• Keine Ergebnisse gefunden

Arbeitszeit und Entlohnung der Gesellen

IV. Inhaltliche Aspekte

IV.2. Gesellen und Gesellenschaften

IV.2.4. Die arbeitsbezogenen Bestimmungen

IV.2.4.2. Arbeitszeit und Entlohnung der Gesellen

Wie bereits weiter oben besprochen614, war das richtige Maß von Arbeits- und Freizeit eines der Hauptanliegen der in das frühe 15. Jahrhundert zurückreichenden Gesellenbe-wegungen in Wien. Die Frage des „Feierns“ unter der Arbeitswoche und der Einhaltung des „guten“ oder „blauen“ Montags soll deswegen an dieser Stelle nur mehr gestreift und weiter in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und noch in das 16. Jahrhundert hinein verfolgt werden615.

Grundsätzlich kann von einem relativ langen Arbeitstag ausgegangen werden, wie vereinzelt überlieferte Angaben des Arbeitsbeginns und -endes schließen lassen. Die Ordnung der Steinmetze und Maurer zeigt, dass die Gesellen am Morgen und nach den Pausen wieder rechtzeitig am Arbeitsplatz sein sollen, jedoch abends auch rechtzeitig ent-lassen werden müssen616. Die Arbeitszeiten sollten im Idealfall also genau eingehalten werden. Bei den Hafnern findet sich 1489 erstmals eine genaue Angabe zu Beginn und Ende des Arbeitstages: Jeder Geselle muss sowohl im Winter als auch im Sommer zur preimzeyt, also um sechs Uhr früh, mit seiner Tätigkeit beginnen und darf diese erst um sibne zu abnt beenden, was eine Bruttoarbeitszeit von dreizehn Stunden ergibt617. Im Ge-gensatz zu den Hafnern dürften beispielsweise die Sporer (1444) einen Unterschied zwi-schen der Winter- und Sommerarbeit gemacht haben, da in der betreffenden Ordnung ausdrücklich ein Lohnzuschlag für diejenigen Gesellen erwähnt wird, die im September (vir wochen vor sant Michelstag) früh aufstehen und bei Kerzenlicht (bey dem liecht) arbei-ten618. Bei den Schneidern wird 1419 bestimmt, dass die Herstellung von Schoßwerk, also des Eigenverdienstes der Gesellen, in den Nächten vor gewissen Feiertagen wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten nicht gestattet sei619. Es scheint also in diesem Handwerk durchaus üblich gewesen zu sein, nächtens seine Arbeit – oder zumindest das Schoß-werk − zu verrichten. Weitere Hinweise auf die Arbeitszeit der Gesellen lassen sich im HWOB nicht finden, jedoch kann allgemein – wie die Analyse weiterer, teilweise in die Frühe Neuzeit reichender Angaben zeigt620 – von einer durchschnittlichen Arbeitsdauer von dreizehn bis sogar fünfzehn Stunden am Tag ausgegangen werden, reduziert durch bis zu drei Pausen (Frühstück, Mittagessen, Jause)621.

613 Zatschek, Handwerk 201f.

614 Siehe S. 84−89. Vgl. auch grundlegend zu Arbeitszeitregelungen: Bräuer, Herren passim; Wulf, Arbeit passim; Fouquet, Zeit passim; Reith, Arbeitszeit passim.

615 Siehe unten S. 102.

616 Siehe Nr. 206 Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 73.

617 Siehe Nr. 309 Art. 21; Uhlirz, Gewerbe 633; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 73;

Zatschek, Handwerk 185.

618 Siehe Nr. 245b Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 74; zur Lichtarbeit, die auch ein langes Arbeiten in die Nacht hinein bedeuten konnte, siehe allgemein Reith, Arbeitszeit 44–47.

619 Siehe Nr. 78 Art. 3; Uhlirz, Gewerbe 633; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 74; oben S. 86.

620 Zatschek, Handwerk 185f.

621 Dirlmeier, Untersuchungen 134, gibt ähnliche tägliche Arbeitszeiten für Basler und Münchner

Bei der Entlohnung der Gesellen kann prinzipiell zwischen drei verschiedenen Vari-anten unterschieden werden: Stücklohn, Zeitlohn und Beteiligung am Gewinn der Werk-statt622. Oftmals müssen jedoch Kost und Logis ebenso mitbedacht werden, wenn man auf den vollen Lohnumfang der Gesellen zu sprechen kommen soll623. Der Stücklohn findet sich im 15. Jahrhundert nur vereinzelt in den Ordnungen des HWOB. Vergleichs-weise früh dürfte er bei den Schlossern üblich gewesen sein, doch wird er im Jahr 1444 verboten: Die Meister sollen ihre Gesellen nur mehr in der Form des Wochenlohns ent-lohnen, jedoch kann die Höhe des Lohns auch vom Können des Bediensteten abhängig sein624. Bei den Hafnern wird 1489 die Zahlung von 24 Pfennigen für das Setzen eines Ofens festgelegt, gleichzeitig erfolgt aber wiederum eine Abstufung nach Fähigkeit des Gesellen; für das Ersetzen einer Kachel eines Ofens gibt es einen Pfennig625. Der vom Meister gereichte Wein kann durch 18 Pfennige ersetzt werden, sollte der Geselle ihn nicht trinken wollen oder er für den Meister im Einkauf zu teuer sein626. Bei den Kotzen-machern ist der Stücklohn im Jahre 1496 offenbar ebenfalls üblich627.

Die am häufigsten in den Ordnungen des HWOB erwähnte Lohnform ist der Zeit-lohn. Wie bereits oben erwähnt, gingen die Schlosser 1444 von Stück- auf Wochenlohn über. Hollnsteiner nimmt an, dass der Stücklohn eine nicht zu unterschätzende Quelle für Gesellenunruhen darstellte, mussten die Bediensteten doch von einem eher unregel-mäßigen Einkommen leben, da sich dieses nach der Auftragslage der Werkstatt richtete.

Es ist deswegen nicht unbedingt überraschend, wenn der Wiener Rat bemüht war, den Zeitlohn gegenüber dem Stücklohn weitgehend durchzusetzen628.

Bei den Maurern und Zimmerleuten ist bereits 1412 der Zeitlohn üblich, jedoch wird hier noch nicht zwischen Meistern und Gesellen unterschieden: Vom 22. Februar bis 16.

Oktober sollen als Taglohn ohne Kost (derr) 20 Pfennige und mit Kost zwölf Pfennige bezahlt werden, vom 16. Oktober bis 22. Februar erhalten die Handwerker 14 Pfennige ohne und acht Pfennige mit Kost629. Die gerade im Maurerhandwerk nicht unbedeu-tende Unterscheidung zwischen Sommerlöhnen und Winterlöhnen kann also in dieser Ordnung gut nachvollzogen werden630. Bei den Messerern taucht 1439 erstmals die

Zah-Handwerker an, bei den Konstanzer Bauarbeitern geht er von täglich 14 Bruttoarbeitsstunden im Sommer (hier 22. März bis 16. Oktober) aus, abzüglich der Pausen ergeben sich elf Stunden. Bei den Nürnberger Maurern rechnet er mit maximal 16 Stunden im Juni und minimal acht Stunden im Dezember. Vgl. dazu auch Bräuer, Herren 82f.; Reith, Lohn 327f.; ders., Arbeitszeit 47f.; Gruber, Raittung 73.

622 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 64; Reith, Arbeit 226.

623 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 71f.

624 Siehe Nr. 107; Uhlirz, Gewerbe 655, 661; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 65;

Reith, Arbeit 226.

625 Siehe Nr. 309 Art. 14, 15.

626 Siehe Nr. 309 Art. 23.

627 Siehe Nr. 313 Art. 3; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 65; Reith, Arbeit 226.

628 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 66; andererseits verringerte sich durch den Stück-lohn das hohe Konfliktpotential in Bezug auf die Arbeitszeit, vgl. Reith, Arbeitszeit 59–62.

629 Siehe Nr. 204; vgl. dazu Zatschek, Handwerk 192f., der auch auf die weitere, nicht mehr im HWOB überlieferte Entwicklung der Löhne bei den Maurern eingeht. Bis zur Mitte des 16. Jhs. verdoppelte sich hier die Lohnhöhe.

630 Der höhere Sommerlohn begründet sich zum einen aus der erhöhten Auftragslage in dieser Jah-reszeit und zum anderen aus der höheren täglichen Arbeitsstundenanzahl, da durch die maximale Ausnutzung des Tageslichts mehr Arbeitszeit zur Verfügung stand, siehe Reith, Lohn 103f.; vgl. dazu auch Pribram, Ma-terialien 177–185, 344–350, wo die Lohnausgaben des Wiener Bürgerspitals für Maurer, Zimmerleute und Ziegeldecker zwischen 1440 und 1770 aufgezählt werden. Auch hier wird zwischen höheren Sommer- und

lung eines Wochenlohns auf, jedoch unter präziser Festlegung der zu leistenden Tagwerke;

sollten die Gesellen diese nicht schaffen, dann droht ein Lohnabzug. Der beste Geselle erhält sieben Groschen, bei Nichterreichen des Tagwerks folgt jeweils ein Abzug von zwei Groschen631. 1470 wiederholen sich diese Bestimmungen in ihren Grundzügen, jedoch mit noch feineren Abstufungen: Der beste Geselle, also derjenige, der alle detailliert vor-gegebenen Tagwerke (verschiedene Messerarten) schafft, sollte zu dieser Zeit fünf Gro-schen bekommen; der, der gemaine arbait, also wohl gute, aber keine außergewöhnlichen Werkstücke abliefert, erhält vier Groschen; und der, der noch weniger Messer anfertigen kann, drei Groschen. Derjenige Geselle, der nur zwei Groschen in der Woche bekommt – und folglich wohl qualitativ sehr schlechte Arbeit abliefert –, ist sogar von den Aktivitäten der Gesellenschaft ausgeschlossen. Die Gesellen mit einem Lohn von drei, vier, oder fünf Groschen können sichmit einem weiteren abgelieferten Tagwerk noch ein paar Pfennige dazuverdienen632.

Für die Bäcker sind im HWOB keine genauen Lohnangaben überliefert, das Ver-handlungsprotokoll zwischen den Bäckermeistern und -gesellen von 1443 verrät jedoch, dass die Gesellen 32 Teige in der Woche ohne zueknecht, also einen den Gesellen unter-stellten Hilfsarbeiter, backen müssen, wahrscheinlich um vollen Lohn zu erhalten633. Bei den Hutmachern wird 1453 ebenso ein Wochenlohn festgelegt: Ein Geselle bekommt 42 Pfennige und zusätzlich einen Tischwein, der nicht in Geldform abgelöst werden darf, wie es anscheinend bisher üblich gewesen ist (als si dann untzher haben gephlegen); für zwei Gesellen ist ain halbe wein vorgesehen. Weniger geschickte Bedienstete bekommen ent-sprechend weniger Lohn und Wein634. 1490 versuchen die Hutmachermeister beim Rat eine Festlegung des Tagwerks an Hüten zu erwirken, die städtische Obrigkeit lehnt dieses Vorhaben allerdings ab635. Bei den Gürtlern findet sich 1454 ebenso eine nach Arbeits-leistung abhängige Bestimmung: Von ersten sullen die maister den gesellen den lon geben, ainem yeden nach seiner kunsst und nach dem, als er verdienn, kan und mag636. Die Höhe des Lohns ist jedenfalls nicht schriftlich fixiert. Im Artikel danach folgt weiters das Verbot, den Gesellen statt der Reichung des Tischweins in Geld auszuzahlen637.

Von der dritten Lohnvariante – der Beteiligung des Gesellen am Gewinn des Meisters – sind nur wenige Nachrichten im HWOB enthalten. Die Ordnung der Hafnergesellen von 1489 nimmt darauf ausführlicher Bezug. Ein Geselle, der jegliche Arbeit bewerkstelli-gen kann, erhält vom Pfennwert zwei Pfennige. Gleichzeitig muss ein Geselle jedoch

wö-niedrigeren Winterlöhnen unterschieden. Dieselbe Differenzierung lässt sich in den Rechnungen zum Stadtgra-benbau der oberösterreichischen Stadt Freistadt zwischen 1389 und 1392 finden; hier verdienten die Maurerge-sellen im Sommer (hier Mai bis September) 16 Pfennige, im Winter (hier November bis Februar) 10 Pfennige.

Bemerkenswert ist, dass in den Freistädter Rechnungen der Oktober als Übergangsmonat aufscheint: In diesem Monat erhielten die Maurergesellen 14 Pfennige; vgl. Gruber, Raittung 73f.

631 Siehe Nr. 104 Art. 14; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 67; Reith, Arbeit 227.

632 Siehe Nr. 111 Art. 8; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 67. Friess, Eisenarbeiter 50f., interpretiert die Lohnform der Messerer nicht zutreffend als Stücklohn.

633 Siehe Nr. 255 Art. 3; Uhlirz, Gewerbe 694; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 87.

Dieses Pensum war im Jahre 1527 auch noch üblich, vgl. Westermayer, Beiträge 145.

634 Siehe Nr. 271 Art. 3; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 66; Zatschek, Handwerk 193;

Reith, Arbeit 227.

635 Siehe Nr. 272 Art. 3; Uhlirz, Gewerbe 719. Vgl. auch Westermayer, Beiträge 144, die zeigt, dass in der Hutmacherordnung von 1580 (WStLA, H. A.-Akten 7/1580) die Festsetzung der am Tag zu fertigenden Hüte bereits stattgefunden hat.

636 Siehe Nr. 92 Art. 1.

637 Siehe Nr. 92 Art. 2.

chentlich auch zehn Pfennwert ausmachen, um seinen Lohn zu bekommen, es sei denn, in der Woche sind so viele Feiertage oder der Meister teilt ihn für andere Arbeiten ein, sodass er diesen Wert nicht erreichen kann638. Bei den Leinwebern erhält jeder Geselle im Jahre 1555 von der gesamten Arbeit den dritten Pfennig639.

Bezüglich der Kost enthält beispielweise die Ordnung der Sporer noch weitere interes-sante Bestimmungen. Die Meister sollen den Gesellen vier Mal am Tag Mahlzeiten geben, jedoch mit kleineren Unterschieden zwischen Sommer- und Winterkost. Im Sommer (Ostern bis 29. September) sollen die Gesellen zu Frühstück und Jause (undtarn) zwei Eier bekommen, im Winter (29. September bis Ostern) kann der Meister zum Frühstück zwischen Eiern oder einer Fleischsuppe mit einem Stück Fleisch wählen, für die Jause werden Brot und Käse vorgeschrieben640. Für das den Sporern nahestehende Gewerbe der Zaumstricker werden ähnliche Bestimmungen getroffen: Vier Mal sollen die Meister ihren Gesellen von Ostern bis 29. September zu essen und zu trinken geben, an einem Fasttag jedoch nur dreimal, dafür am Nachmittag ein undtarntrinkchen und abends vor dem Schlafen ein slaftrinkchen641.

Zusätzlich zu diesen Fixlöhnen hatten die Gesellen jedoch auch die Möglichkeit, Trinkgeld zu lukrieren. Die Ordnung der Schwertfeger spricht schon 1401 von der Zah-lung eines Trinkgelds, jedoch ohne sich auf eine genaue Höhe festzulegen642. Bei den Sporern erfolgt die Festsetzung der Arbeitsstücke, für die der Meister einen zusätzlichen Lohn auszahlen muss, im Jahr 1444643. Die Zaumstrickergesellen erhalten laut der Ord-nung von 1452 einen Pfennig Trinkgeld für die Reparatur eines alten, vom Kunden in die Werkstatt gebrachten Zaums, allerdings zahlt der Meister kein Trinkgeld, wenn beispiels-weise ein neu gefertigter Zaum kurz nach seinem Verkauf auf Reklamation des Kunden hin repariert werden muss oder wenn die Reparaturmaßnahmen bei einem alten Zaum nur Kleinigkeiten betreffen, wie einen neuen Heftzügel einzuziehen644. 1495 legt der Rat für die Schustergesellen fest, dass auch das trinkhgelt gehaltn werd, als von alter herkòmen ist, aber ohne Nennung eines genauen Betrags645.

Eine weitere, verbreitete Möglichkeit des Zuverdienstes der Gesellen war das Schoß-werk, also die Produktion von Waren in der Werkstatt des Meisters, die anschließend von den Gesellen selbst verkauft wurden. Über die Schritte des Rats und der Meister gegen den Eigenverdienst der Gesellen wurde weiter oben bereits ausführlich gehandelt646.

Löhne konnten, wie bereits angedeutet, aus verschiedenen Gründen gekürzt werden.

Das fehlende Können eines Gesellen war ein häufig genutzter Anlass für die Meister, um ihren Bediensteten weniger Lohn auszuzahlen. Daneben findet sich als Hauptgrund für

638 Siehe Nr. 309 Art. 14 und 19.

639 Siehe Nr. 72 Art. 1; Zatschek, Handwerk 199; Reith, Lohn 123f.; ders., Arbeit 229.

640 Siehe Nr. 245a Art. 6. Zur Verpflegung der Gesellen kann wohl auch die in derselben Ordnung zu findende Bestimmung gezählt werden, dass die Meister ein wöchentlich zweimaliges Kopfwaschen erlauben sollten: Item sy sullen auch den gesellen zwir in der wochen die haubt twahen lassen; vgl. dazu auch Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 71.

641 Siehe Nr. 117 Art. 6.

642 Siehe Nr. 127.

643 Siehe Nr. 245b.

644 Siehe Nr. 117 Art. 1, 2, 3, 4, und 5. Zur Zahlung von Trinkgeld im Allgemeinen siehe auch Zat-schek, Handwerk 193.

645 Siehe Nr. 312 Art. 4.

646 Siehe oben S. 86.

eine Lohnkürzung auch ein bereits weiter oben647 ausführlich besprochenes Konfliktfeld zwischen dem Meister und seinen Gesellen: das unerlaubte „Feiern“ während der Ar-beitswoche. 1412 wird bei den Messerern bestimmt, dass den Gesellen jeder Tag, den sie unerlaubterweise versäumen, vom Wochenlohn abgezogen wird648. Schon 1421 legt der Rat auf Beschwerde der Zinngießermeister fest, dass einem Gesellen, der unter der Woche feiert, der gesamte Wochenlohn entzogen werden soll649. Der allgemeinen Gesellenord-nung von 1439 nach dürfen Gesellen neuankommende Kollegen nur mehr an arbeits-freien Tagen bewirten; bei unerlaubtem „Feiern“ soll dem Gesellen ebenso der gesamte Wochenlohn entzogen werden650. Diese Maßnahme wird 1470 bei den Messerern noch-mals verschärft: Neben dem Verlust des Wochenlohns muss der Geselle seinem Meister auch noch die Kost, also Verpflegung und Logis, bezahlen651. Eine andere Möglichkeit der Strafe für unerlaubtes Feiern bestand darin, die Gesellen den Rest der Woche nicht mehr arbeiten zu lassen, wobei auch Lohn und Kost für diese Zeit gestrichen wurden. Erstmals ist diese Maßnahme 1419 bei den Schneidern überliefert652. Weiters findet sie sich bei den Gürtlern (1454)653, den Taschnern (1473)654 und den Kürschnern (1489)655.

In der Frage des „blauen Montags“ schließlich sind auch nach den konfliktreichen Zeiten zwischen Meistern und Gesellen von den 1410er bis 1430er Jahren im HWOB einige Verbote zu finden, beispielsweise bei den Hutmachern (1453)656 oder den Hand-schustern (1517, 1518/19)657. In der Leinweberordnung von 1555 wird in Bezug auf den blauen Montag (plaben montag) wahrscheinlich auf die 1552 erlassene Policeyordnung verwiesen658. Generell kann der blaue Montag also bis weit in das 16. Jahrhundert, ja so-gar noch viel später659, als Konfliktpunkt erkannt werden, dessen Bekämpfung mit merk-lich zunehmenden Strafen vorangetrieben wurde.

647 Siehe oben S. 84−89.

648 Siehe Nr. 102 Art. 1.

649 Siehe Nr. 146; Uhlirz, Gewerbe 660; Wacha, Zinngießer 356.

650 Siehe Nr. 244 Art. 2, und oben S. 87f.

651 Vgl. dazu Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 77. So auch 1511 in einer Ordnung Ma-ximilians I. für die Messerer, siehe dazu Zatschek, Handwerk 198.

652 Siehe Nr. 78 Art. 1; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 77; Reininghaus, Gesellengil-den 172.

653 Siehe Nr. 92 Art. 3.

654 Siehe Nr. 93 Art. 8.

655 Siehe Nr. 160 Art. 1.

656 Siehe Nr. 271 Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 76; Zatschek, Handwerk 188.

Als Strafe werden die unerlaubt freigenommenen Tage vom Wochenlohn abgezogen.

657 Siehe Nr. 343 und 345 Art. 4. Der blaue Montag wird hier durchgehend guter montag genannt, die Strafe bei Nichteinhaltung der Bestimmung fällt mit der Zahlung eines Vierdung Wachs relativ hoch aus.

658 Siehe Nr. 72 Art. 2. In der Reichspoliceyordnung von 1548 findet sich im Teil über die Handwerker jedenfalls kein Bezug zum unerlaubten Feiern, siehe dazu Reichspolizeiordnungen, ed. Weber 167–214, bes.

212f. In der Policeyordnung für die Niederösterreichischen Länder von 1552 ist die bereits 1527 erlassene Poli-cey- und Handwerksordnung Ferdinands I. nochmals enthalten, in der in mehreren Kapiteln auf das unerlaubte Feiern an Werktagen eingegangen wird. Siehe zu den Bestimmungen von 1527 Thiel, Handwerkerordnung 53f., und oben S. 37f. Zur Policeyordnung von 1552 vgl. Brauneder, Gehalt bes. 208f.; Pauser, Landesfürst-liche Gesetzgebung 222–224; ders., Policeyordnungen 148–166.

659 Zatschek, Handwerk 185–189, beschreibt die gegen den blauen Montag getroffenen Maßnahmen bis in das 18. Jh. ausführlich. Der Montag als freier Tag dürfte sich in Österreich nur schwer allgemein durch-gesetzt haben, bei den meisten Handwerken stand er unter Verbot. Andererseits können diese Verbote auch auf eine gängige Praxis des blauen Montags hindeuten. Siehe zum blauen Montag auch Wissell, Recht 2 415–434;

Reith, Lohn 335f.