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Weitere Kämpfe; die Dänen in Estland

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 35-38)

I. Die Penode der Selbständigkeit Livlands

5. Weitere Kämpfe; die Dänen in Estland

Heinrich, der Priester der Letten, unsere einzige erzählende Quelle aus dieser Zeit, schildert uns ausführlich von Jahr zu Jahr die weitere Entwicklung der gegen die Esten gerichteten Kämpfe, deren Unterwerfung und Taufe. Wir dürfen hier nur die Hauptetappen bezeichnen, nicht jede uns überlieferte Unternehmung berücksichtigen. Nach wie vor dienten dem Eroberer die nationalen Gegensätze der Völkerschaften, die sich unter­

einander bekriegten, bei Erreichung seiner Erfolge. Noch im Jahre 1211 sammelten sich die Sackaler und Ugaunier und fielen ins Land der Letten ein (Trikaten, Beverin). Zu Riga erfolgte ein allgemeines Auf­

gebot, das bis Jerwen vordrang und die Hauptburg daselbst zerstörte.

Viermal brachen im selben Jahre Letten ins Gebiet der Ugaunier ein;

als im Dezember ein von Deutschen und Nationalen unternommener Zug dahin geht, findet man die Hauptburg Tharbata denn auch ver­

lassen und unbesetzt: es folgen wilde Kämpfe in Wäldern und Verhauen.

Im Januar rückt dann ein Heer aus 4000 Deutschen und ebensoviel 1212

Liven und Letten bestehend abermals in Ugaunien und Waiga ein; sie brechen weiter in Jerwen ein, verwüsten die Landschaften Mocha und Normegunde, und kehren über die gefrorene Fläche des Wirzjärw zurück.

Inzwischen war Mstislaw von Nowgorod mit 15000 Mann auf­

gebrochen, fand in Jerwen das deutsche Heer, auf das es abgesehen war, nicht mehr vor; er belagerte darauf Warbola in Harrien, zog aber, als ihm dort 700 Mark Nagaten gezahlt wurden, ab, ohne die Feste weiter zu belästigen. Weitere ununterbrochene Kämpfe führten 1215 zur Be­

setzung Fellins, 1220 zur Einnahme Mesotens (womit die damalige Ausbreitung im Norden und im Süden angedeutet ist) und in allen den bekriegten Gegenden zur Unterwerfung, Stellung von Geiseln, An­

nahme der Taufe.

Doch es fehlte auch nicht an hemmenden Rückschritten. Im Jahre 1218 sperrte der Erzbischof von Bremen den Hafen Lübecks, und ver­

hinderte dadurch den Zufluß neuer Streitkräfte nach Livland. In dieser Notlage entschloß sich Bischof Albert, die Hilfe Dänemarks in Anspruch zu nehmen. Mit den Bischöfen Theoderich von Estland (Leal) und Bernhard von Selonien erschien er auf dem Reichstage, den König

Waldemar zu Schleswig abhielt. Seine Bitte fand williges Gehör:і2із Juni

ein Angriff auf Estland wurde versprochen. Damit nahm Waldemar Pläne.wieder auf, die er seit 1206 hatte ruhen lassen; denn damals hatte er einen Versuch gemacht, sich in Livland festzusetzen (auf Ösel), seine Stellung aber nicht behaupten können.

Bei seiner Rückkehr (Frühjahr 1219) erkannte Bischof Albert, daß

1219 die gefährliche Hilfe, die er sich ins Land gerufen, zu entbehren gewesen wäre. Denn ein Einfall, der von Osten her mit bedeutenden Streit­

kräften bis nach Wenden unternommen worden war, war glücklich zurück­

geschlagen worden. Auch landete damals Herzog Albert von (Nieder-) Sachsen mit einem starken Kreuzheere; er hatte die Blockade bei Lübeck durchbrochen. Im Juni aber landete König Waldemar an der Nord­

küste Estlands; eine Estenfeste, Lindanise, ward zerstört, an ihrer Stelle eine Dänenburg (Reval) errichtet. Wenige Tage darauf kam es zu einem entscheidenden Kampfe; die Dänen siegten,^) Bischof Theoderich aber, der sich dem Dänenkönig angeschlossen hatte, wurde in seinem Zelte niedergestochen, da man in ihm den König, dem der Meuchelmord galt, vermutete.

Bischof Albert bestimmte zum Nachfolger Theoderichs seinen eigenen Bruder Hermann (mit dem Sitze Leal), während König Waldemar bereits seinen Kaplan Wescelin zum Estenbischose (mit dem Sitze Reval) ein­

gesetzt hatte; bald darauf wurde noch ein Bischof für Wierland, namens Ostrad, bestimmt. Auch steigerte nun Waldemar seine Ansprüche, wenn überhaupt zu Schleswig etwas Bestimmtes vereinbart war: ganz Liv­

land und Estland nannte er sein und wußte den Orden durch Ver­

sprechungen soweit zu bringen, daß dieser in häßlichster Weise sich zur Verleugnung der wohlberechtigten Ansprüche Ulberts und Hermanns verstand. Übrigens war dem Orden bei der erst zu vollbringenden Er­

oberung Estlands die Hauptarbeit zugemutet. Auch wurde der dänische Missionseifer, vvn dem bis dahin nichts zu spüren war, auf einmal wach:

dänische Priester wurden weit ins Land der Esten hineingesandt, und es kam zwischen ihnen und den von deutscher Seite abgeschickten Missionären in den Grenzbezirken zu widerlichen Konflikten. Die Stimmung im Lande aber nahm für Bischof Albert Partei. Ein

l) An diese Schlacht bei Reval (15. Juni 1219) knüpst die dänische Sage vom Tanebrog an, dem Reichsbanner (weißes Kreuz im roten Felde), das damals vom Himmel gefallen sei.

dänischer Ritter, Godeskalk, der nach Riga gekommen war, um im 122t Namen des Königs als dessen Vogt die Regierung des Landes in die Hand zu nehmen, fand dort keinen Anhang und räumte fluchtartig das Land. König Waldemar, der jetzt zur Überzeugung gelangt war, daß ohne Beistand der Deutschen kaum an eine Behauptung des nördlichen Estlands, geschweige an weitere Erfolge zu denken sei, schloß nun mit 1222

Albert und dem Orden ein Schutz- und Trutzbündnis, wobei er aus­

drücklich auf Livland (d. h. die Gebiete der Liven und Letten) Verzicht leistete.

Ein allgemeiner Aufstand der Esten war die Folge. Zuerst wurde 122З

die neue Dänenburg auf Ösel zur Übergabe gezwungen. Dann empörte sich Harrien, Jerwen, Wierland. Auch die Ordensburg Fellin ward überrumpelt; die Nowgoroder und Pskower zu Hilfe aufgerufen, Reval bedroht. Die Erhebung bezweckte Abschüttelung des aufgezwungenen Christentums und war vorzugsweise gegen Dänemark gerichtet, erst an zweiter Stelle gegen die Deutschen. Dänemark aber stand dem An­

sturm ganz hilflos gegenüber; im Mai 1223 war König Waldemar von einem seiner Vasallen, dem Grafen Heinrich von Schwerin, ge­

fangen genommen (mehr als zwei Jahre hat er im Kerker zugebracht), und nun zeigte sich, daß die Persönlichkeit des Königs, nicht die innere Kraft der Nation, Dänemark zu der wichtigen Stellung verholfen hatte, die es damals unter den nordischen Reichen einnahm. Im Augenblick der Gefahr aber hatten Bischof und Orden allen alten Hader vergessen, und dicht aneinandergeschlossen begann die Widereroberung der ver­

lorenen Landstriche. Noch im selben Jahre, am 15. August, wurde nach vierzehntägiger Belagerung unter Leitung des Bischofs Bernhard Fellin wiedererobert; der Orden machte sich sofort an den Ausbau und die fortifikatorifche Verstärkung der wichtigen Burg. Sie wurde zur größten und festesten Anlage Alt-Livlands, selbst Wenden übertreffend.

Dorpat, das wieder besetzt worden (s. S.27), und wohin zu den Esten auch eine russische Besatzung gezogen war, wurde von den Streitkräften des Ordens im April 1224 vergeblich belagert. Seit dem 15. August aber 1224 lag das gesamte deutsche Heer mit allen Hilfsvölkern davor. Die Be­

lagernden errichteten Holztürme (sog. Ebenhoch), die in den oberen Stockwerken mit Bogenschützen, unten mit Mineuren besetzt waren, und die an die Wälle auf mächtigen Baumstämmen, die als Rollen dienten,

herangeschoben, dl> Erdwerke zu untergraben begannen. Die Belagerten überschütteten die Angreifenden mit Wurfgeschossen aller Art, ließen brennende räderartige Gebilde den Abhang herunter gleiten. Tag und Nacht wurden ununterbrochen die Angriffe und die Verteidigungsmaß­

regeln fortgesetzt. Erst in den ersten Tagen des Septembers gelang es den Belagerern durch einen kühnen Angriff sich in einer Lücke des Walles festzusetzen und von hier unter fortwährenden Kämpfen ins Innere vorzudringen. Unter der Besatzung wurde ohne Gnade auf­

geräumt.

In Dorpat war ein wichtiger Stützpunkt für Ugauuien gewonnen.

Es wurde zum Bischofssitz von Hermann ausersehen, der sich danach übrigens erst 1234 zu nennen begann; denn bis dahin war versucht worden, ihm auch das wichtige Leal zu erhalten, das aber damals als Kernpunkt des neuen Bistums Ösel-Wiek diesem ausgeliefert werden mußte.

Ein Jahr nach der Einnahme Dorpats erfolgte die Belehnung des 1225 Bischofs Albert durch den römischen König Heinrich mit der gesamten, aus Livland, Lettland, Leal mit der Wiek bestehenden Mark des Reichs (vgl. S. 18).

Im Dokument Wolter (1515). (Seite 35-38)