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Kämpfe des Ordens um die Vorherrschaft

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 67-73)

1V. Ter Estenaufstand von 1313; Verkauf Estlands an den Orden

11. Kämpfe des Ordens um die Vorherrschaft

Die Erzbischöfe von Riga hatten, dem Streit um Riga mit dem Orden aus dem Wege zu gehen, ihren Aufenthalt außer Landes ge­

nommen (S. 51). Sie hielten sich am Sitze der Kurie, in Avignon auf. Die Verwaltung des Stifts fiel dem Domkapitel zu, dem auch der Weisungen seines Oberhirten gewärtig die Aufgabe zugefallen war, den Rechten des Stifts nichts zu vergeben, sondern sie aufrecht zu er­

halten. Der im Vordergrund stehende Streitpunkt bildete jetzt die Ober­

herrschaft über die Stadt, war also gegen den Unterwerfungsvertrag von 1330 gerichtet. Dazu kam nach wie vor die Forderung des

Lehns-eides von seiten des Ordens, der ja theoretisch zu Recht bestand, in Wirklichkeit aber als überwundener Standpunkt angesehen werden durfte.

Bon der Kurie aus ließen sich zudem gegen den verhaßten Gegner am bequemsten langwierige Prozesse einleiten. Geltendmachung der Lehns­

obrigkeit gehörte auch zu den Forderungen des Bischofs von Dorpat an den Orden; als natürlicher Bundesgenosse schloß sich der Herr von Ösel seinen Mitbischöfen an.

Erzbischof Friedrich starb darüber hin (1341); sein Nachfolger Engelbert von Dolen, bisher Bischof von Dorpat, machte seine An­

sprüche ebenfalls von Avignon aus geltend. Der folgende, Fromhold von Fifhusen (seit 1348), ein Lübecker von Geburt uud bisher Mitglied des Rigischen Domkapitels, ist im Jahre 1350 sogar vorübergehend in seinem Stifte gewesen, hat sich dann grollend wieder zurückgezogen.

Auf fein Zutun wurde 1354 der Orden in Livland mit dem Bann, feine Gebiete mit dem Interdikt belegt, wegen vorgeblicher Wider­

spenstigkeit. Alte längst vergessene, zum Teil nie erwiesene Beschuldigungen waren gegen den Orden vorgebracht worden. Über die ältere Geschichte der Kapitel Dorpats und Ösels sind wir schlecht unterrichtet. Das Öselsche tritt uns um diese Zeit als ein „weltliches", aus nichtregulierten Kanonikern zusammengesetztes entgegen. Das Dorpater war ursprünglich bestimmt ein aus Regulierten (Augustinern) bestehendes Kapitel. Um 1360 zeigt es sich, daß seine Verfassung mit dem des Öfelfchen gleich­

artig ist; wann die Umwandlung erfolgt ist, bleibt unbestimmt. Ein Personenaustausch begann zwischen beiden, ja es kam vor, daß ein und dieselbe Persönlichkeit auch noch Stelle und Pfründe im Revaler Dom­

kapitel ergatterte. Es kam aber auch zu Spaltungen innerhalb der Kapitel, Teile von ihnen nahmen Partei für den geschmähten Orden.

Da von der Kurie das Wahlrecht der Kapitel bei eintretenden Wechseln in der Besetzung der Bistümer beiseite geschoben wurde, die Ernennung der Bischöfe nach Belieben der Päpste erfolgte, wuchs die Erregung der Gemüter.

Zum Austrage wurden die Streitigkeiten auf einem zu Danzig

1366 Mai gehaltenen Tage gebracht, auf dem der Erzbischof, einige der Landes­

bischöfe, der Orden preußischen und livländifchen Zweiges vertreten waren. Die Vermittlung hatte der Hochmeister Winrich von Kniprode übernommen. Eine Einigung wurde herbeigeführt; indem der Orden

sich in wichtigen (so sollte die Stadt Riga ihres dem Orden geleisteten Eides entbunden werden!) und unwichtigen Punkten nachgiebig zeigte, wurde ihm die Befreiung von der geistlichen Obermacht zugestanden:

nie mehr solle ein Erzbischof den Huldigungseid von ihm verlangen.

Diesem Vertrage versagte die Kurie die Bestätigung, und alle seine zahl­

reichen Bestimmungen waren damit null und nichtig. Ein Ausgleich erschien unmöglich; der neue Erzbischof, Siegfried (1370—74), war ein erklärter Feind des Ordens, ebenso wie der damalige Prior des Rigischen Kapitels, Johann von Sinten, der sein Nachfolger werden sollte. Beiden mochte es als ein feiner Schachzug gelten, als es ihnen gelang, beim Papst Gregor XI. die sog. „Kleiderbulle" (bulls. daditus, vgl. unten S. 102) vom 10. Oktober 1373 zu erwirken. Die Tracht des 1373

Rigischen Domkapitels war bisher (s. oben S. 16) als die den Prämon-stratensern zukommende weiß, wie die der Ordensritter gewesen; sie wurde jetzt in die schwarze der Augustiner umgewandelt, um die volle Unabhängigkeit vom Orden auch äußerlich zum Ausdruck zu bringen.

Gleichzeitig ward die Verfassung des Rigischen Kapitels geändert; das klösterliche Zusammenleben der Kanoniker wurde aufgehoben, für die einzelnen Domherren Pfründen aus Kirchengut auf dem Lande eingerichtet.

Indessen gärte es auch in den anderen Stiften. Im Bistum Ösel war der achtzigjährige Bischof Heinrich mit seinem Kapitel in Streit geraten. Er wurde zuletzt vom Domherrn Bolne in den Kerker gesetzt, hier erdrosselt (Arensburg, 1381). Die Parteien aber verfolgten 1381 sich mit Mord und Plünderung. Im Jahre 1383 erstieg Dietrich Üxküll in einer dunklen Nacht mit einer Schar geworbener Knechte das Schloß Hapsal: Geistliche und Laien wurden niedergemacht, Kirche und Zeughaus geplündert, schließlich das Schloß und seine Anbauten mit den Wohnungen der Domherren in Brand gesteckt. Der bischöfliche Stuhl wurde nicht sogleich wiederbesetzt. Der vom Gegenpapst Clemens VII. (Avignon) Aufgeforderte, Heinrich von Hessen (oder Langenstein), damals Vizekanzler der Universität Paris, trug Bedenken, in das barbarische nebelreiche Land mit groben Sitten und grober Speise zu gehen (das sind anders geartete Kleriker als Meinhard und seine Nachfolger vor nun 200 Jahren!); von einem anderen zum Bischof von Ösel Ernannten ist außer dem Namen nichts bekannt. Erst in Winrich von Kniprode (1383 provisorisch, 1385 bestätigt), einem

Neffen des gleichnamigen Hochmeisters, gelang es, eine dem Orden ge­

nehme Person zu finden, und was wichtiger ist: seine Anerkennung er­

folgte durch den zu Rom residierenden Papst Urban VI., für den sich der Orden nach einigem Schwanken, statt sür dessen zu Avignon schaltenden Gegenpapst erklärt hatte.

Selbst im Bistum Kurland (Pilten), von einem späteren Chro­

nisten als das „geruhsambste" bezeichnet, in welchem der Orden am freiesten dastand, kam es in dieser Zeit der allgemeinen Wirren zu aller­

hand Gewaltsamkeiten. Hier besaß das Rigische Domkapitel schon durch frühe Schenkung einen Landstrich am Meere (Dondangen mit Targeln).

Bischof Otto von Kurland, ein Glied des Deutschen Ordens und gewiß im Einverständnis mit ihm, begann hier mit Feindseligkeiten gegen die Priester, die den Zehnten für die Rigische Kirche einsammelten, zu wüten. Eine Untersuchung erfolgte, von der Kurie einer zu Lübeck 1384 tagenden Kommission anvertraut; der Bischof verfiel dem Bann.

Auch im Bistum Dorpat kam es gelegentlich eines Bischof­

wechsels zu stürmischen Vorgängen. Während das Kapitel den Dietrich Damerow, einen ehemaligen Geheimschreiber Kaiser Karls IV. gewählt und dieser von Papst Urban VI. auch die Bestätigung erhalten hatte, suchte der Orden den bisherigen Propst Albert Hecht, der vom Gegen­

papst Clemens VII. gestützt ward, als Bischof aufrecht zu halten. Nun änderte der Orden zwar bald seine Politik und hielt zu Rom. Es gelang ihm aber nicht sobald seinen Schützling zu beseitigen. Hecht hatte sich rasch der bischöflichen Schlöffer bemächtigt, und trat von dem 1386 wichtigen Neuhausen aus in Unterhandlung mit den Russen. Erst 1386 konnte der Orden ihn durch bedeutende Geldzahlungen und das Ver­

sprechen der Straflosigkeit zur Auslieferung der Burgen und zum Ver­

lassen des Landes bringen. Natürlich ging er nach Avignon, wo wir ihn als eifrigen Pfründenjäger wiederfinden. An dem nun vom Stift Besitz ergreifenden Bischof Dietrich, der seine Festsetzung wesentlich dem Orden verdankte, hatte dieser einen erbitterten Feind gewonnen. Das Zu­

sammenhalten und Zusammengehen der Prälaten vermochte der Orden eben nicht zu hindern, und im Vorgehen gegen das Erzstift Riga, für den Orden eine Lebensfrage, mischte sich Dorpat in seiner Weise ein.

Im Erzstift hatte der Orden schärfere Maßregeln gegen seinen Gegner, als den man den damaligen Erzbischof Johann von Sinten

wohl bezeichnen kann, in Anwendung gebracht. Er griff ihn im eigenen Lager an, indem er sich unter der Stiftsritterschaft einen Anhang zu verschaffen wußte. Es gab in dieser viele, die mit dem Erzbischof oder den Domherren besonders wegen Güter- und Lehnstreitigkeiten auf ge­

spanntem Fuße standen. Der Orden unterstützte solche Vasallen in ihrem Widerstande, indem er verschuldeten namhafte Summen vor­

streckte, wofür sie ihm ihre Güter in Pfand gaben, oder von anderen (z. B. den Pitkever), denen die Kirche wegen Vergehungen gegen das Lehnrecht ihre Güter absprechen lassen wollte, die ihnen drohende Gefahr abwandte. Als auch der Ritter Hermann Üxküll seinen wichtigen Besitz, das Schloß gleichen Namens mit umfangreichen Ländereien im Jahre 1388 dem Orden verpfändete, verklagte der Erzbischof diesen an der Kurie.

Der Orden verfiel dem Bann, ließ sich aber dadurch in seinen Unter­

nehmungen gegen das Stift nicht hindern. Er hatte die Beweise für den vom Erzbischof geübten Landesverrat in Händen und stellte das Verlangen, die Angelegenheit auf einer allgemeinen Ständeversammlung zum Austrage zu bringen. Vor Eröffnung derselben, im Frühjahr 1391, entwich Johann von Sinten mit einem Teil der Domherren ins Aus- 1391 land und suchte nicht nur an der Kurie, sondern auch beim König Wenzel einen Rückhalt. Der Orden aber nahm die erzstiftischen Schlösser in Besitz und verstand durch seinen Vertreter an der Kurie auf den geldbedürftigen Papst Bonifaz IX. einzuwirken, den schon die Beziehungen des geflüchteten Erzbischofs zum deutschen Könige aufgebracht hatten.

In einer Reihe von Bullen (Herbst 1393 bis Frühjahr 1394) hob der bis 1394 Papst alle Strafsentenzen gegen den Orden auf, ernannte Johann

von Sinten zum Patriarchen von Alexandrien (d. h. stellte ihn kalt), setzte Johann von Wallenrod! (einen Neffen des Hochmeisters Konrad von Wallenrods zum Erzbischof von Riga ein, gestattete, daß dieser in den Deutschen Orden trete. Ja, der Papst verfügte endlich, daß in der Rigischen Kirche niemand ein geistliches Amt erhalten dürfe, der nicht vorher in den Deutschen Orden gekleidet sei, und daß das Erzstift, so­

bald die Mehrzahl der Domherren aus Brüdern des Ordens bestehe, nicht mehr ein Augustinerstift, sondern ein Stift Deutsches Ordens heißen solle. Das war die Inkorporation. Der Orden schien einen wichtigen Schritt in der von ihm verfolgten Tendenz der Allein­

herrschaft vorwärts gemacht zu haben.

Doch der neue Erzbischof fand im Lande nicht allgemeine Anerkennung.

Ein Teil der erzstiftischen Vasallen, an ihrer Spitze der damals über achtzigjährige Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen verweigerte die Huldigung und floh ins Stift Dorpat; denn auch Dietrich Damerow, der Bischof, versagte Johann von Wallenrodt den Gehorsam. Er trat mit den ins Ausland geflüchteten rigischen Domherren in Verbindung und stellte mit ihnen den minderjährigen Prinzen Otto von Pommern-Stettin als Elekt des Erzstists dem neuen Erzbischof entgegen. Nicht nur mit Ottos gesamten Familienanhang, auch mit dem Großfürsten von Litauen, Witowd, schloß er Bündnisse. Er begann umfassende Rüstungen und zog viele im Lande an sich, die sich durch den Erfolg des Ordens gefährdet sahen oder es zu sein wähnten.

1396 Der Orden zauderte nicht länger. Im Juli 1396 begann er den Krieg gegen das Stift Dorpat und führte ihn bis in den Februar des 1397 nächsten Jahres in schonungsloser Weise. Obgleich die litauische Hilfe ausgeblieben war, und der Orden seinen Gegner wohl vollständig hätte demütigen können, so brach er den Kampf doch ab und ließ sich auf Unterhandlungen ein. Er begab sich damit aller Vorteile, die er bereits errungen hatte. Wieder wie im Jahre 1366 sollte ein Tag zu Danzig eine Versöhnung herbeiführen. Nach wochenlangen Verhandlungen kam man am 15. Juli 1397 zum Abschluß. Vieles ließ sich gar nicht schlichten;

die Entscheidung wegen der auf beiden Seiten, vom Orden und dem Stifte Dorpat erlittenen Kriegsschäden wurde unerledigt gelaffen. Dem Orden wurde Verzichtleistung auf die eben erst vom Papst ihm zuerkannte unbedingte Heeresfolge der Unterfaffen der Kirchen Riga, Ösel, Dorpat und sogar Kurlands auferlegt. Er hat durch den Vertrag nichts gewonnen, formal und in Wirklichkeit große Einbuße erlitten. Die Aussöhnung des Erzbischofs mit seinen flüchtigen Vasallen war schon am 12. Juli erfolgt. Und an diesem selben Tage erhielt die ebenfalls in Danzig vertretene harrifch-wierische Ritterschaft vom Hochmeister Konrad von Jungingen ein wichtiges Privileg, die sog. Gnade; danach wurde die Erbfolge in ihren Lehngütern auf beide Geschlechter und auf die ganze Seiten Verwandtschaft bis in das fünfte Glied ausgedehnt, dadurch der Heimfall des unbeerbten Lehns an die Landesherrschaft ganz außerordentlich beschränkt. Wiederum eine Schmälerung der Rechte des Ordens.

Aber auch dem Bischof Dietrich Damerow hat diese Niederlage

des Ordens auf dem Danziger Tage keinen Segen gebracht. Er ver­

feindete sich in seinem Stift und mußte im Sommer 1400 einem Landes- 1400

kinde weichen, dem früheren Ritter, dann Domherrn Heinrich Wrangel, der jetzt Bischof von Dorpat wurde. Der stark verschuldete Dietrich erhielt ein Jahrgeld ausgesetzt; er lebte noch 1408 in Riga.

Die geflüchteten sog. alten Rigaer Domherren mit dem Propst Johann von Soest kehrten in ihre Kirche nicht wieder zurück. Gegen Auslieferung der entführten Kleinodien und Urkunden wurde ihnen vom Orden eine feste Leibrente zugesagt. Diese erschien den Herren zu gering, sie begannen ihre Forderungen höher zu schrauben; infolgedessen scheint der bereits geschlossene Vertrag überhaupt nicht in Kraft getreten zu fein.

Einige von ihnen leben noch zwanzig Jahre später in Lübeck; in Riga aber gab es ein neues Kapitel Deutschen'Ordens, und in voller Abhängig­

keit von diesem.

Aber auch dem Erzbischof Johann Wallenrodt wurde der Boden Liv-lands zu heiß. Dem Bruder Deutschen Ordens wurde die Überwachung durch die Gebietiger ganz unerträglich. Er verließ 1403 das Land und

trat in den diplomatischen Dienst des Königs Ruprecht. Im Jahre 1405 1405—17 aber „vermietete" er (dieser Ausdruck wird gebraucht) gegen ein hohes

Jahrgeld dem Orden das Erzstift auf zwölf Jahre, und ist darauf nie wieder ins Land zurückgekehrt. Diese erbitterten Streitigkeiten hatten ganz eigentümliche und kaum normale Zustände gezeitigt. In geistlichen Angelegenheiten vertrat der Dekan des Kapitels den abwesenden Erz­

bischof; in der weltlichen Herrschaft über das Erzstift aber vertraten ihn die livländischen Ordensmeister, Konrad von Vietinghof und Sieg­

fried Lander von Spanheim werden als solche Stellvertreter urkundlich genannt.

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 67-73)