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„Bioökonomie für Schülermedien“

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 181-184)

5.1 Thema Bioökonomie

Das Thema „Bioökonomie“ – als aus dem politischen System generierte Bezeichnung für den erforderlichen, wissenschaftsbasierten und zielgerichteten Transformations-prozess von Wirtschaft und Gesellschaft – ist als Reaktion auf die bereits oben benann-ten Grand Challenges zu werbenann-ten. Damit schließt „Bioökonomie hier an die gesellschafts-politische Rolle von Wissenschaft und Technologie“ (Weidtmann et al., 2020, S. 6) an und steht in Verbindung mit weiteren Transformationskonzepten aus dem Bereich der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung. Unter den Begriffen „große gesellschaft-liche Herausforderungen“ oder „Grand Challenges“ werden im wissenschaftspoliti-schen Kontext „Problemlagen großer Reichweite mit einem hohen Grad an Komplexi-tät, Unsicherheit, Dynamik und Langfristigkeit verstanden“ (ebd.). Der Diskurs um gesellschaftliche Herausforderungen schließt an wissenschaftspolitische Debatten an, die den wissenschaftlichen Lösungsbeitrag für die Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen. Obwohl in Bioökonomie eine der Zukunftschancen für die westlichen Indus-trienationen und konkret für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland gesehen wird, sind im Diskurs zahlreiche Gegenpositionen präsent, die Risiken adressieren (Thrän, 2020, S. 6). Exemplarisch sind hier Konflikte um Biomasse und Land zu nen-nen, Anreizsysteme für den Anbau von Energiepflanzen wie Palmöl und Mais für die Biokraftstoffproduktion, die in Konkurrenz zum Nahrungsmittelzugang stehen, Se-quenzierung von Genen oder Verfahren zum Genome Editing (Thrän, 2020, S. 8).

Exemplarisch spiegelt sich in diesem Thema der gesellschaftliche Diskurs um Chancen, Risiken, individuelle Bewertung von Vor- oder Nachteilen der Erforschung, experimenteller und serieller Anwendung von Wissenschaftsergebnissen wider. Die-ser Diskurs ist angesichts der Interdependenzen, des systemischen Charakters, der Multidisziplinarität und der immanenten Informationsasymmetrien im oben definier-ten Sinne der drei Dimensionen als komplex zu beschreiben. Wesentlicher Ansatz-punkt, um dieses Technologie- oder Wissenschaftsfeld für einen gesellschaftlichen Diskurs handhabbar zu machen, ist, die Komplexität des Themas zu reduzieren, aber gleichzeitig die Kontingenz über das Offenlegen der Konfliktfelder und der Felder wissenschaftlicher Unsicherheit nicht zu überdecken. Das erfordert, Betroffene zu identifizieren, Positionen zu Problemen herauszuarbeiten und damit Handlungs-optionen zum Diskurs zur Verfügung zu stellen. Dieser Ansatz betont durch den Fokus auf die Entscheidungsförmigkeit die Kontingenz. Durch die Betonung der sub-jektiven Betroffenheit reduziert dieser Ansatz gleichzeitig die Komplexität des jewei-ligen Technologiefeldes.

Bioökonomie wurde, ob der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, für das Jahr 2020 als Thema für die regelmäßig vom BMBF definierten „Wissen-schaftsjahre“ ausgewählt.9 In dem jeweils durchgeführten Ideenwettbewerb wurde das

9 Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Bearbeitung für das Jahr 2021 verlängert.

180 Community Based Learning: Zwischen Kontingenztransparenz und Komplexitätsreduktion

Projekt „Bioökonomie für Schülermedien“ im Auftrag des BMBF von Wissenschaft im Dialog ausgewählt und erhält für die Umsetzung der Projektidee Fördermittel.

5.2 Projektbeschreibung: Entstehung und Maßnahmen

In dem von „Wissenschaft im Dialog“ und BMBF geförderten Pilotprojekt entwickeln Studierende des Bachelorstudiengangs Technikjournalismus/Technik-PR der TH Nürnberg ein (Trainings-)Programm für Redaktionen von Schülerzeitungen und -radio an weiterführenden Schulen. Im Rahmen des Programms werden die Schü-ler:innen angeleitet das Technologie- und Wissenschaftsthema „Bioökonomie“ jour-nalistisch zu bearbeiten und ihren Mitschüler:innen zu vermitteln. Basis ist der von Studierenden redaktionell eigenverantwortlich betreute Blog www.befootec.de.10 Die Chefredaktion besteht aus zwei oder drei Studierenden höherer Fachsemester des Bachelorstudiengangs Technikjournalismus/Technik-PR, die auch als CvD „Chef vom Dienst“ fungieren und den redaktionellen Ablauf organisieren und verantworten. Zur Redaktion gehören weitere Studierende unterschiedlicher Fachsemester. In einer Re-daktionskonferenz im Dezember 2019 wurde die Konzeption des Projekts erarbeitet und die Bewerbungsunterlagen beim BMBF Wissenschaftsjahr eingereicht.

Definiertes Ziel des Projektes ist, MINT-Themen für die redaktionelle Bericht-erstattung von Schüler:innenmedien nutzbar zu machen und den Redakteur:innen in den weiterführenden Schulen themenzentriert redaktionelle Fertigkeiten zur Recher-che wissenschaftliRecher-cher Ergebnisse, Fact-Checking, Transformation in journalistisRecher-che Darstellungsformen und Moderation von Rezipientenmeinungen zu vermitteln. Ein Element ist die Vermittlung journalistischer Grundlagen zu Recherche, Text, Bild, Audio und Video oder rechtlicher Aspekte. Das zweite Element ist das Aufzeigen von thematischen Ansatzpunkten über das Thema „Bioökonomie“. Die Konzeption sieht vor, dass Studierende mit den Schülerredakteur:innen in Workshopformaten die Grundlagen erarbeiten und dann als Tutor:innen die redaktionelle Arbeit begleiten.

Dieser Ansatz folgt dem oben abgebildeten Vorgehen. Technologien, Technologie-felder werden auf konkrete Problemstellungen analysiert und Betroffenheiten heraus-gearbeitet, um Themen für Schüler:innen anschlussfähig zu machen.

Das erfordert von den Studierenden der befootec-Redaktion einerseits, die Kon-tingenz von einem sich ständig weiterentwickelnden Forschungsgebiet „Bioökono-mie“ für sich zu erarbeiten und transparent zu machen, und andererseits, die jeweils aktuellen Ergebnisse in ihrer Komplexität so zu reduzieren, dass sie kommunikabel werden und für einen breiteren, außerfachwissenschaftlichen Diskurs geeignet sind.

Hier werden die Konzepte von Research-Based-Learning angewandt. Als Technik-kommunikator:innen müssen die Studierenden die Komplexität des Diskursfeldes

„Bioökonomie“ reduzieren und nach dem Kriterium von Betroffenheit und Auswir-kungen aufbereiten. Gleichzeitig setzt das den Kontakt und Dialog mit Wissenschaft-ler:innen und Forschungs- sowie Verwaltungs- und Gesellschaftsinstitutionen voraus.

10 Das Blog-Projekt befootec dient seit mehreren Jahren als themenzentrierte redaktionelle Plattform für Studierende, die Themen rund um Beverage, Food und Technology recherchieren, selektieren und publizieren. Das Projekt war im Wettbe-werb „Blogger des Jahres 2018“ nominiert. https://www.th-nuernberg.de/de/news/befootec-strebt-nach-hoeherem/ [letz-ter Zugriff: 28.01.2021]

Volker M. Banholzer 181

Die zweite Stufe von Reduktion von Komplexität betrifft die Umsetzung in für Schüler:innenmedien verarbeitbare und für das MINT-Curriculum weiterführender Schulen anschlussfähige Themen. Hier nutzen die Studierenden in der Pilotphase die Kontakte zu ehemals eigenen Schulen. In diesen Prozess konnte ein Ergebnis eines Wahlfaches aus dem Sommersemester 2018 einfließen, in dem in einem Design-Thinking-Prozess die Kooperation des Studiengangs mit Schüler:innenmedien in der Region modelliert und Anspruchsprofile erarbeitet wurden. Für die Vermittlung von journalistischem Arbeiten sowie als Wissensspeicher wurde eine Lernplattform kon-zipiert und in Kooperation mit anderen Studierenden programmiert und als Sub-domain von befootec.de integriert. Die Arbeiten im Research-Based-Learning und Ser-vice-Learning werden fortlaufend evaluiert und begleitet. Zur Betreuung stehen drei Lehrpersonen mit den unterschiedlichen Schwerpunkten Koordinierung und Konzep-tion, redaktionelle Belange sowie Webkonzeption und -programmierung zur Verfügung.

5.3 Didaktische Modellierung

Bei Research-Based-Learning und Service-Learning sollte darauf geachtet werden, dass die Komplexität für teilnehmende Studierende mit Blick auf die Angemessenheit der gestellten Anforderungen und der bereitgestellten Unterstützung dem individuell differenzierten Leistungshorizont entspricht (Marohn et al., 2020, S. 14). Die Unter-stützung seitens des Studiengangs wurde durch themenzentrierte und organisatori-sche Begleitung ausgestaltet.

Für die Projektabwicklung stehen Hilfen des BMBF-Partners Wissenschaft im Dia-log bereit, die die Studierenden in Konferenzen und Workshops im Projektmanage-ment unterstützen. Für das Research-Based-Learning erfahren die Studierenden wissenschaftliche Begleitung durch den Studiengang und die Ressourcen der Hoch-schule. Das analytische Erarbeiten von Technologiefeldern einschließlich der Akteurs-konstellationen, Diskurse und Entwicklungspfade wurde gezielt für Bioökonomie umgesetzt. Die thematische Aufbereitung für die Adressaten Schüler:innenmedien steht als nächster Projektschritt an. Der Teil des Service-Learning kann auf die Ergeb-nisse des Design-Thinking-Ansatz zurückgreifen, der in dem benannten Zielgrup-pen-Wahlfach angewendet wurde. Die ersten Ansätze aus dem Projekt wurden zudem in einer Bachelorarbeit mit Leitfadeninterviews evaluiert und die Ergebnisse zur Ver-besserung in das Projekt zurückgespiegelt.

Vom Projekt unabhängig war die Aufgabe einer redaktionellen Lehrveranstal-tung im 3. Fachsemester, journalistische Berichte, Online-Feature und Interviews zum Themenbereich „Bioökonomie“ zu erstellen. Diese stehen dann zur Publikation auf befootec.de zur Verfügung und können als Good Practice für die Workshops bei den Schülerredakteur:innen herangezogen werden. Ein wesentliches Hilfsmittel, um auch sowohl die thematische, aber auch die journalistisch-handwerkliche Komplexität für die Schülerredakteur:innen individuell aussteuern zu können, stellt die von den Studierenden konzipierte Lernplattform dar, deren Grundlage ebenso im Design-Thinking-Prozess erarbeitet wurde. Die didaktische Aufbereitung der Materialien so-wie die Erreichbarkeit, aber auch die Wiederverwendbarkeit als Nachschlageplattform 182 Community Based Learning: Zwischen Kontingenztransparenz und Komplexitätsreduktion

sind Punkte, die mit Pilotschulen evaluiert werden. Die Studierenden haben für diese Plattform Videotutorials gedreht, die ihren eigenen journalistischen Themenkompe-tenzen entsprochen haben.

Im Dokument GERALD MOLL JULIA SCHÜTZ (HG.) (Seite 181-184)