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3 Die Textsorte „Pressemitteilung“

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 59-63)

3.1 Was ist eine universitäre Pressemitteilung?

Ob Großunternehmen, Museen, Ämter oder Universitäten – Pressemitteilungen ge-hören zum ältesten Repertoire professioneller Öffentlichkeitsarbeit und ihre verschie-denartigen Gestaltungsweisen sind direkt an die strategischen Ziele von organisatio-naler Kommunikation gebunden (vgl. Bischl, 2015, S. 3). Diese Ziele können sowohl kurzfristig, auf die schnelle Verbreitung von Informationen über wichtige Veranstal-tungen, neue Produkte oder wissenschaftliche Erkenntnisse ausgelegt sein, als auch die langfristige Etablierung einer konsistenten Außendarstellung anstreben (vgl.

ebd.). Letzteres gelingt durch eine bewusste Auswahl und Kuratierung der zu veröf-fentlichenden Meldungen.

2 Selbstverständlich ist damit nichts darüber gesagt, wie eine Publikation tatsächlich rezipiert wird – das ist abhängig von den jeweiligen Diskurskonjunkturen in der Disziplin.

58 Das täglich Brot akademischer Komplexitätsreduktion in Pressemitteilungen und Journal-Abstracts

Die hier untersuchten Pressemitteilungen von Universitäten (kurz: PM) dienen der sekundären Publikation neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diese wurden zu-vor in fachspezifischen Publikationsformaten veröffentlicht, die auf ein fachinternes Publikum ausgerichtet sind (siehe Kapitel 2.3). Den Zugang zu diesem Wissen jedoch auch einer fachexternen, allgemeineren Öffentlichkeit zu ermöglichen, bedarf einer professionellen Übersetzungsleistung, die Universitäten u. a. mithilfe von PM umset-zen. Dabei konkurrieren sie insbesondere um die Aufmerksamkeit von Journalist:in-nen der lokalen sowie überregionalen oder auch internationalen Presse, die als Sprachrohre für die Verbreitung der PM dienen und als Hauptadressat:innengruppe gelten (vgl. ebd., S. 4). In Anpassung an die Bedürfnisse dieser Zielgruppe ist die Ver-wendung einer journalistischen Schreibweise bei PM unumgänglich, da sie Journa-list:innen die Übernahme der Inhalte erleichtert und entsprechend eine regelmäßige Berichterstattung über die Universität und ihre Mitglieder sichern soll (vgl. ebd., S. 1).

Aufgrund der hier beschriebenen geradlinigen Kommunikationskette, die dann von Journalist:innen selbst noch verlängert wird, ist die PM als eine monodirektionale Form der WK einzuordnen (vgl. Autzen, 2018, S. 10; vgl. Kapitel 3.3).

Als Sekundärtextsorte nach Göpferich-Görnert (2018) erfüllen PM die Funktionen, den Inhalt der vorausgegangenen Publikation zu subsumieren, mit Blick auf einen allgemein verständlichen Zugang dessen wichtigsten Erkenntnisse zu selektieren und zu erläutern und diese alltagsnah zu kontextualisieren sowie zu evaluieren (vgl.

ebd., S. 550). Ziel ist es, dass sich für die Leser:innen der PM die Relevanz ihres In-halts unabhängig von der eigenen Fachkompetenz offenbart (vgl. Autzen, 2014, S. 3).

Die sprachliche Ausgestaltung des Textes bewegt sich dabei auf dem schmalen Pfad zwischen einem Höchstmaß an Verallgemeinerung und einem Mindestmaß an Spe-zialisierung (vgl. ebd.). Die Qualität einer PM verwirklicht sich somit in einer Verein-fachung der komplexen Sachverhalte, ohne dabei ihre wissenschaftliche Evidenz zu verringern oder gar Fakten zu verfälschen.

3.2 Universitäre Pressemitteilungen als Untersuchungsgegenstand:

Ein Literaturüberblick

Aus unseren Literaturrecherchen zur Rolle von PM im wissenschaftlichen Diskurs ergab sich das Bild, dass diese in zweierlei Hinsicht thematisiert werden: indirekt, als eine von vielen Kommunikationsformen, die in der Forschung zu Hochschul- und Wissenschaftskommunikation aufgegriffen werden, und direkt, als ein strategisches Textformat, welches nicht nur Auskunft über wissenschaftliche Inhalte, sondern auch Anlass zum Metadiskurs und einer genauen Analyse ihrer organisationalen sowie institutionellen Rahmenbedingungen gibt.

Im Rahmen der indirekten Auseinandersetzung mit PM wird die Entwicklung der Pressearbeit wissenschaftlicher Einrichtungen bereits zu Beginn des 20. Jahrhun-derts verortet (vgl. Koenen & Meißner, 2019, S. 44). Dieses berufliche Handlungsfeld hat sich innerhalb eines Jahrhunderts stark professionalisiert und institutionalisiert.

Im Anschluss daran haben sich mehrere Forschungsfelder zur Untersuchung dieser Praxis herausgebildet.

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So erarbeiten Fähnrich et al. (2019) ein Mehrebenenmodell zur Strukturierung verschiedener Ansätze der Organisationskommunikationforschung. Die PM lässt sich darin hinsichtlich Komplexitätsreduktion vor allem der Frage nach „Funktionen, Zielgrößen und Strategien von Hochschulkommunikation“ (ebd., S. 62.), also dem

„Wie?“ auf der Mesoebene zuordnen. Daran anschließend fasst Raupp (2017) unter dem Begriff der „strategischen Wissenschaftskommunikation“ jene intentionale Kommunikation zusammen, die sowohl organsationsintern als auch -extern ausge-richtet ist, deren organisationale Ziele sich jedoch stets an jener Umwelt der Organi-sation orientieren, an deren Erwartungen sie sich gebunden sieht, um Legitimation zu generieren (vgl. ebd., S. 145 f.).

Bei der direkten Auseinandersetzung mit PM ist hingegen zunächst jene Litera-tur zu benennen, welche sie als eine professionelle Tätigkeit in Lehrbüchern und Rat-gebern für Beschäftigte von PR- und Pressestellen erläutert, wie bspw. in Die professio-nelle Pressemitteilung von Bischl (2015). In dieser Monografie werden verschieden-artige PM und deren Spezifika in Zielgruppe, Textaufbau und Sprache exerziert. Hier lassen sich einige Indizien für die Gestaltung und Relevanz von Komplexitätsreduk-tion in der direkten Textpraxis finden, die für die Beantwortung unserer Fragestellung hilfreich sind (siehe Kapitel 4.1).

Einen metadiskursiven Beitrag zu PM leistet Autzen (2014; 2018). Sie verortet diese in einem Diskurs zwischen der Öffentlichkeitsarbeit und der WK akademischer Einrichtungen. Dabei stellt sie heraus, dass diese beiden Funktionsbereiche in PM untrennbar miteinander verwoben sind und ein reziprokes Abhängigkeitsverhältnis bilden (vgl. Autzen, 2014, S. 5). In Folge der Annahme der Unvermeidbarkeit von or-ganisationaler Selbstdarstellung in WK formuliert sie ähnlich Raupps Definition der strategischen WK die These, dass PM signifikante Einsichten in die Beschaffenheit, Ziele, Schwerpunkte und Strukturen einer Organisation geben, d. h. ihrer Identität und der Art, wie sie sich zu ihrer Umwelt positioniert (vgl. Autzen, 2018, S. 10). Des Weiteren konstatiert Autzen, dass von dem einst vermuteten Aussterben der PM als ein veraltetes Kommunikationsformat nicht mehr zu sprechen sei, da sie häufiger erforscht werden und für Universitäten im Kontext der WK eine der wohl wichtigsten Brücken zur nachgeschalteten Berichterstattung durch Journalist:innen und damit zur Öffentlichkeit darstellen (vgl. ebd., S. 11).

In dieser Entwicklung zeichnet sich ein Trend des copying and pasting ab, den Autzen als eine gängige Praxis bei der Verwendung der PM in der WK identifiziert (vgl. ebd., S. 2). Die Inhalte der PM werden häufig auf direktem Wege kopiert und als journalistischer Artikel veröffentlicht. Dies spielt dahingehend eine große Rolle, dass die normativen Intentionen der Universitäten, welche in die PM eingebettet sind, ggf.

ungefiltert in die Öffentlichkeit getragen werden.

3.3 Universitäre Pressemitteilungen als Format externer Wissenschaftskommunikation

Im vorangegangenen Abschnitt wurde die PM in verschiedenen Kontexten als fachex-terne, monodirektionale, strategische und sekundäre Kommunikation charakterisiert.

Diese Charakterisierung soll nun unter dem Begriff der externen WK nach Könneker 60 Das täglich Brot akademischer Komplexitätsreduktion in Pressemitteilungen und Journal-Abstracts

(2017) zusammengefasst werden, der sich durch die Adressierung von „Nicht-Spezia-listen“ auszeichnet (ebd., S. 445). Fundament für diese Kommunikation sei die Zu-sammenarbeit der drei Hauptakteur:innen (I) Wissenschaftler:innen – als organisa-tionsinterne, forschende Individuen; (II) Journalist:innen – als autarke, kritische Beobachter:innen sowie Berichterstatter:innen; (III) Beschäftigte der Medien- und Öf-fentlichkeitsarbeit – als mittelnde Instanz zwischen der Wissenschaft und der Gesell-schaft (vgl. ebd., S. 461–464). Das Zusammentreffen dieser Akteur:innen zeigt sich an-hand der PM besonders deutlich: Wissenschaftler:innen werden aktiv in den Entstehungsprozess der PM eingebunden, um die komplexen, wissenschaftlichen Themen adäquat aufzuarbeiten, und treten nicht selten mit ihren eigenen Worten in Form von kurzen, erläuternden Zitaten auf. Ziel dieses Arbeitsprozesses ist es, die Inhalte der PM möglichst passgenau für die Bedürfnisse der Adressatengruppe auf-zubereiten. Die Bemühungen dieser drei Gruppen bestehen laut Könnecker in der

„Kommunikation von Wissenschaft“ (ebd., S. 456), die allgemeinhin dem Ziel dient, die „science literacy“ (ebd. – Herv. i. Orig.), also die wissenschaftliche Bildung der Nicht-Expert:innen, zu verbessern.

Diese hier beschriebene Dimension der „Kommunikation von Wissenschaft“ er-weitert er durch zwei weitere Dimensionen – der „Kommunikation für Wissenschaft“

und „Kommunikation über Wissenschaft“ – zu einem Modell praktischer, externer WK (ebd., S. 469 – Herv. i. Orig.).

Die Dimension „Kommunikation für Wissenschaft“ reicht über das reine Kom-munizieren von Wissen hinaus, da hierbei die individuellen und organisationalen In-tentionen realisiert werden (vgl. ebd., S. 460). Wie in Unterkapitel 3.2 bereits heraus-gearbeitet wurde, sind PM von diesen Intentionen maßgeblich bestimmt. Zeitgleich wird das durch die PM verbreitete Wissen als ein vorzeigbares, hohes Gut der Univer-sität bestimmt. Schlussfolgernd aus dieser Feststellung kann in der PM eine Demons-tration und Reproduktion der Bedeutung von Universitäten gesehen werden, da sie zu den wenigen gesellschaftlichen Organisationen gehören, die explizit zur Generierung von neuem Wissen befugt sind (vgl. Autzen, 2014, S. 4). Sie befinden sich ebenso in Relation zu den Forschungsarbeiten anderer Universitäten, mit denen sie u. a. auf dem Markt der Studierenden, des wissenschaftlichen Nachwuchses und in Publika-tionsrankings konkurrieren (vgl. ebd.). Darüber hinaus sind Universitäten dazu in der Lage, durch erfolgreiche PM Themen ihrer organisationalen Forschungsschwer-punkte auf der gesellschaftlichen Agenda zu platzieren (vgl. ebd., S. 4). Dies kann bspw. auch hinsichtlich der Entstigmatisierung und Legitimation der Erforschung gesellschaftlich umstrittener Forschungsbereiche genutzt werden, wie bspw. die Humangenomforschung (Könneker, 2017, S. 469; Raupp, 2017, S. 157).

Im Rahmen der Dimension von „Kommunikation über Wissenschaft“ können dann Journalist:innen als unabhängige Instanz auftreten und die Aufgabe überneh-men, Wissenschaft im Kontext anderer gesellschaftlicher Bereiche kritisch zu hinter-fragen (vgl. Könneker, 2017, 470; in Kapitel 3.2 wurde auf gegenläufige Entwicklungen hingewiesen).

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Mithilfe Könnekers Perspektive auf PM wird deutlich, was Abbott als charakteris-tisch für reaktive Strategien des Umgangs mit Überfluss beschreibt: Erst durch die Würdigung einzelner Publikationen von Universitätsmitgliedern in Form von PM bei gleichzeitiger Nichterwähnung der restlichen Publikationsleistungen am Standort er-scheint die Universität anschlussfähig an die gesellschaftlichen Rezeptionskapazitä-ten für wissenschaftliche Erkenntnis.

Dieser Bearbeitungsmechanismus zum Umgang mit der Menge wissenschaft-licher Erkenntnis ist jedoch verschränkt mit den organisationalen Zielen der Univer-sitäten. Sie versuchen auch mithilfe von PM eine bestimmte Außendarstellung zu konstruieren. Dafür greifen sie auf bewährte Vergabemechanismen von Anerken-nung in der Wissenschaft zurück, bspw. indem in den PM das Renommee eines Jour-nals aufgegriffen wird. Die Ausführungen dieses Kapitels lassen sich darin verdich-ten, dass PM die Kulmination dreier Selektionsebenen darstellt: 1. der Bedarf der Selektion von Wissen am Übergang zu anderen gesellschaftlichen Teilsystemen, 2. die Reproduktion wissenschaftsinterner Selektionsverfahren (bspw. das Publizieren in gut indexierten Journalen) sowie 3. die Selektion der Publikationsleistung von Univer-sitätsmitgliedern hinsichtlich der organisationalen Profilierungsziele. Eine Begleit-erscheinung dessen scheint die Anpassung des Wissenschaftssystems an das Gesell-schaftssystem in Form der Medialisierung von Wissenschaft zu sein (vgl. Weingart, 2001). Diese Entwicklungslinie der WK beschreibt die zunehmende Übernahme der Medienlogik in die Wissenschaftslogik, wie es sich schließlich auch anhand der Adap-tion der journalistischen Schreibweise in PM verdeutlicht. Werden PM und ihre inhä-renten Logiken des Auswählens in Teilen oder im Ganzen von Journalist:innen über-nommen, kann die Universität die drei genannten Ziele (Gesellschaft über einzelne Aktivitäten informieren, Anerkennungsvergabe in der Wissenschaft berücksichtigen, eigene Organisationsziele verfolgen) realisieren. Die Chance zur Übernahme lässt sich entsprechend steigern, indem die PM weitestgehend journalistischen Gepflogen-heiten entspricht.

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