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Der Bürgerkrieg

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 54-63)

I. Die Penode der Selbständigkeit Livlands

9. Der Bürgerkrieg

Die Stadt Riga war in stetiger Fortentwicklung begriffen, die Handelsverbindungen nahmen einen immer größer werdenden Umfang an. Auf dem Seewege strömten ihrem leicht erreichbaren Hafen vor­

zugsweise die Waren aus dem Westen zu. Dünaauswärts erfolgte der Weitervertrieb; auch der Landweg wurde benutzt, namentlich zur Winter­

zeit bewegten sich lange Schlittenzüge bis nach Nowgorod. Auch mit Litauen wurde der Verkehr nach Möglichkeit aufrecht erhalten, freilich vielfach unterbrochen durch Krieg und Kriegsgeschrei. Noch war der Gästehandel nicht durch einengende und den Wettbewerb einschränkende Bestimmungen erschwert, das Hinterland, das seine Naturprodukte hier absetzte, schier unermeßlich. Die Gewährung von Kredit an russische und litauische Handelsgäste zeugt von dem Vertrauen, das man diesen Verbindungen entgegenbrachte. Das Schuldbuch der Stadt, eine kost­

bare Quelle, die uns erhalten ist, läßt (seit 1282) Einblicke in diese Verhältnisse gewinnen, für die nächst zurückliegende Zeit wenigstens vermuten. Der Seehandel Revals, der Handelsbetrieb der Binnenstadt Dorpat mit ihren gesonderten Absatz- und Zufuhrgebieten konnte kaum als schädigende Konkurrenz empfunden werden. Über die Entwicklung des Stadtrechts und den Ausbau der Ratsverfaffung können erst später in anderem Zusammenhang Andeutungen gebracht werden. Die Stellung des ursprünglich bischöflichen Vogts hat sich stetig verändert; den Erz-bischöfen war zunächst nur das Bestätigungsrecht dieses (städtischen)

Beamten geblieben, wenig später erlosch auch diese Beeinflussung durch den geistlichen Herrn der Stadt. Wenig beachtet mag anfangs eine Urkunde sein, die im Jahre 1274 der Orden vom König Rudolf von 1274 Habsburg zu erlangen wußte: in ihr wurde dem Orden die weltliche Gerichtsbarkeit in der Stadt Riga übertragen. Das steht vollkommen im Einklang mit den Absichten des Ordens, der seine Herrschaft auch über die wichtigste Handelsempore des Landes zu erstrecken ge­

sonnen war.

Noch war das Untertanenverhältnis als solches wenig entwickelt, und mit den mittelalterlichen Staatseinrichtungen vertrug sich ganz wohl

eine Sonderstellung der Städte, wie sie in dem Beitritte Rigas zu dem um 1282 Bunde norddeutscher Städte >) (um 1282) zum Ausdruck kam. Wenig

später ist der Beitritt Dorpats und Revals bezeugt. In der Reihen­

folge, wie sie bis ins 16. Jahrhundert genannt werden (Riga, Dorpat, Reval) ist ebenso die Entstehungszeit dieser Städte angedeutet, wie die Folge ihres Beitritts zur Hanse. Auch andere livländische Städte (mit Ausnahme Narvas), auch kleinere und im Innern gelegene (so Koken-husen, Roop, Wolmar) sind Glieder der Hanse gewesen.

!) Die Bezeichnung Deutsche Hanse tritt erst spät nach der Mitte des 14. Jahr­

hunderts auf. Das Wort selbst ist germanisch, durch Ulsilas Bibelübersetzung zu belegen, und bedeutet Schar. „Der deutsche Kaufmann", „die gemeinen Städte" ist die ursprüngliche Bezeichnung. Aus kleinen Anfängen erwachsen, zunächst (bei überhandnehmender Schwächung der Rechtssicherheit im Reich) durch Schließung von Verträgen benachbarter, in Handelsbeziehungen stehender Städte, zum Schutz der Handelsstraßen, allmählich weitere Handels- und Gewerbsfragen in den Bereich seiner Tätigkeit ziehend. Ein Gründungsjahr läßt sich nicht angeben. Die Tagfahrt und die Beschlüsse zu Wismar im Jahre 1256 können als der Anfang „hansischer"

Bundestätigkeit angesehen werden; die Wendischen oder „Seestädte" waren hier ver­

treten (Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Wismar, Rostock, Stralsund). Über 70 Städte (77, 73 bzw. 72 sind typische Bezeichnungen) haben sich allmählich angeschlossen, westwärts gehörten niederländische Städte dazu. Vier Hauptkontore, zu Nowgorod (der Ort selbst gehörte selbstverständlich nicht zur Hanse), Bergen, Brügge und London (der Stahlhof) sind die Sammelpunkte des „Kaufmanns" im Auslande.

Neben der Deutschen Hanse gab es „Sonderhansen", z. B. solche der flandrischen Städte untereinander. Das Reich war unbeteiligt; das Bürgertum als solches hat diese wichtige Bereinigung zustande gebracht, jahrhundertelang das Meer und den Handel beschützt und beherrscht. Die im 16. Jahrhundert in Süddeutschland (aber auch anderwärts) aufkommende Benennung „Anseestädte" ist eine gräuliche Ver­

stümmelung, die beweist, daß die ursprüngliche Bezeichnung dort nicht mehr ver­

standen wurde.

Der Orden, dessen Einkünfte wesentlich in Erzeugnissen des Boden­

baues bestanden, war, um diese in bares Geld umzusetzen, auf den Handel angewiesen, wie denn die Berechtigung dazu seit den darüber getroffenen Bestimmungen Wilhelms von Modena (S. 31) anerkannt war. Er trat damit in Konkurrenz mit den Städten. Diese trug nicht wenig dazu bei, die aus anderen Ursachen bestehende Spannung zu vermehren, die sich in geringen Anfängen Luft machte, dann zu einem 1297 schrecklichen Bürgerkriege ausartete. Im Jahre 1297 unternahm der Erzbifchof Johann III. eine Reise nach Flandern, ärztliche Hilfe zu suchen, da er einen Beinbruch erlitten hatte. Die Verwaltung des Erzstifts hatte er dem Vizemeister des Ordens, Bruno, übetragen; Riga aber sollte in hergebrachter Weise durch Vogt und Rat regiert werden.

Die Stadt wollte ein Bollwerk in der Düna errichten, um den Eisgang zu regeln; dabei wurde eine Brücke über den Rigebach in der Nähe des Ordensschlosses angelegt, um das Baumaterial in bequemerer Weise anführen zu können. Der Komtur auf dem Schlofft hielt das für einen nichtigen Vorwand, ließ einen Teil der Brücke einreißen und antwortete auf die Reklamationen der Stadt mit Drohungen. Schon kam es zu Feindseligkeiten. Am 20. Juli brach eine Feuersbrunst aus und in einer Nacht brannte der größte Teil Rigas nieder.

Dem zurückgekehrten Erzbischof gelang es zunächst nach langwierigen Verhandlungen einen Vergleich zwischen Orden und Stadt zu ermög­

lichen: ihr wurde durch Schiedsspruch das Recht zuerkannt, die Brücke wieder zu errichten. Der Groll der Städter, durch fortgesetzte Versuche des Ordens in Stadt und Land sich Herrschaftsrechte anzueignen, brach noch im Herbst desselben Jahres in neue Feindseligkeiten aus. Sie ver­

brannten die Marställe des Ordens, zerstörten seine Besitzungen in der

Sept. 30 Nähe der Stadt. Sie erstürmten endlich das Schloß (den Jürgenshof) und ließen den Komtur und eine Anzahl von Ordensbrüdern eines schmählichen Todes durch Henkershand sterben. Die verhaßte Zwing­

burg aber wurde nebst der Kirche zerstört.

Dieser Erfolg veranlaßte sämtliche Gegner des Ordens, sich gegen ihn zu verbünden. Eine allgemeine Koalition aller Stifte des Landes (Kurland ausgeschlossen) wußte der Erzbischof, der sich jetzt als Herr fühlte, mit der Stadt Riga zustande zu bringen. Selbst dänische Hilfe ward in Anspruch genommen und zugesagt: durch versprochene Ab­

tretung Semgallens, Gerzikes und Nalsens (Landgebiet bei Wilkomir) geködert, versprach der König von Dänemark, seine estländische Streit­

macht gegen den Orden ins Feld zu stellen. Dem so von allen Seiten bedrängten Orden gelang es dennoch, die Gegner einzeln von dem Bündnis abzusprengen. Den Erzbischof besiegte der Orden zuerst, bemächtigte sich seiner wichtigsten Schlösser (Treiben, Kokenhusen), und führte ihn selbst in die Gefangenschast nach Fellin. Das Stift Ösel überzog der Orden dann mit Krieg, nahm die Schlösser ein, setzte in Hapsal sogar einen Komtur mit einem Konvent ein, verstand die im Domkapitel bestehenden Gegensätze gegen den Bischof auszuspielen. Der Bischof von Dorpat sagte sich vom Bündnis los; die dänische Hilfe kam nicht. Riga aber ward vom Meere abgeschnitten und sah einem schrecklichen Ausgang entgegen. In dieser Bedrängnis knüpfte die Stadt mit den gefährlichsten Feinden der Kolonie, der Christenheit, mit den

Litauern ein Bündnis. In hellen Haufen rückten diese denn auch 1298 PM heran. Bei Neuermühlen überrannten sie das Ordensheer, dann rasten ^ die Scharen der Heiden weit durchs Land bis nach Karkus hin, Menschen

hinmordend und raubend, Kirchen schändend, ihren Weg durch Trümmer und Asche bezeichnend; ein Raubzug in großem Maßstabe, anders ver­

standen sie es nicht. Den zurückkehrenden Litauern und der mit ihnen

vereinigten Kriegsmacht Rigas stellte sich der Ordensmeister Bruno an Juni i der Treider-Aa entgegen; das Ordensheer erlitt eine völlige Niederlage,

der Meister fiel. Inzwischen war aber Ersatz aus Preußen angelangt,

und vier Wochen später wurden die Rigenser und ihre unnatürlichen Juni 29

Bundesgenossen bei Neuermühlen aufs Haupt geschlagen; viele Bürger fielen, in wilder Flucht suchten die Litauer ihre Grenzen zu erreichen.

Auf einem Städtetage zu Lübeck, auf dem auch der Orden durch Abgesandte vertreten war, wurde ein Waffenstillstand bis zum 6. Dezember 1299 vereinbart. Nach all der Verbitterung ein bedeutender Erfolg des jungen Städtebundes über die entfesselten Leidenschaften der Streitenden. Die Angelegenheit war auch an die Kurie gebracht worden. Papst Bonifazius VIII. veranlaßte die Freilassung des Erz-bischofs Johann, der sich nun nach Italien begab, wo er bald starb (1300). Sein Nachfolger, Jsarnns (ein Norweger), hielt den Waffen­

stillstand aufrecht, ward aber schon 1302 zum Erzbischof von Lund er­

nannt. Einen Nachfolger erhielt er nicht gleich, da Johannes Grant

Arbu sow, Geschichte der Ostseeprovinzen. 4

(auch ein Skandinavier) die ihm angebotene Würde ausschlug. Es gab eine Sedisvakanz im Erzstift. Die Waffen hatten bisher geruht, denn der Orden wußte sich soweit zu meistern, daß ein Kampf zunächst ver­

mieden ward, trotzdem die Stadt Riga an dem Bündnisse mit den Litauern festhielt! Doch gehörte eine friedliche Lösung in den Bereich der Unmöglichkeit und der Orden hatte sich auf alle Fälle vorbereitet, 1304 indem er mit den Bischöfen von Dorpat und Ösel und mit den (fast ö-br. 2ii ausschließlich deutschen) Vasallen des dänischen Estlands ein Schutz- und Trutzbündnis zustande brachte. Der Erwerb Dünamündes durch den Orden gab dann die Losung zum Wiederausbruch der Feindseligkeiten.

Trotzdem 1263 der Abt und der ganze Konvent des Klosters Dünamünde sich verpflichtet hatten, ohne Wissen der Stadt Riga nichts von ihrem Gebiet zu veräußern, trat jetzt der Abt Libertus mit Vor­

schlägen zum Verkauf hervor. Während die Stadt noch um den

Kauf-1305 Mai preis feilschte, kam ihr der Ordensmeister Gottfried zuvor und erwarb das Kloster nebst dem ganzen dazu gehörigen Landstrich für 4000 Mark reinen Silbers Köln. Gewichts. Im Juli 1305 bezog der Orden Dünamünde und errichtete daselbst eine Komturei. Von hier aus ließ sich die belebende Wasserader Rigas jederzeit unterbinden. Die Mönche aber wanderten nach Padis in Harrien aus (als Dünamünder Kloster­

hof schon 1250 erwähnt), getreu der Tradition der Cisterzienser, die ihre Niederlassungen zu wechseln Pflegten, wenn sie den Anforderungen nicht genügten. Aus dem dürren Sande verlegten sie ihr Kloster in ein liebliches Waldtal, ringsum von fruchtbarem Boden umgeben.

Der Vertrag, den der neue Erzbischof Friedrich (aus Mähren ge­

bürtig, gewöhnlich als Böhme bezeichnet) zwischen Stadt und Orden zustande gebracht hatte (ein Konvent mit einem Komtur hat einige Monate den restaurierten Jürgenshof bewohnt), erwies sich als Flick­

werk. Wiederum wurde der Orden aus der Stadt gedrängt, wieder wurde die Hilfe der Litauer angerufen. Unter den Mauern der Stadt

Juli 2 xam es zum Kampf, weitere Schlachten folgten, ja den Litauern ward vor der Stadt eine Befestigung als Standlager eingeräumt. So hatte die Erwerbung Dünamündes das Signal zum Wiederaufleben des Bürgerkrieges gegeben. Der Erzbischof aber harrte im Lande nicht aus.

er verließ es bald und begab sich an den päpstlichen Hof, der seit 1309 seinen Sitz in Avignon hatte. Von hier aus hat er seine und die Interessen der Stadt Riga vertreten, ist ins Land nur um 1325 vor­

übergehend noch einmal gekommen; in Avignon hat ihn 1341 der Tod ereilt. Da auch seine Nachfolger diesem Beispiel folgten, ist das Stift jahrzehntelang unter der Verwaltung des Domkapitels gewesen, dem von den an der Kurie weilenden Erzbischöfen die Weisungen über die einzuhaltende Politik zugingen.

Die Erwerbung Dünamündes bildete sodann den Gegenstand end­

loser Prozesse an der Kurie. Von dem einen Papst wegen der an­

geblich widerrechtlichen Erwerbung (der Konvent konnte sich auf die Zustimmung eines Generalkapitels zu Citeaux stützen) in den Bann getan, von anderen im Besitz anerkannt, erstanden dem Orden Gefahren, denen er nicht mit Waffengewalt begegnen konnte, die zeitweilig sein Bestehen in Frage setzten. Es mag an den sich ziemlich gleichzeitig abspielenden Prozeß gegen den reich und mächtig gewordenen Templer-Orden erinnert werden, an dessen Verdammung und Vertilgung. Ganz ähnliche, übertriebene und verfälschte Anklagen wurden jetzt gegen den Deutschen Orden in Livland von seinen Gegnern erhoben. Man suchte ihn der Ketzerei verdächtig zu machen, ihn blasphemischer Äußerungen zu beschuldigen. Vom Papste ernannte Schiedsrichter trachteten in end­

losen, in Riga abgehaltenen Zeugenverhören ^) ein Urteil über den Ur­

sprung des Streites und dessen Fortgang sich zu bilden. Der Angeklagte wurde nicht vernommen; er galt für überführt. Im selben Jahre er- 1312 folgte der Spruch, der parteiisch zu Ungunsten des Ordens ausfiel. Die verlangte Rückgabe Dünamündes verweigerte der Orden; an wen sollte sie erfolgen? Der Erzbischof beanspruchte es jetzt als sein Territorium, mit welchem Rechte? Deshalb wurde vom Papst Clemens V. der Bann über den Orden verhängt.

Während es geschickten Sachwaltern (Prokuratoren) an der Kurie 1315 die Folgen des Urteils abzuschwächen gelang, suchte man im Lande

l) Ein solches Zeugenverhör, eine riesige Pergamentrolle, obgleich jetzt zu An­

sang und Ende verstümmelt noch immer 50 Ellen lang bei l'/z Ellen Breite, ist im Staatsarchiv zu Königsberg erhalten; ein ähnliches Ungeheuer hat sich, aus dem herzoglichen Archiv zu Mitau stammend, wohin das Ordensarchiv gelangt war, früher im Reichsarchiv zu Stockholm (aus Mitau 1621 entführt) befunden.

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selbst auf die Hadernden einzuwirken, deren Streit eben alles in Mit­

leidenschaft zog. Dem neuen Meister, Gerhard von Jork, trug man 1313 Mai Vertrauen entgegen. Schon eine zu Mosel tagende Versammlung der Machthaber (einschl. des Bischofs von Reval) und der Vasallen des dänischen Estlands, sowie des Bischofs von Ösel und seiner Mannschaft hatte an beide Parten, den Orden wie die Stadt Riga Ermahnungen gelangen lassen. Der Orden war zu Zugeständnissen bereit, sicherte 1316 seine Stellung aber noch durch ein zu Segewold mit dem Rigischen

Apnl 22 Domkapitel und den erzstiftischen Vasallen abgeschlossenes Bündnis;

dieses war allerdings direkt gegen den abwesenden Erzbischof Friedrich gerichtet. Eine Vereinbarung mit Riga war im besten Gange, schon hatte die Stadt sich unter gewissen Bedingungen verstanden, sich vom Bünd­

nis mit den Litauern loszusagen, als ein Eingriff von seiten der Kurie alle Aussichten auf eine friedliche Beilegung vereitelte. In dem Befehl des Papstes Johann XXII. an den Orden, seine Bündnisse mit Bischöfen und Vasallen aufzulösen (damit auch das wichtige vom Jahre 1304 s. S. 50), Dünamünde ohne weiteren Widerspruch auszuliefern, waren neben berechtigten Forderungen (namentlich soweit sie das Bündnis von 1316 betrafen) solche enthalten, denen der Orden nicht entsprechen konnte, und die ihren Grund vielleicht in unrichtiger Belehrung der Kurie über die obwaltenden Verhältnisse hatten.

Der Kampf entbrannte von neuem, auch die Litauer beteiligten

sich wieder an ihm. Der Orden war an die Kurie zitiert worden, Meister und Gebietiger begaben sich dahin. Den Vermittlungsversuchen des Hochmeisters 2) Karl von Trier gelang es, daß dem Orden vom

1319 Papste der Besitz von Dünamünde endgültig zuerkannt wurde; doch der Erzbischof und die Stadt unterließen es nicht, dem Orden weitere Schwierigkeiten dort zu bereiten. Auch blieb Riga im Bündnis mit dem Großfürsten Gedimin von Litauen.

Die inneren Verhältnisse des Ordens hatten gleichzeitig auch manche Krisis zu bestehen. In Preußen hatte der Hochmeister Karl sein Amt niedergelegt (1317), es dann sreilich wieder aufgenommen, aber er weilte

!) Seit September 13(19 hatte der Hochmeister des Deutschen Ordens seinen Sitz auf der Marienburg an der Nogat, vorher in Venedig, wohin er nach dem Falle Accons (1291) sich aus dem Morgenlande zurückgezogen hatte.

bis zu seinem Tode (1324) in Lothringen, kam nicht nach Preußen zurück. Eine Statthalterschaft leitete dort in dieser Zeit die Regierung.

Zerwürfnisse bewogen den Meister Gerhard von Livland auf einem zu 1322 Juli

Dünamünde gehaltenen Ordenskapitel Siegel und Amt niederzulegen.

Den vom Hochmeister vorgeschlagenen Johann von Hoenhorst ließen sich die Brüder nicht zum Meister aufzwingen, bezichtigten und überführten ihn des gemeinen Diebstahls an Ordensgut. Der von den livländischen Brüdern als Meister in Vorschlag gebrachte Landmarschall Johann Un­

gnade fand keine Berücksichtigung, sondern von Preußen aus ward ein preußischer Gebietiger, Konrad Ketelhoed, zum Vizemeister ernannt (bis 1324). Auch der Nachfolger, der Meister Reimar Hane, legte sein Amt nieder (1328). Erst mit dem Regierungsantritt Eberhards von Mon­

heim raffte der Orden sich zu energischer Kraftentfaltung auf.

Ein Zwischenspiel seltsamer Art hatte mittlerweile die Gemüter in Spannung erhalten. Im Sommer 1323 hieß es, daß Gedimin, Groß­

fürst von Litauen, bereit sei, zum Christentum überzutreten. In einem an den Papst gerichteten Brief erklärte er, nicht gegen den christlichen Glauben, sondern gegen die Unterdrücker desselben, die Brüder Deutschen Ordens, seien seine Kämpfe gerichtet. Nie hätte Mindaug die Taufe verleugnet, hätten ihn die Beleidigungen und die Verräterei des Ordens nicht dazu bewogen. Andere Schreiben, an die Seestädte Lübeck usw., an die Kaufleute und Handwerker auf Gotland gerichtet, enthielten Auf­

forderung zur Einwanderung in sein Land. Schreiben an die Prediger­

mönche (Dominikaner) und Minoriten (Franziskaner) baten um Sendung

von Priestern ihrer Orden. — Unter dem Eindruck dieser Nachrichten i323Oktbr.

kam ein Friede zwischen dem Orden und Litauen zustande. Voller Freude schickte auch Papst Johann XXII. eine Gesandschaft an Gedimin.

Groß war das Erstaunen und die Enttäuschung, als der Litauer erklärte, nichts von der Taufe wissen zu wollen. Wahrscheinlich lag hier eine großartige Fälschung vor, von welcher Seite sie auch ausgegangen sein mag, jedenfalls nicht von Freunden des Ordens verübt; viel weniger Wahrscheinlichkeit liegt für die Annahme vor, daß Gedimin inzwischen seine Meinung geändert habe.

Kaum stand es fest, daß Gedimin beim Heidentum verharre, so kündigte der Orden den Frieden und begann, trotz Bann und Interdikt den Kampf aufs neue. Ende 1324 erfolgte bereits der erste Einfall

1328 der Litauer in Livland. Im Sommer 1328 unternahmen die Rigenser zur Nachtzeit einen Zug gegen Dünamünde und verbrannten daselbst das unter den Mauern der Burg liegende Hakelwerk. Die Erfolge schwankten. Eine entscheidende Hilfe konnte der Orden von dem preußischen Zweige nicht erhalten, denn dieser lag schon seit einiger Zeit im heftigsten Kampfe mit Polen und Ungarn. Doch kam es den Brüdern in Livland zustatten, daß auch Litauen in diese Kämpfe mitver­

wickelt war und eine Zeitlang seine Streitmächte anderwärts verwenden mußte.

Ein neuer, mit größerer Machtentfaltung unternommener Einfall,

1329 wie stets mehr ein Raubzug, Gedimins erfolgte erst im September 1329.

Doch fand er den Orden nicht ungerüstet; Eberhard von Monheim hatte die Burgen besetzt, seine Heeresmacht in Bereitschaft. Mit Um­

gehung der ihnen in den Weg gestellten Hindernisse dehnten die Litauer ihren Zug weit nach Norden aus; die Kirchspiele Karkus, Helmet, Paistel, Tarwast wurden von Grund aus verwüstet, die Kirchen profaniert.

Der Meister konnte ihnen die Beute nicht abjagen, den Rückziehenden keine entscheidende Schlappe beibringen. Wohl aber zog er nun vor Riga, das er eng umschloß. Sechs Monate lang dauerte die Belagerung, bis schließlich der Hunger die Rigenser zwang, sich dem Meister auf

1330 Gnade und Ungnade zu ergeben. Am 18. März 1330 ward im Rat der Beschluß gefaßt, am 20. fand die Übergabe statt. Am Mühlgraben trafen Rat und Gemeinde der Stadt mit dem Meister und dessen Gc-solgfchaft zusammen. Am 23. März stellte die Stadt dem Orden dm sogenannten „nackenden" Brief, die Unterwerfungsakte, aus und am 30. März untersiegelte „vor der Stadt Riga" der Ordensmeister den sogenannten „Sühnebrief". Die Stadt verpflichtete sich zur Huldigung an den Meister, sie mußte ihm einen Platz zur Erbauung eines neuen Schlosses abtreten, auf die Hälfte aller Gerichtsgefälle zugunsten des

1330 Gnade und Ungnade zu ergeben. Am 18. März 1330 ward im Rat der Beschluß gefaßt, am 20. fand die Übergabe statt. Am Mühlgraben trafen Rat und Gemeinde der Stadt mit dem Meister und dessen Gc-solgfchaft zusammen. Am 23. März stellte die Stadt dem Orden dm sogenannten „nackenden" Brief, die Unterwerfungsakte, aus und am 30. März untersiegelte „vor der Stadt Riga" der Ordensmeister den sogenannten „Sühnebrief". Die Stadt verpflichtete sich zur Huldigung an den Meister, sie mußte ihm einen Platz zur Erbauung eines neuen Schlosses abtreten, auf die Hälfte aller Gerichtsgefälle zugunsten des

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 54-63)