1533 war damit annulliert.

Doch Markgraf Wilhelm und sein Anhang verzichteten nicht auf die Ausführung ihrer Pläne. Bischof Reinhold aber ließ jetzt er­

mutigt die Abtrünnigen seine Rache fühlen. Ein Landtag war zum März ausgeschrieben. Mitten in diesen Wirren ist der Ordensmeister Wolter von Plettenberg am 28. Februar (dem Sonntag Oculi) 1535 1535 gegen 6 Uhr abends auf dem Schlosse zu Wenden gestorben, wie die Chronisten melden, trotz seiner hohen Jahre nicht bettlägerig, sondern

vollständig bekleidet in seinem Sessel entschlafend)

Nach der schwankenden Politik seiner letzten Jahre, unverkenn­

baren Spuren der zunehmenden Altersschwäche, wird man diesen größten Meister, den der Orden in Livland gehabt, nicht beurteilen dürfen. Den Vorwurf der Lässigkeit wird man gegen ihn nicht er­

heben. Es war nicht nachgiebige Schwäche, die ihn leitete, oder trauriges Zugeständnis, es allen recht zu machen; er stand über den Parteien.

Er hatte das Wohl des Ganzen im Auge und mit Einrichtungen zu tun, auf die ihm tiefer eingreifende Beeinflussung entzogen war. Stand­

haft, aber nicht starr verhielt er sich den einander widerstrebenden

l) Nur als Sagenbildung kann die Erzählung gelten, daß ihn der Tod in der Johanniskirche ereilt habe.

Meinungsäußerungen gegenüber. Die Leitung des Ordens hatte er als festgefügte Institution übernommen; seit dem Sturze des Meisters Wolthus (diese Zeiten hat er, schon im Orden, miterlebt) war die Aktionsfreiheit des Oberhaupts parlamentarisch eng begrenzt. An ein Durchbrechen dieser Ordnung hat er nie gedacht. Gleichzeitige Chro­

nisten besitzen wir (mit einer merkwürdigen Ausnahme) nicht; etwas spätere (Horner, Renner) konnten noch aus der Tradition schöpfen. Die ehrliche Schlichtheit seines Wesens, Leutseligkeit, Milde, gerechter bald be­

sänftigter Zorn, unerbittlich nur gegen hartnäckige Anmaßung, unbestech­

liche Liebe zur Wahrheit, kindliche Frömmigkeit, diese ihn kennzeichnenden Eigenschaften brauchen wir zum Glück nicht Lobrednern nachzusprechen.

Sein Gebaren und seine Handlungsweise verkünden uns die noch er­

haltenen echten, gleichzeitigen, unverfälschten Schriftstücke. Er war von hoher Statur, in Führung der Waffen geübt; mit Ausnahme der letzten Jahre nur rasch vorübergehenden Krankheiten unterworfen. Ein günstiges Geschick hat uns seine Züge (1515) überliefert.

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 146-150)