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Weinbau und Weinausschank

IV. Inhaltliche Aspekte

IV.5. Weitere Ordnungen

IV.5.2. Weinbau und Weinausschank

Ein immer wiederkehrendes Thema in den Ordnungen des HWOB ist der Wein.

Doch nicht nur der übermäßige Genuss desselben durch die Handwerksgesellen1171, son-dern auch der Weinbau selbst und der Ausschank des Getränks spielen in den im HWOB enthaltenen Texten oftmals eine Rolle.

Der Weinbau hatte einen wichtigen Platz in der Wiener Wirtschaft, zahlreiche Bürger waren Weingartenbesitzer1172. Die Weingärten lagen außerhalb der Stadtmauer, zum ei-nen in der Vorstadtzone, zum anderen aber auch komplett außerhalb des Burgfriedens1173. Die Bewirtschaftung der Weingärten legten viele Bürger in die Hand von eigens dafür angestellten Fachkräften, sogenannten Weinzierln. Der Weinzierl hatte gegenüber den Weingartenbearbeitern (oftmals „Hauerknechte“ genannt)1174 eine übergeordnete Po-sition inne und konnte diese die Weingartenarbeiten verrichtenden Taglöhner an soge-nannten Mietstätten (mietstat), die sich vor den Stadttoren oder in den Vororten befan-den, anstellen. Er musste jedoch auch selbst im Weingarten anwesend sein und fungierte als eine Art Vorarbeiter1175.

Neben zahlreichen landesfürstlichen Verfügungen zum Wiener Weinbau, auf die hier nicht näher eingegangen wird1176, existiert auch eine im HWOB überlieferte diesbezügli-che Ordnung, die – geht man nach der Parallelüberlieferung im Eisenbuch – auf den Rat zurückgeht1177. In dieser werden detailliert Fragen wie die Anwerbung, die Entlohnung und die Arbeitszeit der Arbeitskräfte geklärt, aber auch Bestimmungen zum Schutz der Ernte und der Weingärten im Allgemeinen getroffen. Als Voraussetzung für die Bebauung des Weingartens wird in dieser Ordnung Hausbesitz angegeben, es darf jedoch niemand mehr als vier Joch bebauen1178. Die Weinzierl bekommen einerseits einen Vorlohn in der Höhe von einem halben Pfund Pfennige pro Joch1179 und dürfen andererseits nur so viel verdienen, wie die anderen Weingartenarbeiter auch; offenbar ist die übliche

Zahlungs-angebotenen Fleisches stand an oberster Stelle der Agenden der Fleischbeschauer. Auch im Eid wird nochmals betont, dass der Verkauf des Fleisches nach dem Gewicht (nach der wag) stattfinden solle. Zum Eid siehe auch oben S. 156.

1170 Vgl. dazu auch Uhlirz, Gewerbe 698; Stolz, Nahrungs- und Genußmittelpolitik 13.

1171 Siehe oben S. 116.

1172 Siehe dazu oben S. 17, und vgl. auch die Tabelle der Wiener Weinproduktion im 15. und beginnen-den 16. Jh. bei Stolz, Nahrungs- und Genußmittelpolitik 23. Vgl. zu beginnen-den produzierten und sowohl in Wien verkauften als auch zur Ausfuhr bestimmten Mengen Wein auch Perger, Rahmen 225.

1173 Brunner, Finanzen 214; Perger, Weinbau 210.

1174 Zu deren sozialen Position siehe Feldbauer, Lohnarbeit bes. 235–239; Landsteiner, Bürger 221–

223.

1175 Landsteiner, Bürger 218; Perger, Weinbau 212. Vgl. dazu auch Nr. 229 Art. 4.

1176 Für einen Überblick zu diesen siehe Stolz, Nahrungs- und Genußmittelpolitik 24f.; Landsteiner, Bürger 223–229; speziell zu den Maßnahmen Herzog Albrechts V. (bzw. als König: Albrecht II.) vgl. Seidl, Wein 170–173.

1177 Siehe Nr. 229. Im HWOB ist kein Aussteller der Ordnung genannt, während es im EB fol. 86v in der Überschrift heißt: Die hernach geschriben zedel hat der rat gemacht und lautt auch ùber das weingartpaw.

1178 Siehe Nr. 229 Art. 1.

1179 Siehe Nr. 229 Art. 2; vgl. Landsteiner, Bürger 218, 225.

form die des Taglohns1180. Angeworben werden die Taglöhner wie gesagt in Mietstätten, die vor jedem Stadttor eingerichtet werden sollen, wobei sich an jedem der Anwerbeplätze vier geschworene Männer aufhalten müssen, die den Lohn festsetzen, um Lohngleich-heit zu garantieren1181. Die Arbeitszeit der Weingartenarbeiter soll von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang dauern, sie sollten den ganzen Tag im Weingarten verbringen1182. Dem Schutz der Weinernte dienen mehrere Maßnahmen: Zum einen werden Weinhüter an-gestellt, die niemandem Weintrauben überlassen dürfen, außer derjenige kann sich mit dem Zeichen des Weingartenbesitzers kenntlich machen1183. Zum anderen ist es verboten, vor dem Ägidiustag (1. September) Weintrauben zu ernten, erst danach dürfen sie am Hohen Markt verkauft werden1184. Sobald der Wein geraitelt hat, also entweder im Zuge des Reifungsprozesses einen erkennbaren Beschlag auf den Trauben bekommen1185 oder – eine andere, unwahrscheinlichere Deutung – „spirale Windungen getrieben“1186 hat, ist das grasen, das Jäten im Weingarten, verboten, wohl um das unabsichtliche Abbrechen der Weintrauben zu verhindern1187. Auch das Leskornen, also das Aufklauben der Trauben durch Personen, die nicht im Weingarten angestellt sind, wird vor, während und nach der Ernte untersagt1188. In demselben Zeitraum ist es auch nicht erlaubt, Vieh durch den Weingarten zu führen, und zwar von des grossen schaden wegen, der davon bekumbt1189. Als zusätzliches Sicherheitsorgan sind im Weingarten sogenannte Überreiter angestellt, die vor allem für die Kontrolle der Weinhüter zuständig sind1190.

Die Besitzer der Weingärten hatten das Recht, den aus der Verarbeitung der gelesenen Trauben entstandenen Wein in ihren eigenen Häusern auszuschenken. Oftmals vertraute man diesen Ausschank jedoch sogenannten Weinmeistern an, die in das Haus des auf-traggebenden Bürgers kamen und dort mitsamt ihren Helfern Gäste bewirteten1191. Im HWOB ist von dieser Institution erstmals durch ein im Jahr 1403 vom Inneren und Äußeren Rat der Stadt Wien auf Anlangen der Gemein erlassenes Verbot zu hören;

dem-1180 Siehe Nr. 229 Art. 4.

1181 Siehe Nr. 229 Art. 3. Diese Vierer müssen dem Rat einen Eid schwören, wie ein späterer Artikel festlegt, vgl. ebd. Art. 17; Feldbauer, Lohnarbeit 237.

1182 Siehe Nr. 229 Art. 6.

1183 Siehe Nr. 229 Art. 11.

1184 Siehe Nr. 229 Art. 7.

1185 Weisthümer NÖ 4, ed. Winter 698. Nach freundlicher Auskunft von Erich Landsteiner (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien) ist diese Deutung wahrscheinlicher.

1186 Schuster, Rechtsleben 484.

1187 Siehe Nr. 229 Art. 13.

1188 Siehe Nr. 229 Art. 12.

1189 Siehe Nr. 229 Art. 16.

1190 Siehe Nr. 229 Art. 11; vgl. auch den Eid der Überreiter: Nr. 7. Zu den Überreitern allgemein siehe Brunner, Finanzen 215.

1191 Zur Tätigkeit der Weinmeister vgl. allgemein Perger, Weinbau 214; Opll, Leben 2 457. Uhlirz, Gewerbe 707, und Stolz, Nahrungs- und Genußmittelpolitik 26, setzen die Funktionen von Weinkostern und Weinmeistern gleich und sehen in den divergierenden Bezeichnungen keine Bedeutung. Ein Weinkoster dürfte jedoch – geht man nach der frühesten im HWOB enthaltenen Ordnung für diese Berufsgruppe von 1379 – pri-mär für die Vermittlung des Weinhandels zwischen Käufer und Verkäufer und für die Prüfung des angebotenen Weins zuständig gewesen sein, vgl. Nr. 73 bes. Art. 4–6. Siehe auch ebd. Art. 2, in dem dem Weinkoster explizit die Bewirtung von Gästen verboten wird: Item es sol auch kain weinkoster nicht gastgeb sein. Es sol auch kain wein-kostèr kainen gast zu haus piten. Die Weinkoster werden auch öfters in einem Atemzug mit den Unterkäufeln, die ebenso als Zwischenhändler fungierten, genannt, vgl. Nr. 74–76. Zu den Weinkostern – im Unterschied zu den Weinmeistern – siehe auch Tschulk, Weinbau im alten Wien 8.

nach sollte von nun an jeder selbst in seinem eigenen Haus ausschenken dürfen1192. Das Verbot dürfte sich jedenfalls nicht durchgesetzt haben, denn schon für das Jahr 1429 ist eine ausführlichere Ordnung der Weinmeister erhalten1193. In dieser werden unter ande-rem eine Eidesleistung (Art. 1) und der Lohn derselben pro verkauftem Fuder mit einem Pfund Pfennige festgelegt (Art. 2), ein Verbot des Spielens nach Auslöschen des Lichts aus-gesprochen (Art. 5) und auch einige ihrer Hilfskräfte genannt, die sie offenbar in das Haus des Bürgers, in dem sie die Ausschank durchführen, mitnehmen, nämlich Brotschneider und Köche (Art. 2). Auch in den folgenden Jahren lässt sich die Tätigkeit der Weinmeister nachweisen: Im Jahr 1434 wird ihnen vorgeschrieben, nur Eigenbauwein aus den von ih-nen besesseih-nen Weingärten zum Frühstück auszuschenken1194. Doch schon 1441 folgt das nächste Verbot1195. Jeder Bürger soll von nun an selbst in seinen Häusern ausschenken (Art.

1), auf Weinmeister verzichten und das Personal wie Köche oder Weinträger selbst bezahlen (Art. 2). Die bisherigen Weinmeister dürfen auch Gäste mit Wein bewirten, allerdings aus-drücklich nur mit Eigenbauwein (Art. 3). Spätestens 1446 finden sich die Weinmeister aber erneut in Amt und Würden, wie eine Ordnung aus demselben Jahr nahelegt1196. Unter an-derem erfolgt hier die Festsetzung ihres Lohns auf sechs Schilling Pfennige pro verkauftem Fuder, also eine etwas niedrigere Ansetzung wie in der Ordnung von 1429 (Art. 1).

Im Jahr 1450 ist schließlich von der Einigung bezüglich der lange strittigen Früh-stücksfrage zu lesen: Die Wiener Bürger dürfen von nun an zum Frühstück mit oder ohne Weinmeister und -träger ausschenken1197. In derselben Ordnung werden auch zwölf Weinmeister – wobei zwei davon von anderer, aber zeitgleicher Hand eingetragen wur-den – und 13 Weinträger namentlich genannt. Mit Ende der 1450er Jahre dürfte jedoch wieder eine Welle der Begrenzung des Weinmeisteramts eingesetzt haben. Mit der Ord-nung von 14591198 wird die Zahl der Weinmeister auf acht heruntergesetzt, wobei zwei für jedes Stadtviertel1199 zuständig sind und quatemberweise wechseln müssen (Art. 1).

Ihnen wird vorgeschrieben, das am Tag eingenommene Geld verschlossen im Haus des auftraggebenden Bürgers zu lassen (Art. 3); überhaupt sollen sie bzw. auch ihre Helfer jede Unordnung im Haus unterlassen (Art. 11). Einem Bürger ist es aber auch gestattet, auf die klain mass zu schenken, ohne einen Weinmeister in seinen Dienst zu stellen; die einzige Voraussetzung ist jedoch, dass er sonst keine hausfremden Leute anstellt, sondern nur seine bereits vorhandenen gedingt knechtt (Art. 5). Die Strafe für die Nichtbefolgung der Bestimmungen wird mit der Absetzung vom Weinmeisteramt für die Dauer eines Jahres festgelegt (Art. 12). 1461 wird die Tätigkeit der Weinmeister erneut verboten1200. Damit enden die im HWOB enthaltenen Nachrichten über die Weinmeister, das Amt selbst kann jedoch noch – trotz zahlreicher Verbote – bis in die Frühe Neuzeit verfolgt werden, bis es schließlich abkam1201.

1192 Siehe Nr. 183 Art. 1.

1193 Siehe Nr. 184.

1194 Siehe Nr. 185; Uhlirz, Gewerbe 708.

1195 Siehe Nr. 186.

1196 Siehe Nr. 187.

1197 Siehe Nr. 188 Art. 1; Uhlirz, Gewerbe 709.

1198 Siehe Nr. 285; Feil, Beiträge 267; Uhlirz, Gewerbe 709; Perger, Weinbau 214.

1199 Zu diesen siehe ausführlich unten S. 170.

1200 Siehe Nr. 286 Art. 1.

1201 Perger, Weinbau 214, schreibt ohne Quellenangabe von einem Verbot aus dem Jahre 1621, von dem jedoch Thiel, Gewerbe 500, nichts weiß, sondern nur von einem allmählichen Abkommen der Weinmeis-ter am Beginn der Frühen Neuzeit spricht.

Eine andere Möglichkeit des Ausschanks bestand für Wiener Bürger darin, einem Leitgeben den Eigenbauwein in Kommission zu geben. Dieser bewirtete die Gäste dann nicht im Haus des Bürgers, der ihm den Wein überlassen hatte, sondern in einem eigenen Lokal1202. In der oben bereits angesprochenen Ordnung des Weinausschanks von 14591203 werden diese Leitgeben auch mehrmals erwähnt. Es ist von einem Eid die Rede, in dem die Leitgeben vor dem Rat schwören müssen, demjenigen, der ihnen den Wein übergeben habe, das eingenommene Geld ohne irgendwelche Betrügereien zu überlassen (Art. 9).

Ein Eid der Leitgeben ist ebenso im HWOB enthalten, doch wurde dieser wohl erst im späten 15. Jahrhundert in die Handschrift eingetragen1204. Die Ordnung führt weiter aus, dass die Leitgeben der Bitte des Weinausschanks durch einen Bürger unbedingt Folge leisten müssen, da bei Ungehorsam eine Strafe von einem Pfund Pfennige droht (Art. 10).

Als sichtbares Zeichen dieses Ausschanks soll nur Tannenreisig verwendet werden (Art.

16).Auch ein anderes Organ der Ausschankorganisation in Wien trug ein grünes, weithin sichtbares Zeichen bei sich: der Weinrufer. Laut der Ordnung von 14591205 soll dieser ein laub in den Händen tragen, während er seiner Tätigkeit – der öffentlichen Ankündi-gung des zum Ausschank freigegebenen Weins – nachgeht. Von diesem Laub ist zwar im ebenfalls im HWOB überlieferten Eid des Weinrufers1206 nichts zu lesen, jedoch wird von diesem hier – wie auch in anderen Amtseiden1207 – absolute Gleichbehandlung während der Ausführung des Amtes eingefordert.

Dass es in den Gegenden der Stadt, in denen vermehrt der Ausschank von Wein er-folgte, nicht immer ganz sittlich zuging, das lässt bereits das oben behandelte Verbot der Weinmeister aus dem Jahr 1403 vermuten1208. Der Innere und der Äußere Rat handeln hier auf Ansuchen der Bürgergemeinde hin. In einer Bittschrift an den Rat wird beklagt, dass die Bürgerhäuser, in denen der Weinausschank stattfindet, zu Frauenhäusern ver-kommen und Zuhälter, Kuppler sowie Spieler sich dort herumtreiben würden1209. Im Frauenfleck vor dem Widmertor, einer Gegend vor den Mauern der Stadt, in der es zu-mindest zwei Frauenhäuser gab1210, wird im Jahr 1482 der Ausschank von Wein und Most in Privathäusern und Läden verboten und lediglich in öffentlichen Gasthäusern (leuthew-sern) erlaubt. An diesen beiden Fällen ist – ebenso wie im Falle des Umgangs der Gesellen mit Prostituierten1211 – gut zu sehen, dass die städtische Obrigkeit darauf bedacht war, sittliche Missstände vor allem in Bezug auf Frauenhäuser und deren Gäste zu unterbin-den.

1202 Stolz, Nahrungs- und Genußmittelpolitik 25; Perger, Weinbau 215.

1203 Siehe Nr. 285.

1204 Siehe Nr. 43.

1205 Siehe Nr. 285 Art. 18.

1206 Siehe Nr. 270.

1207 Zu diesen siehe auch oben S. 154–156.

1208 Siehe oben S. 166.

1209 Siehe Nr. 183. Die Bittschrift ist an die eigentliche Ordnung angehängt. Vgl. dazu auch Schrank, Prostitution 1 90; Opll, Leben 2 457.

1210 Siehe dazu auch oben S. 117 Anm. 764.

1211 Siehe oben S. 117f.

IV.5.3. Sicherheit und Zusammenleben: Vorstadt-, Tor- und Mauerbewachung,