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Das Konzil zu Konstanz; Parteiungen im Orden

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 102-109)

1V. Ter Estenaufstand von 1313; Verkauf Estlands an den Orden

18. Das Konzil zu Konstanz; Parteiungen im Orden

Der Austausch von Brüdern „rheinischer Zunge", die sich den derber veranlagten Westfalen gegenüber als die „höfischeren" zu rühmen liebten, ging indessen seinen Gang weiter. Bei jedem Meisterwechsel vergrößerte sich die Zahl der Rheinländer im livländischen Zweige des Ordens. Zwei Kandidaten auf die Meisterwürde, ein Westsale und ein Rheinländer, wurden zu Wenden auf dem Wahlkapitel gewählt und durch Gebietiger ihrer Zunge, die sie vertraten, die Bestätigung eines von ihnen beim Hochmeister ausgewirkt. Schon 1413, dann 1415 (wohl auch schon 1401; aus früherer Zeit fehlen uns Nachrichten) kam es zu Wahlkompromissen: damals bestätigte der Hochmeister den West­

falen Dietrich Tork, diesesmal den Rheinländer Siegfried Lander von Spanheim; beidemal aber stellte er Bedingungen, die Gebietiger rhein-ländischer Abkunft in die wichtigsten Gebiete, das Amt des Land­

marschalls und des Komturs zu Fellin brachte. Die überstimmten West­

falen mußten sich fügen. Übrigens erhielt das Land 1415 im Meister Siegfrid einen Regenten, der mit warmem Herzen für seine Unter­

tanen sorgte.

Das Konzil» das 1414—1418 zu Konstanz am Bodensee tagte (zuletzt nach Genf verzog), war auch für Livland von Bedeutung: hatte es sich doch als Schiedsrichter der gesamten katholischen Christenheit

konstituiert, und so kamen auch die Streitigkeiten des Ordens mit dem Erzstift Riga hier zur Verhandlung. Der Erzbischof Johann Wallen-rodt, selbst Deutschordensbruder (S. 63) vertrat die Interessen des Ordens übel; er knüpfte sogar Verhandlungen mit den sog. „alten"

Domherren der rigischen Kirche an, die mit dem Erzbischof Johann von Sinten die Flucht ergriffen hatten (S. 63, 65), und nun beim Konzil entweder Einsetzung in ihre früheren Würden, oder Anerkennung ihrer in übertriebener Weise beanspruchten Entschädigungen durchzusetzen ver­

suchten. Andere Vorgänge, der Prozeß gegen Johann Huß (bei dem Wallenrodt als Richter beteiligt war), der Zank der Gegenpäpste, Machinationen von seiten Polens gegen den Orden ließen die liv-ländischen Streitsachen bald in den Hintergrund treten. Auch gelang es den Polnischen Delegierten, die Angelegenheit des preußischen Ordens, die hier zum Austrag kommen sollte, noch mehr in Verwirrung zu bringen. Dagegen kam es noch während des Konzils zu einem Wechsel in der Besetzung des erzbischöflichen Stuhls von Riga: Johann von Wallenrodt ließ sich, des Streites müde, in das Bistum Lüttich ver­

setzen, der Bischof des kleinen Bistums Ehur (Graubünden), J o ­ hannes Ambundii wurde Erzbischof. Der Schritt wurde von beiden mit Rücksicht auf die bevorstehende Papstwahl (Martins V., dem sie ihre Stimme gaben) getan; beide glaubten sich dabei zu verbessern.

Wallenrodt hatte sich zudem die Gunst Kaiser Sigismunds erworben.

Johannes Ambundii aber weigerte sich, als er im November 1418 in Livland eintraf und von den verwahrlosten Schlössern des Erzstifts (so schildert er sie wenigstens) Besitz nahm, das weiße Ordenskleid an­

zulegen. Aus seiner Regierungszeit haben sich Nachrichten über von Gesamtlivland abgehaltene Landtage erhalten (1421 Febr. und 1422 Januar zu Walk, 1422 August zu Wenden), auch die Rezesse (Land­

tagsschlüsse) sind z. T. bekannt. Waren es die ersten ihrer Art oder scheinen sie es nur zu sein, weil uns ältere Spuren sehlen? Auf diesen Erzbischof aber sind die Bemühungen beim Papst zurückzuführen, die die dem Orden günstigen Bestimmungen Bonisaz' IX. (S. 63) wieder aushoben. Damit begann der Kampf um die Oberherrschaft in Livland von neuem.

Im Jahre 1424 fand ein Wechsel statt in der Würde des Ordens- 1424

meisters und in der des Erzbischoss. Der Rheinländer Cisse

(Kose-form für Gisselbrecht) von Rutenberg erhielt die Bestätigung des Hoch­

meisters. Henning Scharfenberg, Dompropst der rigischen Kirche, wurde zum Erzbischof gewählt und vom Papst bestätigt. Der Orden hatte vergeblich versucht, den ihm treu ergebenen (so meinte er wenig­

stens) Bischof von Kurland, Gottschalk Schutte zum Erzbischof zu be­

fördern. Auch mit dem Stifte Ösel, auf dessen Besetzung er damals Einfluß hatte, machte der Orden trübe Ersahrungen.

Zu Anfang 1428 fand in Riga ein Provinzialkonzil der

Landes-1428 bischöfe statt. Das erlassene Statut, die Frucht der Beratungen, ist uns erhalten und legt Zeugnis ab sür die ernsten Bestrebungen, die zutage getretenen Übel zu bekämpfen; namentlich die Seelsorge des Landvolks wurde den Pfarrern ans Herz gelegt. Neben den öffent­

lichen Verhandlungen führten die Prälaten auch geheime Zwiesprache:

eine Gesandtschaft an den Papst wurde verabredet, die ihm die Unter­

drückung der Kirche durch den Orden recht eindringlich schildern sollte.

Der Gesandtschaft schlossen sich auch einige Ratsherrensöhne aus Riga und Dorpat an, die sich auf italienische Hochschulen begeben wollten.

Trotz aller Vorsicht waren Gerüchte durchgedrungen. Der Vogt von Grobin, Goswin von Ascheberg, überfiel die Reisenden in der Nähe des Lyva-Sees, beraubte sie nicht nur ihrer Briefschaften, sondern ließ sie alle, sechzehn an der Zahl, unter ihnen auch den Dekan von Reval unter dem Eise des Sees ertränken. Er handelte im Auftrage seiner Oberen, aber diese Mordtat war ihm nicht befohlen worden. Er flüchtete übrigens nach Rom. Die Entrüstung über die Freveltat war allgemein; Erzbischof Henning verbarg jetzt seine dem Orden feindliche Gesinnung nicht weiter, er trat mit den Bullen Papst Martins V.

hervor, die er schon seit 1424 (bzw. 1426) in Händen hatte: darin entband der Papst die Stadt Riga ihres Eides, den sie dem Orden geleistet, und wies ihr in der Person des Erzbischofs ihren geistlichen und weltlichen Herrn an. Erzbischof aber und Kapitel sollten zum Augustinerhabit zurückkehren und durften das verhaßte Deutsch-Ordens-gewand ablegen. Ein jahrzehntelang geführter Streit, der beigelegt zu sein schien, war vergeblich durchgekämpft worden.

Der Orden ließ es auf den Ausspruch eines Schiedsgerichts an­

kommen. Dieses trat in Walk zusammen und obgleich in der Mehr­

zahl aus Stiftsvasallen bestehend, fiel seine Entscheidung doch zugunsten

des Ordens aus. Nicht gleich gab Erzbischof Henning nach, doch im November 1431 kam ein Vergleich zustande: Erzbischof und die Glieder des Kapitels sollten bis an ihren Tod das Augustinergewand beibehalten, die künftig zu wählenden Erzbischöfe und Domherren dagegen wieder Angehörige des Deutschen Ordens sein oder es werden.

An einem Kriege, den damals ein Teil der Hanse, namentlich die ivendischen Städte mit Lübeck an der Spitze gegen König Erich von Dänemark führten, waren die livländischen Städte nicht mitbeteiligt.

Aber Handel und Wandel aller, die aus der Ostsee in an der Nordsee oder darüber hinaus gelegene Handelsplätze ihre Waren verschifften, von dort Handelsartikel (so namentlich Salz aus der „Baie", d. h.

Bourgneuf südl. von der Mündung der Loire) einführten, wurden durch den seit 1429 vom Unionskönig Erich erhobenen Sundzoll (der, ein 1429 ganz gewaltiger Anachronismus, erst 1857 aufgehoben worden ist) ge­

schädigt. Auch der Ordensmeister und einzelne Gebietiger führten ihre Produkte direkt aus (Wachs, Korn, Holz und andere „Waldwaren"), nach England, Flandern; häufiger freilich dienten ihnen Kaufleute in den Städten, ihre „Wirte", als Zwischenhändler. Livländische Ordens-gebietiger verbanden sich auch untereinander zu Kompagniegeschästen (1407 eine Gruppe von Rheinländern) oder beteiligten sich durch An­

teile auf Gewinn und Verlust an Geschäftsverbindungen von Kauf­

leuten. So ist der Orden in Livland seltener als in Preußen und in minder schädigende direkte Konkurrenz mit der Hanse getreten. Als sreilich (um 1395) ein Komtur von Fellin durch einen Agenten auf dem Hof zu Nowgorod Handel zu treiben versuchte, wurde ihm die Ware (es handelte sich um eine beträchtliche Menge reinen Silbers) konfisziert und erst nach Jahren ausgeliefert mit der Warnung, der­

artiges ferner zu unterlassen.

Inzwischen war es wieder zu einem Konflikt mit Polen gekommen.

1430 war der alte Witowd (Alexander) gestorben, der in seinen letzten Jahren den Orden mit fast beleidigender Gönnerschaft behandelt hatte.

Sein Nachfolger als polnischer Lehnsherzog von Litauen wurde Swit-rigailo, ein leiblicher Bruder des Königs Wladislaw-Jagiello. Er suchte Litauen von Polen unabhängig zu machen. Und in diesen Kampf ist der Orden als Bundesgenosse Switrigailos hineingezogen worden. Bei Nakel in den Netzebrüchen erlitt ein preußisch-livländisches

Arvusow, Geschichte der Ostseeprovinzen. 7

1431 Heer im September 1431 eine völlige Niederlage; wichtige livländische Gebietiger fielen, andere gerieten in polnische Gefangenschaft. Trotzdem harrte Livland im Bündnis mit dem Litauer aus, während der Hochmeister Paul von Rußdorf sich allmählich zurückzog. Er verzichtete damit auf eine Niederwerfung Polens, zum wenigsten doch auf die für den Orden 1433 vorteilhafte Isolierung dieses gefährlichen Gegners. Im Jahre 1433 unternahm der Meister Cifse von Rutenberg einen Zug nach Litauen hinein, um Switrigailo zu unterstützen. Aus einem groß geplanten Feldzug ward durch die Unzuverlässigkeit der Bundesgenossen (denu der Litauerherzog hatte zur Verstärkung seines Heeres nach recht zwei­

deutiger Hilfe ausgeschaut) eine der gewöhnlichen Stoßreisen, doch an mannigfachen Verlusten reich. Der Ordensmeister selbst brachte den Keim der Krankheit, der er bald erlag, aus dem Feldzuge mit. Nach seinem Tode kam es im Spätherbst 1433, wie üblich, zu einer Doppel­

wahl; doch glaubte die westfälische Partei im Orden sich benachteiligt^

als nicht ihr Kandidat (Bockenvorde), sondern der bisherige Land­

marschall Franke Kerskorff die Bestätigung vom Hochmeister er-1435 hielt. Der neue Meister rüstete eifrig und zog im August mit be­

trächtlicher Heeresmacht nach Litauen. An der Swienta, nicht weit von Wilkömir, erlitt am 1. September das verbündete litauisch-liv-ländische Heer eine entscheidende Niederlage. Switrigailo und sein An­

hang floh; der Meister Franke mit sieben der vornehmsten Gebietiger, vielen Brüdern und zahlreichen Rittern und Knechten fielen im Kampfe.

Zu Brest kam es am 31. Dezember 1435 zum Frieden: der Ordew entsagte jeder weiteren Unterstützung Switrigails, er hatte es von nun ab in den bevorstehenden Kämpfen wieder mit der geeinten Macht Polens und Litauens zu tun.

Die Situation in Livland war stark verändert. Es war dem Erzbischof gelungen, die Stadt Riga gegen den Orden aufzuwiegeln.

Es wäre fast in der Stadt zu offenem Kampf gekommen. Schon sperrten die Städter die Straßen mit Ketten. Der Erzbischof ließ flüchtigen Ordensbrüdern, die verspätet durch Wald und Sumpf aus der Unglücksschlacht an der Swienta heimkehrten, auflauern und sie töten. Verstärkungen aus Preußen waren im Anmarsch. Doch der Orden beherrschte sich. Der neue Meister, Heinrich von Bocken­

vorde, gab auf dem zu Anfang Dezember 1435 zu Walk gehaltenen

Landtage in der Habitfrage nach, ohne einschränkende Klausel. Das Verhältnis des Erzbischofs zur Stadt konnte freilich nur vorläufig formuliert werden. Aber Besitzstreitigkeiten, die allerdings längst durch die Macht der Verhältnisse entschieden waren, wurden nun zugunsten des Ordens geregelt; dabei vergab sich niemand etwas. Das rigische Domkapitel verzichtete auf seine ehemaligen Besitzungen südlich von der Düna und entsagte ihnen endgültig (also Selonien und Semgallen).

Dem Bischof von Kurland wurde der Besitz der großen Gebiete Don­

dangen und Tergeln gegen eine Abschlagszahlung garantiert. Endlich fand eine allgemeine Landeseinigung zu Schutz und Trutz, zunächst auf sechs Jahre, statt. Gegensätze, die nun einmal bestanden, und die aus­

gefochten werden mußten, bis dem Stärkeren seine Absicht durchzusetzen gelang, wurden dadurch kaum ausgeglichen, nur mehr verschleiert.

Das zweite große Konzil des 15. Jahrhunderts, 1428 zu Basel eröffnet, sich durch Jahre ohne wirklichen Abschluß hinziehend, ist auch von Livland besandt worden. Eine Förderung der dort vorgebrachten Dinge läßt sich aber kaum erkennen.

Als 1438 der Hochmeister Paul nicht dem Kandidaten der West- 1438

salen, Heidenreich Vinke von Overberg, Vogt zu Wenden, sondern dem Rheinländer Heinrich Notleben, Vogt zu Jerwen, die Bestätigung als Meister erteilte, obgleich dem Westfalen anfangs Aussichten eröffnet worden waren, wurde ganz Livland in diesen Parteikampf hinein­

gezogen. Tage in Reval und Pernau, stürmisch verlaufend, zeugten von der allgemeinen Erregung der Gemüter, sogar die Städte ergriffen für Vinke Partei. Die Westfalen gaben nicht nach, selbst die meisten Rheinländer im Orden erkannten bis zur Entscheidung den nicht be­

stätigten Heidenreich als Statthalter an. Der Hochmeister drohte, er rüstete sogar. Es sehlte nicht viel, und die erbitterten Parteien hätten unter dem Einfluß des Hochmeisters aufeinander losgeschlagen, der Orden untereinander sich bekriegt! Einem inneren Kriege des Ordens kam Vinke zuvor, indem er die widerspenstigsten Gebietiger, ehe Hilfe aus Preußen herankam, ziemlich mühelos niederwarf, ihre Gebiete zu­

verlässigen Leuten seiner Partei übergab. Im November 1440 gab der Hochmeister nach und erkannte den Westfalen Vinke als Meister an. Paul von Rußdorf, der es auch in Preußen mit seinen Gebietigern verdorben hatte, resignierte zu Anfang 1441. Auf allgemeinen Kapiteln, 1441

7»-die zu Marienburg in Preußen 1438 und 1441 gehalten worden sind, wurden verbesserte Statuten beraten, die besonders auf das überhand­

nehmende Haderwesen der Westfalen und Rheinländer Rücksicht nahmen.

Auch der Deutschmeister, der als Meister in „Deutschen und Wälschen Landen" ähnlich dem Ordensmeister für Livland, für die zerstreut liegenden Besitzungen (damals hatte der Orden außer in den Nieder­

landen und Italien auch noch Besitzungen in Frankreich und Spanien) des Ordens neben dem Hochmeister als drittes Haupt im Orden galt, hatte für Vinke sich erklärt und ihn, gestützt auf die sog. Orselnschen Statuten (1329 erlassen, aber erst neuerdings vom Kaiser Sigismund und dem Konzil zu Basel bestätigt), die ihm in widerspruchsvoller Weise in gewissen Fällen einen Vorrang vor dem Hochmeister einräumten, noch früher als dieser als Meister anerkannt.

Zwischen 1443 und 1448 hat Meister Vinke einen Krieg mit Nowgorod geführt. Zu größeren Aktionen ist es nicht gekommen.

Kämpfe vor Narva haben stattgefunden, Einfälle ins Watland (Jnger-manland) sind unternommen worden. Aus Preußen hat der Hoch­

meister Konrad von Erlichshausen Unterstützung gesandt. Auf den Handelsverkehr wirkte dieser Kampf lähmend. Ein

fünfundzwanzig-1448 jähriger Beifriede, ein ungewöhnlich langer Termin, kam 1448 zustande.

Schwach bevölkertes Grenzland gegen Litauen zu wurde in der Gegend der Baußenburg durch Massenausiedelung von Kriegsgefangenen ver­

stärkt. Diese aus dem sog. Wotischen Fünftlande stammenden Finnen haben bis ins 19. Jahrhundert hinein dort, von den umwohnenden Letten durch Sprache, Tracht und Gebräuche unterschieden, sich unter dem Namen Kreewingen erhalten, sind aber jetzt längst ausgestorben, d. h. in die Letten aufgegangen (nach Ferd. Wiedemann). Etwas früher verlautet von Überführung größerer Massen von Arbeitsleuten aus dem Gebiete Karkus zur Ansiedelung aus der Insel Ösel; das waren keine Kriegsgefangene. Vielmehr läßt diese willkürliche Versetzung erkennen, daß der Bauernstand in manchen Gegenden bereits seine ursprüngliche Bewegungsfreiheit (Freizügigkeit) eingebüßt hatte.

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 102-109)