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Hinweise aus der Literatur

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 63-66)

Eine rekursive Suche

4.1 Hinweise aus der Literatur

Bei der Sichtung der Literatur sahen wir uns mit der Herausforderung konfrontiert, dass oft darüber geschrieben wird, worauf zu achten sei und aus welchen Bausteinen die Texte bestehen, statt näher darauf einzugehen, wie man aus einem Komplex von Argumentationssträngen und Nebenerläuterungen das Wesentliche einer wissen-schaftlichen Publikation extrahiert und reformuliert. Zu explizieren, wie Komplexi-62 Das täglich Brot akademischer Komplexitätsreduktion in Pressemitteilungen und Journal-Abstracts

tätsreduktion genau funktioniert, scheint bislang kaum möglich – stattdessen wird von Kunstfertigkeit, Übung oder der Notwendigkeit einer professionellen Ausbildung gesprochen. Zusammenhängende Strategien, die bei solchen Arbeitsschritten mit dem Ziel der Komplexitätsreduktion Anwendung finden, lassen sich mit Blick auf die vorliegende Literatur bislang nicht darstellen.

Wir haben uns daraufhin entschieden, das ambitionierte Ziel einer Explikation von verschiedenen Strategien fallen zu lassen und uns stattdessen dem Strategie-begriff durch die Bestimmung einzelner Hilfskonstrukte zu nähern. Das bedeutet nicht, dass keine Strategien als Ausdruck wissenschaftskommunikativer Logiken zur Anwendung kommen – wir müssen allerdings erst beschreiben können, welche Stra-tegiekomponenten zur Verfügung stehen. Wie diese kombiniert und welche Span-nungen und Widersprüche dadurch evoziert werden, können wir an dieser Stelle aller-dings nicht vollständig darlegen. Wir haben uns im Folgenden darauf konzentriert, die in der Literatur verhandelten Sollens-Bestimmungen dahingehend zu prüfen, ob sie nicht auch als Hilfe zu verstehen sind, solch anspruchsvolle Texte wie RA-Abstracts und PM anzufertigen. Da es sich um einen Querschnitt der Literatur handelt und viele Aspekte bereits erläutert wurden, verzichten wir auf genaue Verweise. Die Schriften von Autzen (2014), Bischl (2015), Eva (2012), Huemer et al. (2012), Swales und Feak (2009) sowie Vrijhoef und Steuten (2007) sind allerdings als vorrangige Bezugspunkte zu verstehen, die die folgenden Hilfen oftmals angedeutet haben, sie jedoch nicht systematisch und in verdichteter Form in den Blick nehmen.

Als erste Hilfe lässt sich die Berücksichtigung formaler Vorgaben beschreiben:

Sowohl RA-Abstracts als auch PM haben restriktive Vorgaben zum Textumfang und zur Textgestalt, die zwar leicht variieren können, aber gleichsam formbestimmend sind. Es mag paradox klingen, dass eine Zeichenbegrenzung oder auch Zwischen-überschriften dabei helfen, einen Text zusammenzufassen – allerdings wirkt es sich positiv aus, wenn die äußere Form im Voraus feststeht und dann ausgefüllt werden muss. Die formalen Vorgaben beziehen sich aber auch oft auf den Inhalt und damit auf den Aspekt der Wohlgeformtheit: Damit ist angesprochen, dass in den beiden Textsorten darauf zu achten ist, die verschiedenen, jeweils relevanten Textbestandteile auszubalancieren, d. h. sie in einem ausgewogenen Verhältnis anzusprechen. Als Herausforderung wird bspw. genannt, in RA-Abstracts den Methodenteil knapp zu halten. Für PM wären andere Textbestandteile von Bedeutung, wie bspw. Erklärungen oder auch wörtliche Zitate, die nicht im Übermaß verwendet werden dürfen. Etwas anders gelagert ist die Hilfe der Kohärenz: Hier geht es darum, thematische Sprünge zu vermeiden, die einzelnen Sätze aufeinander abzustimmen, sodass der jeweilige Text eine eigene, durchgehende und vollständige Argumentation erhält. Um solche Empfehlungen einzuüben, wird in der Literatur häufig empfohlen, bereits veröffent-lichte Texte zu lesen und deren Struktur nachzuempfinden. Dies ist Hilfe durch Imitation, was meint, dass beide Textsorten sich durch einen hohen Grad an Selbst-ähnlichkeit auszeichnen. Des Weiteren finden sich Aufforderungen dazu, die Termi-nologie der Publikation aufzugreifen, was ebenfalls beim Textbau helfen kann. Allein diese fünf Hilfen zusammengenommen können als große Herausforderung

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den werden – wir argumentieren jedoch, dass sich gerade diese starre Formulierungs-umgebung als hilfreich erweisen kann, da es vergleichsweise einfach ist, einen ersten Anfang zu finden (bspw. mit den zentralen Begriffen der Originalpublikation), was dann unmittelbar eine Kaskade fortführender Sollens-Bestimmungen aktiviert, die der weiteren Wortfindung dienlich sind. Schließlich sei noch zu ergänzen, dass wir in der vorgestellten Literatur zu beiden Textsorten Aufforderungen gefunden haben, die zuspitzende Formulierungen einforderten und empfahlen, klar zu benennen, warum nun genau diese wissenschaftliche Arbeit geleistet werden musste, d. h. eine Bedarfs-anzeige. Wir gehen davon aus, dass diese beiden letztgenannten Hilfen zur Komplexi-tätsreduktion im Besonderen mit der Überfluss-Problematik zusammenhängen. Sie leisten Hilfe, indem eine subsumptionslogische Ausrichtung aktiviert wird, d. h. die Argumentationslinie wird dann in Abhängigkeit zu einem bestimmten Bedarf oder einer provokanten Aussage aufgebaut.

Neben diesen Hilfen, die den beiden hier verhandelten Textsorten gemein sind, konnten wir auch Hilfen ausmachen, die textsortenspezifisch zur Anwendung kom-men. So gibt es bei den RA-Abstracts eine ausgeprägte Orientierung hinsichtlich der Struktur und Abfolge in der Originalpublikation. Diese ist besonders eindrücklich, wenn es sich um strukturierte Abstracts handelt. Es ist zu vermuten, dass eine gefor-derte Abstract-Struktur ihrerseits wieder auf die Formulierung und Abfolge von Kapi-telüberschriften Einfluss nimmt. Das Resultat besteht dann oft in der Formel: ein Satz im RA-Abstract = ein Kapitel im Volltext. Eine weitere Hilfe ergibt sich aus dem Um-stand, dass es um interne WK geht: Wir gehen davon aus, dass es bei der Erstellung eines RA-Abstracts hilft, wenn bestimmte, disziplinspezifische Codes eingebaut wer-den. Diese sollen freilich auf den gemeinsamen Kommunikationszusammenhang verweisen und die Zitationsfähigkeit unterstützen (bspw. mittels Begriffen, Namen, Zeichen oder einer Kombination von diesen), helfen aber auch dabei, Relevanzen he-rauszustellen: Worin möchte man keinesfalls falsch verstanden werden? An welchen Diskurs möchte man anknüpfen? Solche Fragen zu verfolgen scheint bei der Suche nach zu verbindenden Textbausteinen ein probates Mittel zu sein.

Weitere Hilfen lassen sich spezifisch für PM identifizieren; hier wurde bereits darauf hingewiesen, dass mittels PM organisationale Ziele verfolgt werden können.

Wenn also der Zweck einer PM bereits (implizit) feststeht, gelingt die Textformulie-rung ggf. leichter. Hinzu kommt eine ErgebnisorientieTextformulie-rung, d. h. eine FokussieTextformulie-rung darauf, was genau neu an einer Erkenntnis ist, bei gleichzeitiger Vernachlässigung theoretischer und methodischer Feinheiten. Drittens ist es in PM möglich, wesent-liche Abstraktionsleistungen den Wissenschaftler:innen selbst zu überlassen und diese zu zitieren. Indem bspw. Erläuterungen aus erster Hand Verwendung finden, müssen Pressestellenmitarbeiter:innen nicht mehr auf mühsame Paraphrasierungs-techniken zurückgreifen. Ferner ist es in einer PM möglich, Kontextinformationen zur Frage „Wer war wo, wann und wie beteiligt?“ zu liefern. Auch hier scheint es zunächst widersprüchlich, dass zusätzliche Details bei der Komplexitätsreduktion helfen, doch lassen sich darüber auch simplifizierende Erzählfäden spinnen, die die komplexe Forschung griffig werden lassen. So kann es bspw. hilfreich sein zu erläu-tern, wer bei einem Forschungsteam mitgewirkt hat und welche Gerätschaften 64 Das täglich Brot akademischer Komplexitätsreduktion in Pressemitteilungen und Journal-Abstracts

benutzt wurden. Schließlich möchten wir darauf hinweisen, dass es für die Verfas-ser:innen einer PM produktiv sein kann, immer wieder zwischen den Modi des Nach-vollzugs und der Verfremdung zu wechseln. Es handelt sich sozusagen um ein ver-kürztes „Stille-Post“-Prinzip, bei dem es darum geht, einen Sachverhalt mehrmals einem Prozess des Verstehens und Artikulierens auszusetzen.

Diese Liste kann selbstverständlich nicht als vollständig angesehen werden, doch ist sie aus unserer Sicht ein Anfang bei der Beantwortung der Frage, wie die Reduk-tion von Komplexität alltäglich im Kontext akademischen Arbeitens vollzogen wird.

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 63-66)