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Wissenstransfer in Service-Learning-Projekten von Lehramtsstudierenden an Schulen (Wien)

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 157-161)

4 Zwei Beispiele zum Wissenstransfer aus der Pädagogik

4.1 Wissenstransfer in Service-Learning-Projekten von Lehramtsstudierenden an Schulen (Wien)

Beschreibung

Im Wintersemester 2020/2021 wurden an der Universität Wien mit 13 Studierenden zwei Service-Learning-Projekte an zwei Schulen durchgeführt. Die Universität und die beiden Schulen gingen dabei für ein Semester eine Kooperation ein, um einen realen Bedarf abzudecken, der von den Lehrer:innen der Schulen identifiziert wurde. An bei-den Schulen ging es um die Förderung von digitalen Kompetenzen der Schüler:in-nen – einerseits Kompetenzen im Einsatz von Microsoft-(MS)Teams (z. B. FunktioSchüler:in-nen des Tools, Oberfläche) mit Schüler:innen der Sekundarstufe II und andererseits Kom-petenzen im analogen und digitalen Schneiden von Fotos mit Volksschüler:innen (z. B. Fotos schneiden, bearbeiten, zu Collagen zusammenstellen). Die Studierenden hatten in den Service-Learning-Projekten die Aufgabe, ein (fach)didaktisches Konzept zu entwickeln und umzusetzen, um die Kompetenzaneignung bei den Schüler:innen in den genannten Bereichen anzuregen.

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Methode der Begleitforschung

Beide Service-Learning-Projekte waren curricular in den Lehrplan für das Lehramt im Bachelorstudium eingebettet (2 ECTS-Punkte) und wurden methodisch durch Selbst-reflexion, Lerntagebücher und Fokusgruppendiskussionen begleitet. Im November 2020 fanden vier Fokusgruppendiskussionen mit den Studierenden statt, die einem Leitfaden mit sechs offenen Fragen zu den Themen Theorie-Praxis-Transfer, qualitäts-volle Partnerschaften und die Verbindung von Service und Learning folgten, im An-schluss wurden diese vollständig transkribiert, thematisch kodiert und analysiert und stellen nun die Grundlage für dieses Kapitel dar.

Ergebnisse

Das Erstgespräch, das vor Semesterbeginn an den Schulen stattfand, stellte eine wesentliche Grundlage zum Verständnis des Problems und des beginnenden Wis-senstransfers dar. „Beide Seiten wissen, was die andere möchte“ (Diskussion 3, 369).

Danach wurde das Wissen über die Bedürfnisse, die Klassenzusammensetzung, die erwarteten Ziele und andere Informationen in der ersten Lehreinheit an die Studie-renden weitergegeben. Die StudieStudie-renden begannen daraufhin mit der Planung des Services (z. B. digitales Schneiden). Als Basis für den stattfindenden Wissenstransfer wurden die Erfüllung von Bedarfen, „dass man irgendwie versucht, einen Bedarf zu erfüllen“ (Diskussion 3, 283 f.), und eine gute Kommunikationsgrundlage mit den Kooperationsschulen genannt. Im Laufe der achtwöchigen Umsetzungsphase traten unterschiedliche Formen des Wissenstransfers zutage.

Voneinander lernen – reziproker Wissenstransfer im Service-Learning

Ein wesentliches Element von Service-Learning stellt die Reziprozität im Lernprozess dar: Sowohl die Studierenden als auch die Vertreter:innen der Kooperationsschulen lernten voneinander. Eine Grundlage für die Durchführung des Service-Teils bestand darin, dass grundsätzliche Expertise vorhanden sein musste, um zum Beispiel eine Unterrichtssequenz abzuhalten oder Fotos digital zu bearbeiten. Diese Expertise wurde im Laufe des Service-Learning erlernt oder war bereits davor im Studium er-worben worden.

Im Falle der Studierenden des Fachs „Bildnerische Erziehung“ (BE) war bereits Expertise zum Zeichnen, Malen, Schneiden und Erstellen von Collagen vorhanden.

Die Studierenden teilten ein gemeinsames Verständnis des Service-Teils, den sie in der Volksschule anboten. Fachdidaktisch ging es dabei um die Motorik des Schnei-dens in der analogen Form, die Bewegungen der Finger und Hände sowie digitale Kompetenzen beim digitalen Schneiden und Collagieren. Die Studierenden reflek-tierten gemeinsam, dass beim Erstellen von Unterrichtseinheiten fachdidaktisches Vorwissen hilfreich war: „Was mir persönlich geholfen hat, war die Fachdidaktik, die ich absolviert habe.“ (Diskussion 4, 72 f.) Im zweiten Projekt, war bereits grundsätz-liches Vorwissen vorhanden, dieses konnte aber im Laufe des Service-Learnings ver-tieft werden: „Ich habe zwar schon mit MS-Teams gearbeitet, aber diese Funktion [Quizfunktion] habe ich nicht gekannt“ (Diskussion 3, 439 f.). Dies zeigt, dass gerade

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für Studierende des Lehramts der Umgang mit digitalen Medien zu einem wichtigen Inhalt ihrer Ausbildung geworden ist und diese motiviert sind, sich weitere Inhalte anzueignen. Die Studierenden fanden es notwendig, sich vorab zusätzliche Expertise anzueignen, bevor sie an die Schule gingen, und haben die Inhalte zu Hause mit Stu-dienkolleg:innen und Mitbewohner:innen ausprobiert und so sichergestellt, dass der Wissenstransfer zu den Schüler:innen reibungslos verlaufen kann.

Die Studierenden wurden im Service-Learning – im Unterschied zu Praktika, die sie im Zuge des Lehramtsstudiums absolvieren mussten – als Expert:innen betrachtet und angesprochen, da sie einen Service angeboten haben, in dem sie ihre allgemei-nen didaktischen oder fachdidaktischen Fähigkeiten einsetzen konnten und damit einen Beitrag dazu leisteten, dass das aus der Schule beschriebene Praxisproblem ge-löst werden konnte. Diese Zuschreibung als Expert:innen war für die Lehramtsstudie-renden in der Reflexion überraschend. „Dass sie halt gesagt hat, wir sind die Expertin-nen, die an die Schule kommen. So hab ich das auch noch nie vorher erlebt“

(Diskussion 1, 225 f.). Wenngleich es überraschend war, konnten die Studierenden diese Erfahrung als positiv bewerten: „Dass wir die Expertinnen sind, […] das ist ein schönes Gefühl, wenn man sagt: Hey, ihr seid kompetent, ihr bringt da was Neues an die Schule“ (Diskussion 1, 230 ff.). Im Unterschied zu Erfahrungen in Praktika konnte so Kommunikation und Kooperation auf Augenhöhe gelebt werden. „Dass sie nicht so gemeint hat, wir sind jetzt die Studenten und müssen das jetzt noch lernen und so, sondern sie hat uns so als Expertinnen angesehen, obwohl wir das ja eigent-lich auch gar nicht sind“ (Diskussion 1, 315 ff.). Diese Diskrepanz des eigenen Erle-bens von Status und Kompetenz sowie die Einschätzung eigener Wissensbestände im Vergleich zur Fremdeinschätzung durch Lehrpersonen an Schulen wurde in der Re-flexion mit den Studierenden aufgegriffen und in einer vertieften Diskussion über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Praktika, forschendem Lernen, frei-williger Tätigkeit und Service-Learning intensiv diskutiert.

Für den Einsatz von Expertise zeigten sich im Material unterschiedliche Prakti-ken des Wissenstransfers: Studierende gaben ihre Expertise an Lehrpersonen an den Schulen weiter. Eine Gruppe reflektiert, dass sie dem Klassenvorstand das „Konzept von Service-Learning erklärt haben“ (Diskussion 4, 16). Eine andere Gruppe gab an, digitale Kompetenzen an die Lehrperson an der Schule weitergegeben zu haben.

Schüler:innen gaben ihre Expertise an Studierende weiter. Die Studierenden wählten diese (umgekehrte) Form des Wissenstransfers, um Schüler:innen aktiv zu einem Beitrag im digitalen Unterricht zu motivieren. Damit konnten nicht nur die Anwen-dungsfähigkeiten, sondern auch die Vermittlungsfähigkeiten der Schüler:innen im Umgang mit digitalen Medien gestärkt werden. In der darauffolgenden didaktischen Übung wurden Schüler:innen aufgefordert, ihr Wissen über eine bestimmte Funk-tion spielerisch an die Studierenden zu vermitteln.

„Wir haben uns dann was überlegt, nämlich die Schüler in die Expertenrolle zu geben und sie uns MS Teams mal näher bringen zu lassen. Da haben wir ein Video erstellt, um sie darum zu bitten. Und das ist gut angekommen und daraufhin haben sie uns Erklärvideos gemacht, wie man verschiedene Funktionen bearbeiten kann und das hat Spaß gemacht.

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Und jetzt schauen wir uns die Funktion Quiz an. Und wir haben für sie ein Quiz erstellt […] und wir werden sie dann dahin gehend coachen, dass sie selbst Quizes erstellen und die Ergebnisse präsentieren.“ (Diskussion 3, 68–74)

Das Beispiel dieser Studierendengruppe zeigt die Komplexität des Wissenstransfers gut auf. Die Studierenden erstellten ein Video mit der Bitte, dass die Schüler:innen ihr Wissen weitergeben, woraufhin die Schüler:innen Videos erstellten, um zu zeigen, was sie bereits gelernt hatten. So konnten sowohl die Schüler:innen als auch die Stu-dierenden ihre Kompetenzen im Umgang mit digitalem Lernen üben. Im nächsten Schritt, der der Übung folgte, gaben dann die Studierenden eine neue Funktion an die Schüler:innen weiter. Beide beteiligten Gruppen schlüpften in diesem Projekt jeweils in die Lehrenden/Expert:innen- und Lernendenrolle. Damit befanden sie sich auf Augenhöhe und der Wissenstransfer war reziprok. Sie reflektierten diesen Kniff wie folgt:

„Mir hat diese Idee gefallen, dass wir die Schüler zu Experten machen. Das kann man eigentlich für vieles verwenden in der Schule, dadurch werden Sie viel mehr motivierter […] ich glaube, das kann man für viele Fächer anwenden.“ (Diskussion 3, 309–317)

Hier wird der Lernprozess bei den Studierenden des Lehramts deutlich, die hier er-kennen, dass diese Methode auch in anderen schulischen Unterrichtsfächern an-wendbar ist.

Lehrpersonen gaben ihre Expertise an Studierende weiter. Die Studierenden nutz-ten die Chance, möglichst viel aus der Schulpraxis zu lernen; dies betraf sowohl Un-terrichtsgestaltung, Haltung der Lehrperson gegenüber Projekten und schulexternen Personen sowie Kompetenzaufbau. Auch über die Zusammensetzung der Klassen haben die Studierenden während des Service-Learning lernen können.

„Wir haben ein genaues Bild von der Klasse bekommen und da ist sogar […] jeder Schüler so ein bisschen beschrieben, […] weil es eine mehrstufige Klasse ist, steht auch, wer in welcher Klasse ist, und die Kinder mit besonderen Bedürfnissen.“ (Diskussion 1, 533–536)

Gerade für die Studierenden, die mit der Volksschule kooperiert haben, war es wich-tig, vorab Informationen über die vier Schüler:innen mit Beeinträchtigungen zu er-halten, um diese dann adäquat in den Service miteinbeziehen zu können. Alle Grup-pen haben von den jeweiligen Lehrpersonen aus der Praxis gelernt: „Sie weiß, was in der Klasse funktioniert, und auf diese Expertise hör ich gerne“ (Diskussion 1, 432 f.).

Eine andere Studierende, die mit der Sekundarstufe kooperiert, sagt über den Lehrer:

„Er kennt sowieso die Schüler und wir kennen sie eigentlich nicht und dann seine Tipps sind sehr wichtig für uns, ja“ (Diskussion 3, 183 ff.). Anhand dieses Zitats zeigt sich, dass Lehramtsstudierende in Praxissituationen auf der Suche nach Personen sind, die ihnen berufspraktisches Können vorführen.

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Theorie in die Praxis übertragen

Studierende des Lehramts konnten ihr Wissen aus der Theorie in die Praxis übertra-gen, insbesondere ihr fachdidaktisches und bildungswissenschaftliches (Grundlagen-) Wissen. Im Projekt zum Aufbau von Kompetenzen im digitalen Schneiden arbeiteten Lehramtsstudierende des Faches „Bildnerische Erziehung“ (BE), die in der Fokus-gruppe reflektierten, dass ihnen ein fachdidaktischer Wissenstransfer gelungen sei:

„Dass wir eben aus dieser Richtung [BE] schon kommen, aus der Kunstrichtung, […] was die Pädagogik der Volksschule nicht abdeckt, dass wir hier noch Ausbildung haben, dass wir das [digitale Schneiden] leisten können.“ (Diskussion 2, 26 ff.)

Allerdings wurden die Deutung und der damit verbundene Transfer von allgemeinen formalen Theorien (z. B. Lehr- und Lerntheorien, Motivationstheorien, Kommunika-tionstheorien) aus dem Studium in die berufliche Handlungspraxis grundsätzlich als schwierig reflektiert. Eine Studierende teilt dies so mit:

„Also ich find’s schwierig, weil wir halt praktisch […] weiß ich nicht also vielleicht Kommu-nikationsmodelle, die ich persönlich ganz gut gelernt habe […] wie in der Kommunikation mit dem Klassenvorstand zum Beispiel, wo wir ein bisschen schon drauf eingegangen sind, […] ich hab einmal eine Theorie gehabt, die begleitet mich eigentlich mittlerweile schon während des gesamten Studiums.“ (Diskussion 4, 50–54)

Die Studierende bezieht sich auf eine Kommunikationstheorie, die sie im Service-Learning Projekt in der Kommunikation mit dem Klassenvorstand im Kopf behält.

Auch eine andere Studierende reflektiert die Nützlichkeit von formalen Kommunika-tionstheorien in der Praxis:

„Wie wichtig ist die Kommunikation, das wissen die verschiedenen Personen, die in einer Schule oder die zusammenarbeiten […] ich habe ein Seminar über Kommunikation ge-macht im Modul 4 oder so und ich habe das hat mir viel geholfen.“ (Diskussion 3, 301–305)

Die anderen Studierenden erlebten hier wenig Transfer aus der Theorie in die Praxis.

4.2 Wissenstransfer in soziale Organisationen (Graz)

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 157-161)