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3 Erfolgsfaktoren im forschenden Lernen

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 139-143)

Der organisatorische Rahmen bzw. der didaktische Einsatz studentischer Beratungs-projekte gibt also einen einfachen Rahmen vor. Aus inhaltlicher Sicht sind Studie-rende vor dem Hintergrund der jeweiligen Aufgabe frei, einen vielversprechenden Weg zur Zielerreichung zu wählen. Dozent:innen stehen dem Team zwar, wie er-wähnt, unterstützend zu Seite, sind aber nicht dazu angehalten, Lösungswege vorzu-geben. Erfahrungen aus mittlerweile knapp 1.000 Projekten und damit einherge-hende Debriefingprozesse bei sämtlichen Beteiligten zeigen, dass unterschiedlichen Faktoren (Abb. 2) eine besondere Rolle einzuräumen ist, um erfolgreiche inhaltliche Erarbeitungen und so einen Erkenntnis- und Kompetenzgewinn bei Studierenden, Auftraggeber:innen und Dozent:innen zu ermöglichen.

Komplexitätsreduktion auf unterschiedlichen Ebenen Abbildung 2:

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Diese Erfolgsfaktoren, die teils aus den in Abschnitt 2 beschriebenen Ebenen resultie-ren bzw. abgeleitet werden können, reichen von operativen Optimierungen des Pro-jektmanagements über die Lenkung gruppendynamischer Prozesse mit dem Ziel der Schaffung einer funktionalen Vertrautheit bis hin zur Kultivierung einer Projektkul-tur, die dabei hilft, auf schwache Signale adäquat zu reagieren und Innenkomplexität durch einen vertrauensvollen Umgang weiter zu reduzieren.

3.1 Projektmanagement – die operative Ebene

Projekte werden in der Literatur als abgrenzbare Einzelvorhaben neuartig, risikoreich und per definitionem komplex charakterisiert (Litke, 2007). Aus Sicht von Oswald et al. (2016) ist für ein erfolgreiches Projektmanagement im 21. Jahrhundert v. a. die Beherrschung von Komplexität eine notwendige Voraussetzung, da Projekte zuneh-mend in einem unüberschaubaren und unvorhersehbaren Umfeld stattfinden. Dieser Anspruch an den Umgang mit Komplexität kann in studentischen Beratungsprojek-ten, angesichts realer Aufträge ebenfalls festgestellt werden. Um den Fragestellungen gerecht zu werden, ist professionelles Projektmanagement als Halt gebender Faktor erfolgsentscheidend.

Projektmanagement in den studentischen Beratungsprojekten umfasst die Orga-nisation, Planung, Überwachung und Steuerung. Die Erfüllung aller Aktivitäten in Bezug auf das Projektmanagement erfolgt, im Sinne des forschenden Lernens, selbst-ständig und eigenverantwortlich durch die Studierenden, insbesondere durch die:den studentische:n Projektleiter:in. Grundsätzliche Normen, wie Anfang und Ende des Projektes oder die Teamgröße, sind zwecks eines professionellen Projektmanage-ments sowie im Hinblick der Vergleichbarkeit und Bewertung der Leistungen vorge-geben.

Diese Komplexitätsreduktion durch klare organisatorische und prozessuale Vor-gaben, v. a. in den ersten Schritten des Projekts, helfen den Studierenden sich schnel-ler und gezielter dem Thema zu nähern. Im weiteren Verlauf stehen diese vor zahlrei-chen Herausforderungen und Unsicherheiten, die sie so aus ihren klar strukturierten Lerneinheiten nicht kennen (Schulte et al., 2018) und auf die sie flexibel sowie situa-tionsadäquat sowohl inhaltlich als auch organisatorisch (re)agieren müssen.

Um die Studierenden auf diesen Lernprozess optimal vorzubereiten, werden Grundlagen zum Projektmanagement in Vorlesungen begleitend zum ersten Bera-tungsprojekt vermittelt und geübt. Zudem wird der Rolle der studentischen Projekt-leitung besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da sie großen Einfluss auf das Gelin-gen hat. Diese wichtige Funktion wird mit Reflexionsaufgaben sowie individuellen Coachings durch Dozent:innen begleitet.

So zeigt sich über die Beratungsprojekte hinweg eine positive Entwicklung der Studierenden im Projektmanagement und es werden wesentliche Kompetenzen – insbesondere im Umgang mit Komplexität – für die spätere Berufstätigkeit erworben.

Claudia Brönimann, Martina Bechter & Ronald Ivancic 139

3.2 Funktionale Vertrautheit der Teammitglieder – die soziale Ebene

Das studentische Projektteam steht oftmals vor Aufgabenstellungen, die nur durch gemeinsames Zusammenwirken aller Projektbeteiligten und zielführender Kombi-nation vorhandener, bereits erworbener Personal-, Fach-, Methoden- und Sozialkom-petenzen zu bewältigen sind. Dies führt zur Notwendigkeit des Aufbaus von Team-strukturen und -prozessen, die dazu geeignet sind, inhaltlichen Herausforderungen zu begegnen.

Denkt man an Zusammenarbeitsprozesse innerhalb von Organisationen und Projekten, so wird schnell klar, dass Formalismen sowie ein professionelles Prozess-management allein nicht dazu in der Lage sind, ein Vorankommen in Projekten zu garantieren. Viel eher rückt die Motivation einzelner Organisations- oder Teammit-glieder in den Fokus, die in starkem Zusammenhang mit Gruppenprozessen, soge-nannten sozialen Kernprozessen, aber auch mit der Auswahl einzelner Personen steht.

Neben mengenmäßigen und kompetenzbasierten Anforderungen an die Bereit-stellung von Projektmitarbeiter:innen kommt deren Persönlichkeitsstruktur sowie einer Integration ins Gesamtgefüge eine besondere Rolle zu. Erst durch Akzeptanz der eigenen Rolle in diesem Gefüge ist es möglich, eigene Kompetenzen zielorientiert zum Einsatz zu bringen, was einer gewissen Zeit der Integration und Abstimmung bedarf. So gilt es auch in Beratungsteams, die Phasen der Teambildung Forming, Storming, Norming und Performing (Tuckman, 1965) sauber und bewusst zu durch-laufen, also den sozialen Kernprozess voranzutreiben. Dieser beschreibt die Zusam-menführung individueller Energien im Rahmen von Kollaborationsformen auf Basis einer notwendigen funktionalen Vertrautheit (Rieckmann, 2005). Dabei ist von Rele-vanz, dass sich einzelne Teammitglieder ihrer Stärken und Schwächen bewusst sind und diese im Sinne eines gemeinschaftlichen Vorankommens zum Einsatz bringen.

Das vertrauensvolle Zusammenwirken verhindert energieraubende Positionskämpfe und Scheingefechte, reduziert so Teamkomplexität und ermöglicht die Konzentration auf Inhalte.

In studentischen Projekten ist eine wesentliche Voraussetzung zur Etablierung solcher leistungsfähigen Teams bereits vor der eigentlichen Arbeit gegeben. Studie-rende bilden ihre Projektgruppen und versuchen so mit ihnen sympathischen und gut zusammenarbeitenden Personen eine Gemeinschaft zu formen. Auf der anderen Seite beeinflusst auch die Bewerbung auf Beratungsprojekte die allgemeine Gruppen-motivation. So spielen Interesse am Thema als auch notwendige Kompetenzen in der Themenbewältigung eine wesentliche Rolle, der es seitens Multiprojektmanagement insbesondere in der Zuteilung der jährlich rund 100 Teamarbeiten bestmöglich zu entsprechen gilt.

Gelingt eine optimale Abstimmung von Studierendenwünschen und Projektan-forderungen, ist es möglich, begünstigte Voraussetzungen für soziale sowie indivi-duelle Lernprozesse auf Basis intrinsischer Motivation zu schaffen.

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3.3 Projektkultur – die normative Ebene

Zwecks Nutzung möglicherweise auftretender unerwarteter Potenziale und Chancen in der Projektarbeit, bzw. Verhinderung unvorhersehbarer Gefahren, ist die Etablie-rung einer entsprechenden vertrauensvollen Projektkultur höchster Reife (Ivancic, 2020) notwendig, die auf die Detektion schwacher Signale sowie das Erkennen beson-derer Möglichkeiten ausgerichtet ist. Dabei wird Kultur verstanden als Summe „[…]

aller Normen, Werte, die den Geist […] des Unternehmens ausmachen. […] Normen und Werte sind Steuerungsgrößen. Sie kanalisieren das Verhalten […]“ (Doppler &

Lauterburg, 1996, S. 390). Durch diese Kanalisierung wird Komplexität reduziert und die systemische Kontingenz, als der Grad an Aktivitätsmöglichkeiten, erhöht (Luh-mann, 1972).

Kultur wird durch die in ihr interagierenden Persönlichkeiten (Projektmitglieder) sowie Strukturen (Projektformalia und -rahmenbedingungen) bestimmt und steht so-mit so-mit Erfolgsfaktoren auf operativer Ebene (Projektmanagement) sowie jenen auf sozialer (funktionale Vertrautheit) in engem Zusammenhang. Daraus resultiert u. a.

die bekannte Metapher der Kultur als Eisberg, die darauf abstellt, dass Strukturen, Prozesse und Symbole über der Wasseroberfläche, unbewusste Grundannahmen und Überzeugungen jedoch darunterliegen (Maak & Ulrich, 2007). Eine entsprechende Kulturentwicklung kann niemals, so auch nicht in studentischen Beratungsprojekten, verordnet, sondern nur deren intendierte Entwicklung durch Kontext- (Ivancic &

Huber, 2018) und umsichtiges Projektmitgliedermanagement (Ivancic, 2019) geför-dert werden.

Diese Aufgabe wird in den studentischen Projekten bspw. mittels klarer Prozess-organisation (Terminplanungen inkl. Meilensteine) und Regulatorien (detailliertes Projekthandbuch) wahrgenommen. Teambildungsprozesse sowie die Zuteilung kla-rer Verantwortlichkeiten, die Bereitstellung technischer Hilfsmittel und Ressourcen (zeitlich, räumlich und monetär) sowie klare Kommunikationsprozesse und Code of Conducts in der Teamarbeit schaffen erforderliche Strukturen. Darüber hinaus wer-den Teamprozesse mittels spezifischen Coachings unter Fokussierung auf einen Ab-gleich von Team-Selbst- und -Fremdbild unterstützt. Im Falle gruppendynamischer Herausforderungen sind Eskalationsmöglichkeiten bis zum Ausschluss aus dem Pro-jektteam vorhanden, um direkt auf das Verhalten Einzelner Einfluss nehmen zu kön-nen. Im Idealfall entsteht dadurch eine proaktive und antizipative Teamkultur, welche auf Grundlage gegenseitigen Vertrauens zu Komplexitätsreduktionen beiträgt und so einen Möglichkeitsraum schafft, auf schwache Signale zu reagieren und die dadurch entstehende Chancen zu nutzen.

Organisationale Lernkultur, Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen sowie Commit-ment sind also wichtige Indikatoren eines Lerntransfers (Pangaribuan et al., 2020).

Somit ist eine intensive Förderung einer belastbaren Projektkultur nicht nur für den Erfolg studentischer Beratungsprojekte vonseiten der Auftraggeber:innen, sondern auch aus Perspektive von Dozent:innen und Studierenden von ausnehmender Rele-vanz.

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Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 139-143)